Gottlieb Conrad Pfeffel
Prosaische Versuche / 1. Theil
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Die weiße Frau.

Ritter Wolfgang von Wolfsberg, bewohnte mit Fräulein Ida, seiner einzigen Tochter, seine uralte Burg auf dem Schwarzwalde. Er war schon drei Jahre Wittwer, und da es um jene Zeit weder in Palästina noch in Deutschland etwas zu raufen gab, so unternahm er einen immerwährenden Kreuzzug gegen die Hirsche und Eber seiner weitläuftigen Forste. Er hatte von Kindheit an seine Tochter im Reuten und Bogenschiessen geübt. Weil ich keinen Sohn habe, sagte er, so will ich wenigstens einen halben Buben aus dem Mägdlein machen. Allein sein sanftes Weib hatte die seltsame Verwandlung, so viel an ihr war, gehindert, und der schönen Ida in eben dem Maaße weibliche Sittsamkeit eingeprägt, als der Vater ihr männliche Kühnheit einzuflößen suchte. Nach ihrem Tode behielt die väterliche Pädagogik die Oberhand. Ida mußte den Ritter täglich auf die Jagd begleiten, und so mischte sich die heroische Miene einer Diana unter die reizenden Züge der Venus, welche die Minnesinger jener Zeit, zumahl an der väterlichen Tafel, schon lange in ihrem Gesicht entdeckt hatten. Ritter Wolfgang war übrigens ein herzguter Mann. Alle seine Nachbaren waren seine Freunde, und da er der 124 Aldermann des Gaues war, so besuchten sie ihn oft auf seiner Burg, da er ihnen dann mit dem Becher in der Hand die Thaten seiner Jugend erzählte. Allein eben der Held, der so oft das Schrecken der Sarazenen war, konnte des Nachts vor keinem Kirchhofe und vor keinem Galgen vorbei reuten, ohne zu schaudern. Wie das Krähen des Hahns den Löwen schreckt, so schreckte das Aechzen des Käuzleins die Seele des Ritters. Er glaubte an Kobolte und Gespenster, und wer sie läugnete, war ihm ein Heide, der auch keinen Gott und, was noch ärger ist, keinen Teufel glaubte. – Unter seinen Nachbarn waren zween junge Ritter, Chuno von Löwenstein und Adelbert von Schönborn, die den biedern Wolfsberg immer fleißig, und seitdem seine Tochter ihren sechszehnten Sommer zurückgelegt hatte, noch fleißiger besuchten. Wolfgang dachte wohl, daß sie etwas im Schilde führten, und wünschte sich oft zwo Töchter, um beider Schwiegervater werden zu können. Es waren ein paar wohlgestaltete, angesehene und mannhafte Landsassen, die bereits Herren ihrer angestammten Güter waren. Dabei war Chuno ein verschlagener Schmeichler, der sich in Wolfgangs Launen gar meisterlich einstudiert hatte, indeß Adelbert durch sein biederes offenes Wesen mehr die Aufmerksamkeit der Tochter als des Vaters auf sich zog. 125 Nebst dem hatte er das Unglück, weder an den Nis, noch an den Rübezahl zu glauben, und als einst Ritter Wolfgang erzählte, daß letzte Fronfasten ihn der wilde Jäger mit all seinem wüthenden Heere durch den Burgforst verfolgt habe, zog Adelbert unwillkührlich seine Lippen zum Lächeln. Wolfgang sah es, und von diesem Augenblicke an sank bei ihm der Credit des jungen Freigeists um so tiefer, da Chuno dessen Unvorsichtigkeit benutzte, und die Erzählung des Alten durch ein Dutzend Sagen seiner Amme belegte, die das Uebergewicht seiner Verdienste vollends entschieden. Dabei ließ es der verschmitzte Chuno nicht bewenden, er bediente sich der vortheilhaften Stimmung des Alten, um gleich des folgenden Tages das Fräulein zur Gemahlin zu begehren. Euer Antrag, antwortete Wolfgang, ist mir willkommen, allein ich habe meiner seligen Edeltrud versprochen, ihre Tochter nicht ohne ihren Willen zu vermählen. Könnt Ihr Idas Liebe gewinnen, so mögt Ihr sie als Eure Braut heimführen. Chuno hatte wohl bemerkt, daß das Fräulein ihn mit keinen so günstigen Augen betrachtete, als ihr Vater. Er verwünschte in seinem Herzen die letzte Bitte der seligen Frau Edeltrud, und hofierte nun ihrer Tochter mit verdoppeltem Eifer. Ida hingegen bestrafte durch ihren verdoppelten Kaltsinn die Emsigkeit, 126 womit er die zunehmende Abneigung des Vaters gegen Adelbert zu nähren suchte.

