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Tier-Olympiade in Afrika

Dieter lag im Bett, schlief und träumte von seiner wunderschönen Geburtstagsfeier. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, obwohl er mit geschlossenen Augen dalag. Das waren Sachen ...! Da klopfte es am Fenster. Dieter horchte mit angehaltenem Atem. Aufgeregt sprang er aus dem Bett, schlüpfte in seine Hausschuhe und machte das Fenster auf. »Wer ist da?« Ein unheimliches Flugzeug rauschte fast lautlos vorüber. Schnell versuchte Dieter, das Fenster wieder zu schließen. Aber der geheimnisvolle Flieger war noch schneller, klemmte seinen riesigen Körper zwischen Flügel und Fensterkreuz und flüsterte: »Dieter, wir sind doch Freunde, laß das Fenster bitte offen, wir, die Tiere, haben die beste Geburtstagsüberraschung für dich.« Da erst erkannte Dieter, daß das vermeintliche Flugzeug in Wirklichkeit ein riesiger Adler war.

»Wer bist du und was willst du von mir, was habe ich dir getan?« fragte Dieter ängstlich.

»Du hast uns sehr viel getan, lieber Dieter, und immer nur Gutes, du bist unser bester Freund, Dieter. Darum wollen wir dich, den Tierfreund, belohnen, wie noch niemand belohnt wurde. Mein König, seine Majestät der Löwe, hat mich beauftragt, dich zur Olympiade der Tiere einzuladen. Ist das nicht ein großes Geburtstagsgeschenk?«

»Wo findet denn die Tier-Olympiade statt?«

»In Afrika.«

»Wie soll ich jemals dahin gelangen?« Fast schnippisch klang diese Antwort. »Ich habe doch weder Paß noch Geld, und was sollen meine Eltern dazu sagen?«

»Wir bringen dich im sausenden Fluge hin. Bei uns geht das alles sehr schnell, und morgen früh bist du wieder im Bett.«

»Aber ...«

»Kein Aber, Dieter, hast du bei Doktor Kleinermacher auch jemals aber gesagt? Schnell, mach dich bereit.«

»Du kennst den Doktor Kleinermacher?« horchte Dieter zweifelnd auf.

»Gewiß, das ist unser allerbester Freund. Er wird auch da sein, komm nur heraus.«

Nun konnte Dieter nicht mehr widerstehen.

»Warte noch, ich will mich schnell anziehen und meinen kleinen Koffer packen.«

»Ach Unsinn, in Afrika ist es so warm, da frierst du bestimmt auch so nicht, und da gibt es so viel Bananen, daß du nicht verhungerst, komm nur heraus.«

Dieter ließ sich jetzt nur zu gern überreden. Er kletterte im Nachthemd vorsichtig auf das Fensterbrett, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß zwei Adler eine kleine, für ihn aber ausreichende Gondel zwischen sich hatten, die leicht und doch zuverlässig mit Riemen an ihren Körpern befestigt war. Er schwang sich hinein. Zwei weitere Adler kamen hinzu und spannten sich gleichfalls geschickt ein. Dann ging die Reise los, mitten durch die laue, wolkenlose Sommernacht. Kaum hatte sich Dieter an seinen originellen Reiseplatz gewöhnt, da sah er nicht weit von seiner Gondel noch vier Adler mit einer Gondel fliegen. Darin saß ein Männlein, das winkte ihm immer zu. Ist das nicht der Doktor Kleinermacher?

Aber gewiß, das ist er ja. Dieter winkte zurück, aber eine Verständigung war unmöglich. Die Sausefahrt ging zu schnell, der Wind blies ihnen alle Worte vom Munde weg. Da erkannte Dieter, daß der Doktor mit seinem Arm immer nach hinten winkte. Dieter blickte sich um, und was sah er dort? Noch vier Adler mit einer Gondel. Und in der Gondel saß ein kleines Mädchen. Ist das nicht Traute? Richtig! »Trautchen, Trautchen!« und Traute winkte grüßend zurück.

Das ist aber fein, daß das Kleeblatt wieder zusammen ist. Kinder, jetzt geht es nach Afrika! Ohne Paß und ohne Koffer, im Nachthemd und mit bloßen Füßen! Was werden die Neger nur zu dem Besuch sagen, und wie soll man sich bloß seiner Majestät dem Löwen, dem König der Tiere, vorstellen?

Der Mond schien hell, und die Länder unten auf der Erde flogen vorüber, wie die Landschaften im Eisenbahnzug. Gar nicht kalt war es dem Dieter, der Fahrwind kämmte die Haare zu einer Sturmtolle, und die Adlerflügel rauschten und schlugen auf die Luft, so daß Dieter am liebsten vor Freude immerzu laut aufgeschrien hätte.

Jetzt sah Dieter – er hatte den Zeitbegriff völlig verloren – unter sich einen riesigen Stiefel, der in das Mittelländische Meer hineinragte. Das ist doch Italien, genau wie im Atlas. Und dann das große Mittelländische Meer. Dieter fing im Übermut an, laut ein Matrosenlied zu singen. Ahoi! Ahoi! Aber er konnte es selbst kaum hören, so brausten die kühnen Adler durch die Luft. Da liegt Sizilien, ein Glück, daß Dieter in Erdkunde nie gefehlt hatte, sonst hätte er das alles nicht erkannt.

