Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
Platons Werke. Dritter Theil. Der Staat
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher

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Fünftes Buch

(449) Gut also nenne ich eine solche Stadt und Verfassung und richtig, und so auch einen solchen Mann; schlecht aber und verfehlt die übrigen, wenn diese richtig ist, sowohl was Anordnung der Staaten als auch was Ausbildung der Gemütsart der Einzelnen anlangt, und zwar in vier verschiedenen Gestalten der Schlechtigkeit zu finden. – In was doch für welchen? sagte er. – Da war ich im Begriff sie der Reihe nach herzuzählen, wie mir deutlich war, daß sie eine aus der andern entständen; Polemarchos aber, denn er saß um ein weniges weiter ab als Adeimantos, streckte seine Hand aus, ergriff dessen Oberkleid oben an der Schulter, und, indem er so jenen zu sich zog und zugleich sich selbst vorstreckte, sagte er ihm einiges ins Ohr, wovon wir nichts weiter hörten, als nur, Sollen wir es nun gut sein lassen, sagte er, oder was sollen wir tun? – Nichts weniger, sprach Adeimantos schon laut redend. – Da fragte ich Was doch eigentlich wollt ihr nicht lassen? – Dich! sprach er, weil ich gesagt hatte, was doch. Du scheinst dirs bequem zu machen, fuhr er fort, und einen ganzen gar nicht kleinen Teil der Rede zu unterschlagen, den du nicht durchgehn willst, und meinst, es soll uns entgehn, daß du so obenhin gesagt hast, wie von Weibern und Kindern schon jedem deutlich sei, daß Freunden alles gemein sein werde. – Habe ich das also nicht richtig gesagt, o Adeimantos? – Ja! sprach er. Allein dieses Richtig so wie das übrige bedarf der Erklärung, welches die Art und Weise der Gemeinschaft sein soll; denn es kann deren gar viele geben. Übergehe also nicht, welche du eigentlich meinst. Denn wir haben schon lange darauf gewartet, in der Meinung du werdest irgendwo der Kindererzeugung erwähnen, wie sie soll betrieben und wie die Erzeugten aufgezogen werden, und dieser gesamten Gemeinschaft, deren du erwähntest, der Weiber und Kinder. Denn wir denken, daß dies gar vieles, ja wohl alles ausmache für den Staat, je nachdem es richtig oder nicht richtig geschieht. Nun du aber schon zu einer andern Verfassung übergehn willst, ehe du dieses hinreichend auseinandergesetzt, haben wir dieses beschlossen, was du gehört hast, dich nicht loszulassen bis du auch dieses alles wie das übrige (450) durchgegangen bist. – Auch von mir, sagte Glaukon, nehmt nur an, daß ich meine Stimme eben dahin abgegeben. – Laß nur, sprach Thrasymachos, und denke immer, daß wir Alle dieser Meinung sind, o Sokrates. – Was habt ihr da angerichtet, sprach ich, daß ihr mich so fest haltet! was für eine Rede regt ihr da wieder auf wie ganz von vorne über die Staatsverfassung, über die ich mich als nun schon abgetan freute! sehr zufrieden, wenn einer dieses, wie es damals gesagt worden ist, annehmen und gut sein lassen wollte; was ihr aber jetzt von mir fordert, ohne zu wissen welchen Schwarm von Reden ihr aufstört, den ich eben voraussehend dieses damals übergehen wollte, damit er uns nicht zuviel Unruhe mache. – Wie doch, sprach Thrasymachos, glaubst du denn, daß diese hieher gekommen sind um Gold zu finden, und nicht um Reden zu hören? – Ja, antwortete ich, aber doch die das Maß halten. – Das Maß, o Sokrates, sprach Glaukon, um solche Reden zu hören ist ja wohl das ganze Leben für Vernünftige. Also, was uns betrifft, das laß nur! du aber laß es dir ja nicht zu viel werden, das wonach wir dich fragen auf jede Weise wie es dir beliebt zu erläutern, welches denn für unsere Hüter die Gemeinschaft der Weiber und Kinder sein soll, und der Pflege in ihrer ersten Kindheit während der Zeit zwischen der Geburt und der eigentlichen Erziehung, welche ja die mühvollste zu sein scheint. Übernimm es also uns zu sagen, wie sie eigentlich soll beschaffen sein. – Das ist nicht leicht, sprach ich, auszuführen, denn es ist gar viel unglaubliches dabei, noch mehr als bei dem vorher ausgeführten. Denn schon daß möglich ist was vorgetragen wird, dürfte bezweifelt werden; aber wenn es auch sein könnte, so wird doch, daß es so am besten ist, nicht geglaubt werden. Daher ist denn bedenklich es anzufassen, damit nicht die Rede nur gar wie ein frommer Wunsch erscheine, lieber Freund. – Nur kein Bedenken! sprach er. Denn weder verstockt noch zweifelsüchtig noch übelwollend sind die Zuhörer. – Da fragte ich, o Bester, sagst du das etwa um mir Mut zu machen? – Freilich, antwortete er. – Du bewirkst aber ganz das Gegenteil, sprach ich. Denn wenn ich mir zutraute das zu wissen, wovon ich rede, so wäre mir diese Zusprache ganz willkommen. Denn unter vernünftigen und lieben Menschen auch über die wichtigsten und liebsten Dinge das wahre was man weiß vortragen, das ist ganz sicher und ohne Gefährde; aber selbst noch ungewiß und suchend zugleich etwas vortragen, wie ich tun soll, das ist bedenklich und unsicher. Nicht etwa, daß man sich nicht lächerlich mache; denn das ist ja nur kindisch! sondern daß ich nicht der Wahrheit verfehlend dann (451) nicht nur selbst liege, sondern auch die Freunde mit mir herunterziehe, und das bei solchen Dingen, wo man am wenigsten sollte fehlgetreten haben. Ich will aber die Adrasteia anflehen, o Glaukon, wegen dessen was ich sagen will. Denn ich achte es für ein geringeres Vergehen, unvorsätzlich jemanden getötet zu haben, als einen verführt in Bezug auf das was schön und gut ist und gerecht und gesetzlich. Eine solche Gefahr also ist besser unter Feinden zu bestehen als Freunden. Also sprichst du mir nicht gut zu. – Da lachte Glaukon und sagte, Aber, o Sokrates, wenn uns etwas unrechtes widerfahren sollte von der Rede: so wollen wir dich lossprechen wie vom Morde, und du sollst rein sein und nicht unser Betrüger. Also sprich nur gutes Mutes! – Wohl denn, sagte ich, rein ist ja auch dort der losgesprochene, wie das Gesetz sagt, wahrscheinlich also wohl wie dort so auch hier. – Rede also, sprach er, was dieses wenigstens betrifft. – So muß ich denn, sagte ich, jetzt von vorne vortragen, was ich vielleicht früher sollte in einer Reihe vorgetragen haben. Denn es wäre wohl ganz richtig gewesen, nachdem das männliche Schauspiel vollständig aufgeführt worden, eben so auch das weibliche aufzuführen, schon sonst zumal aber du so dazu aufforderst.

Denn für Menschen, welche so geboren und erzogen sind, wie wir es beschrieben haben, gibt es meiner Meinung nach keine andere richtige Art zu Weibern und Kindern zu gelangen und mit ihnen umzugehn, als indem sie in der Bahn fortschreiten, welche wir zuerst betreten haben. Wir haben aber doch versucht die Männer als Hüter der Herde in unserer Rede darzustellen? – Ja. – Laß uns also weiter gehn auch bei ihnen die gleiche Erzeugung und Erziehung anwendend, und zusehn ob es so ziemt oder nicht. – Wie doch? fragte er. – So. Die weiblichen Schäferhunde betreffend, sollen wir der Meinung sein sie müßten eben dasselbe mit hüten, was die männlichen hüten, und auch mit jagen und alles andere gemeinsam verrichten? oder lassen wir sie nur drinnen das Haus hüten, als untüchtig wegen des Gebarens und Ernährens der Jungen, und jene allein sich mühen und die Sorge für die Herde allein haben? – Gemeinsam, antwortete er, alles; nur daß wir sie als die schwächeren gebrauchen und jene als die stärkeren. – Ist es nun wohl möglich ein Lebendiges zu demselben zu gebrauchen, wenn du ihm nicht auch dieselbe Erziehung und Unterweisung angedeihen läßt? – Nicht möglich. – Wenn wir also die Weiber zu demselben gebrauchen wollen wie die Männer: so müssen (452) wir sie auch dasselbe lehren? – Ja. – Und jenen haben wir doch Musik und Gymnastik angewiesen? – Ja. – Auch den Weibern müssen wir also diese beiden Künste und die Kriegsübungen zuteilen und eben so mit ihnen verfahren? – Natürlich, dem zufolge was du sagst, antwortete er. – Es wird aber wohl, sprach ich, gar vieles ungewohnte lächerlich erscheinen in dem jetzt behandelten, wenn es ausgeführt worden sein wird, wie es vorgetragen wird. – Gar sehr, antwortete er. – Und welches siehst du wohl als das lächerlichste darunter? Oder offenbar wohl die nackten Weiber, die sich auf den Übungsplätzen unter den Männern üben, und zwar nicht nur die jungen, sondern gar erst die schon älteren, wie ja auch ältere Männer, wenn sie schon runzlich sind und gar nicht mehr erfreulichen Anblicks, doch noch die Übungen lieben? – Beim Zeus! sagte er, lächerlich würde das freilich erscheinen unter den jetzigen Verhältnissen. – Nicht wahr aber, sprach ich, da wir einmal angefangen haben zu reden, dürfen wir auch den Spott der witzigen Leute nicht fürchten, was sie alles sagen könnten auf eine solche Veränderung, wenn sie zu Stande käme in Bezug auf die Gymnasien und die Musik, und nicht am schlechtesten auch auf das Anlegen der Waffen und das Besteigen der Pferde? – Richtig gesprochen! antwortete er. – Also weil wir angefangen haben zu reden, müssen wir auch nach der Rauhigkeit des Gesetzes gehen, wenn wir jene erst gebeten haben, daß sie einmal nicht möchten das ihrige tun, sondern ernsthaft sein, und ihnen in Erinnerung gebracht, daß es noch nicht lange her ist, als auch den Hellenen schimpflich und lächerlich schien, wie auch jetzt noch den meisten unter den Barbaren, daß sich Männer nackt sehen lassen. Und als zuerst bei den Kretern die Leibesübungen aufkamen und hernach bei den Lakedämoniern, konnten die damaligen Witzlinge eben dieses alles auch auf Spott ziehen. Oder meinst du nicht? – Ich freilich. – Seitdem es sich aber, denke ich, durch die Erfahrung als besser bewährt hat sich zu entkleiden als alles dieses zu verhüllen: so ist auch das für den Anblick lächerliche verschwunden vor dem durch Gründe angezeigten besseren; und dieses hat gezeigt, daß derjenige albern ist, der etwas anderes für lächerlich hält als das schlechte, und wenn er Lachen erregen will, nach irgend einer anderen Gestalt des lächerlichen wegen hinsieht als nach der des unverständigen und schlechten, oder der sich um etwas ernsthaft bemüht, dabei aber irgend ein anderes Ziel vor sich hinstellt als das gute. – Auf alle Weise freilich, sagte er. – Müssen wir uns also nicht, in Bezug auf das vorliegende, zuerst darüber verständigen, ob es möglich ist oder nicht, und den Streit gestatten, mag nun ein Scherzlustiger oder ein Ernsthafter streiten wollen, ob die weibliche menschliche Natur im Stande ist sich der des männlichen Geschlechtes zuzugesellen in allen Geschäften, oder in (453) gar keinem, oder in einigen wohl, in anderen aber nicht, und zu welchen von beiden dann die kriegerischen gehören? Würde nicht einer so am besten anfangen, und dann auch wahrscheinlich am besten zu Ende kommen? – Bei weitem, sagte er. – Sollen wir nun, sprach ich, gegen uns selbst für die andern streiten, damit die entgegengesetzte Meinung nicht belagert werde, ohne daß eine Besatzung darin ist? – Nichts, sagte er, hindert ja. – So laß uns denn für sie so sprechen. »O Sokrates und Glaukon, es ist gar nicht nötig, daß Andere gegen euch streiten. Denn ihr selbst habt am Anfang der Gründung eurer Stadt eingestanden, daß nach seiner Natur jeder Einzelne auch nur Ein Geschäft, das ihm eigentümliche verrichten müsse. – Das haben wir eingestanden, denke ich. Denn wie sollten wir nicht? – Unterscheidet sich nun nicht etwa gar sehr das Weib von dem Manne ihrer Natur nach? – Wie sollte sie sich nicht unterscheiden! – Ziemt sich also nicht auch jedem von beiden ein anderes Geschäft aufzulegen, das seiner Natur gemäße? – Wie anders? – Wie solltet ihr also jetzt nicht fehlen, und euch selbst widersprechendes sagen, wenn ihr wiederum behauptet Männer und Weiber müßten dasselbige verrichten, da sie doch eine so sehr von einander verschiedene Natur haben? Wirst du dich hierauf zu verteidigen wissen, du vortrefflicher? – So den Augenblick, sagte er, wohl nicht leicht, aber ich werde dich bitten und bitte dich, nun auch was sich für uns sagen läßt, was es auch immer sei, uns mitzuteilen.