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Sechstes Kapitel

Lilienfelders Prophezeiungen erfüllten sich zu Bertrams Freude nicht. Karoline dachte nicht daran, die Eifersucht des Freundes zu reizen. Im Gegenteil erwiderte sie gelegentlich auf die absichtlich gestellte Frage Bertrams, ob ihr niemals einer der Kunden lästig würde, sehr entschieden: »Ich möchte es keinem raten! Habe mir schon etliche vom Halse geschafft, die mir mit ihrem blöden Gucken und ihren Redensarten gar zu langweilig wurden!« So verhielt es sich auch in der That. Nachdem sie erkannt hatte, daß ihre arglose Freundlichkeit böse Deutung erfuhr, änderte sie ihr Verhalten gegen die Käufer ganz wesentlich. Sie nahm einen kühl geschäftsmäßigen Ton an, der von keinem gewinnenden Lächeln begleitet war, gab allzu Liebenswürdigen sogar ganz barsch abweisende Antworten und vertrieb sich dadurch manchen Kunden. Der Schade war insofern jedoch nicht groß, als derartige Käufer stets nur des Vorwandes halber Kleinigkeiten kauften. Auch ihrer Aufwärterin hatte sie den Abschied gegeben und an ihre Stelle eine junge Arbeitersfrau genommen, welche, froh des kleinen Erwerbs, still bescheiden ihre Arbeit verrichtete und sich nicht weiter umsah. Bertram bemerkte nicht, daß die bisherige heitere Lebensfreude Karolinens einem Zug herber Schroffheit wich, denn in seiner Gegenwart zeigte sie sich stets beglückt, sie schmiegte sich an ihn mit innigster Zärtlichkeit.

Eines Tages erzählte Lilienfelder beim Frühschoppen mit schmunzelndem Behagen, daß er die frühere Geliebte des Grafen Etterschlag durch seine kecke Unverfrorenheit erobert habe. Er hatte zufällig gehört, daß das Mädchen sich in argen Geldverlegenheiten befände. Ohne sie anders als von Angesicht zu kennen, hatte er ihr einen Besuch gemacht und sich kurzweg als Nachfolger des Grafen angeboten, die Bedingungen dieser Nachfolge geschäftsmäßig erörternd.

»Im ersten Augenblicke«, so erzählte er, »sah mich die Kleine mit einer Miene an, als hätte sie nicht übel Lust, mir die Thür zu weisen. Ein Graf oder Baron wäre ihr wohl schon deshalb lieber gewesen, weil sie aus meinen Worten deutlich entnehmen konnte, daß ich kein Schwachkopf bin, der sich ausplündern läßt. Aber, als ich ihr klar machte, daß die Etterschlags Nicht dutzendweise zu haben sind, in ihrer Lage man jedoch sehr schnell um etliche Stufen herabsinkt, wurde sie etwas entgegenkommender, und als ich sie nach einer Weile verließ, war die Sache abgemacht. Sehen Sie, Bertram«, schloß er, sich gegen diesen wendend, »das nenne ich rationell.«

»Hm!« entgegnete dieser. »Es ist Geschmacksache, eine Geliebte zu haben, von der man im voraus weiß, daß sie sich denkt: In der Not frißt der Teufel Fliegen!«

Die Anwesenden lachten herzlich zu dieser Bemerkung. Lilienfelder sagte ärgerlich: »Nur daß ich mich nicht vom Teufel fressen lasse! Ebensowenig aber bleibe ich, wie andere Leute, an dem Leim kleben, den mir eine gewisse Hand liebevoll präpariert!«

»Deshalb können Sie eines Tages doch der Geleimte sein!« entgegnete Bertram höhnend.

»Da müßte Ihr Fräulein Karoline den großen Leimtopf borgen. Das geht aber nicht, denn sie kann ihn Ihretwegen nicht entbehren!« versetzte Lilienfelder zur allgemeinen Heiterkeit darauf.

Bertram gab sich lieber geschlagen, als das Gespräch fortzusetzen, und brummte nur etwas Unverständliches in den Bart. Er wollte Karoline nicht den rücksichtslosen Späßen Lilienfelders preisgeben. Die Mißstimmung darüber schwand aber nicht so schnell. Er trug sie den ganzen Nachmittag mit sich herum und brachte seine nicht gerade böse, aber gedrückte, unlustige Laune des Abends zur Geliebten mit, welche recht wohl bemerkte, daß er unfrei war, aber auf Fragen natürlich nur entschiedene Ableugnung zur Antwort erhielt.

