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Tricks und Kniffe

Tricks und Kniffe. Jeder Geschäftsmann hat sie. Mancher nennt es Methode, Usance, Brauch, Gewohnheit. Anekdoten und Schnurren aus früherer Zeit geben uns bekannt, was für sonderbare Methoden früher als kaufmännisch und durchaus ehrenhaft galten. Sklavenhandel war was ganz selbstverständliches, weniger dürfte bekannt sein, daß selbst ein Ehrenmann wie Joachim Nettelbeck auf den Sklavenhandel sich einschiffte. (Siehe »Kaufmanns Abenteuer« von Hans Ostwald.) Ihm wurde es allerdings schließlich unerträglich. Aber wir finden ja in der Kulturgeschichte manches, was uns unerträglich scheint. Damals war es ganz natürlich. –

Diese Tricks-Geschichtchen bilden eine kleine Kulturgeschichte für sich. Sie werfen recht eigentümliche Schlaglichter in manche Winkel. Sie erhellen manche Zeiten – und manche menschlichen Eigenschaften und Leidenschaften.

Wohltuend ist der Humor, der aus ihnen herausschaut und der beweist, daß die Welt auch mit Vergnügen betrachtet werden kann – und daß selbst Unangenehmes ganz natürlich erscheint – wie es z. B. die köstliche und verständnisvolle Geschichte von Rothschilds Taschentuch beweist.

Dies Kapitel läßt manche Eigenheit des Kaufmannes erkennen. Neben den komischen Sonderlingen der Kleinstadt, neben den verbummelten Kümmel-Spekulanten reckt sich der alle Hindernisse rücksichtslos niedertrampelnde Yankee und der selbstbewußte Großunternehmer hervor, wie ihn der berühmte Hotelier Sendig aus Dresden schildert.

Das gibt eine hübsche Galerie von Charakterköpfen. Sie bieten Material für eine recht lebendige Kulturgeschichte – vom Mittelalter und seinen naiven Malerrechnungen bis Zu den modernen Kunsthändlern –, die Paul Gutmann mit solch treffenden, amüsanten Linien zeichnete – und bis zu Morgan, der so lustig die Geschäftsart der wiener bespöttelt.

In einigen andern Abschnitten findet der Leser auch noch allerlei Tricks und Kniffe. Sie gehören zum Kaufmann. Wehe dem, der keine hat!

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Die erste Schreibmaschinenstunde.
Paul Simmel

 

Eine spezifizierte Malerrechnung.

In alten Akten der Lorenzkirche in Nürnberg hat man folgende Rechnung eines Malermeisters gefunden:

1. Dem einen Schächer am Kreuze eine neue Nase gemacht und seine Finger ausgestreckt, 2 Gulden 24 Kreuzer.

2. Den Pontius Pilatus aufgeputzt, neues Pelzwerk um die Mütze gesetzt und hinten und vorn neu angestrichen, 1 Gulden 30 Kreuzer.

