Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

IX.
Die gesetzlichen Freuden

– Oh, das ist mehr als Pünktlichkeit, sagte Nebo, als er Paula gegen halb acht Uhr in sein Arbeitszimmer eintreten und sich atemlos auf einen Sessel werfen sah.

– Ich habe Sie nach so viel Dingen zu fragen … Wie mein Kopf gearbeitet hat, seitdem diese verwünschte Habitarelle ihre Tiraden hielt, können Sie sich nicht denken.

Sie nahm ihren Hut ab, warf ihren Pelzmantel zurück und zog den schweren Armsessel aus geschnitztem Holz ans Feuer.

– Meine Liebe, ich kann mir alles denken, und wenn es einen Gedanken gibt, den mein Gehirn nicht erforscht hat, so ist es eine ausserordentliche und sehr exzentrische Person, da die vollständige Gedankenkunde mein einziger Ehrgeiz ist.

Paula hielt ihre feuchten Stiefel, die rauchten, gegen die Kohlenglut des Kamins.

– Zu Nebo als Ratgeber spreche ich, nicht zum Kliniker: ich will Lösungen haben, nicht Fälle sehen, Symptome, die voneinander abweichen.

– Was für Lösungen, harmlose Bettlerin?

– Die gesellschaftliche, vernünftige Lösung der geschlechtlichen Beziehungen! Um die Langeweile der Ehe zu entschuldigen, erklärt man sie für eine Sache der Vernunft, der Pflicht; doch zeigt die ungesetzliche Liebe (nach dem, was ich gesehen habe, kann ich nicht mehr daran zweifeln) ebenfalls Langeweile, scheint mir. Auf der einen Seite geht die Liebe, die dauert, in die Ehe ohne Würde über; auf der andern gleicht die Ehe einer eingestandenen Liebschaft, einer sozialen Rücksicht, ebenfalls ohne Würde, da die Frage der Gefühle ausscheidet. In diesem Betrug mit doppeltem Gesicht: was wird der Wert des Sakraments beim erlaubten und die verliebte Wirklichkeit beim nicht erlaubten? Die rücksichtslos bekannte Ausschweifung einer Habitarelle, eines Quéant, hat die unbestreitbare Ueberlegenheit der Klarheit. Man geht als Frau von einem Manne zum andern; als Mann von einer Frau zur andern: das nennt sich Wollust. Aber die »Liebe« ohne Liebe Rumonds, Ligneuils; aber die Ehe ohne Würde der Agentur Plot zeigen mir nur eine Variante der Unlogik? Die Geliebten besitzen nicht mehr Treue als die Gattinnen, die unglücklich und gegen ihren Willen verheiratet sind? Die Gatten der vornehmen Welt lassen ihre Frau vom ersten besten Tänzer »pelotieren«? Woher kommt es, dass die Sitten so wenig zusammenhängen?

– So androgynisch Sie auch sein mögen, meine verehrte Fragerin, so können Sie doch nicht eine Frage auslegen, ohne sie zu verwirren, wie es eine Katze mit einer Docke Garn machen würde. Die einstimmige Ansicht der Theologie und der lasterhaften Erfahrung geben die Ehe als Lösung der geschlechtlichen Beziehungen; und die Geheimlehre, die mehr davon weiss als die Kasuistik und die Erfahrung des Don Juan und der Donna Juana selbst, erklärt das Mittel, erfolgreich zu lösen. In der Sprache der Kirchenväter heisst die Ehe »remedium concupiscentiae« Heilmittel der Begierde.: darin liegt das ganze Geheimnis! Doch haben die Kirchenväter nicht gewagt, es zu enthüllen; und in der Tat gibt es heilige Arbeiten, welche die Geistlichkeit von den Laienbrüdern vollenden lassen muss; besonders in einer Zeit, in der die Einfältigen auf der Lauer liegen, um den geringsten Skandal hervorzurufen, wenn die, welche die Aufgabe haben, die Seelen zu binden und zu lösen, öffentlich an die schimpflichen Stellen rühren, die in der Leitung der Gewissen ebensowenig zu vermeiden sind, wie man beim Sezieren einer Leiche auf die Niere stösst … Das Heilmittel der Begierde bezeichnet agnostisch das Werk des Fleisches, nach der gebräuchlichsten Form ausgeführt. Gnostisch erstreckt sich das Heilmittel der Begierden auf alle Begierden, hohe und niedrige, edle und unreine, engelhafte und schmutzige. Die Vollkommenheit ist ein Ideal, und unter ihren Formen ist die christliche Ehe, die im Bette sittsam bleibt, eine der schönsten. Aber treten wir in die Rolle des Seelsorgers ein, und zwar mit der schrecklich wohlbegründeten Ueberzeugung, dass wir die eheliche Würde nur erhalten werden, wenn wir die Phantasie und die Geilheit sich nur äusserlich befriedigen lassen. Angesichts des beständigen Ehebruchs, den die Frauen unter der Form des Flirts und der Berührung in der Gesellschaft begehen, auf den die Gatten mit völliger Ausschweifung antworten: wozu wird sich der Seelsorger entschliessen? Den Pfarrkindern des Wohltätigkeitsbazars die letzten Dinge predigen, ist dasselbe, wie den Hugenotten das »Magnificat« Magnificat, Lobgesang der Jungfrau Maria (Lucas 1, 46-55). singen. Man hat den Jesuiten ihre Lehren vorgeworfen; sie sind nicht Jesuiten genug gewesen, als sie diese durch einige ihrer Väter drucken liessen. So wie das Dogma granitartig bleiben muss, selbst wenn das scheinbare Heil der Welt von einer Kommaänderung abhinge, so muss die Disziplin dem Menschen gegenüber geschmeidiger werden. Der verkündende Papst ist kein Mensch mehr; er ist der lebendige Memnon Die Memnonsäule in Aegypten, die bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang klingt., der unter den Strahlen der göttlichen Eingebung singt; der katholische Psychologe, der es für vollkommen unmöglich halten muss, den Menschen seiner Zeit zu heiligen, wird sich bemühen, ihn zu ändern; und die einzig ernste Aenderung unserer Sitten würde die sein, dass die Ausschweifung in die Ehe eingeschlossen wird, dass die Gatten unter sich Wüstlinge werden.