Karoline war nun freilich nicht ängstlich. Mit einer ihr nicht immer verfügbaren, aber bei richtiger Stimmung eigenen Art, die nicht Koketterie, sondern Ausdruck eines starken Instinktes war, der durch die kühlere Art des Freundes besonderen Anreiz gewann, entflammte sie das ermattete Feuer seines Herzens, ohne daß er sich dessen versah, zu neuer Glut. Kein auffälliger Unterschied von ihrer sonstigen liebevollen Art war zu erkennen, wenn sie sich solcher Stimmung hingab, aber ihre Lippen ruhten im Kusse länger auf den seinen, ihre Hände legten sich fester auf seine Schultern, und er fühlte ihre schönen Formen inniger an sich geschmiegt; sie scherzte nicht einmal in vertrauter Weise, wie es sonst wohl geschah, aber in der leisesten ihrer Bewegungen, in der Art, mit der ihre Hände schmeichelnd über seinen Kopf strichen, nicht in längerer, kosender Zärtlichkeit, sondern kurz, wie ein flüchtiger Einfall, aber öfter sich wiederholend, in dem gedämpfteren Tone ihrer Stimme lag es, wie ein elektrischer Strom, ein geheimes Fluidum, das, allmählich wirkend, ihn erwärmte und alles, was von Unlust in ihm war, beseitigte. Wenn sie dann ihr Hütchen aufgesetzt, die Handschuhe übergestreift hatte und ihm, an seinem langen Barte leise mit der beschuhten Hand herabgleitend, sagte: »Gehen wir jetzt, mein Schatz?« dann hätte er mit keinem Könige getauscht. So war es auch diesmal geworden.

Als sie einige Tage später die gewohnte Abendgesellschaft auf einem der Sommerkeller aufsuchten, trafen sie dort in Lilienfelders Begleitung Fräulein Rieder. Karoline hatte schon von Bertram die neuen Beziehungen erfahren und bei der Mitteilung trocken bemerkt: »Ich hoffe, nicht mit der zusammenzutreffen!« Da sie diese nun jetzt gewahrte, errötete sie lebhaft, und ein Zug des Unmutes legte sich auf ihr Gesicht.

»Wir kennen uns schon«, sagte Fräulein Rieder heiter, als Lilienfelder sie mit Karoline bekannt machen wollte, und streckte ihr die Hand entgegen.

»Ja, wir kennen uns bereits!« sagte auch Karoline, aber sehr kühl und die dargebotene Hand nur flüchtig berührend.

Bertram, der den Unwillen in den Mienen seiner eben noch so munteren Geliebten wohl bemerkte, fühlte sich auch sehr unbequem, was ihn jedoch nicht hinderte, Fräulein Rieder mit ihr zu vergleichen. Beide waren in ihrer Art schön. Aber das sagte er sich doch mit großer Befriedigung, Karoline war »feiner«, das heißt, sie hätte jedermann für eine junge Frau gehalten, während man in Fräulein Rieder sofort die Halbweltsdame erkannte.

Lilienfelder meinte, die Damen sollten doch nebeneinander sitzen. Man machte Karoline neben ihrer früheren Hausgenossin Platz, und ohne Aufsehen konnte sie keine andere Wahl treffen. Die beiden Damen saßen ihren Liebhabern gegenüber, da Bertram sich neben Lilienfelder gesetzt hatte. Die Musik, die eine Pause gemacht hatte, begann eben wieder. Dies benutzte Fräulein Rieder, um ihrer Nachbarin, von Bertram ungehört, sagen zu können: »Das ist ein schöner Mann, Ihr Freund!«

Sie sprach es in ihrem weichlich singenden österreichischen Dialekt und mit einem Lächeln sinnlichen Behagens, das Karoline höchst widerwärtig erschien.

Sie machte nur eine stumme Gebärde, die ungefähr wie eine dankende Verneigung aussah. Fräulein Rieder schwatzte dann allerlei, wie es in dem Hause, das sie noch immer bewohnte, zugehe, lobte Karolinens Toilette und erinnerte sie noch an jene verhängnisvolle Nacht und den darauffolgenden Besuch bei ihr. »Ist das derselbe?« fragte sie mit einem Augenwinke gegen Bertram.

»Allerdings!« versetzte Karoline innerlich empört.