« – Das ist es eben, sprach ich, o Glaukon, und vieles dergleichen, was ich lange voraus sah und deshalb Bedenken trug und mich fürchtete mich mit diesem Gesetz zu befassen über die Art Weiber und Kinder zu bekommen und aufzuziehn. – Freilich, sagte er, beim Zeus, leicht scheint es auch nicht zu sein. – Gewiß nicht, fuhr ich fort, aber so steht es. Es mag einer in die kleinste Pfütze fallen oder mitten in das größte Meer, so muß er doch um nichts weniger schwimmen. – Ganz gewiß. – Also müssen wir auch schwimmen, und versuchen uns aus dieser Geschichte zu retten, sei es in Hoffnung daß irgend ein Delphin uns auffangen wird, oder auf irgend eine andere wunderbare Rettung. – So scheint es, sagte er. – So laß uns denn sehen, sprach ich, ob wir irgendwie einen Ausweg finden. Wir haben nämlich doch eingestanden, jede andere Natur müsse auch ein anderes Geschäft treiben, und eine andere sei die Natur des Mannes und des Weibes, und diese verschiedenen Naturen, sagen wir jetzt wieder, sollen einerlei Geschäft treiben, und dies werft ihr uns vor? – Offenbar. – Es ist doch eine herrliche Sache, sprach ich, o Glaukon, um die Kunst des Widerspruchs. – Wie (454) so? – Weil mir, antwortete ich, viele auch unwillkürlich hinein zu verfallen scheinen, so daß sie keinesweges glauben Wortgefecht zu führen, sondern philosophisches Gespräch, weil sie nicht im Stande sind nach Begriffen abteilend etwas gesagtes zu betrachten, sondern nur an dem Wort hängen bleibend den Gegensatz gegen das Gesagte verfolgen, und so mit einander wirklich nur in Gezänk und Wortstreit begriffen sind und nicht in ordentlicher Unterredung und Auseinandersetzung der Sache. – So, sagte er, begegnet es allerdings vielen; aber zielt das etwa auch auf uns in dem gegenwärtigen Fall? – Allerdings, sprach ich. Denn wir scheinen auch unwillkürlich in einem Wortstreit befangen. – Wie so? – Daß, was nicht dieselbige Natur hat, auch nicht dieselbigen Geschäfte betreiben soll, das suchen wir gar tapfer und streitfertig dem Worte nach zu verfolgen; wir haben aber auch nicht im mindesten untersucht, welche Art von Verschiedenheit und Einerleiheit der Natur und in Beziehung worauf wir damals bestimmt haben, als wir der verschiedenen Natur verschiedene Geschäfte, der gleichen aber die gleichen zuteilten. – Das haben wir freilich nicht untersucht, sagte er. – Also, fuhr ich fort, steht es uns wohl frei, wie es scheint, uns selbst zu fragen, ob einerlei Natur ist die der Kahlen und der Behaarten, und nicht eine entgegengesetze, und wenn wir gestehn eine entgegengesetzte, dann dürfen wir wohl, wenn die Kahlen das Schuhmachen treiben, es die Behaarten nicht treiben lassen, und wenn die Behaarten, dann nicht die anderen. – Das wäre ja lächerlich, sagte er. – Etwa in anderer Hinsicht lächerlich, sagte ich weiter, als weil wir damals nicht im allgemeinen die selbige und die verschiedene Natur bestimmt haben, sondern uns nur an jene Art der Verschiedenheit und Ähnlichkeit hielten, welche auf die Beschäftigungen selbst ihren Bezug hat? wie ein Arzt und einer der eine ärztliche Seele hat, diese, sagten wir, haben einerlei Natur. Oder meinst du nicht? – Ich gewiß. – Aber ein Arzt und ein Zimmermann eine verschiedene? – Auf alle Weise wohl. – Nicht auch, sprach ich, das Geschlecht der Männer und der Frauen, wenn sich, in Bezug auf eine Kunst oder ein anderes Geschäft, eines vom andern verschieden zeigt, werden wir sagen, daß man dies nur einem von beiden zuteilen müsse; wenn sich aber zeigt, daß sie dadurch allein verschieden sind, daß der Mann erzeugt und das Weib gebärt: so werden wir sagen, es sei dadurch um nichts mehr bewiesen, daß in Bezug auf das, wovon wir reden, das Weib von dem Mann verschieden sei, sondern wir werden noch ferner glauben, daß unsere Hüter und ihre Frauen dasselbe betreiben müssen. – Und mit Recht, sagte er. – Und nicht wahr nach diesem werden wir dem, der (455) das Gegenteil behauptet, aufgeben uns eben dieses zu lehren, in Bezug auf welche Kunst oder welches Geschäft von denen die zur Erhaltung des Staates gehörte die Natur des Weibes und des Mannes nicht dieselbige sei, sondern eine verschiedene? – Das ist ganz billig. – Nun könnte aber, was du vor kurzem sagtest, auch wohl ein anderer sagen, daß dies auf der Stelle hinreichend zu bestimmen nicht leicht sei, nach gehöriger Überlegung aber nicht schwer. – Das könnte einer freilich. – Sollen wir also den, der uns dergleichen entgegenstellt, bitten uns zu folgen, ob wir vielleicht ihm zeigen können, daß es gar kein besonderes Geschäft für das Weib gibt in dem was den Staat betrifft? – Das will ich wohl. – So komm denn, wollen wir zu ihm sprechen, und antworte. Meintest du es etwa so, daß Einer von Natur geschickt zu etwas ist und der Andere ungeschickt, in wiefern der eine leicht etwas lernt und der andere schwer? und der eine nach kurzem Unterricht schon sehr erfinderisch wird in dem was er gelernt hat, der andere aber auch, wenn viel Unterweisung und Mühe an ihn gewendet ist, nicht einmal was er gelernt hat behalten kann? und dem einen die körperliche Beschaffenheit zu Statten kommt für seine Absicht, dem andern aber entgegen ist? Gibt es wohl irgend etwas anderes als dieses, wodurch du in jeder Sache den der von Natur dazu geschickt ist und der nicht unterscheiden kannst? – Keiner, sprach er, wird wohl etwas anderes anführen können. – Weißt du nun irgend etwas von Menschen betriebenes, worin nicht dieses alles das Geschlecht der Männer vorzüglich hat vor dem der Weiber? Oder sollen wir erst weitläuftig sein und die Weberei anführen und die Bereitung des Gebäckes und Geköches, worin ja das weibliche Geschlecht sich auszuzeichnen scheint, so daß es fast lächerlich herauskommt, daß es auch hierin übertroffen wird. – Ganz richtig, antwortete er, sagst du, daß, um es kurz zu sagen, in alle dem gar sehr das eine Geschlecht von dem andern übertroffen wird. Viele Frauen mögen zwar in vielem besser sein als viele Männer, im ganzen aber verhält es sich wie du sagst. – Also, o Freund, gibt es gar kein Geschäft, von allen durch die der Staat besteht, welches dem Weibe als Weib oder dem Manne als Mann angehörte, sondern die natürlichen Anlagen sind auf ähnliche Weise in beiden verteilt, und an allen Geschäften kann das Weib teilnehmen ihrer Natur nach, wie der Mann an allen; in allen aber ist das Weib schwächer als der Mann. – Freilich. – Wollen wir also den Männern alles auftragen und dem Weibe nichts? – Woher doch? – Sondern wirklich ist, denke ich, wie wir behaupten werden, die eine Frau von Natur ärztlich und die andere nicht, und die eine tonkünstlerisch, die andere unkünstlerisch von Natur. – Wie anders? – Und auch wohl gymnastisch die eine und kriegerisch, die andere aber unkriegerisch (456) und ohne Liebe zur Gymnastik? – So denke ich gewiß. – Und wie nicht auch Weisheit liebend und verachtend? und mutartig die eine wie die andere mutlos? – Auch das findet Statt. – Also ist auch Eine Frau zur Staatshut geschickt und die andere nicht? Oder haben wir nicht eben so auch eine besondere Natur der zur Staatshut tauglichen Männer angenommen? – Allerdings eine solche. – So haben also Mann und Weib dieselbe Natur, vermöge deren sie geschickt sind zur Staatshut, außer in wiefern die eine schwächer ist, die andere stärker? – So zeigt es sich. – Also müssen solchen Männern auch solche Weiber ausgewählt werden, um mit ihnen zu leben und mit ihnen die Hut zu versehen, wenn sie doch dazu tauglich und ihnen verwandt sind ihrer Natur nach. – Freilich. – Und müssen nicht gleichen Naturen auch gleiche Übungen zugeteilt werden? – Gleiche. – So kommen wir also wiederum auf das frühere zurück, und bekennen, es sei nicht gegen die Natur den Weibern der Hüter Musik und Gymnastik zuzuteilen. – Allerdings. – Wir haben also nicht unmögliches oder leeren Wünschen ähnliches als Gesetz aufgestellt, da wir ja der Natur gemäß das Gesetz gefaßt haben; sondern was jetzt dem entgegen geschieht, scheint mehr gegen die Natur zu sein. – So scheint es. – Und unsere Untersuchung war doch, ob wir mögliches vorschlügen und bestes. – Das war sie. – Daß es nun mögliches war, ist eingestanden. – Ja. – Daß aber auch bestes, darüber müssen wir uns nächstdem verständigen. – Offenbar. – Nicht wahr nun, daß eine Frau zur Staatshut geschickt werde, dazu wird uns nicht eine andere Erziehung dienen, und wieder eine andere die Männer dazu machen, zumal sie ja die gleiche Natur an beiden überkommt? – Keine andere. – Wie denkst du aber hierüber? – Worüber? – Ob du bei dir selbst annimmst, daß ein Mann besser ist und der andere schlechter; oder gelten sie dir alle gleich? – Keinesweges. – In der Stadt also, die wir gegründet haben, glaubst du daß uns die Hüter zu besseren Männern ausgebildet worden sind, da ihnen ja die beschriebene Erziehung angediehen ist, oder die Schuster, die schusterhaft erzogen sind? – Das ist ja eine lächerliche Frage, antwortete er. – Ich verstehe, sagte ich. Aber wie? Sind diese nicht unter allen Bürgern die kräftigsten? – Bei weitem. – Und wie? werden nun nicht dieselbigen Frauen auch unter den Frauen die besten sein? – Auch das, sagte er, bei weitem. – Und gibt es etwas vorzüglicheres für den Staat, als daß er Männer und Frauen so treffliche als möglich besitze? – Das gibt es nicht. – Dieses also werden Musik und Gymnastik, angewendet wie wir es beschrieben haben, bewirken. – Wie sollten sie nicht! – Nicht nur mögliches also, sondern auch bestes haben wir in unserer Stadt (457) gesetzlich geordnet. – So ist es. – Mögen sich also immer die Frauen unserer Hüter entkleiden, da sie ja Tugend statt des Gewandes überwerfen werden, und mögen Teil nehmen am Kriege und an der übrigen Obhut über die Stadt, und mögen anderes nichts verrichten. Hievon aber wollen wir das leichtere den Weibern zuteilen vor den Männern, wegen des Geschlechtes Schwäche. Ein Mann aber, welcher lacht über entkleidete Frauen, die sich des besten wegen auf diese Art üben, und der sich des Lächerlichen unreife Frucht von seiner Weisheit pflückt, weiß, wie man wohl sieht, nicht, worüber er lacht, noch was er tut. Denn aufs trefflichste ist dieses gesagt und wird auch immer so gesagt bleiben, daß das nützliche schön ist und das schädliche häßlich. – Auf alle Weise gewiß. –