3. Dem Engel Gabriel die Flügel mit frischen Federn besetzt und den vordersten vergoldet. 2 Gulden 30 Kreuzer.

4. Des Hohenpriesters Kaiphas Magd gewaschen und dreimal angestrichen. 1 Gulden 50 Kreuzer,

5. Dem Petrus einen Zahn eingesetzt und dem Hahne den Kamm ausgeputzt. 1 Gulden 30 Kreuzer,

6. Den Himmel mehr ausgebreitet und acht neue Sterne eingesetzt. 2 Gulden 15 Kreuzer.

7. Das höllische Feuer vergrößert, einige Seelen restauriert und dem Teufel mehr Malice gemacht, 1 Gulden 15 Kreuzer.

8. Dem Judas die 30 Silberlinge versilbert, 45 Kreuzer.

9. Dem linken Schacher eine verzweifelte Miene beigebracht. 2 Gulden 10 Kreuzer,

10. Dem Moses mehr Ansehn gegeben und seinen Bruder Aron mehr herausstaffiert. 2 Gulden 12 Kreuzer.

11. Dem goldenen Kalbe den verlorenen Kopf wieder aufgesetzt. 2 Gulden 45 Kreuzer.

12. Den Pferden an Elias Wagen neue Hufeisen gemacht und den weg zum Himmel genauer bezeichnet. 2 Gulden 15 Kreuzer.

13. Dem Joseph mehr Unwillen im Gesicht gegeben und die Frau Potiphar gefirnißt. 3 Gulden 30 Kreuzer.

14. Dem blinden Tobias den Schwalbendreck aufgefrischt, 1 Gulden 15 Kreuzer.

Nürnberg, 1 Febr. 1764.

J. T. Markart, wohlbestallter Maler an der Kirche Sanct Lorenzo.

 

Ein merkwürdiger Sklavenhandel.

Ein als vielfacher Millionär gestorbener amerikanischer Großkaufmann erzählte im Alter gern, wie er den Grundstock zu seinem Vermögen gelegt hatte.

Er war als junger Bursche bettelarm gewesen und diente als Matrose auf einem amerikanischen Schiff, das mit Handelswaren nach Ostindien segelte. Aber ein reger kaufmännischer Geist steckte schon damals in dem jungen Burschen, und so kam er auf einen Gedanken, der ihm Geld einzubringen versprach. Eines Tages, als das Schiff in Java vor Anker lag, schwärzte er sich mittels eines Topfes Schuhwichse Hände und Gesicht dermaßen, daß er vollständig einem Neger glich, wobei ihm seine krausen Haare und seine etwas aufgestülpte Nase zu dieser Verwandlung trefflich halfen.

In dieser veränderten Gestalt begab er sich zu einem holländischen Pflanzer und verkaufte sich ihm als Sklave um den Preis von 400 Dollar. Am nächsten Morgen entfloh er dann als vollständiger Weißer und wiederholte dieses Mannöver in jedem Hafen, in welchem sein Schiff vor Anker ging. So verwandelte er sich wohl acht- bis zehnmal in einen Neger und wieder in einen Weißen und nahm dadurch ein ganz ansehnliches Sümmchen ein.

Endlich wurde er durch diesen Streich kühn gemacht und unternahm nach einiger Zeit einen größeren Handel, der ihm eine bedeutende Bereicherung einbrachte. Im Einverständnis mit den fünfzehn Mann, welche die Bemannung des Schiffes bildeten, kleidete er dieselben in Lumpen, schwärzte sie vom Kopf bis zu den Füßen mit Wichse und ließ auf einer holländischen Insel, auf der man angelegt hatte, mit Trompetenschall verkünden, daß er an demselben Abend eine ganze Ladung Kongoneger, lauter prächtige, kräftige Ware, verkaufen wolle.

Es fanden sich eine Menge Käufer ein, die Sklaven wurden untersucht – noch nie hatte man so muskulöse, wohlgenährte und gutmütige Neger gefunden. Überdies wußte ihr Verkäufer ihren Fleiß, ihre Gutmütigkeit und Folgsamkeit nicht genug zu rühmen. Er wurde sie alle los, und zwar zu außergewöhnlich guten Preisen, die ihm sofort ausbezahlt wurden. Die Holländer führten ihre Ware fort und waren alle überzeugt, daß sie ein ungewöhnlich gutes Geschäft gemacht hätten. Allein, während sie in diesem Gefühl ruhig schliefen, liefen ihre sämtlichen Sklaven auf und davon. Ein Boot erwartete sie am Ufer, und das Schiff ging unter Segel, ohne erst das Erwachen ihrer neuen Herren abzuwarten.

Der geschäftstüchtige Yankee gab natürlich jedem der beteiligten Matrosen ein gutes Stück von dem Kaufpreis, behielt aber den größten Teil für sich und erlangte so ein hübsches kleines Vermögen, das er nach seiner Rückkunft in Boston noch durch Spekulationen und Geschäfte vergrößerte. Er wurde nicht nur ein sehr reicher, sondern auch ein sehr angesehener Kaufmann und erzählte von allen Erlebnissen seines Lebens immer am liebsten diesen schlauen Sklavenhandel, mit dem er den Grundstock zu seiner späteren Existenz gelegt hatte.