Fräulein Rieder schien davon nichts zu merken. Sie gab dem Gespräch eine Wendung, welche eine schamlose Vertraulichkeit voraussetzte und eine cynische Auffassung der zartesten Verhältnisse zur Schau trug. Endlich gewahrte sie doch, daß Karoline keinerlei Neigung hatte, auf solche Weise sich zu unterhalten. Sie ließ ihre Nachbarin beiseite, und erst sich an Lilienfelder wendend, zog sie bald die übrigen Herren in das Gespräch, das sie dann beherrschte. Ihre »fesche« Weise gefiel den Tischgenossen sichtlich und dadurch fühlte sie sich zu wachsender Zuchtlosigkeit ermuntert. Man wurde sehr lustig. Karoline war von Bertrams Freunden manches freie Wort gewohnt und durchaus nicht zimperlich. Die Art aber, die ihre Nachbarin anschlug, wurde ihr immer peinlicher. Sie schämte sich, Zeugin sein zu müssen, wie diese die Aufmerksamkeit der ganzen Tischgesellschaft durch frivole Scherze auf sich zog, welche die Aufmunterung zu gesteigerter Schlüpfrigkeit enthielten, der sie dann nicht nur die Stirne bot, die sie vielmehr noch mit breitem Behagen ausspann, so daß schließlich sämtliche Herren nur noch dafür Interesse zu haben schienen, wie weit die »fesche« Österreicherin in ihrer Verwegenheit gehen würde. Lilienfelder schien stolz auf die Unterhaltungsgabe seiner Geliebten zu sein und er war es auch, welcher die übrigen ermunterte, sich in mit schlagfertigem Cynismus erwiderten Scherzen zu ergehen, welche man Karoline gegenüber niemals gewagt haben würde. Niemand aber dachte an die Gegenwart einer besser gesitteten Dame. Die üppige Courtisane mit dem frechen Lächeln, das zwischen den vollen runden Lippen die starken weißen Zähne blitzen ließ, mit dem aufreizenden Blicke der feucht schimmernden, sündhaften Augen, hatte die Instinkte dieser Männer entfesselt, und sie fanden ein unwiderstehliches Behagen darin, zu sehen, wie dieses noch jugendliche Geschöpf mit einer lasterhaften Verworfenheit prahlte. Nur Bertram wurde immer ernster. Er sah, wie Karoline litt, und war darüber gekränkt, daß seine Freunde so wenig Rücksicht aus diese nahmen, aber er fürchtete, sich lächerlich vor ihnen zu machen, wenn er Einspruch erhob. Fräulein Rieder wurde durch Bertrams Zurückhaltung noch mehr gereizt, als durch Karolinens Verlegenheit. Sie richtete ihre Blicke unmittelbar auf ihn, wenn sie eben eine zuchtlose Redensart in den Mund nahm, in der deutlichen Absicht, den unbequemen Gesellschafter fortzuärgern. Das gelang ihr denn auch endlich. Bertram hatte einen flehenden Blick Karolinens aufgefangen, der die Thränen in den Augen standen. Er gab ihr einen Wink und erhob sich mit den halblauten, aber doch den Nächstsitzenden wohl verständlichen Worten: »Nun habe ich's genug!«

»Guten Abend, meine Herren!« setzte er dann laut seinen Hut lüftend, hinzu.

»Guten Abend!« erwiderte man ihm, verblüfft das Gespräch abbrechend, und ehe jemand der Überraschung über diesen plötzlichen Aufbruch Worte leihen konnte, war er bereits, mit Karoline am Arme, eine Strecke vom Platze entfernt. Man fühlte sich schuldig, verlegen sahen die einen dem Paare nach, während die anderen vor sich auf den Tisch blickten. Fräulein Rieder wurde es unbehaglich zu Mute, als sie diese Stille wahrnahm. Sie wurde purpurrot und sah fragend ihre Umgebung an, ob sich niemand fände, der die Störung tadle. Es fand sich aber nur Lilienfelder, der zu schelten begann über den Freund und dessen blöde Nachgiebigkeit gegen die zimperliche Geliebte. Die übrige Gesellschaft verhielt sich sehr kühl, und es dauerte längere Zeit, bis wieder eine fröhliche Stimmung Platz griff. Fräulein Rieder hielt sich zurück, auch als Lilienfelder sie deutlich aufmunterte, den zügellosen Ton wieder anzuschlagen.

Indessen hatte Karoline sich erst bei Bertram bedankt, daß er sie aus der qualvoll beschämenden Lage befreit habe und dann ihrer Entrüstung über Fräulein Rieder Luft gemacht. Bertram wollte sie mit der Versicherung beruhigen, er werde noch ein deutliches Wort mit Lilienfelder reden, daß die Dame künftighin sich anständiger verhalte.

»Das ist sehr überflüssig!« entgegnete sie. »Ich werde nicht mehr dahin gehen, wo ich ihr zu begegnen Gefahr laufe. Selbst, wenn sie sich besser verhalten hätte, würde ich ihr ausweichen. Ich stelle mich nicht auf die Stufe eines solchen Mädchens und will nicht in ihrer Gesellschaft gesehen werden.«

»Na, das ist wieder übertrieben!« meinte Bertram. »Wenn sie sich anständig verhält, dann – –«

»Wie?« entgegnete Karoline entrüstet. »Du fändest es nicht entwürdigend für mich, in eine Art freundschaftlichen Verhältnisses mit einer solchen Person zu geraten, der man von weitem ansieht, welch Geistes Kind sie ist? Wäre es Dir etwa gleichgültig, ob man mich für ein Mädchen derselben Gattung ansieht, wie die? Das kann Dein Ernst nicht sein, das hast Du nicht überlegt. Von meinem eigenen Widerwillen abgesehen, wird mit Recht jede Dame, viel mehr als ein Herr, danach beurteilt, mit welchen Geschlechtsgenossinnen sie verkehrt, und niemand schätzt die besonders, die mit einem Geschöpfe, wie diese Rieder, Umgang hat.«