Das wäre also gleichsam Eine Welle, über die wir uns rühmen können glücklich hinweggekommen zu sein in unserer Verteidigung des Gesetzes über die Weiber, so daß wir doch nicht ganz sind verschlungen worden, indem wir festsetzten, Hüter und Hüterinnen sollten uns gemeinsam dasselbe betreiben, sondern daß die Rede gewissermaßen für sich selbst Zeugnis abgelegt hat, daß sie mögliches und nützliches vorträgt. – Und gewiß, sagte er, über keine kleine Welle bist du da hinweggekommen. – Du wirst wohl gestehen, sagte ich, daß sie nicht groß ist, wenn du auf das folgende siehest. – Rede nur, damit ich es sehe, sagte er. – Hiemit nun, sprach ich, und mit dem übrigen vorhergegangenen hängt meiner Meinung nach zusammen folgende Einrichtung. – Welche? – Daß diese Weiber alle allendiesen Männern gemein seien, keine aber irgendeinem eigentümlich beiwohne, und so auch die Kinder gemein, so daß weder ein Vater sein Kind kenne, noch auch ein Kind seinen Vater. – Allerdings, sagte er, übertrifft diese bei weitem noch jene an Unglaublichkeit, sowohl was das mögliche betrifft als was das nützliche. – Ich denke nicht, sprach ich, daß man über die Nützlichkeit streiten werde, daß es nicht ganz vorzüglich gut sein müßte, wenn die Frauen gemein wären und die Kinder gemein, wenn es nur möglich wäre; aber darüber denke ich, ob es möglich ist oder nicht, wird der meiste Streit entstehen. – Über beides, sprach er, ließe sich wohl tüchtig streiten. – Das ist ja eine Rotte von Reden, die du mir ankündigst! sprach ich. Ich aber dachte, ich wollte der einen wenigstens entwischen, wenn die Sache auch dir schiene nützlich zu sein, und es werde mir nur die andere übrig bleiben über die Möglichkeit. – Aber ich merkte wohl, sprach er, daß du entwischen wolltest; also gib nur Rede über beides. – Ich muß ja wohl, sprach ich, meine Strafe ausstehn. Nur das eine tue mir zu Gefallen, laß mich einmal mir gütlich tun, wie die Faulen von (458) Gemüt sich pflegen selbst zu bewirten, wenn sie für sich allein gehn. Denn dergleichen Leute pflegen, ehe sie noch ausgefunden haben, auf welche Weise wohl etwas, wonach sie streben, zu Stande kommen soll, dies übergehend, damit sie sich nicht plagen dürfen mit Überlegungen über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, anzunehmen das sei schon da, was sie wünschen, und so ordnen sie dann das übrige an, und ergötzen sich an Vorstellungen davon, was sie alles tun werden, wenn es da sein wird, wodurch sie denn ihre schon sonst träge Seele noch träger machen. Nun bin auch ich jetzt schon etwas weichlich, und möchte gern jenes aufschieben, und erst später überlegen, ob es möglich ist; jetzt aber, angenommen die Möglichkeit, betrachten, wenn du es mir gestatten willst, wie wohl die Oberen es anordnen werden, und daß es dann den Staat und seinen Hütern, wenn es so ausgeführt wird, überaus zuträglich sein muß. Dieses möchte ich zuerst mit dir versuchen durchzudenken, jenes aber hernach, wenn du es zufrieden bist. – Freilich bin ich es zufrieden, sagte er, tue es nur. –

Ich denke also, sprach ich, wenn doch die Oberen dieses Namens wert sein sollen und ihre Gehülfen gleichfalls, so werden ja wohl die Einen in der Art haben das befohlene zu tun, die Andern aber werden befehlen, so daß sie den Gesetzen teils selbst gehorchen, teils in allem, was wir ihnen selbst freigestellt haben, sie nachbilden. – Wahrscheinlich, sagte er. – Also du, sprach ich, als Gesetzgeber wirst, wie du die Männer ausgewählt hast, so auch die Frauen auswählen, und sie so viel als möglich gleicher Natur ihnen übergeben. Sie aber, wie sie denn gemeinsame Wohnungen und Speisungen haben, und keiner etwas der Art für sich allein besitzt, werden also zusammen sein. Und wenn sie sich so zusammenfinden auf den Übungsplätzen und im übrigen Leben werden sie, denke ich, durch die eingeborene Notwendigkeit getrieben werden sich miteinander zu vermischen. Oder scheine ich dir nicht ganz notwendiges zu sagen? – Nicht zwar, antwortete er, nach geometrischer Notwendigkeit, aber doch nach der des Geschlechtstriebes, welche noch weit strenger als jene scheint den großen Haufen zu überreden und zu bewegen. – Gewiß antwortete ich. Weiter aber, o Glaukon, ohne Ordnung sich zu vermischen oder irgend sonst etwas auf diese Art zu tun, kann wohl weder für fromm geachtet sein in einer Stadt von Seligen, noch werden es die Oberen zulassen. – Das wäre freilich unrecht, sagte er. – Offenbar also haben wir nächstdem Hochzeiten auszurichten, und zwar so heilige als möglich; heilig aber würden wohl die heilsamsten sein. – Auf alle Weise freilich. – Wie also werden sie am heilsamsten sein? das sage (459) mir, o Glaukon. Denn ich sehe ja in deinem Hause sowohl Jagdhunde als auch von dem edlen Geflügel gar mancherlei. Hast du also wohl auf etwas Acht gegeben bei ihren Hochzeiten und Kindererzeugungen? – Worauf doch? fragte er. – Zuerst, wiewohl sie alle edel sind, sind nicht auch unter ihnen doch und werden immer einige die besten? – Gewiß. – Erzielst du nun aus allen ohne Unterschied Nachkommenschaft, oder strebst du nicht wenigstens darnach, daß es soviel als möglich nur aus den besten geschehe? – Aus den besten. – Und aus den jüngsten und ältesten oder denen die am meisten in der Blüte der Jahre sind? « – Aus den blühendsten. – Und wenn es nicht so geschieht, so glaubst du, daß sich dir der Schlag der Hunde sowohl als der Vögel gar sehr verschlechtern werde? – Ich gewiß, sagte er. – Und was meinst du, sprach ich, von den Pferden und den übrigen Tieren? etwa daß es sich anders mit ihnen verhalte? – Das wäre ja unerhört, sprach er. – O weh, sprach ich, lieber Freund, wie ausnehmend vollkommen werden dann unsere Oberen sein müssen, wenn es sich mit dem menschlichen Geschlecht eben so verhält. – Das tut es freilich gewiß, sagte er. Aber was weiter? – Weil sie notwendig, sprach ich, viele Mittel werden anwenden müssen. Und das glauben wir doch, daß für Körper, die keiner Arzneien bedürfen, sondern nur einer guten Lebensordnung willig zu folgen, alsdann auch wohl ein schlechterer Arzt hinreichen könne, wenn aber Arzeneien müssen angewendet werden, dann wissen wir bedarf es eines tüchtigeren Arztes. – Richtig. Aber weshalb sagst du das? – Deshalb, sprach ich. Es scheint, daß unsere Herrscher allerlei Täuschungen und Betrug werden anwenden müssen zum Nutzen der Beherrschten. Und wir sagten ja alles dergleichen sei nur nach Art der Arzenei nützlich. – Und ganz richtig wohl, sagte er. – Bei den Hochzeiten nun und der Kindererzeugung scheint dies richtige gar nicht in geringem Maß vorzukommen. – Wie so? – Nach dem eingestandenen sollte jeder trefflichste der trefflichsten am meisten beiwohnen, die schlechtesten aber den eben solchen umgekehrt; und jener Sprößlinge sollten aufgezogen werden, dieser aber nicht, wenn uns die Herde recht edel bleiben soll; und dies alles muß völlig unbekannt bleiben, außer den Oberen selbst, wenn die Gesamtheit der Hüter soviel möglich durch keine Zwietracht gestört werden soll. – Das ist ganz richtig, sagte er. – Also werden gewisse Feste gesetzlich eingeführt werden, an welchen wir die neuen Ehegenossen beiderlei Geschlechts zusammen führen werden, und Opfer und Gesänge sollen unsere Dichter dichten, wie sich für die zu (460) feiernden Hochzeiten schicken. Die Menge aber der Hochzeiten wollen wir den Oberen freistellen, damit diese, indem sie Kriege und Krankheiten und alles dergleichen mit in Anschlag bringen, uns möglichst dieselbe Anzahl von Männern erhalten, und so der Staat nach Möglichkeit weder größer werde noch kleiner. – Richtig, sagte er. – Und dann, denke ich, müssen wir stattliche Lose machen, damit bei jeder Verbindung jener schlechtere dem Glück die Schuld beimesse und nicht den Oberen. – Ei freilich, sagte er. – Und denen Jünglingen, die sich wacker im Kriege oder sonst wo gezeigt haben, sind auch andere Gaben zwar und Preise zuzuteilen, aber auch eine reichlichere Erlaubnis zur Beiwohnung der Frauen, damit zugleich auch unter gerechtem Vorwand die meisten Kinder von solchen erzeugt werden. – Richtig. – Weiter nun, die jedesmal gebornen Kinder nehmen die dazu bestellten Obrigkeiten an sich, bestehen sie nun aus Männern oder Frauen oder beiden, denn die Ämter sind ja auch Frauen und Männern gemeinsam. – Ja. – Die der guten nun, denke ich, tragen sie in das Säugehaus zu Wärterinnen, die in einem besondern Teil der Stadt wohnen, die der schlechteren aber, und wenn eines von den andern verstümmelt geboren ist, werden sie, wie es sich ziemt, in einem unzugänglichen und unbekannten Orte verbergen. – Wenn doch, sagte er, das Geschlecht unserer Hüter ganz rein sein soll. – Diese werden also auch für die Nahrung sorgen, indem sie die Mütter, wenn sie von Milch strotzen, in das Säugehaus führen, so jedoch, daß sie auf alle ersinnliche Weise verhüten, daß keine das ihrige erkenne, und indem sie, wenn jene nicht hinreichen, noch andere Säugende herbeischaffen. Und auch dafür werden sie sorgen, daß die Mütter nur angemessene Zeit lang stillen, die Nachtwachen aber und die übrige beschwerliche Pflege werden sie Wärterinnen und Kinderfrauen auftragen. – Gar große Bequemlichkeit des Gebarens, sagte er, bereitest du ja den Frauen der Hüter. – Das gebührt sich auch, sprach ich. Laß uns nun aber auch das weitere durchgehn, was wir wollten. Denn wir sagten doch, von Blühenden und Vollkräftigen müßten die Kinder erzeugt werden? – Richtig. – Dünkt dir das nun auch die rechte Zeit der vollen Kraft, zwanzig Jahre für die Frau und dreißig Jahre für den Mann? – Aber welche? – Daß die Frau mit dem zwanzigsten Jahre anfangend bis zum vierzigsten dem Staat gebäre, der Mann aber die