– Oh, meinen Sie? In den Schatten dieser abscheulichen Geheimnisse einweihen!

Verhängnisvolle Sucht, das eigne Weib
in Künste einzuweihen, die Dirnen üben:
der Ehebruch wird dann ihr Zeitvertreib.

– Meine liebe Entrüstete, der Herzog Laertes spricht hier Mussets Lustspiel »Wovon die jungen Mädchen träumen«, 1833. von seinen Töchtern, die rein sind, zu Silvio, der rein ist, jungfräulich wie jene; ich spreche von unreinen Silvios und von Ninons, die vom Pensionat her in diese abscheulichen Geheimnisse eingeweiht sind. Ich sage Ihnen nicht meine gute Lösung, sondern die einzig mögliche. Was den Reiz der Neuheit angeht, den der Ehebruch bewahrt, so muss man den Ehebruch in die Ehe verlegen; das heisst, beide Gatten müssen sich wandeln, vom Schmachten zur Unzucht, vom Scherz zur Leidenschaft übergehen. Die Frau muss sein: La Vallière La Vallière, wurde 1661 mit 17 Jahren die Geliebte Ludwigs XIV., dem sie vier Kinder gebar., Rose Pompon, Julia, la Goualeuse La Goualeuse, die »Strassensängerin«, Gestalt in Eugène Sues Roman »Die Geheimnisse von Paris« (1842). oder Kleopatra; der Mann muss spielen: Abälard Abälard, entführte 1115 seine 17jährige Schülerin Heloise von Paris nach der Bretagne, wo sie ihm einen Sohn gebar und eine geheime Ehe mit ihm einging; ihr Oheim liess Abälard später aus Rache entmannen: siehe Briefwechsel (Reclam)., d'Artagnan d'Artagnan, Gestalt in Alexandre Dumas' Roman »Die drei Musketiere« (1844)., Desgenais Desgenais: Musset, Beichte eines Kindes seiner Zeit. oder Herakles. Ich kenne ein Paar, auf das ich Nergal aufmerksam machen werde; deren Geschichte verdient, niedergeschrieben zu werden: es ist eine lebendige und siegreiche Anwendung meiner Lehre. Laura ist zugleich romantisch wie unzüchtig, doppelt begabt, die Schranken der Treue zu überspringen, und ihr Gatte ist noch schlimmer gespalten; doch würde ich bei ihrem Tode mich verbürgen, dass sie einander treu geblieben sind. Denken Sie sich eine sehr gut erzogene junge Frau, die sich mitten im Winter von ihrem Sessel erhebt: »Gaston, mir kommen drollige Gedanken! Ich werde einen Augenblick wie eine Dirne auf den Strich gehen; komm hinter mir her und sprich mich an!« Glauben Sie, Gaston springt auf und läutet, damit man einen Irrenarzt hole? Keineswegs. Er geht sofort hinunter, überholt seine Frau und lässt sich von ihr überholen, bis sie schliesslich zu frieren anfängt; da erwärmt er sie mit Schimpfworten und Schlägen, die den Zorn heucheln. Dann steigen sie wieder in ihr wunderschönes Schlafzimmer hinauf. Am nächsten Morgen sagen sie einander alle beide, sehr dankbar: »Du bist ein Engel, Laura.« – »Du bist auch einer, Gaston« … Ein andermal nimmt Gaston das Wort in diesen sonderbaren Ausdrücken: »Laura, ich hätte Verlangen nach einer sehr zerlumpten Strassensängerin, weisst du, die kleine Bettlerin von Baudelaire.« Seine Frau stürzt sich in ihre Garderobe, zerreisst Unterröcke und kommt in Lumpen gehüllt wieder; er zieht sich ebenso an und nimmt eine Geige. Zwei Stunden lang singen sie in den Höfen der Rue Saint-Honoré; dann kehren sie nach Hause zurück, um sich wie Wahnsinnige zu lieben … Eines Abends sahen die Schutzleute mit erstaunten Augen einen Mann und eine Frau die Rue Vivienne hinunterschwanken; ich trete hinzu, es war mein Paar, das von Trüffeln und Champagner berauscht ist. Auf der Reise hält man sie seit vielen Jahren für Neuvermählte: sie küssen sich auf den Bahnhöfen, im Omnibus, sie küssen sich vor ganz Europa. Was sie für Einfälle hinter verschlossenen Türen haben: ich glaube, Jules Romain würde entsetzt zurückweichen. Remedium concupiscentiae! Abgesehen von ihrer Sucht, sich angesichts der Vorübergehenden zu lieben und die Strasse als eine Art Boudoir zu betrachten, sind es treue Gatten, wenn auch verrückt.

– Ein schönes Beispiel geben Sie da und ein vortreffliches Vorbild stellen Sie auf!