»Um wessen Urteil hast Du Dich denn zu kümmern? Auch kennt man die Dame doch nicht in ganz München. Ich aber kann Lilienfelder wohl verbieten, seine Geliebte Unart treiben zu lassen, nicht aber sie in Gesellschaft mitzunehmen. Wollen wir also unsere Abendunterhaltung haben, so müssen wir die Person eben mit in den Kauf nehmen. Du brauchst nicht eine besondere Freundschaft mit ihr zu schließen, aber man kann im Leben sich nicht immer die Menschen auswählen, sondern muß sie nehmen, wie sie eben sind.«

»Hier handelt es sich nicht um Angenehmes oder Unangenehmes, sondern um eine Ehrensache für mich. Es giebt eine Grenze, die auch das freieste Mädchen nicht überschreiten darf, will es nicht sich selbst aufgeben. Was ich Dir bin, gehört zwischen uns beide, und auch Deine Freunde wußten bisher wohl, was für sie unantastbar war. In der Gesellschaft dieses Mädchens erniedrige ich mich, trage ich auf den offenen Markt, was bisher unser Geheimnis war, und gebe jedem das Recht, über mich zu denken, wie über sie. Freilich ist sie Lilienfelders Geliebte, wie ich die Deine. Es thäte mir aber bitter weh, fändest Du trotz des gleichen Wortes nicht einen großen Unterschied.«

»Ja, ja gewiß!« erwiderte Bertram mit verlegenem Unbehagen. »Laß es einstweilen nur gut sein und nimm die Sache nicht gar so tragisch.«

»Nimm Du sie nicht zu leicht!« erwiderte Karoline.

Beide waren dann bemüht, ein angenehmeres Gespräch zu führen, allein es blieb etwas zurück, was jedem die rechte Laune nahm. Karolinen war der Geliebte nicht bereitwillig genug, sich ganz auf ihre Seite zu stellen; Bertram fand die ernsthafte Wendung höchst unbequem.

Schon am folgenden Tage zeigten sich die Folgen. Karoline weigerte sich entschieden, die gewohnte Gesellschaft aufzusuchen, wenn ihr nicht die Sicherheit geboten würde, daß sie nicht Fräulein Rieder dort treffen würde. Da Bertram diese Sicherheit nicht bieten konnte und alle sanften Einwände nichts halfen, mußte er sich endlich zur Nachgiebigkeit entschließen und mit der Geliebten allein den Abend verbringen, denn er erkannte deutlich, daß diese bereit war, die Sache auf die Spitze zu treiben. An sich wäre nun dieses Alleinsein gar nicht so übel gewesen; allein Bertram bedachte wohl, daß, wenn Lilienfelder seine Dame nicht zu Hause ließ, er vor eine sehr peinliche Wahl zwischen der Geliebten und seiner Abendgesellschaft gestellt und, entschied er sich für die erstere, den Neckereien der Freunde preisgegeben war. Karoline war zwar dankbar für seine Nachgiebigkeit und entfaltete in einer aus innerer Befriedigung und aus wohl erwogener Absicht gemischten Weise die ganze Summe ihrer Macht, so daß er nicht nur den einen Abend, sondern auch die folgenden ohne jeden weiteren Einwand sich ihr willfährig zeigte. Da kam es aber beim Frühschoppen endlich zu ernsten Auseinandersetzungen mit Lilienfelder. Bertram betonte allzu unvorsichtig den Unterschied der beiderseitigen Geliebten und fand nun Lilienfelder auch von den anderen in der Meinung unterstützt, daß solche Unterscheidungen übel angebracht seien, da Fräulein Karoline weder Frau noch auch Braut sei, wenn es sich aber einmal um eine Geliebte handle, die eine sich nicht besser zu erachten habe als die andere. Man sprach gar bitter über Karoline, die sich derart auf das hohe Pferd setze, und von allen Seiten wurde Bertram zugesetzt, wie er denn solche Übergriffe seiner Geliebten dulden könne. Als er endlich in seiner Bedrängnis zugestand, daß er ja selber, wenn es auch Fräulein Rieder letzthin gar zu arg getrieben habe, die Sache nicht so verzweifelt ernst nehme, aber Karolinens Entschluß nicht umzustoßen sei, wurde es noch lauter am Frühstückstische, und jeder erschöpfte sich in beredten Auseinandersetzungen, daß er ein solches Joch nun und nimmer dulden dürfe, daß es die höchste Zeit sei, wenn die Herzallerliebste sich nicht eines Bessern besinne und sich unterordne, einem solchen ungesunden Verhältnisse ein Ende zu machen.