Ein neuer Vorfall löschte auch den letzten Funken des Wohlwollens, der noch in dem Gemüthe des Alten für ihn glimmte. Wolfgang erzählte eines Abends, daß in dem halbverfallenen Thurme seiner Burg die weiße Frau, die schon damals eine große Rolle in den Annalen der deutschen Seher und Seherinnen spielte, eine jede wichtige Begebenheit seiner Familie durch ihre Erscheinung ankündigte, und daß der Schloßwart sie vorige Nacht an dem großen Tagloche gegen Osten erblickt habe. Die möchte ich auch sehen, sagte Adelbert, und ein Weilchen mit ihr kosen! Das würdet Ihr wohl bleiben lassen, erwiederte der Burgherr. Warum das? fuhr jener fort. Seht, Ritter, hier meinen blauen Ring, er ist mir der liebste Nachlaß meiner Mutter. Nun diesen Ring will ich der weißen Frau an den Finger stecken, wenn sie die Gefälligkeit hat, mir ihre Hand zum Kusse zu reichen. Ritter Wolfgang erblaßte, Chuno sah gen Himmel, Ida lachte.

Einige Tage nach diesem Gespräche fand Adelbert Gelegenheit, seine Liebe dem Fräulein zu eröffnen. Eine kleine Unpäßlichkeit hatte sie abgehalten, ihrem Vater auf die Jagd zu folgen. Sein Antrag befremdete sie gerade so, wie ein Geheimniß, das man 127 schon weiß, aber noch nicht zu wissen das Ansehen haben möchte. Gleichwohl erröthete die züchtige Ida bei des Ritters Erklärung, und zwar aus eben der Ursache, warum sie im ähnlichen Falle gegen Chuno nicht erröthet wäre. Ritter, sagt sie, Ihr müßt Euch an meinen Vater wenden; wenn Euren Wünschen Hindernisse entgegen stehen, so werden sie nie von meiner Seite kommen. Adelbert ergriff die Hand des Fräuleins, und bog ein Knie, indem er sie an seine Lippen drückte. Ritter Wolfgang kam bald hernach mit einem Schmalthier und sieben Hasen auf die Burg geritten. Adelbert bat sich eine Unterredung mit ihm aus, und entledigte sich seines Antrags mit biederer Freimüthigkeit, ohne Wörterprunk, und ohne wie Chuno bei dem Vater den Hofschranzen zu spielen. Dieser war etwas verlegen, und in der Eile fiel ihm kein schlaueres Mittel ein, sich aus der Schlinge zu ziehen, als das einzige, welches Adelberten begünstigen konnte; er gab ihm dieselbe Antwort, die Chuno von ihm empfangen hatte. Nun dann, antwortete ihm der junge Freier, so möge das Fräulein, das mich schon lange kennet, in Eurer Gegenwart, edler Ritter, mein Loos entscheiden. Sogleich aus dem Stegreife, antwortete Wolfgang mit noch größerer Verwirrung, wird das wohl nicht seyn können, denn ich darf Euch nicht 128 verhehlen, daß Ritter Chuno schon vor einigen Wochen um die Hand meiner Tochter warb, und daß ich ihn an sie verwiesen habe. Wohlan, versetzte Adelbert, ich und Chuno sind gute Nachbarn und Freunde, ich werde mit ihm Rede pflegen, und wir wollen künftigen Sonntag das Fräulein bitten, in Eurer Gegenwart unter uns zu wählen; auch er ist ihr nicht fremd, ihre Wahl wird keine längere Bedenkzeit erfordern. Mit diesen Worten verließ Adelbert den Vater seiner Geliebten.