– Wenn man dem Absinthtrinker den Weintrinker nennt, wenn man einem Banditen einen Schutzmann zeigt, begreift man nicht, dass das Beispiele und Vorbilder sind! Offenbar wäre es besser, sich an den Quartetten Beethovens als an Champagner zu berauschen, und Seraphitus-Seraphita Der Swedenborg-Roman Balzacs (1835). zu spielen, als eine »Liebe in der Wüste«; aber ich behaupte, es ist besser, sich in Gesellschaft seiner Frau zu betrinken und seine Frau ihr Kleid wechseln oder sie überhaupt keines anbehalten zu lassen, als zu Cora Peladans Roman »Weibliche Neugier«. zu gehen. Wenn man schon das Bein hebt, ist es besser, es auf Augenhöhe des Gatten als des Geliebten zu heben.

– Und was wird aus dem Sakrament in Ihrer ehelichen Orgie?

– Ich spreche Ihnen, Paula, von der modernen Ehe; die hat keine Beziehung zur christlichen Ehe; doch bilden Sie sich nicht ein, dass die Vorschriften allzu streng sind: die Gattin des »Liedes der Lieder« …

– Um ihre strenge Würde auszudrücken, wandte Paula ein, vergleicht der Gatte die Gattin einem in Schlachtordnung aufgestellten Heere.

Nebo fing an zu lachen.

– Warum lachen Sie, Nebo?

– Weil der Dichter und König Salomo kein so beschränkter Soldat war, dass er den Körper seiner Schönen mit einem Heereskörper verglich! Wenn Sie Hebräisch könnten, würde ich Ihnen an der Hand des Textes beweisen, dass dieser bildliche Ausdruck, um verstanden zu werden, so umschrieben werden muss: »Du bist immer bereit (für das Verlangen des Gatten), wie ein Heer im Kriegslager (immer bereit ist, sich zu schlagen).« Was Sie als Strenge auslegten, ist im Gegenteil wollüstigste Weichheit. Nach der Vulgata könnte man ebenfalls sagen: »Du stehst immer dem Verlangen des Gatten zur Verfügung, wie ein Heer in Schlachtordnung.« Immer bereit sein bedeutet für eine Frau nicht nur, immer sauber sein: es bedeutet, zu allen Stunden des Tages und der Nacht ebenso viel Sorgfalt aufwenden, um vom Gatten begehrt zu werden, wie sie aufwendet, um sich zum Ball zu schmücken … Da ist ein Paar, das morgens heimkehrt; die Frau entstellt, abgehetzt, schläfrig und schlechter Laune, wenn man ihr Wachen noch verlängern will. Der Gatte denkt daran, wieviel Hauche den Hals seiner Frau erwärmt haben, wie oft ihre Knie an andere Knie gestossen sind, wieviel Hände ihre Hände gedrückt haben, wieviel entartete Augen ihren Augen begegnet sind. Fragt er sich da nicht, ob es nicht neben dem lächerlichen und vollständigen Hahnreitum ein anderes, allgemeines, gibt, das nicht lächerlich ist? Denn was lächerlich ist, das ist die Ausnahme, und die Kopfbedeckung aller würde nichts zum Lachen bieten. Sie werden mir nicht abstreiten, dass jeder Mann ein freiwilliger halber Hahnrei ist, sobald seine Frau tanzt. Sich gut verheiraten, Paula, das ist nicht nur seine gesellschaftliche Stellung bewahren und sich so viel Gold schaffen, wie nötig ist, um sich gegen die Tücken des Lebens zu panzern, das heisst, seine Seele in Gemeinschaft mit seinen Sinnen bringen; das heisst also einen Geist mit einem Geist vereinigen und ein Tier mit einem Tier paaren. Ah, Sie ziehen ein schiefes Gesicht, ich zuckere meine Worte nicht, ich lüge nicht, indem ich Synonyme anwende, die Brunst Entzückung nenne! Das verletzt und verwirrt Sie, und es fehlt nicht viel, so sagen Sie mit Belise Molière, Gelehrte Frauen, 1672.:

Mein Gott, wie tief steht doch dein Geist!

Mein Geist, liebe Schülerin, verwechselt nicht den Ringelschwanz, der einen Frischling beendet, mit dem Schweife eines Kometen: ich beurteile scharf alles, was ich sehe. Die Lüge hat mehr geschadet als je ein Wort, sei es auch grob, das wahr klingt. Die auf Verstellung abgerichtete Zierpuppe geht ins Ehebett mit dem Entschluss, sich dem Dienst zu widmen, und heuchelt gleichzeitig eine falsche Gleichgültigkeit und eine falsche Scham. Der Gatte, der wohl weiss, dass die Mutter eben zu ihrer Tochter gesagt hat: »Und vor allem sei kalt, um deinen Gatten zu leiten. Die erste Nacht, mein Kind, ist entscheidend für das ganze Leben« – der Gatte, sage ich, hält sich ebenfalls zurück; ist er zu sehr begeistert, würde dem jungen Mädchen am nächsten Morgen der Gedanke kommen, dass sie zu grosse Macht besitze, die sie dann missbrauchen würde. Tartüff wenigstens ist deutlich und klar, wie Molières Genie selbst, sobald es an Liebe rührt. Er vaterunsert nicht mehr und erklärt, dass er kein Engel ist, dass ein Mensch aus Fleisch besteht. In »Lysistrata« Aristophanes, Lysistrata, 400 v. Chr. bekennen die Frauen, die den Krieg des Geschlechts erklärt haben, nachdem einige Tage vergangen sind, es nicht mehr aushalten zu können: das ist nicht engelhaft, aber offen. Die jetzige Ehe beginnt gewöhnlich mit dieser nächtlichen Verstellung; wenn nicht, macht die Frau zwischen zwei Liebkosungen ihre alltäglichen Bekenntnisse, einer Dirne gleich, und die eheliche Liebe schlägt ebenso offen auf die Pauke wie die andere, und ebenso oft … Aber, kleiden Sie sich als Noroski an: ich führe Sie heute abend an verschiedene Orte, wo eifersüchtige Frauen sind … Lassen Sie die Tür offen, ich werde von hier aus weiter zu Ihnen sprechen.