Hurra, die Sonne guckt über den Rand der Welt, und jetzt wird es hell. Guten Morgen, liebe Sonne, hast du schon ausgeschlafen? Das ist aber nett von dir, daß du mir meine liebe Erde so vergoldest. Jetzt kann man doch alles viel besser sehen. Wenn das da hinten nicht Afrika ist, dann ... Aber gewiß doch, das ist Afrika. Da, die Wüste Sahara! Kinder, so viel Sand, da könnte man ja mehr als hunderttausend Strandburgen bauen!

Allmählich wird die Flughöhe geringer, so daß Einzelheiten zu erkennen sind.

Kamele schleichen durch die Wüste, aber auch Autos, die neuen Schiffe der Wüste. Mit den Kamelen wird es der Sahara bald so gehen, wie es mit den Pferdedroschken in Berlin geht. In der Wüste Sahara beginnt es schon nach Benzin zu riechen, und wo früher Knochen verdursteter Kamele in der Sonne bleichten, da liegen jetzt rostende Benzinkanister aus Blech. Da wird eine Oase sichtbar, Dattelpalmen stehen um eine Wasserstelle, aber immer weiter, immer weiter geht der Flug. Seine Majestät der Löwe wartet auf uns, die Olympiade der Tiere soll eröffnet werden.

Langsam, ganz allmählich geht die Wüste in eine Steppe über. Da zeigen sich schon vereinzelt Wälder und Büsche, jetzt fliegen die Adler langsamer, fangen an zu kreisen, und unter sich sieht Dieter einen großen weiten Platz in der Steppe, eingerahmt von einigen Bäumen, und auf dem Platz Tiere, Tiere, nichts als Tiere. Zur Begrüßung fangen die Tiere ein Gebrüll an, sie schreien, brüllen, fauchen, trompeten, daß dem Dieter fast das Trommelfell platzen will. Wir sind da! Hurra, Hurra! Wir sind in Afrika!

Die Adler kamen langsam der Erde näher, und bald lag die Gondel mitten im Grase. Dieter rieb sich seine Glieder, die er kaum noch gebrauchen konnte, und dann sah er sich erstaunt um. Da, krabbelten da nicht auch Traute und der Doktor Kleinermacher aus ihren Gondeln? Traute stand im Nachthemd und barfuß, und der Doktor auch. Da mußte Dieter aber lachen. Traute kam auf ihn zu und sagte:

»Schämst du dich denn nicht, Dieter, eine so große Reise zu machen und nur ein Nachthemd anzuhaben? Ich würde mich schämen.«

Dieter sah an sich herab, entdeckte sein Nachthemd und die bloßen Füße, er schämte sich sehr. Wie kann man nur so leichtsinnig sein und im Nachthemd nach Afrika reisen? Dann aber sagte er:

»Und du, Traute, was hast du denn an? Und wie sieht der Doktor Kleinermacher aus?«

Jetzt schämten sich alle drei, und ihnen war gar nicht wohl in ihrer Haut. Wenn hier plötzlich ein Mensch ankäme, diese Schande, das wäre ja gar nicht auszudenken. Ein Glück, daß Neger auch nicht viel mehr als eine Art Nachthemd anhaben sollen. Ob der König der Tiere, der Löwe, uns so empfangen wird? Vielleicht wird er zornig und frißt uns auf.

Viele Tiere waren neugierig näher gekommen und betrachteten die Gäste mit freudigen Gesichtern. Dabei brüllten und schrien sie wie verrückt. Dieter hätte sich am liebsten wie ein Maulwurf in der Erde verkrochen, dann aber wurde er neugierig und sah sich den afrikanischen Boden näher an.

Das große Feld wurde von Polizisten abgesperrt. Es waren Orang-Utans und Gibbons, die mit ihren langen Armen ausgezeichnete Sperrketten bilden konnten. In Afrika hatte das Gesetz offenbar wirklich einen langen Arm. Man hatte sich die Polizei zur Olympiade aus Asien geholt. Und die Damen zum Kassieren aus Australien. Es waren Känguruhs, die das eingenommene Geld in ihren Bauchbeutel steckten. Überall, wo ein Känguruh saß, standen Schilder »Eintritt« und »Kasse.« Ordnung muß sein. Auch unter Tieren.

Zur Unterhaltung und bis zum Beginn der eigentlichen Wettkämpfe vollführten Vögel aller Art Flugkunststücke. Paradiesvögel stellten Figuren in der Luft, das sah herrlich aus. Wenn aber eine rosarote Wolke von zahllosen Flamingos über den Platz flatterte, dann mußte selbst Dieter »Aaaaaah!« sagen, wie bei einem Feuerwerk. Die tollsten Burschen im Kunstfliegen aber waren die Gaukler, das sind Adlervögel. Die Gaukler purzelten nur so in der Luft umher, machten Steil- und Sturzflüge; es war eine atemraubende Angelegenheit. Doktor Kleinermacher, Dieter und Traute vergaßen ganz ihre Nachthemden und schauten nur immerzu nach den prächtigen Kunstflügen. Was der Gaukler doch alles leisten kann! Herrlich!

Während sie staunend den Vorführungen folgten, kam ein Vogel auf die drei zu. Es war der stelzbeinige Sekretär. Eine Feder stand ihm am Kopfe so, als wenn er eine Schreibfeder hinter dem Ohr hätte, daher der Name Sekretär.