Zeit der größten Stärke im Laufen übergehn lasse, und von da an dem Staat erzeuge bis zum fünf und fünfzigsten Jahre. – Für beide ist dies wohl, sagte er, die kräftigste Zeit des Körpers (461) und auch des Verstandes. – Also wenn, gleichviel ob ein älterer oder ein jüngerer als so, sich mit der Erzeugung für das Gemeinwesen befaßt, wollen wir sagen es sei eine unheilige und widerrechtliche Vergehung dem Staate ein Kind zeugen, welches, wenn es unbemerkt ans Licht kommt, nicht wird unter Opfern und Gebeten erzeugt sein, wie bei jeder Verheiratung Priester und Priesterinnen und der ganze Staat sie zu beten pflegen, daß aus guten bessere und aus brauchbaren immer brauchbarere Nachkommen entstehen mögen, sondern welches im Dunkeln aus sträflicher Unmäßigkeit wird erzeugt sein. – Richtig, sagte er. – Und dasselbe wird doch auch gelten, fuhr ich fort, wenn einer von den noch erzeugenden die Frauen, die noch in den fruchtbaren Jahren sind, berührt, ohne daß der Obere sie mit ihm verbunden hat. Denn auch von einem solchen Kinde werden wir festsetzen, es gelte dem Staat für unächt und unheilig und ohne Verlöbnis erzeugt. – Ganz richtig, sagte er. – Wenn aber, denke ich, Frauen und Männer erst das Alter der Fruchtbarkeit überschritten haben, dann wollen wir letzteren frei lassen sich zu vermischen, mit welcher sie wollen, nur mit keiner Tochter oder Mutter oder Tochterkind oder über die Mutter hinaus, und den Frauen ebenfalls nur mit keinem Sohn oder Vater und die mit diesen in auf- und jenen in absteigender Linie zusammenhängen. Und nachdem wir ihnen dies alles anbefohlen, mögen sie dann dafür sorgen, am liebsten nichts empfangenes, wenn sich dergleichen findet, ans Licht zu bringen, sollte es aber nicht zu verhindern sein, dann es auszusetzen, weil einem solchen keine Auferziehung gestattet wird. – Auch das, sagte er, ist der Sache angemessen verordnet. Aber ihre Väter und Töchter und was du sonst eben anführtest, wie sollen sie denn die erkennen? – Gar nicht, sprach ich, sondern soviel Kinder geboren werden zwischen dem siebenten und zehnten Monat von jenem Tage an, da einer Ehemann geworden ist, alle diese soll er die männlichen Söhne und die weiblichen Töchter nennen, und sie ihn Vater, und so auch die Kinder von diesen Enkel und sie ihn Großvater und so auch Großmutter, und die in der Zeit geborenen, in der ihre Väter und Mütter noch fruchtbar waren, Brüder und Schwestern; so daß die bisher angeführten einander nicht berühren dürfen, Brüdern aber und Schwestern wird das Gesetz gestatten einander beizuwohnen, wenn das Los so fällt und die Pythia es bestätigt. – Vollkommen richtig, sagte er. –

Dieses also und von dieser Art, o Glaukon, ist die Gemeinschaft der Weiber und Kinder unter den Hütern deines Staats. Wie sie aber mit der übrigen Verfassung zusammenhängt und bei weitem die beste ist, dies müssen wir nun demnächst bestätigen lassen durch die Rede. Oder wie wollen wir es machen? (462) – So, beim Zeus, sprach er. – Wird nun nicht dies der Anfang der Verständigung sein, daß wir uns selbst fragen, was wir wohl als das größte Gut anzuführen haben für das Bestehen eines Staates, auf welches zielend der Gesetzgeber alle Gesetze geben muß, und was als das größte Übel; und dann untersuchen, ob, was wir eben durchgegangen sind, uns in die Spur des Guten gleichsam paßt, von der des Bösen aber abweicht? – Der allerbeste gewiß, antwortete er. – Gibt es nun wohl ein größeres Übel für den Staat als das, welches ihn zerreißt und zu vielen macht, anstatt eines? oder ein größeres Gut als das, was ihn zusammenbindet und zu einem macht? – Keines. – Nun bindet doch die Gemeinschaft der Lust und Unlust zusammen, wenn soviel möglich alle Bürger, so oft etwas entsteht und vergeht, sich auf gleiche Weise freuen und betrüben? – Allerdings freilich, sagte er. – Dagegen die Sonderung in dergleichen löset auf, wenn einige tief betrübt und andere hoch erfreut werden über dieselben Ereignisse des Staats oder derer im Staat. – Wie könnte es anders sein. – Entsteht nun dergleichen nicht etwa daraus, wenn die im Staat solcherlei Worte nicht zugleich aussprechen, wie mein und nicht mein? und mit dem fremden ist es wohl eben so? – Offenbar freilich. – In welchem Staat also die Meisten in Bezug auf die nämlichen Dinge eben dieses auf dieselbe Weise anbringen das Mein und Nicht mein, dieser ist am besten eingerichtet? – Bei weitem. – Und derjenige also, welcher dem einzelnen Menschen am allernächsten sich verhält. So wie, wenn einem unter uns der Finger verwundet ist, die gesamte, dem in der Seele herrschenden als Eins zu Gebote stehende, über den ganzen Leib sich erstreckende Gemeinschaft desselben mit der Seele es zu fühlen pflegt und insgesamt zugleich mit zu leiden mit einem einzelnen schmerzenden Teile sie, die ganze, und wir sodann sagen, daß der Mensch Schmerzen hat am Finger. Und eben so verhält es sich mit jeglichem andern am Menschen, sowohl bei Unlust wenn ein Teil leidet, als bei Lust wenn einer sich wohlbefindet. – Ganz eben so freilich, sagte er, und, wonach du fragst, einem solchen zu allernächst steht der am besten eingerichtete Staat. – Wenn nun, denke ich, einen unter den Bürgern irgend etwas bewegt, sei es nun gutes oder schlimmes, wird ein solcher Staat vorzüglich sagen, das bewegte gehöre ihm zu, und wird sich also ganz mit freuen oder mit betrüben. – Notwendig, sagte er, ein wohlgeordneter. – Nun also wäre es Zeit, sprach ich, auf unsern Staat zurückzukommen, und uns nach dem jetzt in der Rede zugestandenen umzusehen in ihm, ob er sich am meisten so verhält oder irgend ein anderer mehr. – Das müssen wir, sagte er. – Wie also? Es gibt doch auch in andern (463) Staaten Obrigkeit und Volk, und auch in unserm? – Wohl! – Und diese nennen sich doch alle untereinander Mitbürger. – Wie sollten sie nicht! – Aber außerdem, wie nennt doch in andern Staaten das Volk die Oberen? – In den meisten Herren, in den demokratischen aber werden sie eben mit diesem Namen benannt, Obrigkeiten. – Wie aber das Volk in unserem Staat? was sagt es, daß außer Mitbürgern die Obrigkeiten noch sind? – Erhalter und Gehülfen, sagte er. – Und was diese das Volk? – Lohngeber und Ernährer. – Wie aber nennen in den übrigen die Obrigkeiten das Volk? – Knechte, sagte er. – Und sich untereinander? – Mitherrscher, sagte er. – Die unsrigen aber sich? – Mithüter. – Weißt du mir nun wohl von den Obrigkeiten in anderen Staaten anzuführen, ob einer den einen von seinen Mitherrschern als einen verwandten, den andern aber als einen fremden ansehn wird? – Gar viele. – Und den verwandten betrachtet er doch als den seinigen und nennt ihn auch so, den fremden aber nicht als den seinigen. – So ist es. – Wie aber die Hüter bei dir? Kann wohl irgend einer unter ihnen einen von seinen Mithütern als einen Fremden ansehn? – Keinesweges! sagte er. Denn an jedem, den er nur antrifft, wird er entweder einen Bruder oder eine Schwester oder einen Vater oder eine Mutter oder deren Nachkommen oder Vorältern anzutreffen glauben. – Vortrefflich geantwortet! sprach ich. Aber sage mir auch noch dieses, willst du nur Namen der Verwandtschaft durch das Gesetz bestimmen, oder auch, daß das ganze Betragen den Namen gemäß sein soll, gegen die Väter, wie das Gesetz vorschreibt gegen Väter was Scheu betrifft und Dienstbeflissenheit und Gehorsam gegen Eltern, wo nicht, so würden sie weder bei Göttern noch Menschen wohl angeschrieben sein, weil weder fromm noch recht handeln würde, wer anders handelte als so? Werden solche oder andere Stimmen aus aller Bürger Munde schon gleich der Kinder Ohren umtönen in Bezug auf ihre Väter, die man ihnen als solche anweiset, und auf ihre andern Verwandten? – Solche, antwortete er; denn es wäre ja lächerlich, wenn sie, ohne sich irgend im Handeln daran zu kehren, Namen von Verwandtschaft nur so mit dem Munde aussprächen. – Am meisten also unter allen Staaten werden sie hier, wenn irgend einem Einzelnen etwas gutes oder schlimmes begegnet, jenes Wort, welches wir vorher anführten, einstimmig aussprechen, um das meinige steht es gut, oder um das meinige schlecht. – Vollkommen (464) richtig, sprach er. – Und dieser Vorstellung und Rede, sagten wir, folge denn auch Lust und Unlust gemeinsam? – Und ganz richtig sagten wir das. – Also am meisten unsern Bürgern wird als dasselbige gemein sein, das was man das meinige nennt; und ist ihnen dieses gemein, so werden sie dann auch am meisten in Gemeinschaft der Lust und Unlust stehen. – Bei weitem. – Und ist daran außer der übrigen Einrichtung nicht auch die Gemeinschaft der Weiber und Kinder unter den Wächtern Ursache? – Bei weitem am meisten, antwortete er. – Aber dies erkannten wir doch an als das größte Gut für den Staat, indem wir einen wohlgeordneten Staat einem Leibe verglichen, wie sich dieser gegen einen Teil von sich in Bezug auf Lust und Unlust verhält. – Und richtig war wohl, sagte er, die Anerkennung. – Als Ursache also an dem größten Gute hat sich uns gezeigt die Gemeinschaft der Weiber und Kinder unter den Helfern. – Gar sehr, sagte er. – Und auch mit dem vorigen sind wir in Einstimmung. Denn wir hatten gesagt, diese dürften weder Häuser zu eigen haben noch Land noch sonst ein Besitztum, sondern müßten den von den übrigen als Lohn für ihre Hut gereichten Lebensunterhalt gemeinsam verzehren, wenn sie wahrhaft Hüter sein sollten. – Richtig, sagte er. – Macht nun nicht, wie ich sage, sowohl das vorher bestimmte als das jetzt gesagte sie noch mehr zu wahren Hütern, und verursacht daß sie den Staat nicht zerreißen dadurch, daß sie nicht alle dasselbige mein nennen, sondern jeder etwas anderes, indem der Eine in sein Haus zieht was er nur kann, um es ausschließend vor den Andern zu besitzen, und ein anderer eben so in das seinige, welches ein anderes ist, und indem sie verschiedene Frauen und Kinder haben, daß nun jedem seine eigenen für sich auch eigne Lust und Unlust verursachen; vielmehr daß sie vermöge einer und derselben Festsetzung über das Angehörige auch nach Vermögen alle auf dasselbige hinstreben und möglichst auf gleiche Weise bewegt werden durch Lust und Unlust. – Offenbar freilich, sagte er. – Und wie? wird nicht Rechtsstreit und Klage ganz verschwunden sein unter ihnen um es kurz zusammenzufassen, weil keiner etwas eignes hat außer seinem Leibe, alles andere aber gemeinsam ist? woraus denn folgt, daß keine Zwietracht unter diesen Statt findet, soweit aus Veranlassung des Vermögens der Kinder und Verwandten den Menschen Zwietracht entsteht? – Ganz notwendig, sagte er, werden sie dessen ledig sein. – Und so wird es wohl auch keine Klagen über Gewalttätigkeiten und Beschimpfungen