Paula nahm eine Kerze und ging ins nächste Zimmer, um sich umzukleiden.

– Die ernsteste Handlung der geschlechtlichen Beziehungen, ist das nicht die Liebelei, die Krieg geworden? Sie haben bei Baron Plot gesehen, wie ein Mädchen, das einen Gatten sucht, gleich einer Dirne Schlingen legt; Sie haben auf der Brücke von Joinville Schwefelsäure in den Händen einer früheren Geliebten gesehen; suchen Sie in den Geschichten der beiden letzten Jahrhunderte Frauen, die ihren Liebhaber töten, Sie werden keine finden. Heute können die Zeitungen nicht eine Woche lang erscheinen, ohne einen oder zwei Fälle zu erzählen. Diese Notizen erfüllen die jungen Leute mit einer besonderen Vorsicht, die sie ausschliesslich zu den Dirnen treibt. Nun ist die Erziehung, nicht die des Pensionats, sondern die mütterliche Erziehung, nur eine vorbeugende Aufreizung gegen den zukünftigen Schwiegersohn. Wenn die Mutter ihren Gatten geduckt hat: »Mache es wie ich, leite deinen Gatten, wie ich deinen Vater geleitet habe; du siehst, dass er sich dabei wohl gefühlt hat, da usw.« Wenn die Mutter ihren Gatten nicht hat beherrschen können: »Mache es nicht wie ich, leite deinen Gatten. Hätte ich deinen Vater geleitet, hätte er sich viel wohler gefühlt …« Das sind die beiden Fassungen der ehelichen Lehre, die den jungen Mädchen erteilt wird. Dazu kommt der Wetteifer der guten Freundinnen: »Ich will, dass mein Mann mich vier Male in der Woche auf den Ball führt.« »Ich will, dass mein Mann mir volle Freiheit lässt.« »Ich will das Geld in Händen haben.« Und verliebt sich eine von diesen jungen Damen zufällig in ihren Gatten, verwandeln sich diese Gärungen in sentimentale Forderungen, alle ebenso übertrieben wie selbstsüchtig. Ob etwas Liebe vorhanden ist oder nicht, die Ehe ist ein Kampf, nicht die Verbindung eines Mannes und einer Frau; und da es im ehelichen Gegenüber keinen Sieger gibt, verschwindet der Mann, soviel er kann, vom Haus, das ein Schauplatz geworden ist, wo er immer unterliegen wird, durch eine Nervenkrise oder Tränenergüsse.

– Und vom Unrecht des Mannes, fragte Paula auf der Türschwelle, davon sprechen Sie kaum, Nebo?

– Weil es das klarste der beiden ist. Die Ehe umfasst zwei Bewegungen in entgegengesetzter Richtung: während die Frau sich emanzipiert, verheiratet sich der Mann. Wie man sein Bett macht, nicht wahr? Nun, der Mann denkt nicht einmal daran, sein Bett zu machen, und er ist schlecht gebettet oder aus seinem Bett vertrieben sein Leben lang. Wenn er eine Wohnung betritt, wo er immer wohnen soll, wird auch der sorgloseste Mensch sofort überlegen, was er tun kann, um dort so angenehm wie möglich zu wohnen. Wenn er in eine Frau eintritt, die künftig die einzige für ihn sein soll, wird der Kluge die hervorstehenden und einspringenden Winkel seiner Hälfte ausgleichen und ihre Einfügung versuchen. Wenn beide bis zum Morgen nach der Hochzeit gekommen sind, im diplomatischen und bewaffneten Zustande, müsste man den guten Glauben und die Abrüstung erhalten können. Beide müssten ihre Fehler und Vorzüge ausgleichen und mit vier ehrlichen Händen gegenseitige Nachsicht festsetzen; mit einem Worte Frieden schliessen. Um das zu erreichen, muss man ein geistiges Band entdecken, und wenn es die Neigung zu Sammlungen ist. Wenn der Gatte keinen Ruhm hat, den er seiner Frau bieten kann, muss er, da er sie nicht für das Schicksal interessieren kann, sie durch irgendeine Manie an sich fesseln, ihr einen Geschmack geben oder einen von ihr annehmen.

– Nebo, unterbrach ihn die Prinzessin, die jetzt als Mann gekleidet war, alles das ist sehr gut, und ich zweifle nicht, dass Sie bis morgen früh wunderbar sprechen würden, aber die Lösung, um die ich bat, haben Sie mir nicht gegeben.

– Es gibt nur eine Lösung, Paula, in sittlicher Hinsicht: das ist die Tugend.

– Das heisst, dass die Frage schwebend geboren und schwebend bleiben wird, sagte die Prinzessin mit der Traurigkeit eines pyrrhonischen Pyrrho, begründete die skeptische Schule der griechischen Philosophie, um 300 vor Christus; zweifelte an jeder Erkenntnis. Philosophen.

*

Sie verliessen das Haus und schritten eine Weile nebeneinander her, ohne zu sprechen. Als sie ins Viertel Saint-Honoré kamen, klopfte jemand Nebo auf die Schulter.