»Darf ich bitten, meine Gäste aus dem Menschenreich. Seine Majestät der König, der Löwe, unser allergnädigster Herr und Gebieter, läßt bitten.«

»Sehr freundlich«, sagte der Doktor, und die drei folgten dem Sekretär. Die Affenpolizisten machten dem Sekretär des Königs und seinem Gefolge ehrerbietig Platz.

So traten die drei vor den König.

Der Löwe saß auf einem erhöhten Sitz. Seine Augen blickten immer geradeaus, gewaltig und streng, aber nicht wild und auch nicht gefährlich. Nur sein Schwanz bewegte sich manchmal, sonst sah der Löwe aus wie aus Stein gehauen, wie ein Standbild. Um ihn herum saßen die wohl mächtigsten Tiere der Erde. Der Elefant, der Tiger, das Nashorn, der Kaffernbüffel und der Alaskabär. Als Ratgeber und gleichzeitig als Hofnarr hockte der Schimpanse zu seinen Füßen. Es war ein wirklich königlicher Anblick.

Doktor Kleinermacher, Dieter und Traute verneigten sich vor dem Thron und der Doktor begann:

»Herr König, verzeihen Sie, ich bin mit den Formen Ihres Hofes nicht vertraut und möchte daher eine Anrede wählen, die nicht zu hoch und nicht zu niedrig ist. Männerstolz vor Königsthronen war immer meine starke Seite ...« Hier stockte der Doktor, er war doch etwas verwirrt. Da rief der Schimpanse: »Bravo, bravo!« und alles freute sich, nur der König blickte ernst und würdig, aber doch um einen Schein gütiger. Da bekam der Doktor wieder Mut und sprach weiter:

»Herr König, man sagt uns, Sie hätten uns eingeladen. Diese Einladung durften und wollten wir nicht abschlagen, das wäre beleidigend gewesen. Darum sind wir gekommen. Wir grüßen Sie, Herr König, und sagen Ihnen herzlichst Dank.«

Der König blickte noch immer ernst, als wären die Worte gar nicht an ihn gerichtet, dann aber sprach er mit tiefer, klarer Stimme: »Ich heiße Euch willkommen. Ihr seid zur Olympiade der Tiere meine Gäste. Wir wollen Euch zeigen, daß Eure noch so anerkennenswerten Rekorde die Leistungen von uns Tieren noch nicht überholt haben. Seid willkommen, und wenn Ihr etwas wissen wollt, dann wendet Euch nur an meinen Schimpansen oder an meinen Sekretär. Euch soll nichts fehlen, weder Schutz noch Aufklärung.«

Die drei Menschenkinder dankten mit einer leichten Neigung des Kopfes, und der Schimpanse, der sich ihnen inzwischen zur Verfügung gestellt hatte, führte sie an ihre Plätze zurück. Kaum hatten sie sich gesetzt, da flüsterte der Schimpanse den Menschen schon zu: »Achtung, die Spiele beginnen sofort. Zur Eröffnung wird unser König, der Löwe, sein Gebrüll ertönen lassen. Daß Euch nicht die Kopfhaut platzt. Es hört sich für uns erhaben an. Für Euch aber schrecklich. Ich sage Euch das vorher, damit der Schreck bei Euch nicht so groß wird.«

Und dann brüllte der Löwe. Das war ein Rollen und Tosen! Traute begann, am ganzen Leibe zu zittern, und auch Dieter wurde etwas blaß. Stoßweise kamen die Töne aus dem weit aufgesperrten Rachen des Königs, und der Leib preßte sie mit Gewalt hervor. Es war dem Dieter, als wenn der König das schreckliche und doch so erhabene Gebrüll aus dem Innersten seines Leibes herausdrückte, so bewegten sich die Bauchmuskeln.

Endlich beruhigte sich der König. Die Spiele waren eröffnet, und die verschiedenen Konkurrenten sammelten sich auf ihren Plätzen.

Tief beeindruckt fragte Dieter den Schimpansen, ob einzelne Tiere wohl auch Angst bekämen vor dem Gebrüll des Löwen. Aber der Affe erklärte, das sei jetzt ausgeschlossen, da zur Olympiade Gottesfrieden herrsche. Kein Tier dürfe ein anderes töten, die Fleischfresser müßten das Rauben und Morden während der Sportspiele unbedingt einstellen. Auch der Tiger dürfe nicht reißen und beißen, er müsse sich also – wie der Schimpanse lächelnd andeutete – einen »extra guten Reißverschluß« anlegen. Aber Pflanzen könne jedes Tier fressen, soviel es wolle. Darüber freuten sich dann auch der Hase, das Pferd und das Kamel. Wer Hunger habe, müsse während der Olympiade Vegetarier sein.

Der Schimpanse erzählte weiter, daß sich der König, um mit gutem Beispiel voranzugehen, schon umgestellt habe. Er sei auf Rettig mit Salat und Backobst verfallen. Dann habe er den Fuchs zum Fressen eingeladen. Der hätte aber abgelehnt mit der heuchlerischen Erklärung, daß er schon zur Nacht gespeist habe. Und zwar neue Kartoffeln mit Mohrrüben. Es hätte sehr gut geschmeckt, geradezu köstlich habe das Zeug gemundet. Der Heuchler! Dabei wühlte der Hunger in seinen Gedärmen, und er konnte sich kaum noch aufrecht halten. Obendrein hoppelte vor seiner Schnauze ein Hase herum. Aber der Fuchs durfte nicht zubeißen, verdammt, er durfte nicht zubeißen ...