 

Ein Prozeß um die Hosen des Königs Pharao.

In Paris lebte in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts ein Antiquitätenhändler namens Collard, der große Geschäfte machte, obgleich oder gerade weil er sehr seltsame Sachen verkaufte: Ein Haar aus dem Barte Mohammeds, ein Schlafrock Ludwigs des Heiligen, ein paar Strümpfe Napoleons, und sogar eine Hose, die König Pharao getragen hatte. Gewöhnlich waren reiche Engländer und vor allem Amerikaner die Kunden des Herrn Collard, der seine Waren manchmal zu geradezu phantastischen Preisen an den Mann zu bringen wußte.

Ein Mr. Hill aus Neuyork hatte eines Tages die Hose des Königs Pharao für die schöne Summe von 450 Dollar von Herrn Collard erstanden. Diese Hose nun lag kurz darauf auf einem Pariser Richtertisch und war Gegenstand eines Prozesses geworden, da dem Herrn Hill lebhafte Zweifel an der Echtheit dieser ehrwürdigen Reliquie aufgestiegen waren und Herr Collard sie auf keinen Fall wieder zurücknehmen wollte.

Interessiert betrachtete der Gerichtshof die Hose. Sie war aus einem groben Wollstoff fabriziert und besaß eine Farbe, die aus allen möglichen Nuancen zusammengesetzt schien. Herr Collard meinte, die Jahrtausende hätten diese Farbe erzeugt, die unsere Zeit überhaupt nicht herstellen könne, Mr. Hill dagegen behauptete, daß die Hose ursprünglich indigoblau gefärbt gewesen und das wunderbare Kolorit infolge häufiger Wäsche entstanden sei. Er habe die Hose von Herrn Collard in dem guten Glauben gekauft, daß der König Pharao von Ägypten sie wirklich getragen habe, durch den deutschen Archäologen, Professor O. F. H. Müller in Göttingen sei aber nachgewiesen worden, daß König Pharao überhaupt keine Hosen getragen habe. Der deutsche Gelehrte beweise dies auch aus dem Tacitus, der den Galliern nachsagte, daß sie Hosen trügen, was Tacitus sehr lächerlich fand. Da Pharao nun aber keineswegs ein Gallier gewesen sei, so könne er auch keine Hosen getragen haben, folglich sei auch die auf der Gerichtsbank liegende Hose keine Pharaonische. Zweitens beweise derselbe gelehrte Archäologe, daß die in Rede stehenden Unaussprechlichen Baumwollfasern enthielten, während vor dreitausend Jahren die Baumwolle noch gar nicht bekannt gewesen sei, weshalb der ägyptische König sie auch nicht getragen habe und sie deshalb keine fünf Sous wert seien. Drittens endlich sei Indigo, wie allgemein bekannt, eine neue Erfindung, diese angeblich so alte Hose sei daher eine ganz neue, und Herr Collard müsse daher die zu Unrecht dafür erhaltenen 450 Dollar wieder zurückgeben.

Herr Collard war dagegen anderer Meinung. Ob jene Hosen von König Pharao persönlich getragen worden seien, wisse er nicht, denn er sei noch keine 3000 Jahre alt, aber er berufe sich auf eine in Hieroglyphen abgefaßte Urkunde, welche die Echtheit der Hose ausdrücklich bezeuge. Die Baumwollfasern bewiesen überhaupt nichts. In Ägypten habe die Kultur längst herrlich geblüht, als Paris noch eine Fischerhütte gewesen sei, man könne daher nicht mit Gewißheit sagen, daß die alten Ägypter die Baumwolle nicht gekannt hätten.