weiter mit Recht unter ihnen geben können. Denn daß es recht und schön sei, daß Altersgenossen sich unter einander wahrhaften Beistand leisten, das werden wir ihnen schon sagen, indem wir ihnen die Übung und Besorgung des Leibes zur Pflicht machen. – Richtig, sagte er. – Und auch dies richtige, sprach ich, hat noch dieses Gesetz, daß wenn (465) einer einem zürnt, und unter diesen Umständen seinen Mut kühlen will, er nicht leicht zu größeren Unruhen fortschreiten wird. – Allerdings. – Denn jedem Älteren wird aufgetragen sein allen Jüngeren vorzustehen und sie im Zaum zu halten. – Offenbar. – Auch wohl, daß ein Jüngerer niemals einem Älteren, wenn es nicht die Oberen befohlen, versuchen wird weder sonst Gewalt zu tun noch auch ihn zu schlagen, und auch anderswie, denke ich, wird er ihn nicht verunehren. Denn zwei tüchtige Wächter hindern ihn daran, Furcht und Scham; Scham, weil sie ihn zurückhält sich an den Erzeugern nicht zu vergreifen, und Furcht weil dem Leidenden die Andern helfen würden, einige als Söhne, andere als Brüder. – So folgt es freilich, sagte er. – Von allen Seiten also werden, vermöge der Gesetze, die Männer Friede unter einander haben. – Gar großen. – Und wenn diese unter einander nicht im Streit sind, so ist wohl nicht zu besorgen, daß je der übrige Staat unter sich oder gegen sie sollte in Zwiespalt geraten. – Wohl nicht. – Die geringfügigeren Übel aber trage ich der Unziemlichkeit wegen Bedenken auch nur zu erwähnen, deren sie so entlediget sein würden, die Armen alles Schmeichelns gegen die Reichen und aller Not und Plage die ihnen für ihre Kinderzucht und ihren Erwerbszweig aus dem Bedürfnis Hausleute zu unterhalten erwächst, indem sie bald borgen und wieder abläugnen und bald auf jede Weise zusammenzubringen suchen, was sie den Hausfrauen und dem Gesinde zur Verwaltung überliefern müssen, und was alles sonst noch hierin elendes und unedles und der Erwähnung unwürdiges begegnet. – Das sieht ja, sagte er, auch ein Blinder! – Dessen allen also werden sie ledig sein in einem Leben, glückseliger als selbst jenes glückseligste welches die Olympischen Sieger führen. – Wie so? – Weil diese schon wegen eines kleinen Teiles von dem glücklich gepriesen werden, was den unsrigen wird. Denn der letzteren Sieg ist schöner, und auch ihr Unterhalt aus dem gemeinen Wesen ist reichlicher. Der Sieg nämlich, den sie erringen, ist das Heil des gesamten Staats, und mit Unterhalt und allem was das Leben bedarf, werden sie und ihre Kinder gekrönt und haben dies zum Geschenk von ihrem Staat, so lange sie leben, und nach ihrem Tode erhalten sie eine würdige Bestattung. – Sehr herrlich ist das, sagte er. – Erinnerst du dich nun wohl, sprach ich, daß uns in dem vorigen ich weiß nicht wessen Rede vorwarf, daß wir unsere Staatshüter nicht eben glückselig machten, da (466) sie alles haben könnten was den andern Bürgern gehört, in der Tat aber nichts hätten? Wir aber sagten, daß wir dies in der Folge einmal, wenn es sich so träfe, erwägen wollten, jetzt aber nur unsere Hüter zu Hütern machen und unsern Staat zum möglichst glückseligen, jedoch nicht bloß auf Eine Abteilung in ihm Rücksicht nehmend wollten wir diese Glückseligkeit einrichten. – Dessen erinnere ich mich, sagte er. – Wie steht es also, da sich jetzt die Lebensweise unserer Helfer ja weit schöner und vortrefflicher zeigt als die der olympischen Sieger, kann man sie wohl auch nur vergleichen mit dem Leben der Schuster oder der übrigen Handwerker oder der Landwirte? – Nein, dünkt mich, sagte er. – Sondern, was ich schon dort sagte, ist auch hier recht zu wiederholen, daß wenn ein Hüter uns versuchen sollte auf solche Art glückselig zu werden, daß ihm weder genügte Hüter zu sein noch auch eine solche angemessene sichere und wofür wir sie erklärten vortrefflichste Lebensweise, sondern eine unvernünftige und kindische Vorstellung von der Glückseligkeit, die er aufgefangen, ihn antriebe nach Vermögen alles im Staate sich selbst zuzueignen: so würde er bald einsehn, daß Hesiodos in Wahrheit weise war als er sagte die Hälfte sei mehr als das Ganze. – Wenn er meinem Rate folgen will, sagte er, so wird er in dieser Lebensweise beharren. – Du räumst also ein, sprach ich, daß die Frauen auf die beschriebene Art der Männer Genossen sein sollen beim Unterricht und in der Kinderzeugung und Obhut über die übrigen Bürger, so daß sie in der Stadt bleibend und ins Feld ziehend mit hüten und mit zur Jagd ziehen wie es bei den Hunden ist, und sich den Männern in allen Dingen auf alle Weise nach Vermögen zugesellen, und daß sie so handelnd aufs beste handeln werden und nicht gegen die Natur des weiblichen Geschlechts in Bezug auf das männliche, wie beide geartet sind Gemeinschaft mit einander zu haben? – Das räume ich ein, sagte er. –

So wäre denn, sprach ich, wohl noch jenes übrig auseinandersetzen, ob es auch bei den Menschen möglich ist wie bei den andern Tieren, daß eine solche Gemeinschaft stattfinde, und wie es möglich ist. – Du bist mir mit dem zuvorgekommen, sagte er, was ich eben anknüpfen wollte. – Was nun den Krieg betrifft, fuhr ich fort, versteht es sich schon, denke ich, wie sie ihn führen werden. – Wie? – Daß sie gemeinschaftlich ins Feld ziehen und auch die schon heranwachsenden Kinder mit sich in den Krieg nehmen werden, damit diese, wie auch die der anderen Arbeiter, dasjenige zu sehen bekommen, was sie, wenn sie erwachsen sind, selbst werden arbeiten müssen, und außer dieser Anschauung auch noch in allem, was zum Kriege (467) gehört, hülfreich zur Hand gehen und ihren Vätern und Müttern aufwarten. Oder hast du nicht bemerkt, wie dies bei andern Künsten gehalten wird, wie lange zum Beispiel die Söhne der Töpfer zusehn und Handreichung tun, ehe sie das Geschäft selbst angreifen? – Ja freilich. – Sollen nun wohl jene sorgfältiger als unsere Wächter die ihrigen heranbilden durch Erfahrung und Anschauung von dem was ihnen obliegt? – Das wäre ja ganz lächerlich, sagte er. – Und es kämpft ja auch jegliches Tier am ausgezeichnetsten, wenn die zugegen sind, die es geboren hat! – So ist es; aber die Gefahr, o Sokrates, ist nicht gering, wenn sie einmal einen Unfall erleiden, wie das im Kriege zu geschehen pflegt, und dann mit sich auch ihre Kinder ins Verderben gezogen haben, daß es dadurch dem ganzen Staat unmöglich gemacht werde sich wieder zu erholen. – Du hast Recht, sprach ich. Aber glaubst denn du, man müsse dafür zuerst sorgen, daß sie nie in Gefahr geraten? – Keinesweges. – Und wenn nun Gefahr muß bestanden werden, nicht am liebsten da, wo sie durch richtiges Verhalten besser werden müssen? – Offenbar freilich. – Und glaubst du es sei eine Sache von geringem Belang und nicht der Gefahr wert, ob die Kinder, welche einst kriegerische Männer werden sollen, sehen oder nicht sehen, wie es im Kriege hergeht? – Nein, sondern es ist von großer Bedeutung für diesen Zweck. – So also muß es sein. Man muß die Kinder zu Zuschauern des Krieges machen, zugleich aber auch Sicherheit für sie aussinnen, und dann wird es gut sein. Nicht wahr? – Ja. – Nun werden doch, sprach ich, zuerst schon ihre Väter, so weit es Menschen möglich ist, nicht unverständig sein, sondern zu beurteilen wissen, welche Feldzüge gefährlich sind und welche nicht. – Wahrscheinlich, sagte er. – In diese also werden sie sie mit sich führen, in jene aber sich scheuen. – Richtig. – Und auch nicht die schlechtesten Vorgesetzten, denke ich, werden sie ihnen bestellen, sondern solche, die sich durch Erfahrung und Alter wohl dazu schicken Führer und Aufseher der Jugend zu sein. – So gehört es sich allerdings. – Aber freilich, werden wir sagen, ist auch schon Vielen vieles wider alle Erwartung begegnet. – Gar sehr. – Gegen dergleichen nun, o Lieber, muß man sie schon gleich in den Kinderjahren beflügeln, damit wir, wenn ein Notfall eintritt, davon fliegen und sich retten können. – Wie meinst du das? fragte er. – Zu Pferde, sprach ich, muß man sie sitzen lassen schon so jung als möglich, und die schon reiten gelernt, muß man dann nicht etwa auf mutigen und der Schlacht gewohnten Rossen zur Kriegsschau führen, sondern auf den schnellsten und zugleich folgsamsten. So werden sie denn am besten ihr künftiges Geschäft in Augenschein nehmen, und am sichersten, wenn es ja nötig wäre, ihren älteren Führern (468) folgend sich retten können. – Richtig, sagte er, scheinst du mir zu reden. –

Wie nun aber weiter, fuhr ich fort, wegen des Krieges? Wie wird es mit den Kriegern zu halten sein, sowohl unter sich als gegen den Feind? ob es wohl so recht ist, wie es mir vorkommt, oder nicht? – Sage nur, sprach er, wie. – Wer von ihnen, fuhr ich fort, aus dem Gliede weicht oder die Waffen wegwirft oder dergleichen etwas tut aus Feigheit, werden wir den nicht zu irgend einem Handwerker machen müssen oder zum Ackersmann? – Freilich wohl. – Und wer lebendig von den Feinden gefangen ist, muß man nicht den auch umsonst lassen, wenn ihn einer will, um mit dem Fang zu machen was er Lust hat? – Offenbar wohl. – Wer sich aber auszeichnet und hervortut, soll der nicht zuerst im Lager selbst von allen mit im Felde befindlichen Jünglingen und Knaben der Reihe nach einzeln bekränzt werden? oder nicht? – Mich dünkt. – Und auch bei der Rechten gefaßt? – Auch das. – Aber das folgende, sprach ich, wird dir glaube ich nicht mehr gefallen. – Welches doch? – Daß er auch soll küssen und geküßt werden von jedem. – Ganz vorzüglich! sagte er. Und will noch dieses hinzufügen zu dem Gesetz, daß, so lange noch derselbe Feldzug dauert, es keinem erlaubt sein soll ihm zu weigern, wen er auch immer küssen will, damit, wenn etwa einer verliebt ist in einen Knaben oder Mädchen, er desto eifriger sei den Preis zu verdienen. – Schön, sprach ich. Denn daß dem Tapfern mehr eheliche Verbindungen offen stehn werden als andern, und öfter vor andern die Wahl auf solche fallen wird, damit recht viele von solchen erzeugt werden, das ist schon festgesetzt. – Wir sagten es ja. – Aber auch nach dem Homeros ist ja recht durch solcherlei die Tapferen unter den Jünglingen zu ehren; denn auch Homeros sagt, Ajas der sich im Kriege ausgezeichnet, sei mit lang ausreichendem Rücken geehrt worden, als sei dies die angemessene Ehrenbezeugung für den jugendlichen und tapfern, wodurch er außer der Ehre auch noch seine Stärke vermehrt. – Ganz richtig, sagte er. – Wir wollen also doch, sprach ich, darin dem Homeros folgen. Und auch wir wollen bei Opfern und allem ähnlichen die Tapfern, ja nachdem sie sich als solche gezeigt, nicht nur durch Gesänge und auf die eben beschriebene Weise ehren, sondern auch außerdem noch durch Vorsitz und Fleisch und durch vollere Becher; damit wir außer der Ehre die Tapferen auch noch stärken, Männer sowohl als Frauen. – Sehr wohl gesprochen, sagte er. – Wohl! Die nun aber im Felde gestorben sind, nachdem sie sich wohl gehalten, werden wir nicht zuerst erklären, daß diese zu dem goldenen Geschlecht gehören? – Vor allen Dingen. – Und wollen wir nicht dem Hesiodos glauben, daß, wenn von diesem Geschlecht irgend welche gestorben sind, werden sie fromme Dämonen der (469) oberen Erde genannt, Gute des Wehs Abwehrer, der sterblichen Menschen Behüter? – Das wollen wir ihm glauben. – Wir werden also von dem Gott erforschen, wie man dämonische und göttliche Menschen beisetzen müsse und mit welchem Vorzuge, und werden sie dann auf die Art beisetzen, wie er es erklärt. – Was sollten wir nicht! – Und werden hernachmals ihren Gräbern als heiligen Gräbern Verehrung und Anbetung erweisen. Und eben das wollen wir auch festsetzen, wenn vor Alter oder auf eine andere Weise einer von denen stirbt, welche für ausgezeichnet trefflich in ihrem Leben bekannt gewesen sind. – Das ist freilich billig, sagte er. –