Als der König seine ungewohnte Speise kostete, verzog sich für Sekunden sein Gesicht. Aber er beherrschte sich, schob den Teller zur Seite und sagte nur stolz: »Danke für Backobst!« Ja, ja, der Tierkönig hält sein Wort, und wenn ihm auch das Wasser in Strömen im Munde zusammenläuft. Die vom Tieradel können vornehm hungern, nur das niedere Tiervolk müsse sich immer unbeherrscht vollfressen. Man denke nur an die Spitzmäuse und Maulwürfe.

Mitten im Erzählen waren die Vorbereitungen für die Konkurrenzen beendet. Der 100-m-Lauf sollte starten. Am Zielband stand der Luchs, der machte besonders große Luchsaugen, so daß Fehlentscheidungen unmöglich waren.

Am Start stand der Rabe. Der machte dreimal krah, krah, krah! Das sollte heißen: Achtung, fertig, los! Und dann ging das Feld auf die kurze Reise.

Kinder, was da alles in die Entscheidung kommen wollte! Die Vor- und Zwischenläufe räumten mächtig auf unter den Bewerbern. Pferd, Strauß, Kamel und Hase fielen bald aus ... es wurde mächtig gesiebt. Endlich kam es zum Endlauf. Zwei Tiere standen noch im Entscheidungslauf: eine Gazelle; der Schimpanse erklärte, es sei die sogenannte Grants-Gazelle, und der Gepard.

Dieter wunderte sich. Der Gepard ist doch eine Katze, die sonst zu den Schleichern und Springern zählt! Was will die Katze unter den Läufern? Sie war zwar hochbeinig wie ein Hund, hatte auch einen kleinen Kopf, aber gefleckt war sie wie ein Leopard. Jetzt krächzte der Rabe dreimal: krah, krah, und – nach einer kleinen Pause – krah! Die Tiere schossen wie aus der Pistole los. Das war kein Rennen mehr, das war ein Fliegen. Wer liegt vorn? Der Gepard? Ja, der Gepard macht das Rennen! Klar lag er beim Luchs am Ziel vorn, dicht hinter ihm die Grants-Gazelle. Allewetter, war das ein Rennen! Selbst der König war furchtbar aufgeregt und schlug mit seiner Tatze immerzu auf seine Schenkel. Alle Würde war wie weggepustet, die olympische Begeisterung breitete sich aus, und der Standesdünkel fiel wie fauler Plunder ab. Der König war endlich Mensch, Verzeihung ... Tier. Wie sollte man auch seine Würde bewahren? Bei einem solchen Rennen?

Der Gepard gewann überlegen den 100-m-Lauf. Der Gepard war der Sprinterkönig. Bei den mittleren und längeren Strecken aber war ihm die Grants-Gazelle über.

Der Schimpanse hatte viel vom Gepard zu erzählen. Die Zeitnehmer stoppten 100 m in 5 Sekunden. Ist das nicht etwas? Ja, da kommt ihr Menschen nicht mit. Wie steht bei euch der Rekord? 100 m in 10,2 Sekunden? Das ist ja lächerlich. Auch der König blickte stolz und mitleidig auf die drei Menschenkinder. Dieter und Traute wußten nicht, ob sie sich ihrer Nachthemden oder der zehn Sekunden wegen schämen sollten. Ihr Einwand, daß sich das Bild vielleicht ändern würde, wenn man von Menschen gezüchtete Tiere, wie den Windhund oder gar das englische Rennpferd zugelassen hätte, fand kaum Gehör, da alle anwesenden Tiere viel zu sehr vom Begeisterungstaumel erfaßt waren.

Der Schimpanse sprach nur noch vom Gepard und erzählte, daß sich in Indien die Menschen Geparde in der Wildnis einfangen, sie zähmen und zur Jagd abrichten, da sie jede Gazelle einholen.

Inzwischen war alles zum Langstreckenlauf vorbereitet. Wie lang ist bei euch Menschen die Marathonstrecke? Nur 42,195 km? Unter 100 km machen wir Tiere es nicht. Und wieviel Tiere traten zur Konkurrenz an! Der König hatte Meldefreiheit für alle Wildtiere verkündet. Da meldete sich alles, was rennen und krauchen konnte, Kamele, Giraffen, Elefanten, Antilopen, Pferde, Hunde ...! Selbst Wildschweine und Wanderratten traten am Start an. Wenn das man gut geht? Aber der König hatte Meldefreiheit verkündet, und ein Königswort gilt unter Tieren.

Dreimal krächzte der Rabe, und dann ging das Feld auf die weite Reise. Bald war alles in Staub gehüllt, man sah kein Tier mehr, sondern nur noch eine riesige Wolke. Nur noch einmal kam ein Giraffenkopf zum Vorschein, bevor die Staubwolke am Horizont endgültig verschwand.