Der Anwalt des Mr. Hill ließ jedoch das von Collard Angeführte nicht gelten. Die Hosen seien mit Zwirnfäden und Seide genäht, in Pharaos Zeiten hätte man weder Seide gekannt, die aus China stammte, noch Zwirn, der viel später erst erfunden wurde. König Pharao habe überdies einen starken Leib gehabt, das gehe aus der Bibel hervor, und diese Hosen paßten nur einem Mageren. Er habe daher Herrn Collard stark im Verdacht, daß er seine eigene abgenutzte Garderobe als Pharaonische verkaufe.

Herr Collard fuhr hier sehr entrüstet auf und äußerte, man wolle sein Geschäft in Mißkredit bringen. Das Ganze sei ein rein wissenschaftlicher Streit, der vor dem Forum des Gerichts überhaupt nicht ausgetragen werden könnte. Erst müßten einmal alle die in dem Prozeß angeschnittenen historischen Fragen wissenschaftlich gelöst sein, ehe man ihm zumuten dürfte, das Geld dem Mr. Hill zurückzuzahlen.

Der Gerichtshof, der die Streitfrage offenbar sehr ernst nahm, zog eine Reihe von Sachverständigen zu Rate und entschied dann gegen den geschäftstüchtigen Herrn Collard. Zunächst sei dem Gericht die Frage, ob der König Pharao überhaupt Hosen getragen habe, vollkommen gleichgültig, und es mischte sich auch nicht in den Streit, ob es damals schon Baumwolle in Ägypten gegeben habe. Dagegen finde der Gerichtshof, und das sei für ihn entscheidend, daß die Soldaten des ersten Kaiserreichs in den ruhmreichen Schlachten, die sie gekämpft, genau die gleichen Hosen getragen hätten wie diese angebliche Pharaonenhose eine sei. Es unterliege daher gar keinem Zweifel, daß diese Hose aus der Napoleonischen Zeit stamme, also mit dem angeblichen König Pharao nichts zu tun haben dürfte. Mr. Hill hätte also die gleiche Hose bei jedem Trödler für einen halben Franken erstehen können, und es läge daher eine bedeutende Übervorteilung im Kaufpreise vor. Aus diesem Grunde müsse Herr Collard die Hose zurücknehmen und 450 Dollar nebst den gesamten Gerichtskosten bezahlen.

Collard war verzweifelt über diesen Ausspruch des Gerichts. Er erklärte, dieses Urteil vernichte sein ganzes Lager an Altertümern, das weit über hunderttausend Franken wert sei, und rief erschüttert aus:

»Wer wird noch den Mut haben, die Pantoffel des Papstes Sixtus V., die Tabaksdose des Dichters Virgil oder die Schnurrbarthaare Cartouches zu kaufen?« Und händeringend verließ er den Gerichtssaal.

 

Ein Prozeß um 20 000 Lire.

Ein reicher deutscher Bankier, der sich eine Zeitlang in Neapel aufhielt und dort durch seine Wohltätigkeit gegen Bettler bei der Bevölkerung ziemlich bekannt war, ging eines Morgens am Meeresstrand spazieren und genoß entzückt den Anblick der herrlichen Landschaft und des tiefblauen Himmels.

Plötzlich nahte sich ihm ein schäbig gekleideter Mann und redete ihn mit den Worten an: »Verzeihen Sie, aber wollen Sie mir nicht endlich die 20 000 Lire zurückzahlen, die ich Ihnen geliehen habe?«

Der Bankier sah ihn erstaunt an und mußte unwillkürlich lächeln. Die Sache war aber auch zu komisch, denn der Italiener sah wirklich nicht danach aus, als ob er in seinem Leben auch nur einfache 20, geschweige denn 20 000 Lire besessen hätte.