– Ah, Sie sind es, Herr Vonnas! Ich stelle Ihnen den Grafen Noroski vor.

– Es ist lange her, seit man Sie gesehen hat, versetzte der Kömmling, ein schöner Mann von vierzig Jahren, sehr reich und ein sehr geschickter Kommanditär der verschiedensten Unternehmungen. Meine Frau legt Wert darauf, Sie auf ihren Gesellschaftsabenden zu sehen, und macht mir Vorwürfe, dass ich Sie nicht hinbringe, und sei es mit Gewalt. Sie ahnen, woher ich in diesem Augenblick komme? Von Arlequine … Graf Noroski ist verschwiegen?

– Wie ein Beichtvater, antwortete Paula; und keck fügte sie hinzu: Uebrigens, die männliche Freimauerei verpflichtet …

– Ach, rief Vonnas aus, wir hätten es sehr nötig, Ellbogen an Ellbogen zu gehen, um von den Frauen nicht erdrückt zu werden! Dass man zwei Haushalte führen muss, um einigermassen leben zu können! Es ist schrecklich.

– Der Graf Noroski begreift nicht. Erklären Sie sich, das wird Sie erleichtern und ihn belehren, denn er ist jung, blutjung, wie Sie sehen können.

Vonnas liess sich das nicht zweimal sagen.

– Sie haben sich sofort gesagt, lieber Herr: dieser Vonnas ist ausschweifend oder er hat eine hässliche Frau. Nein, ich habe eine hübsche Frau, viel hübscher als Arlequine, und ich würde nichts Besseres verlangen, als mich an sie halten zu dürfen. Allein stellen Sie sich eine Frau vor, die morgens, wenn man streitet, Ihnen an den Kopf wirft: »Das sieht einem so tierischen Menschen ähnlich, einem so verdorbenen Menschen, wie du einer bist!« Und indem sie das sagt, breitet sie die idealen Flügel des Eloa Eloa, Dichtung von Alfred de Vigny, 1823. aus, der auf den Kerameikos fällt.

– Wie, rief Paula, sie entzieht sich der ehelichen Pflicht?

– Mein lieber Herr, sie entzieht sich ihr ganz und gar nicht; nur nachher, sobald die Befriedigung die Flügel des Verlangens gebrochen hat, scheint sie befleckt worden zu sein. Ja, dann bin ich die Schnecke dieser Rose; der unwürdige Besitzer einer Königin Blanche. Zum Teufel, jeder hat seine Eigenliebe und sein kleines Ansehen zu wahren; ihr gegenüber komme ich in eine untergeordnete Stellung, die unerträglich ist. Wenn sie mir gesagt hätte, bevor wir den Bauch des Standesbeamten vor uns hatten: »Ich mache Sie darauf aufmerksam, mein Herr, dass ich ein Engel bin!« wäre ich zurückgetreten! Wahrhaftig, die jungen Mädchen müssten uns sagen, ob sie die Liebe ohne Redensarten oder mit Redensarten haben wollen. Mein Unrecht ist, nicht zwei Dinge auf einmal machen zu können: marivaudieren Marivaux, französischer Dramatiker des 18. Jahrhunderts, dessen geschraubter Stil sprichwörtlich wurde. und platonisieren. Ich kann wohl zu meiner Zeit eine Frau mit den Namen von Gemüsen und Haustieren rufen, aber ich bin vollblütig, das Besitzen nimmt mich ganz in Anspruch und macht mich stumm. Diese Stummheit ist für sie das letzte Wort der Roheit. Man müsste ihr die »Neue Heloïse« hersagen, das Gefühl mit Laubgewinden schmücken. Wenn eine Frau im Bett Redensarten liebt, soll sie einen Schriftsteller lieben: die müssen diesen Artikel führen, das schlägt in deren Beruf! Ich aber bin ein Geldmann und bringe es viel schneller fertig, einen Strom von Diamanten zu geben als einen Stern loszuhaken, Saadi Saadi, persischer Dichter, geboren 1184 zu Schiras. zu bestehlen und einen Selam Selam, Liebesstrauss. auserlesener Worte zu vollenden. Sie begreifen, dass ich zu Arlequine gehe, um die Liebe ohne Redensarten zu suchen: sie wenigstens ist kein Engel, und ich kann mit ihr umgehen, ohne dass sie eine Miene aufsetzt, als werde eine Monstranz von ruchlosen Händen entweiht … Da sind wir bei mir angelangt: kommen Sie doch hinauf, um eine Tasse Tee zu trinken.

– Danke, mein lieber Herr Vonnas, wir werden erwartet.

– Diese Frau hat nicht so unrecht, sagte Paula, als Vonnas sie verlassen hatte; ich würde wie sie empfinden.

Nachdem sie überlegt hatte, fuhr sie fort:

– Dieser Mann hat auch nicht unrecht. Die beiden waren nicht für einander geschaffen, das ist alles.

– Das ist in der Tat die ganze Schwierigkeit, sagte Nebo, die Hälfte wiederfinden, welche die ursprüngliche Androgynie wiederherstellt; aber das ist nicht so einfach, wie Ministerpräsident von Frankreich zu werden … Einige Türen weiter, und wir steigen zu einer Frau hinauf, die ihren Gatten liebt.