Nun begannen die Springerkämpfe. Die Weitspringer traten zuerst an. Dieter dachte, der Tiger oder der Löwe würden am weitesten springen. Sagt man doch, daß der Löwe mit einem Ochsen im Maul einen Zaun überspringen könne. Der Schimpanse aber lächelte nur fein und flüsterte: »Das steht in euren dummen Menschenbüchern. Wenn der Löwe so gut springen könnte, dann müßten ja eure Gräben in den zoologischen Gärten viel breiter sein. Der König hat bei den Weitsprüngen gar nicht mitzureden, und auch bei den Hochsprüngen nicht. Seine Majestät weiß das und hält sich vornehm vom Kampf zurück. Menschen müssen schweigen, wenn sie Philosophen bleiben wollen, Löwen aber müssen stillsitzen, wenn ihre königliche Ehre nicht gefährdet werden soll.«

Der Affe hatte recht. Selbst Tiger, Leoparden und auch das Pferd kämen im Weitsprung nicht mehr mit. Das rote Riesenkänguruh schlug alle Konkurrenten. Die Strecke wurde abgemessen. Allewetter! Zehn Meter war das Riesenkänguruh gesprungen. Wie steht der Rekord bei den Menschen? Einige Zentimeter über acht Meter. Lächerlich, der Tierrekord lautet zehn Meter. Wieder konnte es der König trotz aller Würde nicht unterlassen, seine Schadenfreude zu zeigen. Dabei springt der Löwe noch nicht mal acht Meter!

Jetzt standen die Hochsprungkonkurrenzen auf dem Programm, zu denen sich auch der Floh gemeldet hatte. Das war natürlich Größenwahnsinn des Ungeziefers. Seine Majestät mußte herzhaft lachen und ermahnte den Floh, sich an den Gottesfrieden zu halten. Affen seien gute Kammerjäger. Wenn der Floh etwa Durst bekommen sollte, dann müsse er Pflanzensäfte saugen.

Alles lachte noch über den Witz des Königs; denn wenn Könige Witze machen, ist es Pflicht jedes Untertanen, zu lachen. Da fiel die Entscheidung in der Hochsprungkonkurrenz. Wer war der Sieger? Der Springbock, also eine Antilope. 2,50 Meter hatte das Tier geschafft. Erstaunlich! Die Menschen bringen es nur auf etwas über zwei Meter, das sind Unterschiede! Ja, Tiere können alles besser. Der Schimpanse erklärte wieder: »Schaut mal, was unser Sieger für ein Gepäck beim Springen mit sich herum trägt. Ein stattliches Gehörn hat der Springbock, und doch schaffte er seine 2,50 Meter. Wie hoch würde er erst ohne Hörner springen?

Früher lebten die Springböcke noch in zahllosen Herden in Afrika. Die Tiere fraßen alles Gras ab, und die Farmer stöhnten. Heuschrecken waren Waisenkinder gegen die Springböcke. Raubtiere aller Art zogen den Springböcken nach und fraßen und fraßen. Aber die Springböcke wurden nicht weniger. Wen sie überrannten, den zertrampelten sie. Zwar sind sie lange nicht so mächtig wie Elefanten, aber die Masse wirkt. So ist es schon vorgekommen, daß sogar Löwen von den riesigen Herden eingeschlossen wurden. Die Löwen mußten – ob sie wollten oder nicht – mit den Springböcken wandern. Zum Fressen hatten sie zwar genug, aber gefangen waren sie doch. Majestät soll damals sehr böse gewesen sein ...

Was die Raubtiere nicht schafften, haben schließlich – leider – die modernen Schießprügel fertiggebracht. Es wurde so lange geknallt, bis die Zahl der Springböcke endlich weniger wurde. Die endlosen Herden der Springböcke sind heute ausgelöscht. Aber springen können die Tiere immer noch sehr gut.«

Der Schimpanse hätte noch lange weitererzählt, wenn ein neuer Konkurrenzkampf ihn nicht gefesselt hätte. Die Kunstturner begannen, ihr Können zu zeigen.

Die Bären mußten trotz aller tänzerischen Gewandtheit bald abtreten. Das war zu plump; die übrigen Tiere pfiffen so lange, bis die Bären brummend abzogen. Aber was Eichhörnchen, Marder und Katzen leisteten, war sehr beachtlich. Sieh einer nur den Marder an, der läuft an steilen Wänden rauf und runter, selbst an Decken entlang, mit dem Kopf nach unten, als ob er Kleister an seinen Füßen hätte. Der Marder ist ein Mordskerl! Und erst das Eichhörnchen! Als ob der Baum eine Wendeltreppe hätte, so kreiselt das Eichhörnchen hinauf. Das soll mal erst einer nachmachen!

Aber den höchsten Preis im Kunstturnen bekamen zwei Affen. Der Gibbon und der Klammeraffe mußten sich den ersten Preis teilen. Was der Gibbon leistet, ist einfach unübertrefflich, von Ast zu Ast schwingt er sich mit einer erstaunlichen Sicherheit, kopfüber, kopfunter, und trotz aller Schnelligkeit mit einer besonnenen Eleganz. Da kam nur noch der Klammeraffe mit. Hatte der Gibbon vier Hände – die beiden Beine sind ja weiter nichts als Arme -, so hatte der Klammeraffe gleich fünf. Mit seinem langen Klammerschwanz griff er so sicher zu wie mit jeder Hand. Wenn der Affe nur an seinem Schwanz baumelte, den Kopf nach unten, dann konnte er sogar allein mit dem Schwanz einen Klimmzug machen! Donnerwetter! Solche Tiere sind ja reif für ein Varieté!