Am folgenden Morgen sprach Wolfgang beim Frühstück zu seiner Tochter: Höre mich an, Ida; zween wackre Ritter, Chuno und Adelbert, begehren dich zu ihrer Hausfrau. Du kennest beide; Chuno ist ein feiner, bescheidener und gottesfürchtiger Mann, bei dem du an Leib und Seele versorgt wärest. Adelbert hat auch seinen Werth. Sein Vater war mein treuer Waffenbruder und starb in meinen Armen: der junge Mann ist sein wahres Ebenbild, aber sein Unglaube macht mich irre. Sein Gespött über heilige Dinge hat mich schon oft geärgert und betrübt. Ich will deinem Herzen keine Gewalt anthun, aber bedenke dich wohl, ehe du wählest. Künftigen Sonntag, wenn es dir recht ist, sollst du dein Wort von dir geben. Mein trauter Vater, antwortete Ida, indem sie ihm die Hand küßte, ich will wählen, und 129 Ihr sollt zufrieden seyn mit meiner Wahl, ich will Adelbert nicht entschuldigen, er mag es selbst thun. Das kann er nicht, rief Wolfgang. Beim heiligen Kreuze, das kann er nicht! Habe ich nicht erst diese Nacht wieder mit eigenen Augen die weiße Frau gesehen? Sie stand am Eingange des Burgthurms. Ich hörte den Hund winseln und gieng ans Fenster; da sah ich sie, wie ich dich sehe, und als sie mich erblickte, husch! war sie verschwunden. Da wünschte ich nur, versetzte das Fräulein, daß Adelbert sie auch gesehen hätte. Doch wie kömmt es, Vater, daß er bei all seinem Unglauben dennoch fleißiger zur Kirche geht als Chuno? Wie kömmt es, daß seine Bauern alle reich, und Chunos Bauern schier alle arm sind? Wie kömmt es, daß, als Adelbert voriges Jahr so krank war, alle seine Dienstleute um ihn weinten, und täglich drei heilige Messen für ihn lesen liessen? Alles wahr, alles recht, sprach Wolfgang, auch hat er überall einen guten Leumund, den ich ihm eben nicht abschneiden will, allein . . . . Herzlieber Vater, ich will bei meiner Wahl nicht nur mein Glück, sondern auch Eure Ruhe bedenken. Bei diesen Worten trug Ida das Frühstück ab, und befahl, ihre Schäcke zu satteln, weil der Vater einen Ritt ins Holz mit ihr machen wollte.

130 Der Sonntag erschien, und die beiden Freyer kamen in gestickten Kollern und mit Reigerbüschen auf den Hüten, jeder von einem Buben begleitet, auf die Burg getrabt. Die Mahlzeit war traulich und heiter. Chuno verließ sich auf die Gunst des Vaters, dem seine Tochter noch nie ungehorsam war. Adelbert baute auf das Herz der Tochter, die das Herz ihres Vaters zu lenken wußte. Ida hatte, auf Wolfgangs Befehl, der seligen Mutter Brautwamms anziehen und sich mit ihren Armbändern schmücken müssen. Da Wolfgang sie so an der Tafel sitzen und die Hausehre retten sah, stieg ihm eine Thräne ins Auge. Beim heiligen Kreuze, sagte er, es ist meine leibhaftige Trude, nur daß sie mehr Feuer im Blicke, und auch mehr Herz im Leibe hat. Das ist aber mein Werk. Hätte ich die Mutter machen lassen, so wäre sie auch so ein schüchternes Täublein geworden.