Bertram vermochte einem solchen Anstürme auf die Dauer nicht zu widerstehen. Er verließ die Weinstube in der festen Überzeugung, daß Karoline ein großes Unrecht an ihm begehe, da sie sich zwischen ihn und seine Freunde stelle, und daß hier die Grenze seiner Nachgiebigkeit sein müsse. Diese Ueberzeugung reifte in ihm den Entschluß, vor dem er zwar ein geheimes Grauen empfand, den er aber doch energisch festhielt, eher mit der Geliebten zu brechen, als länger den gewohnten Abendverkehr mit den Freunden zu entbehren. Sie war ihm lieb, mit süßem Behagen vergegenwärtigte er sich den Zauber ihres Wesens, die glücklichen Stunden, die ihm das Verhältnis mit ihr gebracht hatte. Aber ein Pantoffelheld werden, die ganze Gemütlichkeit des Kneiplebens lassen müssen – – – nein und abermals nein! Sie verlangte das freilich nur jenes Fräuleins Rieder wegen von ihm. Das war eigentlich sehr schön von ihr, es gefiel ihm; aber diese Ehrbarkeit, dieser weibliche Stolz, waren auch zugleich sehr unbequem, ganz unerträglich unbequem. Er ärgerte sich über Lilienfelder, der jene Person in die Gesellschaft gebracht und ihm damit die ganze Verlegenheit bereitet hatte. Aber dieser Ärger war zwecklos, half nicht über die Schwierigkeit hinweg, und so ärgerte er sich desto mehr über die »Dummheit«, daß Karoline ihr Zartgefühl nicht unterdrücken wollte.

»Meine Schuld ist es nicht! – Es ließe sich alles gut machen! Aber, wenn sie nicht will, dann kann ich auch nicht helfen, dann zwingt sie mich dazu! Es ist zu unvernünftig! – Ach, mit solchen Weiberüberspanntheiten! – Diese verfluchte Anständigkeit! – Muß der Mensch auch gerade an das Frauenzimmer kommen! –«

Mit solchen halblaut gesprochenen Ausrufen machte er dem Mißbehagen Luft, das ihn in unthätigem Brüten den Nachmittag hinbringen ließ. Bis die Stunde kam, um welche ihn Karoline erwartete, war aber der Plan eines Kompromisses in ihm gereift, das, wie er meinte, den widerstreitenden Interessen gerecht werden sollte.

Erst bemühte er sich noch einmal, Karoline zu einer toleranteren Auffassung ihrer Stellung zu Fräulein Rieder und damit zu einer völligen Beseitigung der Schwierigkeiten zu bewegen. Als ihm dies aber gar nicht gelingen wollte, Karoline vielmehr nach längerem Hin- und Herreden erzürnt bemerkte: »Deiner Frau würdest Du mit einer solchen Zumutung nicht zu kommen wagen! Aber natürlich, ich bin ja nur die Geliebte!« da ließ er den Plan fallen und rückte mit seinem Kompromißvorschlag heraus, welcher dahin ging, daß Karoline wenigstens von einem über den andern Abend auf seine Gesellschaft verzichte und es ihm so ermögliche, die Freunde allein aufzusuchen.

Als er diesen Vorschlag in schonender Weitläufigkeit gemacht hatte, sah er in den Mienen der sich bedenkenden Geliebten die verneinende Antwort. Ihr zuvorzukommen, fuhr er deshalb sogleich in einem viel schrofferen Ton fort, von der Notwendigkeit zu reden, welche in dem Umgange mit seinen Freunden liege, von dem ungerechtfertigten, auf die Dauer ganz unerfüllbaren Verlangen, darauf zu verzichten.

In Karolinens Zügen wurde es erst unruhig, ihre Hände zuckten nervös; dann sagte sie mit erzwungener Ruhe erstickten Tones:

»Ich kann Dich ja nicht verhindern, Deine Abende zu verbringen, wie Du willst. Nur von mir verlange nicht, daß ich Dich begleite. Meinetwegen kannst Du heute, sofort zu Deinen Freunden gehen!«

»Du bist mir nicht böse deshalb?« fragte Bertram, ihre Hand streichelnd.

Sie zog dieselbe sachte zurück und erwiderte »Deine Freunde sollen, von mir nicht behaupten, daß ich Dich tyrannisiere und Dir Deine Unterhaltung, schmälere. Was kannst Du dafür, daß jenes Fräulein, welches Herr Lilienfelder in die Gesellschaft gebracht hat, nicht mein Geschmack ist!«

Bertram war von dieser Antwort völlig befriedigt, und frischen Mutes sagte er:

»Das ist vernünftig von Dir, Kind! Ich bin in der Hoffnung hierhergekommen, Dich doch noch überreden zu können. Da es aber nicht sein will, so muß ich eben allein auf den Keller hinausbummeln. Morgen bleiben wir dann wieder beisammen.«

Damit bereitete er sich zum Fortgehen.