Bei der Preisverteilung hätte es beinahe einen Skandal gegeben. Der König fragte die beiden Affen: »Ist es wahr, daß die Menschen von euch abstammen?«

Die Affen antworteten entrüstet: »Das ist eine Verleumdung. Nie im Leben wären die Menschen so schwerfällig und blaß geraten, wenn sie unsere Kindeskinder wären. So etwas Verzärteltes und Steifes sollen unsere Kinder sein? Lächerlich.« Der König war befriedigt und verteilte die Preise, der Doktor jedoch saß unruhig auf seinem Sitz und wäre am liebsten aufgesprungen und hätte laut protestiert. Aber Dieter hielt ihn zurück: »Sei doch ruhig, Doktor, der König frißt uns sonst auf.«

Als jetzt die »Flieger« zu den letzten Endkämpfen antraten, da schwieg der Doktor und sah gespannt auf die Vögel. Die ersten Ausscheidungskämpfe schon hatten fast alle großen Tiere aus dem Wettkampf geworfen. Mit dem Kleinzeug kamen die Adler, Geier und Störche weder beim Kurzstrecken- noch beim Langstreckenflug mit, das Kleinzeug schlug alle großen Konkurrenten.

Wer blieb noch übrig? über die kurze Strecke gingen Schwalbe, Stachelschwanzsegler und Baumfalke in den Kampf. Selbst der Wanderfalke, der rasende Stößer, war in einem Ausscheidungskampf von dem kleinen Bruder, dem Baumfalken, besiegt worden.

Jetzt krächzte der Rabe, und die drei Kämpfer sausten durch die Luft, daß kein Auge zuverlässig folgen konnte. Hätte der Luchs nicht auf einem Baume genau die Ziellinie beobachtet, kein Tier wüßte, wer eigentlich der schnellste Vogel sei. Zuerst kam nach Überwindung der kurzen Strecke der Stachelschwanzsegler, ein Verwandter des Mauerseglers an, um Schnabelbreite dahinter der Baumfalke, und dann erst die Schwalbe.

Der Schimpanse wollte weitere Erklärungen abgeben, aber jetzt nahm ihm der Doktor das Wort ab:

»Was weißt du Affe denn von unseren Tieren in Europa? Jeder Tiername hat bei uns seinen besonderen Klang. Wenn wir das Wort Schwalbe aussprechen, dann denken wir dabei an Heimat und Abendfrieden, Dorf und Landschaft. In Spanien sagen die Bauern, wer eine Schwalbe tötet, der bringe seine Mutter um. Siehst du, so sehr lieben wir Menschen unsere Schwalben. Eine Schwalbe im Stall zu haben, bedeutet für den Bauern soviel Glück, wie ein Storch auf der Scheune. Selbst die Nomaden in Asien freuen sich über die Schwalben und dulden diese Vögel an ihren Zelten.«

Der Doktor wurde eifriger im Erzählen und holte weit aus. »Schon die alten Römer liebten die Schwalben, zähmten sie und benutzten sie wie Brieftauben. Nach einem Wagenrennen ließen sie ihre Schwalben los, um denen daheim den Sieg zu verkünden ...«

Traute redete dazwischen: »Ach, laß doch das, Doktor, der Affe will ja davon gar nichts wissen.«

Aber der Doktor war ins Reden geraten, und dann hörte er so schnell nicht auf.

»Ihr habt gesehen, daß der Baumfalke schneller fliegt als eine Schwalbe. Wenn der Baumfalke Hunger hat, dann holt er sich seinen Schwalbenbraten. Dann heißt es: rette sich wer kann, teure Vögel, sonst gibt es zu Mittag bei Baumfalkens Schwalbenfleisch. Schnell in das Nest von Leim und Speichel oder in einen Stall hinein. Mein lieber Affe, das hat der Stachelschwanzsegler nicht nötig. Der Geschwindigkeitsunterschied ist, wie du gesehen hast, sehr gering. Das ist schon Glücksfall, wenn ein Baumfalke einen Segler bekommt. Bei uns fliegen die fast ebenso schnellen Mauersegler in den Großstädten, sie sehen den Schwalben so ähnlich, daß die meisten Großstädter zu den Mauerseglern Schwalben sagen. Aber in den Städten halten sich die Schwalben gar nicht auf. Desto mehr die Mauersegler. Die kühnen Flieger leben fast in der Luft. In der Luft holen sie sich ihren Insektenfang, in der Luft holen sie sich ihr Baumaterial für das Nest, in der Luft feiern sie sogar Hochzeit. Die Luft ist die Heimat des Mauerseglers. Manche Menschen sagen, der Vogel könne sich vom Erdboden gar nicht erheben. Das ist aber eine Übertreibung, die sogar der ›Schmeil‹ früher in seinem Zoologie-Lehrbuch gebracht hat. Wie ihr gesehen habt, kann der Mauersegler sogar sehr gut vom Erdboden starten. Sein Nest baut er sich hoch oben an den Gebäuden. Speichel und Fremdstoffe, die er in der Luft fängt, sind sein Baumaterial. Manchmal vertreibt er sogar Sperlinge und Stare aus ihren Nestern, der Räuber. Ohne auch nur einen Augenblick zu bremsen, trifft der kühne Kunstflieger im sausenden Flug das enge Loch im Nest. Ich sage euch, der Mauersegler ist ein kühner Flieger. Bevor der Wettkampf begann, hatte ich sogar geglaubt, der Mauersegler sei heißer Favorit ...«

Der Doktor hätte noch lange erzählt, denn der Affe war ein dankbarer Zuhörer und sperrte Maul und Nase auf, aber jetzt wurden alle von den weiteren Tierkämpfen abgelenkt. Gerade startete man zu dem über eine Strecke von 3000 Kilometern führenden Langstrecken-Marathon-Rundflug, an dem sich aber nur Regenpfeifer, Bekassine, als Sumpfschnepfe bekannt, und Wüstenflughahn beteiligten. Der Doktor war gespannt, wer den Sieg davontragen würde und war befriedigt, als er später hörte, daß der Regenpfeifer, dieser tolle Bursche, dessen trillernder Pfiff regnerisches Wetter ankündigen soll, vor Bekassine und Wüstenflughahn zurückkam. Inzwischen ging es im Stadion hoch her. Die Ringer traten an. Das waren Athletengestalten!