Nach der Mahlzeit schritt man, wie es bei den lieben Alten Sitte war, zu der Hauptsache: Fräulein, sagte Wolfgang zu seiner Tochter, gegenwärtige zween ehrbare Ritter bewerben sich um deine Hand. Beide sind mir lieb und werth. Es kann aber nur einer mein Eidam werden. Seine Wahl überlasse ich dir. Das Fräulein verneigte sich gar sittig gegen die beiden Buhlen und ihren Vater, 131 und sprach: Der Bräutigam, den ich lieben soll, muß mir vor allen Dingen eine Probe seines Muthes geben, die zugleich eine Probe seines reinen Gewissens seyn wird. Er soll drei Nächte ohne Begleiter, ohne Licht und ohne Waffen auf dem Söller des alten Burgthurms wachen, oder, wenn er kann, schlafen. Das will ich, das will ich, riefen beide Ritter zugleich, als Wolfgang eben den Mund öffnete, um seiner Tochter die Verwegenheit dieses Einfalls zu verweisen. Gut, sprach das Fräulein, so mag das Loos bestimmen, welcher den Anfang machen soll. Wer die erste Nacht gewacht hat, ruht die folgende aus, und so mögt ihr umwechseln, bis jeder seine Probe überstanden hat. Das Loos entschied, daß Chuno zuerst das Abentheur bestehen sollte, wozu er selbst die folgende Nacht bestimmte. Adelbert eilte nach seiner Burg zurück, und sagte beim Abschiede zu Ida: Ich habe wohl nicht nöthig, Euch, edles Fräulein, zu versprechen, daß ich Morgen bei Zeiten hier seyn werde. Die Nacht erschien, und Chuno begab sich allein und ohne Licht, noch Waffen in den alten rußigten Thurm, von dessen Zinnen die Eulen und Uhus ihn begrüßten. Wolfgang hingegen verfügte sich in seine Kammer, wo er, in ungedultiger Erwartung des Morgens, die ganze Nacht schlaflos zubrachte. Kaum brach der 132 Tag an, so trat er ans Fenster und blies auf seinem Horne ein Jägerstücklein, welches ihm von Chunos Leben oder Tod Kundschaft geben sollte. Der Ritter verstand die Losung und zeigte sich ihm bald mit freundlichem Nicken am Eingange des Thurmes. Wolfgang eilte ihm entgegen und empfieng ihn, wie man einen Sohn empfängt, der auf dem Brett eines gescheiterten Schiffes ans Ufer getrieben wird. Nun, Ritter, wie ists gegangen? sprach er zu Chuno, indem er ihn aus den Armen ließ. Ich lebe noch, erwiederte dieser. Laßt Euch das genug seyn, mehr kann und darf ich nicht sagen. Ueber der Tafel war Ida gar fröhlich und munter, woraus beide, der Vater und der Freier, die günstigsten Vorbedeutungen zogen. Des Abends erschien Adelbert, und wurde, nach eingenommenem Mahle, als der Schloßwart zehn Uhr blies, gleich seinem Vorgänger, bis an den Eingang der furchtbaren Herberge begleitet. Er warf sich auf das mit einer Wolfshaut belegte Feldbette, und sah, beim blassen Strahle des Mondes, jetzt eine, dann zwo, dann drei Fledermäuse über seinem Scheitel herumflattern. Es schlug Mitternacht. Die Mauer, dem Bette gegen über, öffnete sich. Eine blanke weibliche Gestalt nahte sich mit langsamen Schritten. Abelbert richtete sich auf, stutzte eine Secunde, und gieng ihr 133 dann festen Fusses entgegen. Als er noch eines Schwerdtes Länge von ihr war, redete er sie an: Wer bist du? – Die weiße Frau, antwortete eine hohle, heisere Stimme. Was willst du? fragte Adelbert weiter. – Den Ring, den du mir neulich versprachest. – Den sollst du haben; deine Hand. Bei diesen Worten zog Adelbert seinen Ring ab, die weiße Frau streckte ihre Hand aus, und der Ritter steckte ihr den Ring an den Finger. Doch in eben dem Augenblicke schlang er seinen Arm um die Gestalt, und rief: Nun will ich dich aber auch näher kennen. Er packte das Gespenst so derb an, daß es halb schreiend, halb lachend ausrief: Nun, Ritter, seyd doch klug. Heilige Mutter Gottes, sprach Adelbert, indem er sich ihm zu Füßen warf, seyd Ihr es, edles Fräulein; ists möglich? Diese Erscheinung ist mir eben so unbegreiflich, als wenn es die weiße Frau selbst wäre. Es ist noch nicht Zeit, Euch das Räthsel aufzulösen, versetzte das Fräulein. Ich hoffe, es soll übermorgen geschehen. Gehabt Euch indessen wohl und schweiget. Bei diesen Worten verschwand die Gestalt durch die Mauer, und nun hätte Adelbert, wo nicht an Gespenster, doch wenigstens an wachende Träume geglaubt, wenn nicht sein nackter Finger ihn von der Wirklichkeit der Erscheinung überzeugt hätte. Auch ihn erwartete Wolfgang des 134 folgenden Morgens am Fenster, und ob er ihn gleich nicht mit seinem Jagdhorn bewillkommte, so bezeugte er dennoch eine aufrichtige Freude über seine Erhaltung. Nun wie giengs, Ritter, sprach er zu ihm. Die Zunge ist mir gebunden, antwortete er, sobald ich sprechen darf, werde ich es thun.