»Sie irren sich wohl in der Person!« sagte er endlich belustigt. »Ich wüßte nicht, daß ich Ihnen etwas schuldig wäre.«

»Mein Herr,« erwiderte der Neapolitaner, indem er mit Würde seinen Kopf zurückwarf, »Sie scheinen ein kurzes Gedächtnis zu haben! Erinnern Sie sich wirklich nicht mehr, wie Sie mich um die 20 000 Lire baten, weil Sie in dringender Geldverlegenheit seien, und wie ich sie Ihnen aus Mitleid lieh?«

Dem Bankier wurde jetzt der Spaß doch etwas zu toll. »Zum Teufel, mein Herr«, schrie er. »lassen Sie mich gehen! Suchen Sie sich anderswo ein Opfer für Ihre dummen Späße!«

»Ich spaße nicht!« sagte der Italiener ernst, »wenn Sie mich nicht binnen acht Tagen bezahlt haben, muß ich Sie verklagen. Hier haben Sie meine Adresse.«

Damit drückte er dem Deutschen einen Zettel mit seinem Namen und seiner Wohnung in die Hand.

Der Deutsche sah sich die Adresse verblüfft an. »Dummes Zeug!« dachte er und ging seiner Wege. Und er hatte bald die ganze Geschichte vergessen.

Wie erstaunte er aber, als er nach etwa zehn Tagen eine gerichtliche Vorladung zu einem Termin erhielt. Der Italiener hatte ihn wirklich auf Rückgabe der angeblich geliehenen 20 000 Lire verklagt. Entrüstet ging er zum ersten Advokaten von Neapel, schimpfte über die Frechheit dieses Bettlers und verlangte einen geharnischten Protest beim Gericht.

Der Advokat lächelte und sagte: »Lassen Sie mich nur machen! Sowas kommt hier öfter vor, Sie dürfen aber vor Gericht sich in nichts hineinmischen, was ich vornehme.«

Der Bankier ging etwas beruhigt nach seinem Hotel, und an dem festgesetzten Tage erschien er vor Gericht.

Der Vertreter des Klägers erhob hier mit sicherer Stimme seine Klage dahin, daß sein Klient dem Beklagten in einer augenblicklichen Verlegenheit 20 000 Lire auf vierzehn Tage geliehen habe, sie aber trotz mündlicher Mahnung nicht zurückbekommen könne.

Der Richter fragte ihn, ob er einen Schuldschein über die Summe besitze.

»Einen Schuldschein besitzt mein Klient nicht«, sagte der Anwalt. »Aber hier stehen sechs Bürger von Neapel, die Zeugen des Darlehns waren und den Vorgang eidlich bezeugen werden.« Damit traten sechs zerlumpte und verdächtig aussehende Individuen an den Richtertisch.

Der Bankier wollte hier entrüstet aufspringen und gegen, eine so ungeheure Frechheit und Gemeinheit protestieren, aber sein Advokat hielt ihn mit einer kräftigen Handbewegung auf seinem Stuhle fest.

»Herr Richter!« sagte der Anwalt. »Mein Klient bestreitet gar nicht, von dem ehrenwerten Kläger die 20 000 Lire als Darlehn erhalten zu haben, aber – er hat dieselben pünktlich, wie abgemacht war, zurückgezahlt. Zum Beweise stehen hier zwölf Bürger von Neapel, die eidlich bezeugen werden, daß sie gesehen haben, wie mein Klient das ganze Geld dem Kläger zurückgegeben hat.«

Damit öffnete der Anwalt die Tür und führte zwölf noch zerlumptere Lazzaroni herein, die ohne weiteres den verlangten Eid schworen und damit den Prozeß zugunsten des Bankiers beendeten.

Draußen aber sagte der Advokat zu dem Deutschen: »Sie sehen, die italienische Gerichtspflege ist gar nicht so übel, man muß nur verstehen, mit ihr umzugehn!«

 

Ein unfreiwilliger Geschäftsmann.

Dem Grafen von Flamarens, einem Edelmann vom alten Schrot und Korn, der gewiß in seinem ganzen Leben nie daran gedacht hatte, sich durch Kaufmannsgeschäfte Geld zu verdienen, passierte aber doch eines Tages ein Abenteuer, das ihm wider Willen und auf eine durchaus kaufmännische Art eine hübsche Summe einbrachte.