Ursprünglich sollte es kein Ringkampf werden, sondern ein Kampf mit allen Mitteln um den ersten Preis. Aber der König sah ein, daß das zu gefährlich für seine Stellung war. Zuviel Tiere waren ihm im Kampfe überlegen. Was sollte der Löwe gegen einen Elefanten ausrichten, der hätte ihn zertrampelt, und auch gegen einen ausgewachsenen Kaffernbüffel könnte er nichts ausrichten, von den Krokodilen und Riesenschlangen ganz zu schweigen. Den »Kampf mit allen Mitteln« würde vielleicht das Nashorn gewinnen. Aus Indien hatte man ihm berichtet, daß Elefanten vor Nashörnern ausrückten, und daß das indische Nashorn es mit drei Tigern aufgenommen hätte. Und der König der Tiere wurde nicht mal mit einem Tiger fertig. Nein, der »Kampf mit allen Mitteln« war ihm zu gefährlich. So wurde eine Ringkampfausscheidung ausgeschrieben. Zuerst hatten alle Affen miteinander zu kämpfen, und dann alle Bären. Bei den Affen siegte, wie nicht anders zu erwarten, der Gorilla. Zweiter wurde der Orang-Utan. Bei den Bären siegte der Alaskabär. Grislybär und Eisbär konnten sich den zweiten Preis teilen.

Nun standen sich Alaskabär und Gorilla gegenüber. Beide hatten – wie man deutlich erkennen konnte – prächtige Muskelpakete. Der Alaskabär war zwar größer und fleischiger als der Gorilla, dessen Brustkasten aber auch allerlei versprach! Donnerwetter! Und die runden zornigen Augen, schlimm konnte einem werden.

Wütend umkreisten sich die beiden Riesen. Der Gorilla trommelte mit seinen Fäusten aufgeregt auf seinem Brustkasten herum, schrecklich sah das aus. Der Bär brummte nur leise. Dann gingen die beiden Fleischberge aufeinander los. Jetzt kam die Umarmung. Krachen denn die Knochen der beiden Titanen nicht? Da, der Gorilla wankt in den Knien, der Bär ist doch kräftiger. Spaß, er ist ja auch etwas größer und gewaltiger. Es gab keine Hoffnung für den Affen. Bald lag er unter dem Fleischberg des Bären. Eine Affenschande! Es ist nichts mit dem braunen Bomber, dem Gorilla.

Nach dem Ringkampfe begab sich der Hof mit seinen Gästen nach dem nahen See, hier sollte die 100-Meter-Schwimmentscheidung fallen, da kein größeres Gewässer in der Nähe war. Dieter glaubte, der beste Schwimmer müßte doch ein Fisch sein. Aber es kam alles ganz anders. Die meisten Fische fielen schon in der Vorentscheidung aus. Man lernt wahrhaftig nie aus. Was da noch übrigblieb, waren Pinguine, die »Fische unter den Vögeln«, Robben, Schwertwal, Thunfisch, Seehunde und Delphine. Die Delphine sind nämlich wie die Walfische gar keine Fische, sondern Säugetiere. Jetzt kam das Endschwimmen. Der Rabe krächzte, und die Tiere starteten. Das Wasser schäumte und kräuselte sich, man konnte nichts sehen, die Tiere schwammen alle unter Wasser. Wer wird am Ziel zuerst seinen Kopf aus dem Wasser heben? na ... noch nicht? ... das ist eine Geduldsprobe ... noch kein Kopf ... jetzt endlich! Wer ist es, der Delphin? Nein, der Schwertwal tauchte als Sieger auf. Dann folgte der Thunfisch, Delphin und Pinguin mußten sich mit dem dritten Preis begnügen.

Die Langstreckenläufer waren immer noch nicht von ihrer weiten Reise zurück. Inzwischen wurde eine Art Volksbelustigung veranstaltet. Am Wasser zeigte der Schützenfisch seine Kunststücke. Kam eine Fliege, dann spuckte er danach. Zielsicher traf er sie, so daß die Fliege ins Wasser fiel und der Schützenfisch zuschnappend seinen Preis – beinahe – auffressen konnte. Der Löwe drohte mit der Tatze. Es ist Gottesfriede, mein lieber Schützenfisch, dabei beugte sich der König etwas über das Wasser. Der Fisch spuckte ihm als Antwort haarscharf die Fliege ins Auge. Die Umgebung lachte, und der König mußte über den Bubenstreich mitlachen. Aber der Schützenfisch wunderte sich im stillen doch, daß das Königsauge nicht wie ein Insekt ins Wasser kullerte.

Dann meldete sich eine Schildkröte beim König an. »Majestät, ich möchte mich bei Ihnen zum Kampfe um die Weltmeisterschaft im Altern melden. Wir können 200 Jahre alt werden, wer wettet mehr?« Der König sagte nur: »Abtreten.« Er ärgerte sich, daß er nicht einmal 100 Jahre erreichen würde. Das Faultier wollte den Weltrekord im Baumsitzen brechen.