Karoline war bitter überrascht, ihre Rede so ausgelegt zu finden, aber sie beherrschte sich. Bertram forschte nicht weiter in ihren verdüsterten Zügen und bemerkte auch nicht die kühle Art, mit der sie seinen Abschiedskuß duldete, und auf sein: »Gute Nacht also, lieber Schatz!« ein »Gute Nacht!« erwiderte, wie sie es jedem Fremden geboten haben würde.

Als er gegangen war, trocknete sie die feucht gewordenen Augen und setzte sich, die Stirne in die Hand gestützt, auf das Sofa. Nach dem ersten Eindrücke des Zusammentreffens mit Fräulein Rieder, war ihr wohl der bange Gedanke gekommen, sie müsse jetzt den Geliebten vor eine bedeutungsvolle Wahl stellen. Dann aber hatte sie sich eines Bessern besonnen und wollte ihn nur so lange für sich zurückbehalten, als es eben ging; der Versuch, ihn von den Freunden zu trennen, schien ihr zu gefährlich, und sie war entschlossen, seinen Wünschen hierin kein Hindernis zu bereiten, wenn es sie auch gefreut hätte, würde er freiwillig die Freunde der Geliebten geopfert haben. Daß er es nicht that, war eine kleine Enttäuschung ihrer Frauenliebe, die da glaubt, auch der Mann solle, könne alles seiner Herzensneigung opfern. Die Art aber, wie er seinen Entschluß mitteilte und sofort ausführte, war verletzend, denn er wußte, daß sie sich auf jeden Abend freute, den sie mit ihm verbrachte, und hätte, wäre er zartfühlend gewesen, sie erst vorbereitet, daß sie an einem der nächsten Abende allein sein werde. Es lag etwas Wegwerfendes in solcher Art, und sie war in der letzten Zeit empfindlicher nach dieser Richtung geworden. Er war ihr alles, sie hing an ihm mit einer verzehrenden Leidenschaft, und er nahm sie hin, diese Leidenschaft, ließ sich von ihr berücken. Aber was war sie ihm, wenn nur der Aufwand aller Glut und allen Sinnenreizes in ihr zu eigen machte und er sie sonst mit einer nachlässigen Bewegung zur Seite schob? Wieder kamen die düsteren, peinigenden Gedanken, die schon öfter als die Gespenster erschienen waren, welche hinter allem Glücksgefühle lauerten.

Die Aufwartefrau war erstaunt, ihre Gebieterin zu Hause zu finden. Sie war aber nicht gewohnt, viel zu reden, sondern begnügte sich mit einer rasch verschwindenden Gebärde und nahm ohne weitere Frage den Auftrag, in der Nachbarschaft ein Abendbrot zu holen, entgegen.

So lange war es Karoline nicht mehr gewohnt, am Abend allein zu sein, daß die Langeweile sie immer mehr in die Verstimmung hineintrieb, ihr das Geschehene in immer schwärzeren Farben erscheinen ließ. Sie folgte dem Freunde im Geiste, sah ihn bei der Gesellschaft sitzen, hörte Fräulein Rieder zuchtlose Reden führen. Er war allein, brauchte keine Rücksichten zu nehmen. Er lachte wie die andern, reizte, wie die andern, durch Gegenreden die Schamlose zu wilderen Ausschreitungen. Sie sah es vor sich, das Mädchen mit der wallenden Feder aus dem koketten Hütchen, mit dem, die Männer von unten nach oben betrachtenden, verwegen fragenden Blick der schwimmenden, geränderten Augen, mit dem herausfordernden Aufwerfen der Lippen, mit der eigentümlichen Gewohnheit, von Zeit zu Zeit die Hände gegen die Hüften zu stemmen und sich in dem eng geschnürten Korsett leise zu strecken, und mit der andern, das spitze rote Züngelchen zuweilen zwischen den Lippen vorschießen zu lassen. War Bertram so viel besser, als seine Genossen und würde er auch heute handeln, wie das letzte Mal, als sie zugegen war? Sie erinnerte sich recht wohl der Art und Weise, wie Fräulein Rieder gesagt hatte: »Ein schöner Mann!« Ihre Augen hatten sich vergrößert, ihr Mund lächelte befriedigt, und in dem gedehnten Tone, in dem sie sprach, klang es wie verhaltene Begierde. Ja, Bertram war der schönste von ihnen allen, schöner zumal als dieser Herr Lilienfelder. Was hatte sie davon, daß sie den Verkehr jenes Mädchens mied? Niemand dankte es ihr, und sie war vereinsamt. Wäre sie mitgegangen, sie hätte es, wenn nicht sofort, doch allmählich dahin bringen können, daß jene ihre zuchtlosen Worte einstellte oder gar fortblieb. So hatte sie allzufrüh den Platz vor der andern geräumt. Eine lebhafte Angst befiel sie, die Eifersucht vergiftete das schneller jagende Blut.