Wie aber werden es unsere Krieger mit den Feinden halten? – In wie fern? – Zuerst was die Gefangennehmung betrifft, dünkt es dich recht, daß Hellenische Städte Hellenen zu Knechten machen? oder vielmehr, daß sie auch andern dieses nach Vermögen verwehren, und es zur Sitte machen des Hellenischen Geschlechtes zu schonen, aus Furcht in die Knechtschaft der Barbaren zu geraten? – Auf alle Weise ist gewiß die Schonung vorzuziehn. – Also auch selbst keinen Hellenen zum Knecht zu haben, noch auch den andern Hellenen dieses anzuraten. – Allerdings, sagte er. Um so mehr würden sie sich auch wohl gegen die Barbaren wenden, und sich untereinander des Krieges enthalten. – Und wie, sprach ich, die Toten weiter berauben als ihrer Waffen, nachdem man sie besiegt hat, ist das wohl schön? oder gibt es nicht den Feigen einen Vorwand nicht gegen den kämpfenden Feind zu gehn, als ob sie auch etwas pflichtmäßiges täten, wenn sie bei den Leichnamen herumhocken, und sind nicht schon viele Heere um dieses Raubes willen zu Grunde gegangen? – Ja wohl. – Und scheint es nicht unedel und habsüchtig einen Toten zu berauben, und zeugt von weibischer und kleinlicher Denkungsart den Leib des Toten für das feindselige zu halten, da doch der Feind schon herausgeflogen und nur das übrig geblieben ist, wodurch er Krieg führte? oder meinst du, daß, die dieses tun, etwas anderes tun als die Hunde, welche auch die Steine anknurren mit denen sie geworfen werden, den werfenden aber nicht anrühren? – Auch nicht im mindesten anders, sagte er. – Lassen wir also ab von dem Plündern der Toten und dem Verhindern der Begräbnisse. – Das müssen wir, sagte er, beim Zeus. – Also werden wir wohl auch nicht die Waffen in die Tempel bringen um sie da zu weihen, wenn uns irgend gelegen ist an dem guten Vernehmen mit den andern Hellenen. Vielmehr (470) werden wir uns fürchten, ob es nicht Entweihung sei dergleichen von unsern Angehörigen in das Heiligtum zu bringen, es müßte denn der Gott etwa das Gegenteil gebieten. – Ganz richtig, sagte er. – Wie aber wegen Verwüstung hellenischen Landes und Anzündung der Wohnungen, wie werden da deine Krieger gegen die Feinde verfahren? – Dich, sagte er, möchte ich gern deine Meinung darüber darlegen hören. – Meine Meinung also, sprach ich, ist, daß keines von beiden geschehe, sondern nur die Ernte des Jahres genommen werde. Und soll ich dir auch sagen weshalb? – Allerdings. – Mir scheinen nämlich, wie sie ja auch als zwei Wörter gesprochen werden, Krieg und Fehde, so auch zweierlei zu sein und sich auf zwei verschiedene Dinge zu beziehn; nämlich von diesen zweien ist das eine befreundetes und verwandtes, das andere fremdes und ausländisches. Für Feindschaft nun mit dem befreundeten brauchen wir das Wort Fehde, mit den Fremden aber Krieg. – Das ist auch gar nicht aus der Weise, sagte er, was du sagest. – So sieh denn, ob auch dies nach der Weise ist. Ich behaupte nämlich, das hellenische Geschlecht sei sich selbst befreundet und verwandt, zu dem barbarischen aber verhalte es sich wie ausländisches und fremdes. – Sehr schön, sagt er. – Daß also Hellenen mit Barbaren und Barbaren mit Hellenen, wenn sie gegen einander fechten, Krieg führen, wollen wir wohl sagen, und daß sie von Natur einander verfeindet sind und man diese Feindschaft Krieg nennen müsse; wenn aber Hellenen gegen Hellenen etwas dergleichen tun, daß sie von Natur einander Freund sind, und daß in diesem Zustande Hellas nur krank ist und unter sich verfehdet, und man diese Feindschaft eine Fehde nennen müsse. – Ich meines Teils, sagte er, räume ein, daß man es so ansehe. – So betrachte es denn, fuhr ich fort, an dem, was man jetzt Fehde nennt, wo eine solche entstanden und eine Stadt in sich geteilt ist, wenn sie da einer des andern Äcker verwüsten und Häuser anzünden, wie grundverderblich dann die Fehde erscheint, und keine von beiden Parteien es mit der Stadt gut meinen kann, weil sie ja sonst nicht toller Weise die Ernährerin und Mutter verstümmeln würden, sondern es genug wäre für die Sieger, den Besiegten ihre Früchte zu rauben, sonst aber gesinnt zu sein als ob sie sich wieder vertragen und nicht immer im Kriege bleiben würden. – Bei weitem milder sind gewiß die so gesinnten als jene. – Und wie nun? sprach ich, die Stadt, die du gründest, soll die nicht eine hellenische sein? – Das soll sie gewiß, sagte er. – Und sollen sie nicht gut und mild sein? – Gar sehr. – Aber etwa nicht hellenisches lieben? und nicht Hellas für befreundet halten? und nicht Genossen derselben Heiligtümer sein mit den übrigen? – Gar sehr gewiß. – Werden sie also nicht einen Zwist mit Hellenen als Verwandten nur für eine Fehde halten, und auch nicht einmal Krieg nennen? – Das werden sie wohl nicht. – Und die Fehde führen als solche, (471) die sich wieder vertragen wollen? – Allerdings. – Sänftiglich werden sie sie also zur Besinnung zu bringen suchen, nicht mit Knechtschaft strafen noch mit Verwüstung, da sie ja nur Züchtiger sein wollen nicht Feinde. – Richtig, sagte er. – Also werden sie auch als Hellenen nicht hellenisches Land verwüsten noch Wohnungen verbrennen, noch auch jedesmal alle in der Stadt für feindselig halten Männer Weiber und Kinder, sondern immer nur wenige für ihre Feinde, die eigentlichen Urheber des Zwistes. Und aus allen diesen Ursachen nun werden sie weder ihr Land verwüsten wollen, da sie ja viele Freunde darunter haben, noch auch ihre Wohnungen zerstören; sondern nur so weit den Zwist treiben, bis die Schuldigen von den mitleidenden Unschuldigen genötiget werden Genugtuung zu leisten. – Ich, sagte er, gestehe zu, daß unsere Bürger so ihren Widersachern begegnen müssen, den Barbaren aber so wie jetzt die Hellenen sich untereinander. – So wollen wir denn auch dieses Gesetz unsern Hütern vorschreiben, weder das Land zu verwüsten noch die Ortschaften zu verbrennen. – Das wollen wir, sagte er, und dieses sowohl als das vorige für gut erklären.

Aber es will mich bedünken, o Sokrates, wenn man dir gestattet dergleichen noch mehr vorzutragen, so wirst du niemals an das gedenken, was du vorher weggeschoben hast, um erst alles dieses vorzutragen, nämlich daß eine solche Verfassung auch möglich sei und auf welche Weise sie möglich sei. Denn daß, wenn sie erst bestände, alles vortrefflich stehen werde in dem Staate der sie hätte, das erkläre ich hiemit, und auch was du übergehst, nämlich daß sie auch gegen die Feinde am besten fechten würden, weil ja einander am wenigsten im Stich lassen könnten, die sich unter einander kennen und anrufen als Brüder Väter und Söhne. Und wenn auch das weibliche Geschlecht mit zu Felde zöge, sei es nun in dasselbe Glied gestellt oder auch hinten, um den Feinden Furcht zu machen, und wenn irgendwo eine schleunige Hülfe nötig wäre, so weiß ich, daß sie durch dies alles unüberwindlich sein würden. Und auch zu Hause sehe ich wieviel Gutes was noch übergangen worden ist, sich unter ihnen finden würde. Also als ob ich dies alles und noch tausend anderes, daß es so sein würde, wenn eine solche Verfassung bestände, schon eingestanden hätte, mache nur darüber keine Worte weiter; sondern hievon laß uns nun endlich versuchen uns selbst zu überzeugen, daß sie möglich ist und wie möglich, alles andre aber gehen lassen. – Ganz plötzlich, sprach ich, hast du da gleichsam einen Anlauf gemacht gegen meine Rede, und läßt mich nicht zu Atem (472) kommen im Felde. Denn du weißt vielleicht nicht, daß, nachdem ich nur kaum den zwei Wellen entkommen bin, du nun die größte und gefährlichste der ganzen Brandung gegen mich heranwälzest, wegen welcher, wenn du sie erst siehst und hörst, du mir gar leicht verzeihen wirst, weil es ganz natürlich war, daß ich zögerte und Bedenken trug eine so abweichende Rede vorzubringen und ihre nähere Prüfung zu unternehmen. – Je mehr du dergleichen redest, antwortete er, um desto weniger wirst du von uns losgelassen werden, daß du uns nicht zu erklären brauchtest, wie wohl eine solche Verfassung zu Stande kommen kann. Also erkläre es nur und verweile dich nicht. –