»Abtreten.«

Dann meldeten sich Insekten, die aus ihren Gelenken mit Blut spritzen konnten. Sie spritzten nicht nur, sie trafen auch. Dagegen protestierte das Stinktier, es könne weit wirksamer schießen. Wer so eine Stinkladung auf den Anzug bekäme, der könne seinen Anzug verbrennen, das bringe keine Putzfrau mehr weg. Nicht einmal die chemische Reinigung. Aus dem Wasser traf die Meldung ein, daß die Qualle, die so weich wie Sülze ist, auch schießen kann. Mit 1000 Nesselbatterien schießt sie auf jeden Feind, das juckt empfindlich auf der Haut. Auch der Ameisenlöwe wollte seine Kunst zeigen. Er gräbt sich flink in den Sand ein, so daß ein kleiner Trichter entsteht. Kommt eine Ameise dem Trichter zu nahe, dann wirft der Ameisenlöwe mit Sand, bis die Ameise in den Trichter fällt. Dort unten frißt sie der Ameisenlöwe auf. Aber der Löwe war ungnädig darüber, daß sich so ein kleines Geschöpf auch Löwe titulieren läßt. Dann meldete sich ein Kolibri. Wer das nachmachen könnte? Mitten in der Luft anhalten und aus einer Blüte dabei den süßen Saft trinken? Aber der Löwe wollte etwas Handfesteres sehen, ohne Lupe und Vergrößerungsglas. Der Schimpanse sollte als Clown auftreten. Er sollte Menschen nachäffen, das gäbe einen Hauptspaß.

Sofort war der Schimpanse bereit. Erst torkelte er wie ein Betrunkener, dann watschelte er langsam über den Sand, als ob er einen dicken Bauch habe, schließlich trippelte er wie ein nervöser zanksüchtiger Mensch durch das Stadion, laut schimpfend. Es war köstlich. Die Tiere mußten alle lachen und auch die Menschenkinder.

Plötzlich wurde die Komödie abgebrochen. Am Horizont zeigte sich eine Staubwolke. Die Langstreckenläufer kamen an. Nun, wer wird Sieger sein? Wer hat das Rennen gemacht? Alles sah gespannt der Staubwolke entgegen.

Jetzt konnte man deutlich die Tiere sehen. Es sind die Hunde. Nein, es sind keine Hunde, es sind Hyänen. Oder sind es doch Hunde?

Der Doktor wurde nervös, und nervös wurde der Schimpanse, alle Tiere wurden nervös. Die Sieger, die dort ankamen, waren nämlich weder Hunde noch Hyänen, sondern sogenannte Hyänenhunde, die schrecklichsten Tiere Afrikas. Sie jagen immer in Rudeln, laufen hinter allen Tieren tagelang her, bis sie die Tiere zu Tode gehetzt haben, und dann fressen sie die Tiere auf. Kein Tier ist vor den Hyänenhunden sicher. Auch der Löwe nicht.

Setzt sich der Löwe zum Fraße nieder und kommen Hyänen an, um ihn zu stören, dann grollt der Löwe nur, damit sich die Hyänen verziehen. Erscheinen aber Hyänenhunde, diese gefährlichen Biester, dann steht der König erschreckt vom Mahle auf und übt sich im Dauerlauf. Was nutzt es, wenn er drei Tiere totbeißt und fünf mit den Tatzen erschlägt, hunderte kommen und fressen ihn auf. Rette sich wer kann, die Hyänenhunde kommen! Wilde Panik löste die Olympiade auf, und alles rannte, stampfte, und schlug die Beine unter den Körper weg, als wenn jedes Tier die Erde unter sich wie eine Kugel fortrollen wollte. Hilfe! Hilfe! die Hyänenhunde!

Doktor Kleinermacher ergriff den Dieter, Dieter ergriff die Traute, und unter größten Anstrengungen rannten sie mit den Tieren mit. Hilfe! Hilfe!

»Was ist denn mit dem Dieter los? Er schreit ja so sehr und strampelt mit den Beinen die Bettdecke herunter.« Die Mutter hatte Licht gemacht und sah den Dieter strampelnd, schreiend und mit Schweißtropfen bedeckt im Bette liegen.

»Was hast du denn, mein Junge?«

»Mutter, renne, renne, die Hyänenhunde sind hinter uns her.«

»Aber mein Junge, du hast schlecht geschlafen und geträumt. Und wie sieht denn dein Bett aus? Das Kopfkissen liegt auf der Erde und die Bettdecke auch.«

»Mutter, laß doch das Deckbett, komm schnell, renne, renne, die Hyänenhunde sind hinter uns her.«

»Aber Junge, bist du denn noch nicht wach, du hast schlecht geschlafen.«

Dann machte sie dem Dieter wieder das Bett zurecht, und der Junge erkannte nach und nach aufatmend, daß er alles nur geträumt hatte. Die ganze Tierolympiade war ein Traum gewesen. Schade, das hätte wieder einen Abenteuerbericht gegeben. Trotzdem, in Wirklichkeit hätte er sich doch wohl nicht so leichtsinnig entschlossen, nachts das Fenster zu öffnen und hinauszusteigen. Nein, niemals. Doktor Kleinermacher hätte da auch nicht mitgemacht. Mit dem wollte er lieber in allernächster Nähe, am liebsten nur im Hause, auf Abenteuer ausgehen.

Bald schlief Dieter wieder ruhig ein. Wie gut, daß uns die Hyänenhunde nicht gefressen haben.


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