Der Graf, der nach Vollendung einer langen militärischen Laufbahn sich mit Ehren in die Provinz zurückgezogen hatte, wo ihm ein kleines Vermögen erlaubte, seinem Stande gemäß zu leben, war eines Tages gezwungen, in einer Prozeßangelegenheit eine Reise nach Paris zu machen.

In kleinen Tagereisen zu Pferde näherte er sich seinem Ziele und kam schließlich durch den Wald von Fontainebleau. Nach einer Weile merkte er, daß eine Menge Menschen hier ritten, die alle einen bestimmten Seitenweg einschlugen und offenbar dasselbe Ziel hatten. Die Neugierde reizte den Grafen, ihnen zu folgen, obgleich er dabei einen kleinen Umweg machte.

Nachdem er eine Weile geritten war, kam er auf einen großen Platz, das Fort de la Viche, wo er eine große Anzahl gewöhnlich gekleideter Männer fand, die abgestiegen waren und ihre Pferde an die Bäume gebunden hatten.

Flamarens erster Gedanke war, er befände sich unter einer Räuberbande, und es wurde ihm doch bedenklich zumute, da eine Flucht ganz unmöglich erschien. Denn immerfort erschienen noch neue Reiter, alle auf dem einzigen Wege, den er hätte einschlagen können. Das beste Mittel erschien ihm daher, es auch so zu machen wie die andern und auf diese Weise sich den Schein zu geben, als gehöre er mit zu ihnen. Er stieg also ab und band sein Pferd ebenfalls an einen Baum. Aber bald vermehrte sich seine Besorgnis, da aller Augen sich nach ihm hinwandten und sich mehrere zu einer Gruppe zusammenfanden, die leise miteinander sprachen, ohne ihn aber dabei aus den Augen zu lassen.

Endlich trat ein verdächtig aussehender Kerl hervor, ging ohne weiteres auf den Grafen zu und fragte ihn, aus welchem Grunde er sich hier befinde. Der Graf, dem es allmählich doch und mit Recht ängstlich zumute geworden war, blieb standhaft bei seiner Rolle und antwortete: »Wahrscheinlich, mein Herr, bin ich hier aus demselben Grunde, der Sie hergeführt hat.«

Der Abgeordnete ging fort, trat wieder zu seinen Kameraden, und das Geflüster begann von neuem. Nach einer weile kam derselbe Kerl wieder zum Grafen und bot ihm 200 Louisdor, wenn er sich wegbegeben würde. Ganz erstaunt über diesen unerwarteten Vorschlag, aber jetzt doppelt neugierig, antwortete der Graf aufs Geradewohl, das sei ihm nicht genug.

Der Kerl ging wieder zu seinen Freunden, er kam nochmals, und da der Graf, der zwar durchaus nichts von der Sache begriff, aber jetzt alles von der komischen Seite nahm, sich hartnäckig verhielt, so wurden ihm schließlich 500 Louisdor angeboten, die ihm der Kerl in Goldstücken und fast mit Gewalt aufdrängte. Dem Grafen war es ganz wunderlich zumute, er strich das Geld ein, stieg wieder zu Pferde und ritt unter vielen Komplimenten der Leute davon. Dabei schien es ihm, als ob sie Wunders wie vergnügt wären und sich freuten wie über ein gutes Geschäft.

Als nun der Graf nach Melun kam, erkundigte er sich, was diese merkwürdige Versammlung im Walde zu bedeuten hätte, und erfuhr jetzt, daß auf dem Fort de la Viche gerade an diesem Tage eine große Holzversteigerung stattgefunden habe. Alle diese Leute waren Holzhändler gewesen, die sich geeinigt hatten, sich nicht gegenseitig zu überbieten, und die, da es sich um sehr große Wertobjekte handelte, froh gewesen waren, als sie den Unbekannten, den sie für einen vielleicht gefährlichen Konkurrenten hielten, für einen so billigen Preis los wurden.

 

Wer war der Schlauere?.