*

Frau Béard war eine reizende Pariserin, von anmutigem Benehmen, eigenartig gekleidet, welche die beiden jungen Leute in einem kleinen Salon in japanischem Stil empfing, unruhig ausrufend:

– Herr Nebo, haben Sie nicht meinen Mann gesehen? Dieses Paris ist so gefährlich! Wenn er um neun Uhr nicht zu Hause ist, zittere ich: die Zeitungen der letzten Tage berichten von soviel Ueberfällen. Neulich, in der Marigny-Allee: das ist doch kein abgelegenes Stadtviertel …

Und Frau Béard erzählte eine Zeitungsnotiz. Paula glaubte einen Augenblick an eine Eifersucht, die sich unter den Zügen der Sorge verbarg, aber die Besorgnis der jungen Frau richtete sich auf einen anderen Punkt.

– Und natürlich ist Eduard ausgegangen, ohne seinen Mantel anziehen zu wollen; er wird ganz sicher mit einem Schnupfen zurückkehren. Denken Sie sich, Herr Nebo, gestern erblicke ich auf dem Platze des Théâtre Français einen Herrn mit geschlossenem Regenschirm, während seit geraumer Zeit grosse Tropfen fallen: es war mein Gatte! Ach, dieser Mann wird mich noch töten.

Herr Béard trat ein, beleibt und etwas ausser Atem, da er die beiden Treppen schnell hinaufgestiegen war. Seine Frau stürzt auf ihn zu:

– Mein Freund, ist dir nichts geschehen? Die Herren werden dich entschuldigen: komm, wechsle deine Wäsche; ich werde dir einen Grog machen und ein Hemd wärmen.

– Sollte man nicht meinen, ich käme aus Ostindien, sagte Béard zu Nebo. Wenn ich auf meine Frau hörte, würde ich mein Leben damit zubringen, mich vorzusehen; hier, Herr Noroski, wird der Gatte in Watte gepackt!

Und zu seiner Frau, die nicht nachliess, sagte er:

– Meine gute Freundin, ich habe nichts nötig als Ruhe.

– Du bist der Sorgen, die ich mir mache, nicht würdig.

– Warum machst du sie dir? Sie erweisen mir einen schlechten Dienst und vergiften unsere Ehe.

– Die Männer sind Ungeheuer: man pflegt sie, und so vergelten sie es uns.

Und weinend verliess sie den kleinen Salon, die Tür ins Schloss werfend.

Ohne sich aufzuregen, setzte Herr Béard sich.

– Die Künstler haben den Bürgern ihr Schicksal bestimmt, sagte Herr Béard, scherzhaft und traurig zugleich; seitdem sich der Stift Daumiers mit dem Regenschirm des Louis-Philippe gekreuzt hat, ist das Eheleben verdorben. Ich habe eine Frau haben wollen, die sich nur mit ihrem Gatten beschäftigen sollte, und ich habe es zu gut getroffen. Ach, Herr Nebo, Hühnermilch Hühnermilch, in heissem Wasser mit Zucker geschlagenes Eigelb., das gut gebügelte Hemd, der Familienfleischtopf, die Pantoffeln bei der Heimkehr, der philisterhafte Geschmack verschlingen mehr Menschen als je das Tier von Gévaudan Gévaudan, Landschaft im südöstlichen Frankreich.. Ja, ich habe durch die Liebe für die Häuslichkeit gesündigt, und ich bin grausam bestraft worden. Frau Béard betrachtet mich als eine Puppe, und ich bin nicht so folgsam wie die, welche sie vom sechsten bis zum sechzehnten Lebensjahre besorgt hat; deshalb ist sie sehr unglücklich. Nach ihrer Auffassung ist sie für meine Gesundheit verantwortlich; auch hat sie die Zornesausbrüche eines leitenden Arztes, wenn ich mich ihrer Behandlung entziehe; eine Behandlung zu jeder Stunde und das ganze Leben hindurch, beruhend auf einer Menge dieser Ideen von guten Frauen, die durch die Ammen die höhere Bürgerschaft unsicher gemacht haben. Kaum erwacht, gilt ihr erster Blick dem Barometer; sie erwägt, was ich anziehen soll, und ihr letzter Gedanke am Abend ist immer ein Aufguss. Wenn sie nur meinen Körper schulmeisterte! Aber sie masst sich an, für mich zu denken. Wenn ich Geld anlege, behauptet sie, ich werde es verlieren. Wie Sie wissen, bin ich Direktor des »Petit-Sud«: macht sich ein Redakteur über den Vater Grévy Grévy, 1879-1887 Präsident der Republik. lustig, so fürchtet sie einen Prozess. Kurz, sie betrachtet sich als meinen Vormund! Trotzdem sie hübsch, artig und treu ist, trotzdem ich ein heiterer Mensch und guter Gatte bin, sind wir sehr unglücklich, weil sie sich in den Kopf gesetzt hat, ein Gatte sei ein Spielzeug, das sie warten müsse. Nehmen Sie den Zorn eines kleinen Mädchens, wenn sich ihr Püppchen empört: da haben Sie die geistige Verfassung meiner Frau.

Die beiden jungen Leute nahmen Abschied.