Also zuerst, sprach ich, müssen wir uns dessen wohl erinnern, daß wir die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit suchend, was sie recht sein mögen, hieher gekommen sind. – Das müssen wir. Aber wozu das? fragte er. – Zu nichts. Sondern nur, wenn wir etwa gefunden haben, was Gerechtigkeit ist, werden wir dann wohl fordern, daß auch der gerechte Mann gar nicht von jenem verschieden sein dürfe, sondern ganz und gar eben ein solcher sein müsse wie die Gerechtigkeit ist? oder werden wir zufrieden sein, wenn er ihr nur so nahe als möglich kommt und am meisten von allen an ihr Anteil hat? – So, sagte er; wir wollen zufrieden sein. – Des Beispiels wegen also, sprach ich, suchten wir die Gerechtigkeit an sich was sie wohl ist, und den vollkommen gerechten Mann, wie es wohl einen geben könne und wie er sein würde, wenn es einen gäbe, und wiederum die Ungerechtigkeit und den ungerechtesten, damit wir auf jene sehend, wie sie uns erschienen in Absicht auf Glückseligkeit und ihr Gegenteil, genötiget würden auch von uns selbst einzugestehen, daß, wer ihnen am ähnlichsten ist, auch das ihnen ähnlichste Los haben werde, nicht aber deshalb, um aufzuzeigen es sei möglich daß dies wirklich so vorkomme. – Hierin, sagte er, hast du wohl Recht. – Meinst du also einer sei ein minder guter Maler, der, nachdem er ein Urbild gemalt hätte, wie ein vollkommen schöner Mann aussehn würde, und in seinem Bilde alles gehörig beobachtet, hernach nicht aufzeigen könnte, daß es einen solchen Mann auch geben könne? – Beim Zeus ich nicht! sagte er. – Wie nun? haben nicht auch wir in unserer Rede ein Musterbild aufgestellt eines guten Staates. – Freilich. – Meinst du also, daß wir um deswillen minder gut geredet haben, wenn wir nicht aufzeigen können, es sei möglich eine Stadt so einzurichten, wie es beschrieben wurde? – Freilich wohl nicht, sagte er. – Eigentlich also, sprach ich, verhält es sich so. Wenn wir aber auch dieses versuchen wollen dir zu gefallen, wie etwa und in welcher Beziehung sie am ehesten möglich wäre: so gestehe mir noch einmal zum Behuf dieser Nachweisung dasselbige zu. – Welches doch? – Ist es möglich, daß etwas gerade so kann ausgeführt werden, wie es beschrieben wird? oder liegt es in der Natur der Tat, daß sie weniger das wahre Wesen trifft als die Rede, (473) wenn es einem auch nicht so scheint? Also du gestehest es so ein oder nicht? – Ich gestehe es ein, sagte er. – Dazu also zwinge mich nicht grade wie wir es in der Rede durchgegangen zeigen müssen, daß es eben so in allen Stücken auch in der Tat werde; sondern wenn wir nur im Stande sind zu finden, daß ein Staat der Beschreibung so nahe als möglich eingerichtet wäre, wollen wir uns schon rühmen gefunden zu haben was du forderst, daß dies wirklich werden könne. Oder willst du nicht zufrieden sein, wenn du soviel erlangst? ich wenigsten wäre zufrieden. – Und auch ich, sprach er. – Zunächst also wie es scheint müssen wir versuchen zu finden und aufzuzeigen, was etwa jetzt in unseren Staaten schlecht behandelt wird, weshalb sie nicht so verwaltet werden, und wie ein Staat zu dieser Art der Verfassung gelangen könne mit der mindest möglichen Veränderung, wenn es sein kann nur in Einem Stück, wenn nicht in zweien, wenn nicht doch in so wenigen und so wenig schwierigen als möglich. – Allerdings freilich, sagte er. – Durch eine einzige Veränderung nun, sprach ich, glaube ich zeigen zu können, daß er sich dazu umwandeln werde, freilich durch keine kleine, auch nicht leichte, aber doch mögliche. – Durch welche? sagte er. – Nun gehe ich grade darauf los, sprach ich, was wir der größten Welle im voraus verglichen. Es soll also gesagt werden, und sollte es mich auch mit Schmach und Gelächter ordentlich wie eine aufsprudelnde Welle überschütten. Sieh aber zu, was ich sagen will. – Rede nur, sagte er. – Wenn nicht, sprach ich, entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten, oder die jetzt so genannten Könige und Gewalthaber wahrhaft und gründlich philosophieren, und also dieses beides zusammenfällt, die Staatsgewalt und die Philosophie, die vielerlei Naturen aber, die jetzt zu jedem von beiden einzeln hinzunahen, durch eine Notwendigkeit ausgeschlossen werden, ehe gibt es keine Erholung von dem Übel für die Staaten, lieber Glaukon, und ich denke auch nicht für das menschliche Geschlecht, noch kann jemals zuvor diese Staatsverfassung nach Möglichkeit gedeihen und das Licht der Sonne sehen, die wir jetzt beschrieben haben. Aber dies ist es eben, was mir schon lange Bedenken macht zu reden, weil ich sehe wie es gegen aller Menschen Meinung angeht. Denn es geht schwer einzusehen, daß in einem andern keine Glückseligkeit sein kann, weder für den Einzelnen, noch für das Ganze. – Da sagte er, O Sokrates, du hast eine solche Rede ausgestoßen, daß du nur glauben kannst, es werden nun gar viele und gar nicht schlechte ordentlich die Kleider abwerfend und nackt, was jedem für eine Waffe in den Weg kommt ergreifend aus allen Kräften (474) gegen dich anlaufen, um wunderbares auszurichten, so daß, wenn du sie nicht abwehrst in der Rede und ihnen entkommst, du zur Strafe in der Tat wirst zerrissen werden. – Und daran, sprach ich, bist du mir doch Schuld. – Woran ich, sagte er gar wohl getan habe. Aber ich will dich auch nicht verlassen, sondern dir helfen womit ich nur kann; ich kann aber freilich nur mit gutem Willen und Zureden, und vielleicht wenn ich dir sorgfältiger als irgend ein anderer antworte. Also einen solchen Gehülfen zur Hand habend versuche nun den Ungläubigen zu zeigen, daß es sich so verhält wie du sagst. – Ich muß es versuchen, sprach ich, zumal auch du einen so kräftigen Beistand anbietest. Es dünkt mich nun notwendig, wenn wir irgend denen entkommen wollen, die du meinst, gegen sie zu erklären, wofür die Philosophen haltend wir zu behaupten wagen, sie müßten regieren, damit, wenn sie richtig erkannt worden sind, dann einer sich wehren kann, indem er zeigt, daß es einigen von Natur zukomme sowohl mit der Philosophie sich zu befassen, als auch im Staat Anführer zu sein, den übrigen aber sowohl jene unberührt zu lassen, als auch hier dem anführenden zu folgen. – Das wäre allerdings Zeit, sagte er, zu bestimmen. – So komm denn, folge mir hieher, ob wir es etwa irgend hinreichend erklären können. – Führe nur, sagte er. – Werde ich dich also, sprach ich, erinnern müssen, oder besinnst du dich darauf, daß wenn wir von jemand sagen, er liebe etwas, und dies mit Recht soll gesagt sein, sich dann zeigen muß, daß er nicht nur einiges davon liebt und anderes nicht, sondern daß er ihm ganz zugetan ist? – Du wirst mich, sagte er, erinnern müssen wie es scheint, denn ich verstehe es nicht recht. – Das hätte sich wohl für einen Andern zu sagen geziemt, o Glaukon, antwortete ich was du da sagst, einem so in der Liebe bewanderten Manne aber ziemt es nicht dessen uneingedenk zu sein, daß alle blühenden Knaben den Knabenfreund und Verliebten reizen und quälen, weil sie alle seiner Bemühung und Zuneigung wert scheinen. Oder macht ihr es nicht so mit den Schönen? der eine, der eine aufgeworfene Nase hat, wird niedlich genannt und als solcher von euch gelobt, des andern Habichtsnase sagt ihr sei königlich, und der in der Mitte zwischen beiden habe die schönsten Verhältnisse. Die Braunen, heißt es, sehen männlich aus, die Blonden aber sind Göttersöhne; und daß einer ein Wachsgesicht hat, meinst du wohl, daß diesen Ausdruck schon ein anderer erfunden habe als ein beschönigender Liebhaber, der das Bleiche leicht an einem ertrug, wenn er nur jugendlich war? und mit einem Worte, jeder Vorwand ist euch recht, und ihr habt für alles einen Ausdruck, damit ihr nur keinen von denen verwerfen dürft, die in der Blüte (475) der Jugend sind. – Wenn du es auf mich nachsagen willst von den Verliebten, daß sie es so machen: so gestehe ich es ein unserer Sache zu Liebe. – Und wie, sprach ich, die Weinliebhaber, siehst du nicht, daß die es eben so machen? daß ihnen jeder Wein unter irgend einem Vorwande behagt? – Ja wohl. – Und von den Ehrliebenden, denke ich, siehst du es doch auch, daß wenn sie nicht können das Heer anführen, nehmen sie mit Einem Treffen vorlieb; und werden sie nicht von größeren und höheren geehrt, so begnügen sie sich es auch von geringeren und unbedeutenderen zu werden, weil sie nämlich nur überhaupt der Ehre nachstreben. – Offenbar ja. – Dieses also bejahe mir oder verneine, wenn wir einen begierig nach etwas nennen, werden wir dann sagen, daß er alles, was unter diesen Begriff gehört, begehrt, oder nur einiges, anderes aber nicht? – Alles, antwortete er. – Also auch der Philosoph, werden wir sagen, trachte nach Weisheit, nicht nach einiger zwar nach anderer aber nicht, sondern nach aller. – Richtig. – Wer also in Kenntnissen wählig ist, zumal in der Jugend, wenn er noch keine Einsicht davon hat was brauchbar ist und was nicht, von dem wollen wir nicht sagen, daß er lernbegierig oder Weisheitsliebend sei, so wie wir von dem, der in Speisen wählig ist, nicht sagen, daß er hungere oder Speise begehre oder eßlustig sei, sondern vielmehr ein schlimmer Gast. – Und mit Recht sagen wir das. – Wer aber ohne Umstände alle Kenntnisse zu kosten pflegt und gern zum Lernen geht, und unersättlich darin ist, den werden wir wohl mit Recht Weisheitliebend nennen. Nicht wahr? – Darauf sagte Glaukon, Dann wirst du gar viele und wunderliche solche bekommen. Denn zuerst die Schaulustigen scheinen mir insgesamt solche zu sein, weil es ihnen Freude macht etwas zu erfahren, und dann unter den Hörbegierigen sind nun einige gar zu wunderlich wenigstens um sie unter die Philosophen zu setzen, da sie ja zu Reden und dem Verkehr mit diesen schon gar nicht Lust haben zu kommen, sondern als ob sie ihre Ohren dazu vermietet hätten um alle Chöre zu hören, laufen sie auf den Dionysien herum und fehlen weder bei den städtischen noch bei den ländlichen. Alle diese nun und Andere, die nach ähnlichem wißbegierig sind und die auf allerlei kleine Kunststücke versessenen, sollen wir die Weisheitliebende nennen? – Gar nicht, sagte ich, sondern den Weisheitliebenden nur ähnlich. – Aber welche, sagte er, verstehst du nun unter den eigentlichen? – Die, sprach ich, schaulustig sind nach der Wahrheit. – Auch das, sagte er, ist sehr richtig; aber wie erklärst du es? – Gar nicht leicht, sprach ich, einem andern; du aber, denke ich, wirst mir dieses zugestehen. – Was doch? – Daß, da schönes dem häßlichen entgegengesetzt ist, dieses zwei sind. – Natürlich. – Also wenn zwei, ist auch jedes von ihnen eins. – Auch dieses. – Und mit dem gerechten und (476) ungerechten und guten und bösen und allen andern Begriffen eben so, daß jeder für sich eins ist; aber da jeder vermöge seiner Gemeinschaft mit den Handlungen und körperlichen Dingen und den übrigen Begriffen überall zum Vorschein kommt, auch jeder als vieles erscheint. – Du hast Recht, sagte er. – Hiernach nun, sprach ich, trenne ich abgesondert diejenigen, welche du eben als schaulustig und kunstliebend und handelnd anführtest, und abgesondert wiederum diejenigen, von denen die Rede ist, und die allein einer mit Recht Philosophen nennen kann. – Wie, fragte er, meinst du das? – Die Hörbegierigen und Schaulustigen, sprach ich, lieben doch die schönen Töne und Farben und Gestalten und alles was aus dergleichen gearbeitet ist, die Natur des Schönen selbst aber ist ihre Seele unfähig zu sehen und zu lieben. – So freilich, sagte er, verhält es sich. – Die nun aber zu dem Schönen selbst zu nahen vermögen und es für sich zu betrachten, sind die wohl nicht selten? – Gar sehr. – Wer nun schöne Sachen zwar anerkennt, die Schönheit selbst aber weder anerkennt, noch auch wenn ihn jemand zur Erkenntnis derselben führen will, ihm zu folgen vermag, dünkt dich der wachend oder träumend zu leben? Bedenke nur das Träumen, besteht das nicht darin, wenn jemand, es sei nun im Schlaf oder auch wachend, etwas einem ähnliches nicht für ähnlich sondern für jenes selbst hält dem es gleicht? – Ich wenigstens, sprach er, würde sagen, daß ein solcher träume. – Wie aber, wer ganz im Gegenteil die Schönheit selbst für etwas hält, und auch sie selbst sowohl als