Aber trotz aller Pein besann sie sich immer wieder darauf, daß sie sich auch nicht dem Scheine einer näheren Gemeinschaft mit jenem Mädchen preisgeben durfte. Der Geist ihrer Mutter trat vor ihre Seele, und sie bedachte, wie sie vergehen müsse vor Scham bei dem Gedanken, von der Seligen geschaut zu werden als Tischgenossin einer Dirne. »Das Ende vom Anfang und der Anfang eines schlimmen Endes!« rief es in ihr, und sie wußte, daß, was es auch kosten sollte, dieser Schritt verboten bleiben mußte, daß zwischen ihr und jenem Mädchen nur gänzliche Trennung oder eine schmachvolle Freundschaft möglich war.

Indessen war Bertram, froh, sich so glimpflich aus der heiklen Sache gezogen zu haben, zu seiner Abendgesellschaft gekommen, die ihn freudig, aber ohne jeden anzüglichen Scherz willkommen hieß. Lilienfelder hatte den Fall vorgesehen und die Freunde zur Klugheit gemahnt. Seine Veranstaltung war es auch, daß der Ankömmling neben Fräulein Rieder zu sitzen kam.

»Sie haben das Fräulein nicht mitgebracht?« begann diese sofort in sanft fragendem Tone.

Als Bertram ziemlich unbeholfen nach einer Ausrede suchte, sagte sie leiser: »Ich weiß, Herr Bertram, warum das Fräulein nicht kommt. Ich bin letzthin etwas ausgelassen gewesen. Das hat ihr nicht gefallen. Aber ich bin nicht immer so, ich habe nur hie und da einen tollen Tag.«

Bertram wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Das Mädchen fuhr fort: »Bitte, sagen Sie ihr meine Entschuldigung. Es thäte mir leid, wenn sie meinetwegen und« – setzte sie lächelnd hinzu – »Sie um das gewohnte Abendvergnügen kämen, wenn ich am Ende gar zu einem Zerwürfnis Anlaß gegeben hätte.«

»So schlimm ist es nicht!« sagte jetzt Bertram, von der milden Art, die das Mädchen sehr gut kleidete, besänftigt. »Aber«, setzte er mit heiterem Anflug hinzu, »Sie haben es letzthin auch ein bißchen arg getrieben!«

Fräulein Rieder errötete und sagte wiederum sanft und fast schüchtern lächelnd: »Sie haben es mir auch gründlich zu verstehen gegeben. Wollen wir wenigstens wieder gute Freunde sein?« Damit streckte sie ihm das kleine runde Händchen entgegen, das er leicht berührte.

Die allgemeine Unterhaltung war sehr lebhaft. Karolinens wurde mit keinem Worte gedacht. Bertram war bester Laune, aber er fühlte sich doch von seiner Nachbarin seltsam beunruhigt. Es schien, als wolle sie ihm etwas Besonderes, als habe sie eine bestimmte Absicht, die ihn um so mehr beunruhigte, je weniger er leugnen konnte, daß ihre heutige Art ihm gefiel. Sie hielt sich anscheinend sehr zurück. Nur zuweilen gestattete sie sich, mit dem kleinen, in zierlichstem Schuhwerk steckenden Füßchen und mit dem gestickten Rande ihres weißen Unterrocks zu kokettieren, oder auch den Ellbogen aufzustützen, wobei die ohnehin kurzen Ärmel noch weiter zurücktraten, daß der weiße und von vollem, blühendem Fleisch geschwellte Unterarm entblößt dicht vor ihm stand und er den leisen Wohlgeruch einatmen konnte, welcher davon ausströmte. In den Gesprächen herrschte ein vorsichtiger Ton. Ganz vermochte auch heute Fräulein Rieder der Zweideutigkeit nicht zu entraten. Sie sah aber, wenn sie eine solche Rede begann, Bertram wie um Erlaubnis fragend an, und brachte sie dann in weniger herausfordernder Weise, wie damals, vor.

Später aber verstand sie es, ihn und sich selbst von der allgemeinen Unterhaltung abzutrennen und sich mit ihm in vertraulichem Geflüster zu unterhalten, das bald manches verwegenere Wort über ihre Lippen schlüpfen ließ und kühner wurde, je williger er das Ohr zu leihen schien. Als man aufbrach, reichte sie ihm den Arm und hielt ihn mit merkbarer Absicht getrennt von der übrigen Gesellschaft. Sie sprach jetzt auch von Karoline, erzählte von deren Besuch bei ihr und war bestrebt, etwas von seinen eigenen Gefühlen zu erfahren. Das gelang ihr jedoch nicht, vielmehr wurde Bertram durch die Erwähnung der Geliebten darauf hingelenkt, dieser zu gedenken, welchen Schmerz sie empfände, wenn sie ihn so vertraut mit der von ihr Verabscheuten sehen würde. Ein Gesicht der Reue und Beschämung überkam ihn, und ziemlich schroff gab er dem Mädchen zu verstehen, daß er sich mit ihr nicht über Karoline unterhalten wolle. Eine kleine Weile fühlte sich Fräulein Rieder unbequem und suchte mit ihrem Begleiter den Anschluß an die übrige Gesellschaft. Bald aber trennte sie sich wieder von derselben und ging von neuem an, Bertram mit Vertraulichkeiten und Scherzen zu behandeln, die, so deutlich aus ihnen Begehrlichkeit und unkeusches Denken hervorklangen, in der jugendlich lebhaften, drollig heiteren Art, wie sie vorgebracht wurden, und durch die Anmut des sündhaften Geschöpfes unterstützt, doch nicht abstoßend klangen. Klar stand vor Bertram der Gedanke, um wieviel höher Karoline zu schätzen war in ihrer liebenden Hingabe, und doch zog ihn der Trieb einer gröberen Selbstsucht hin zu der Huldin, die, je länger die Unterhaltung dauerte, desto deutlicher verriet, daß sie nach ihm Begierde trug.