Ueber der Mahlzeit schien das Fräulein etwas verwirrt. Sie sprach weniger als gestern, und so oft Adelbert sie ansah, schlug sie mit Erröthen die Augen nieder. Auch der Ritter verrieth eine sichtbare Zerstreuung. Sein Gespräch war abgebrochen und gezwungen, und so oft er dem Vater Wolfgang Bescheid that, trank er seinen Becher nur halb aus. Nun, nun, dachte dieser bei sich selbst, es muß etwas vorgegangen seyn, das Adelberts Hofnungen zerstört und meine Wünsche begünstigt. Als der junge Ritter sich beurlaubte, zog Ida wie von Ungefähr ihren Handschuh aus, er erblickte den blauen Ring an ihrem Finger, und Wolfgangs Gegenwart konnte ihn kaum abhalten, sich auf die Hand zu stürzen, die ihm einen so schmeichelhaften Wink der Hoffnung gab.

Eben diese Göttin, die so gerne den Ritter und den Bettler täuscht, erfüllte auch die Phantasie seines Nebenbuhlers mit den süßesten Träumen. Von ihrem Nektar berauscht, kam er am dritten Abend 135 auf die Burg Wolfsberg, um seine zwote Nachtwache zu bestehen. Wolfgang sah ihn mit heiterer Sicherheit seinen Posten beziehen. Er legte sein graues Haupt ruhig nieder, und war bereits in einen sanften Schlummer versunken, als ein gewaltiges Getöse vor seiner Kammerthür ihn aufschreckte. Es war Chuno, der mit beiden Fäusten anklopfte, und mit zitternder Stimme ihn bat, sie zu öffnen. Um aller Heiligen willen, was ist vorgegangen? sprach der Alte, indem er den bebenden Ritter einließ, und sich selbst kaum auf den Beinen halten konnte. Herr Ritter, stammelte Chuno: das Gespenst . . . . . Nun? – ist mir . . . . ach ich kann die gräßliche Gestalt nicht beschreiben, darinn es mir erschienen ist! Wolfgang schlug ein Kreuz vor sich und Chuno fuhr fort. Es war wenigstens sechs Ellen hoch und sprach mit einer Stimme, ha! noch gellt sie in meinen Ohren: Nimm hier meine Hand, ohne sie kannst du nicht Wolfgangs Eidam werden. Bei diesen Worten streckte es wirklich seine feurige Pranke nach mir aus, ich sank ohnmächtig zu Boden, und als ich wieder zu mir selbst kam, war das Ungethüm verschwunden. Heiliger Gott, hier ist es! so unterbrach er sich selbst, indem die Thüre sich öffnete und Ida in einem langen weißen Gewand in die Stube trat.