das an ihr teilhabende wahrnehmen kann, und weder das teilhabende für sie selbst noch sie selbst für das teilhabende hält, wie dünkt dich wiederum dieser wachend zu leben oder schlafend? – Gar sehr, sagte er, wachend. – Dessen Gedanken also, weil er erkennt, würden wir wohl mit Recht sagen seien Einsicht, des Andern aber Meinung, weil er nur etwas meint oder sich vorstellt. – Allerdings. – Wie nun, wenn uns derjenige böse würde, von dem wir sagen, er meine nur erkenne aber nicht, und wenn er uns bestreiten wollte, daß wir nicht recht redeten: würden wir ihm wohl zuzureden wissen und ihn leise zu überreden ohne ihn merken zu lassen, daß er verwirrt ist? – Das müßten wir wenigstens, sagte er. – Komm denn und sieh zu was wir ihm sagen sollen. Oder willst du lieber daß wir es so von ihm zu erforschen suchen, daß wir ihm sagen, Wenn er etwas wisse trügen wir deshalb keinen Neid, sondern wir würden gar gern einen sehn, der etwas wisse. Also sage uns nur dieses, Der erkennende, erkennt er etwas oder nichts? Du nämlich antworte mir nun an seiner Stelle. – Ich werde antworten, sagte er, daß er etwas erkennt. – Was ist, oder was ist nicht? – Was ist; denn wie könnte etwas, was ja nicht ist, erkannt werden? – Dies also (477) wissen wir zur Genüge, und wenn wir es von noch soviel Seiten betrachteten, daß das vollkommen seiende auch vollkommen erkennbar ist, das auf keine Weise seiende aber auch ganz und gar unerkennbar. – Vollkommen zur Genüge. – Wohl. Wenn sich aber etwas so verhält, daß es ist und auch nicht ist, würde es dann nicht in der Mitte liegen zwischen dem wie seienden und dem ganz und gar nicht seienden? – In der Mitte. – Nun bezog sich doch Erkenntnis auf das seiende, Unkenntnis aber notwendig auf das nichtseiende. Für das zwischen beiden also ist etwas zu suchen zwischen der Unkenntnis und der Erkenntnis, wenn es etwas solches gibt. – Allerdings. – Sagen wir nun, daß etwas auch Vorstellung ist? – Wie sollten wir nicht. – Als ein von dem Wissen verschiedenes Vermögen oder als dasselbige? – Als ein verschiedenes. – Für etwas anderes also ist die Vorstellung geordnet, und für etwas anderes das Wissen, jedes von beiden nach seinem ihm eigentümlichen Vermögen. – So ist es. – Nun gehört doch die Erkenntnis ihrer Natur nach zu dem seienden, um einzusehn daß das seiende ist? Oder vielmehr, so dünkt mich zuvor notwendig uns zu erklären. – Wie? – Wir wollen doch sagen, Vermögen sei eine gewisse Art des Seienden, wodurch sowohl wir vermögen was wir vermögen, als auch jegliches andere was etwas vermag; wie ich zum Beispiel meine, daß Gesicht und Gehör zu den Vermögen gehören, wenn du anders verstehst was ich mit diesem Begriff sagen will. – Wohl verstehe ich, sagte er. – So höre denn, was mir davon einleuchtet. Nämlich an einem Vermögen sehe ich weder Farbe noch Gestalt noch etwas dergleichen, wie an vielem anderen, worauf ich nur sehen darf um bei mir selbst einiges zu unterscheiden, daß das eine dieses ist, das andere jenes. Bei einem Vermögen aber sehe ich lediglich darnach, worauf es sich bezieht und was es bewirkt, und darnach pflege ich ein jedes Vermögen als ein einzelnes zu benennen, und was für dasselbe bestimmt ist und dasselbe bewirkt, nenne ich auch dasselbe, was aber für etwas anderes und etwas anderes bewirkt, nenne ich auch ein anderes. Du aber, wie machst du es? – Eben so, sagte er. – Noch einmal denn her, sprach ich, o Bester! sagst du nun Erkenntnis sei ein Vermögen, oder unter welche Gattung stellst du sie? – Unter diese, sagte er, als das stärkste aller Vermögen. – Und wie die Vorstellung, wollen wir die auch unter das Vermögen oder unter irgend eine andere Art bringen? – Keinesweges, sagte er; denn das, wodurch wir vorzustellen vermögen, ist ja nichts anderes als die Vorstellung. – Allein nur vor kurzem gestandest du ja, Erkenntnis und Vorstellung sei nicht dasselbe. – Wie könnte wohl auch ein vernünftiger Mensch, sagte er, das unfehlbare mit dem nicht unfehlbaren je für dasselbige halten? – Schön, sprach ich, und ganz bestimmt ist also unter uns eingestanden, daß die Vorstellung von der Erkenntnis verschieden ist. – Verschieden. – Also bezieht sich auch jede (478) von ihnen, ihrer Natur nach etwas anderes vermögend, auf etwas anderes? – Notwendig. – Und die Erkenntnis doch wohl auf das seiende, um einzusehen wie sich das seiende verhalte. – Ja. – Die Vorstellung aber sagen wir stellt vor. – Ja. – Etwa dasselbe was auch die Erkenntnis erkennt? so daß das Erkennbare und das Vorstellbare einerlei ist? Oder ist das unmöglich? – Unmöglich, sagte er, nach dem eingestandenen, da ja seiner Natur nach jedes andere Vermögen auf anderes geht, und beides Vermögen sind die Erkenntnis und die Vorstellung, jede aber ein anderes wie wir sagten. Hiernach also findet nicht Statt, daß das Erkennbare und Vorstellbare einerlei sein kann. – Also wenn das seiende erkennbar ist, muß etwas anderes als das seiende vorstellbar sein. – Etwas anderes. – Stellt sie also das nicht seiende vor? oder ist das nicht seiende ja auch vorzustellen unmöglich? Bedenke nur; bezieht nicht der Vorstellende seine Vorstellung auf etwas? Oder ist es möglich vorzustellen zwar aber nichts vorzustellen? – Unmöglich. – Sondern Ein irgend welches stellt immer vor, wer vorstellt? – Ja. – Aber das nicht seiende kann man ja doch nicht irgend etwas, sondern am richtigsten würde man es nichts nennen. – Freilich. – Mit Notwendigkeit also haben wir dem nichtseienden die Unkenntnis zugewiesen und dem seienden die Erkenntnis. – Richtig, sagte er. – Also weder seiendes noch nichtseiendes stellt sie vor? – Freilich nicht. – So wäre dann die Vorstellung weder Erkenntnis noch Unkenntnis. – Ist sie nun etwa außerhalb beider entweder die Erkenntnis übertreffend an Sicherheit, oder die Unkenntnis an Unsicherheit? – Keines von beiden. – Sondern es ist dir wohl klar, sprach ich, daß die Vorstellung dunkler zwar ist als die Einsicht, aber heller als die Unkenntnis. – Bei weitem, sagte er. – Und innerhalb beider liegt sie? – Ja. – Ein mittleres also wäre die Vorstellung zwischen diesen beiden. – Offenbar ja. – Nun sagten wir doch in dem vorigen, wenn sich etwas zeige als zugleich seiend und nicht seiend, so liege ein solches mitten inne zwischen dem rein seienden und dem auf alle Weise nicht seienden, und weder Erkenntnis noch Unkenntnis werde für dieses sein, sondern das was sich zwischen der Erkenntnis und Unkenntnis zeigte? – Richtig. – Nun aber hat sich uns ja gezeigt zwischen diesen das was wir Vorstellung nennen? – So hat es sich gezeigt. – Jenes also wäre uns noch übrig zu finden, wie es scheint, was an beiden Teil hat, an Sein und an Nichtsein, und deshalb keines von beiden unvermischt mit Recht genannt werden darf, damit, wenn es sich uns gezeigt hat, wir dann von diesem mit Recht aussagen können es sei vorstellbar, indem wir so den beiden äußersten jedem ein äußerstes und dem mittleren auch das mittlere zuweisen. Oder nicht so? – Allerdings so. – Dieses nun vorausgesetzt sage denn und antworte mir, werde ich sprechen, der Gute, der ein schönes (479) selbst und eine sich immer gleich verhaltende Gestalt der Schönheit nicht annimmt. An vielerlei schönes aber glaubt jener schaulustige und das niemals vertragende, wenn jemand sagt, es gebe Ein schönes und Ein gerechtes, und so alles übrige. Unter diesem vielen schönen also, o Bester, wollen wir zu ihm sagen, gibt es wohl eines, was nicht auch häßlich erscheinen kann? und unter dem gerechten was nicht auch ungerecht? und unter dem heiligen was nicht auch unheilig? – Keines, sondern notwendig, sagte er, wird es irgend wie schön und auch häßlich erscheinen, und so auch das andere wonach du fragst. – Und wie das viele doppelte? erscheint das irgend weniger halb als doppelt? – Gar nicht. – Und das große und kleine und leichte und schwere, wird das mit größerem Recht so wie wir eben sagen genannt, als entgegengesetzt? – Nein, sondern immer, sagte er, wird jedes an beidem haften. – Jegliches also von diesen vielen ist es wohl mehr als es nicht ist das was einer davon aussagt? – Es gleicht, sagte er, dem was man doppelsinniges auf Gastmählern vorbringt, und dem kindischen Rätsel von des Verschnittenen Wurf nach der Fledermaus, wo sie rätselhaft damit spielen, womit und worauf er sie geworfen habe. Denn auch diese Dinge sind doppelsinnig, und es ist unmöglich von irgend einem darunter genau und bestimmt zu denken, weder daß es ist oder nicht ist, noch daß ihm beides oder keines von beiden zukommt. – Weißt du also, sprach ich, was du damit machen sollst, oder an was für einen besseren Platz du sie stellen willst, als zwischen dem Sein und Nichtsein? Denn sie können sich ja weder dunkler als das Nichtseiende zeigen, so daß sie etwa mehr nicht wären, noch auch heller und mehr seiend als das seiende. – Vollkommen richtig, sagte er. – Also haben wir gefunden, wie es scheint, daß was die Vielen vieles annehmen vom Schönen und dem übrigen der Art sich irgendwo zwischen dem nichtseienden und dem wahrhaft seienden herumdreht. – Das haben wir gefunden. – Und im voraus waren wir einig geworden, wenn sich etwas dergleichen zeige, müsse davon gesagt werden, daß es vorstellbar sei und nicht erkennbar, indem das dazwischen herumschweifende auch mit dem dazwischen liegenden Vermögen aufgefaßt wird. – Darüber waren wir einig. – Die also viel schönes beschauen, das schöne selbst aber nicht sehen, noch einem andern der sie dazu führen will zu folgen vermögen, und die vielerlei gerechtes, das gerechte selbst aber nicht, und so alles, diese, wollen wir sagen, stellen alles vor, erkennen aber von dem, was sie vorstellen, nichts. – Notwendig, sagte er. – Wie aber wiederum die jegliches selbst, wie es sich immer gleichermaßen verhält, beschauen? nicht daß die erkennen und nicht vorstellen? – Notwendig auch das. – Also werden wir auch sagen von diesen, daß sie dasjenige lieben und sich dazu neigen, wovon es Erkenntnis gibt, jene aber das, wovon Meinung und Vorstellung? (480) Oder erinnern wir uns nicht mehr, daß wir schon sagten, diese liebten schöne Töne und Farben und dergleichen und beschaueten sie, das schöne selbst aber ließen sie nicht einmal gelten als seiend? – Dessen erinnern wir uns. – Werden wir uns also vergehen, wenn wir sie mehr Meinungsliebende nennen als Weisheitliebende? und werden sie uns wohl sehr zürnen, wenn wir so sagen? – Nicht wenn sie mir folgen, sagte er; denn dem wahren zu zürnen ist nicht recht. – Dagegen die jegliches seiende selbst liebenden muß man Weisheitsliebend und Philosophen nennen, nicht aber Meinungsliebend. – Allerdings ja.


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