– Der griechische Philosoph, der den Unterricht in der Weisheit mit dem Studium der Musik begann, sagte Nebo auf der Opernallee, lehrte durch diesen ersten Punkt seines Studienprogrammes, dass die Harmonie, das heisst das Gleichgewicht oder das Mass, alle Regeln beherrscht. Es gibt ein Uebermass des Guten, um so gefährlicher, als man gewöhnlich den Punkt nicht sieht, wo die Verstärkung einer guten Eigenschaft ein Fehler wird. Der sinnlos gewordene Glaube gebar Torquemada und die ungeheuerlichen Inquisitoren; der Atheismus in seiner heftigsten Epoche erzeugt die Zeit von 1880 und das Oeffnen der Klöster. Der junge und der alte Horatier des Corneille sind zwei Wilde, so entartet wie ein Sioux oder ein Comanche; doch vertreten sie eine ziemlich edle Leidenschaft, die Einigkeit einer Gruppe Menschen. Maria Leczinska Maria Leczinska, die Tochter des Königs von Polen, wurde 1725 mit 22 Jahren in Fontainebleau dem 15jährigen Ludwig XV. vermählt. hat nicht das Mass der Sprödigkeit gehalten, als sie dem jungen König am Vorabend eines Festes ihre Tür verschloss. Ein Harmoniumakkord, zu lange ausgehalten, ermüdet und reizt … Bei Frau Béard aber handelt es sich nur um Uebereifer, und man entdeckt darin diesen Gedanken, der unter allen engen Schädeln der Weiblichkeit spriesst, dass die tugendhafte Gattin die Rechte einer Druidin hat. »Man bezahlt die Tugend seiner eigenen Frau immer teurer als das Laster der Frau eines andern,« sagte Quéant eines Abends, und das Wort hat Tiefe. Theater und Roman, Strasse und Salon, das ganze Leben zeigt die Frau so gebrechlich, dass die, welche keinen Sprung haben, sich auserwählte Gefässe nennen. Sie vernarren sich in ihre Tugend, indem sie vergleichen, und diese Vernarrung wiegt schwer im ehelichen Leben.

*

Sie bogen um die Ecke der Rue de la Paix.

– Sie werden einen andern Unglücklichen sehen, Prinzessin! Der hat eine Weltdame geheiratet, das heisst, eine Frau, die sich verloren glaubt und verzweifelt, wenn sie nicht auf jeder Erstaufführung lorgnettiert, nicht auf jedem Balle tanzt, nicht bei jedem Rennen wettet, nicht an jedem Ort erscheint, wo Toiletten zu zeigen sind und Monokel sie beurteilen. Gegen zehn Uhr, wenn dieses Paar nicht auf einem Festabend ist, kann man sicher sein, dass die Frau ihre Perlenkette um die Schultern legt und der Herr, festlich angezogen, brummt, schwört und tobt, bis beide abfahren.

Im ersten Stockwerk eines reichen Hauses führte sie ein Diener ins Zimmer des Herrn von Mejannes.

– Ach, das ist hübsch von Ihnen, Herr Nebo, zu der Stunde zu kommen, in der ich mich dem Teufel verkaufen würde, wenn er mich haben wollte.

– Graf Noroski, ein sehr junger Telemach, zu dessen Mentor ich mich bestellt habe.

– Dann wachen Sie darüber, dass Ihr Paris den Apfel nicht einer Modevenus gibt!

Er warf sich auf einen Sessel und fuhr fort:

– Oh, die Menschen, die nie weisse Handschuhe angezogen haben, die nicht den weltlichen Hofdienst kennen, die nichts von den Süssigkeiten eines Luftzuges wissen, während die Frau, die man liebt, mit den Männern tanzt, die man am meisten verabscheut.

– Ich glaube, wagte Paula zu sagen, ich würde meine Frau nicht tanzen lassen; man verheiratet sich doch nicht, um Feinden und Unbekannten eine Sensation zu verschaffen.

– Einer Pariserin verbieten zu tanzen! rief Herr von Mejannes aus, einer Pariserin, die schon im Takt war, als man sie heiratete! Ebensogut könnte man die Seine zur Quelle zurückfliessen lassen oder die französische Akademie zwingen, nur Schriftsteller aufzunehmen. Wissen Sie, eine Frau, die in den Taschenbüchern der vornehmen Welt steht, hält sich für ein Meisterwerk von Anmut: sie ihres Publikums berauben, hiesse das Verbrechen des Herzogs von Ripalta begehen, der die reisenden Künstler nicht in die Farnesina Villa Farnesina in Rom mit den zwölf Fresken Raffaels »Amor und Psyche«, deren farbige Nachbildungen Goethes Zimmer »erheiterten«. eindringen lässt. Sie gehört sich selbst nicht, wie könnte sie da einem andern gehören? Ihr Schicksal, das ist die dauernde Ausstellung: eine Dame der grossen Welt hängt nur von der Mode ab, und ihr Gatte ist nur ein Begleiter.

– Ja, sagte Paula, aber wenn er begleitet hat, kann er …

– Das glauben Sie, o Telemach! Mein lieber Herr, bedenken Sie, dass ich heute morgen meine Frau ins Boulogner Wäldchen geführt, dass ich nachmittags Besuche gemacht und Gemälde angesehen habe, dass ich erst um sechs Uhr morgens wie zerschlagen heimkehren werde. Ausserdem: ebenso wie die Frau, die zum Balle geht, dem Verlangen entspricht, ebenso widerspricht die Frau dem Verlangen, wenn sie vom Ball zurückkehrt; wenn ich die Gräfin zurückbringe, glaube ich oft ein leichtfertiges Frauenzimmer zurückzubringen. Um sieben Uhr morgens, angenommen, sie besässe die Kraft dazu, würde sie so standhaft sein, um für den Gatten eine besondere Toilette zu machen? Der Welt die Anmut, die frische Farbe, das neue Kleid, die lebhafte und gut gelaunte Frau; mir das Gesicht, auf dem der Schweiss die Schminke aufgelöst hat, die von den hundert Armen zerknitterte Tänzerin, die ermüdete Frau, die gähnt, die Frau, die ihre Beine nicht mehr rühren, die nicht mehr lächeln kann, die unter der Liebkosung einschläft. Eine Gattin, die man so nehmen muss, besitzt man nur; geniessen tut sie das Publikum.