136 Nun in der That, Ritter, sagte sie mit Lachen, ihr könnt gut konterfeyen. Hier ist das sechs Ellen hohe Gespenst, das Euch erschien. Daß Euer Muth die Probe nicht hält, habt ihr selbst bewiesen, daß es um euer Gewissen nicht besser stehe, will ich Euch und vornehmlich meinem betrogenen Vater beweisen. Ilse komm herein und fürchte nichts. Ilse, die Tochter des Burgwarts, trat in das Zimmer. Chuno wurde noch blässer, und wollte sich zurück ziehen. Bleibt, bleibt, Ritter, rief Ida, indem sie ihn beim Ermel hielt, und hört zuerst das Bekenntniß dieser Dirne an: Ilse erzählte, daß Chuno ihr fünfzig Kronen versprochen habe, wenn sie drei Sonnabende hintereinander um Mitternacht in weißer Kleidung den Burgthurm besteigen, und sich eine Stunde lang bald am Eingange, bald aus einem der Taglöcher zeigen würde. Ich that es, fuhr sie fort, ohne zu wissen, wozu diese Mummerei dienen sollte. Als mich das Fräulein zu Rede setzte, gestand ich alles und gelobte ihr das Stillschweigen, das sie mir auferlegte. Hier, gestrenger Ritter, ist das Geld, das mich verblendet hat. Sie warf sich auf ihre Kniee, legte das Geld auf die Erde, und flehte um Gnade. Stehe auf, Ilse, und behalte das Gold. Auch ich werde dir fünfzig Kronen geben zum Dank, daß du mir die Augen geöffnet 137 hast. Jetzt sprach er zu Chuno: nun, Ritter, mögt Ihr heimziehen, um Eurer Ehre und um meiner Ehre willen werde ich Euren schnöden Trug verschweigen. Noch eins, rief Ida, indem sie ihre Hand ausstreckte; erkennet Adelberts Ring an meinem Finger. Er selbst hat in der gestrigen Nacht ihn daran gesteckt, und ich schwöre bei der heiligen Hostie, daß ich mich ihm nicht eher zu erkennen gab, als bis es geschehen war, und daß ich mich ihm entdecken mußte, um nicht ein Opfer seines Muthes zu werden. Fahrt wohl, Ritter Chuno, ich habe Euch nichts mehr zu sagen.

Chuno schlich sich davon und der gute Wolfgang weinte vor Freuden am Halse seiner triumphierenden Tochter: wenn das deine selige Mutter wüßte, wie würde sie mir nun danken, daß ich dich gelehrt habe, dich vor nichts zu fürchten. Ida lächelte. Nun ja, ich verstehe dich, die Schülerin hat den Meister übertroffen. Das ist wohl eher geschehen.

Sobald der Tag graute, schickte Wolfgang seinen Buben an Adelbert ab, um ihn zum Imbiß einzuladen. Die Botschaft befremdete ihn. Ist Ritter Chuno auch noch auf der Burg? fragte er den Buben. Nein, gestrenger Ritter, noch ehe der Nachtwächter zwei Uhr bließ, ist er in aller Stille heimgeritten. Diese Nachricht hätte Adelberts braunem 138 Zelter beinahe das Leben gekostet. Er kam den Schloßbühel herauf gejagt, als ob es Berg unter gienge, und als er in den Saal trat, führte Wolfgang ihm das Fräulein mit diesen Worten entgegen: Hier, Ritter, übergebe ich Euch den Preiß, den Euer Muth und Euer biedres Herz verdienen. Eure Braut soll Euch selbst erzählen, wie sie es anfieng, um Eurem Nebenbuhler die Larve abzuziehen und mich zu überführen, daß man ein guter Christ seyn kann, ohne an Gespenster zu glauben. 139

 


 


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