Er erkannte jetzt, daß der alberne Lilienfelder das Mädchen vorgeschoben hatte, ihn an die Gesellschaft zu fesseln, daß diese aber die Aufgabe zu eigenen Zwecken zu benutzen die Absicht hatte. Noch widerstand er. Er wollte Karoline nicht betrügen, viel weniger sie aufgeben um solcher, wie ihm, auch anderen schnell gewährter Gunst willen. Aber in seinem Geiste gärte es, und er zog Vergleiche, was weniger Beschwerde mache, Karolinens echte, hingebungsvolle Liebe, verknüpft mit allerlei lästigen Wünschen, Forderungen und Bedingungen, oder diese schöne Sünderin mit ihren schnell bereiten Reizen, ihrer lachenden Lust und dem bequemen Abschied der satt gewordenen Neigung. Er schüttelte der Courtisane zum Abschied kräftig die Hand und fing einen Blick von ihr auf, der nicht zu mißdeuten war.

Des folgenden Tages übermittelte er Karolinen die Entschuldigungen des Fräulein Rieder und drang nochmals lebhaft in sie, doch wieder in der Gesellschaft zu verkehren. So sehr er sich in Gründen erschöpfte, Karoline blieb unbeugsam. Den Hauptgrund seines Eifers, die Furcht vor der eigenen Schwäche, nannte er nicht. Er fuhr demnach fort, seine Abende zwischen der Geliebten und den Freunden zu teilen. Fräulein Rieder wurde ihm nicht so gefährlich, als er gefürchtet hatte. Da er dem ersten deutlichen Winke keine Folge geleistet hatte, zog sie sich mehr von ihm zurück und spielte die treue Geliebte Lilienfelders. Sie unterhielt sich mit ihm in der kameradschaftlichen Weise wie mit allen anderen und nur zuweilen, wenn sie sich unbemerkt glaubte, verweilte ihr Blick auf seiner Gestalt. War dieses Verhalten eine kokette Berechnung – so rechnete sie falsch, denn Bertram bemerkte bald, daß nur die schlüpfrige Vertraulichkeit des Mädchens seine Sinne eine kurze Zeit in Wallung gebracht halte, daß es aber im übrigen ihn nicht weiter fesselte. Dagegen leugnete er nicht, daß sie in die Gesellschaft ein belebendes Element brachte und manch heiterer Abend vor allem ihr zu danken war. Die zwanglose Art dieser Heiterkeit, die in Karolinens Gegenwart nicht möglich gewesen wäre, die Gewohnheit, zu später Stunde noch eine versteckte Weinkneipe aufzusuchen, in der es dann erst recht lustig herging bis zum grauenden Morgen, das waren Dinge, die ihm in hohem Maße behagten, seine zeitweilig zurückgedrängte oder ins Schwanken geratene Junggesellennatur zu neuer Blüte brachten, wie er denn bald auch einer der Lustigsten und Ausdauerndsten im Bunde wurde. Ohne daß er es sich ausdrücklich gestand, war er mit dem Wechsel der Dinge recht wohl zufrieden.

Karoline unterdrückte alle eifersüchtigen Regungen, sie kam aber deshalb doch nicht über schmerzliche Empfindungen weg. Die Abende, die sie allein auf ihrer Stube verbrachte, fielen ihr schwer, und wenn ihr Bertram Gesellschaft leistete, dann war er häufig müde von einer durchschwärmten Nacht und schenkte ihr wenig Teilnahme, zuweilen schien es ihr, als ob er auch ohne solchen Anlaß sich langweile. Selten fand er noch einen zärtlichen oder leidenschaftlichen Ton und, sie empfand es immer schwerer, über die Liebe hinaus hatten sie nichts miteinander zu reden, keine Sorgen und Pflichten zu teilen, keine Pläne zu schmieden, keine Hoffnungen zu nähren. Bertram würde aber doch lebhaften Widerspruch erhoben haben, hätte man behauptet, er liebe Karoline nicht mehr.


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