– Doch, wendete Paula ein, gibt es Männer in gleicher Lage, die sich in ihr Schicksal ergeben.

– Bei Gott, die lieben ihre Frauen nicht; sie geniessen sie aus Eigenliebe! Ein Luxuswesen trägt ihren Namen auf ihren Kleidern: sie verlangen nur ein Vergnügen der Eitelkeit, und man gibt es ihnen. Ich, ich möchte mich mit ihr in Mejannes vergraben, ohne daran zu denken, dass es auf diesem Planeten ein doppeltes Asphaltband gibt, das man Boulevard nennt.

– Haben Sie's nicht versucht?

– Ich habe alles versucht; ich habe sie nach Italien geführt, ich habe sie in Mejannes wie in einem Kloster eingeschlossen! Dann hatte ich einen nicht ausgebildeten Automaten, der nicht einmal ja und nein sagte wie die Puppen der Kinder; eine lebende Bildsäule, die eigensinnig in ihrer versteinerten Haltung beharrt; marmorn der Zärtlichkeit gegenüber; weinerlich angesichts des Zornes: ich hätte beinahe den Verstand verloren! Es ist besser, seine Kugel zu tragen als zu schleppen.

Der Diener trat ein, nachdem er geklopft hatte.

– Frau Gräfin möchte den Herrn Grafen über die Toilette zu Rate ziehen.

– Ich komme! Nicht wahr, das ist der Gipfel: ich werde über ein Menü befragt, von dem ich nur die Ueberreste erhalte, wenn etwas übrigbleibt.

Nebo und der falsche Noroski erhoben sich.

– Sie werden erwartet? Haben Sie Dank, dass Sie meinen Groll angehört haben!

*

– Jetzt, sagte Nebo, als sie aus dem Hause traten, werden wir einen Honigmond abnehmen und vergilben sehen, der lange gedauert hat: drei Monate.

Als sie in die Rue des Capucines gekommen waren, blickte der Platoniker nach dem Fenster eines dritten Stockwerkes.

– Sie sind zu Hause; folgen Sie mir, Paula, und stellen Sie fest, dass man eine Manie haben muss, falls man nichts Besseres findet.

An dem Empfang, den ihnen die Foucherans bereiteten, merkte man die Dankbarkeit von Leuten, die man rettet, indem man ihr Selbander stört. Frau Foucherans liess auf ihrem braunen und ausdrucksvollen Gesicht ein Schmachten lesen, das nur verstanden zu werden verlangte; aber der Gatte hatte die müde Haltung des Mannes, der durch die Ehe in ein Gefängnis gekommen ist und davon träumt, das frühere Junggesellenleben wieder aufzunehmen.

– Seit drei Monaten, sagte Foucherans, girren wir; deshalb werden wir aus unserem Taubenschlag herausgehen; nicht wahr, Lucie, du sehnst dich danach?

– Nein, mein Freund, es verlangt mich nicht danach, wieder in den Strudel hineinzugehen; und du bist zu bescheiden, zu glauben, dass du nach drei Monaten nicht mehr interessant bist.

– Ich interessiere dich? Ich frage mich, wie, wodurch; man plaudert nicht mit seiner Frau, wir haben einander gleich anfangs alles gesagt; wir haben keine Geschäfte; wenn wir wieder in der Strömung sind, werden wir wenigstens von unsern Vergnügungen sprechen. Mein lieber Herr Nebo, nicht wahr, ich handle weise, wenn ich nicht die Müdigkeit abwarte, um uns etwas aus der Schlinge zu lösen.

– Wer sagt dir denn, dass ich je müde sein werde? fragte die Frau mit einem wirklich rührenden Eigensinn voller Zärtlichkeit.

– Meine Liebe, wenn du Spiessbürgerin oder Händlerin wärest, könntest du dich mit häuslicher Arbeit unterhalten: verzeih uns, dass wir reich und müssig sind. Wenn ich ein Maler, ein Gelehrter wäre, könntest du im Notfalle meine Pinsel säubern, meine Entwürfe verbessern und die Rolle der Muse spielen; aber du hast nur einen Weltmann geheiratet, und diese Sorte verpflanzt man nicht in das Nest eines dauernden Liebhabers.

Eine Träne perlte an Frau Foucherans' Wimpern, und der Rest der Unterhaltung war alltäglich.

*

Draussen begegnen sie an der Strassenecke einem Menschen, der fröhlich vor sich hinpfeift und zwei reizende kleine Kinder von fünf bis sechs Jahren an der Hand hat.

– He, guten Tag, Herr Gerzat, sagte Nebo.

– Ihr Diener, Herr Nebo, ich kann Ihnen meine Hand nicht geben, da die Kinder im Gehen schlafen. Ich habe sie eine Zauberposse besuchen lassen, ein einfältiges Ausstattungsstück; aber ich habe mich gefreut, zu sehen, wie sie sich freuten.

– Sie lieben Ihre Kinder, das sieht man, sagte Paula.

– Was sollten wir denn sonst lieben, ausser diesen Kleinen? Die Frauen? Man erträgt eine Frau und achtet sie, weil sie die Mutter dieser verehrungswürdigen Schätze ist. Die freie oder die eheliche Liebe, das sind Täuschungen, Herr Nebo. Was einem über alles hinweghilft, weil es alles, was es kostet, wert ist, und noch mehr, das sind diese Teufelchen.

Indem er seine Kinder mit einer Gebärde zu sich heranzog, schloss er:

– Da sind die gesetzlichen Freuden!


 << zurück weiter >>