Auf einem der jährlichen Märkte einer kleinen Stadt Rußlands bemerkte ein Herr, wie ein Zigeuner und ein Pole um ein Pferd feilschten. Neugierig, zu erfahren, welcher von den beiden Gaunern wohl der geriebenste war, ging er, nachdem der Handel abgeschlossen war, zu dem Zigeuner und fragte ihn, wieviel er für das Pferd bekommen habe? Der Zigeuner öffnete seine Hand und zeigte eine Zehnrubelnote.

»Aber ist denn das nicht sehr wenig?«

»Nein,« sagte der Zigeuner, »denn der Gaul ist ja ganz lahm.«

Der Herr ging daraufhin zu dem Polen und sagte: »So, Sie haben zehn Rubel gegeben für ein lahmes Pferd?«

Der Pole zwinkerte mit den Augen und sagte: »Lahm! Der Gaul ist so gesund wie Sie, ich habe bemerkt, daß er ganz falsch beschlagen war, und das ist es, warum er hinkt.«

Der Herr wandte sich wieder dem Zigeuner zu und übermittelte ihm das soeben Gesagte, worauf der Zigeuner mit dem Auge zwinkerte und flüsterte: »Er ist lahm wie ein alter zweibeiniger Stuhl, ich habe ihn absichtlich so falsch beschlagen lassen, damit man meint, das wäre die Ursache des Hinkens.«

Nachdem hiervon der Pole wiederum in Kenntnis gesetzt worden war, schien er doch betroffen und ließ einen Augenblick den Kopf hängen. Dann raffte er sich auf mit einem kleinen Seufzer und beruhigte sich mit den Worten:

»Na, es macht auch nichts, die Zehnrubelnote ist ja falsch.«

 

Die Zauberlade.

Ein Seiler schritt durch den Basar und bot seine Stricke aus. Ein Kaufmann hielt ihn an und begann mit ihm zu feilschen. Die Stricke seien morsch, dünn, schlecht gedreht und würden morgen reißen, nörgelte der Kaufmann so lange, bis er den Preis genugsam gedrückt hatte. Dann erstand er die Ware um billiges Geld und legte sie in seine Lade. – Als eine Kundschaft kam, zog der Kaufmann die Stricke wieder hervor, und nun konnte er sie nicht genug loben: wie fest und dauerhaft sie seien, wie gut der Hanf, wie gut die Arbeit daran. – Wirklich gelang es ihm, der Kundschaft die Stricke aufzuschwatzen.

Rifat ib'n Salith, zubenannt »der Gute«, der alles mit angesehn hatte, trat jetzt näher und sprach: »Schade, daß deine Lade nicht groß genug ist, um einen Menschen aufzunehmen! Wieviel Bösewichte könntest du in einem Tage bessern, da du in deiner Zauberlade so schnell aus schlechten Stricken gute machst.«

 

Ein Yankeetrick.

Vier Kaufleute in Boston, die gut miteinander bekannt waren, erfuhren eines Morgens auf der Börse, daß ein Kaufmann in Farmington, Staat Maine, der ihnen allen größere Summen schuldete, sich in bedrängter Lage befände. Sofort setzten sich alle vier in einen Eisenbahnzug, der eine vier Meilen von Farmington befindliche Station passierte. Ihre Absicht war, das Lager des Kaufmanns durch den Sherif in Beschlag legen zu lassen. Auf der Station angekommen, fanden sie dort nur einen Einspänner, den drei sofort bestiegen, wobei sie dem vierten das Nachsehen ließen. Der aber sprang schnell auf den Bock zu dem Kutscher, kaufte ihm gegen bar und zu einem guten Preise das Pferd ab und schnitt die Stränge des Wagens ab. Dann setzte er sich auf das Pferd und ritt eiligst nach Farmington, während die andern ihm zu Fuß folgen mußten.

Natürlich war die Exekution schon erfolgt, als die Fußgänger ankamen. Der zuerst Gekommene erhielt sein ganzes Geld, die andern drei gingen leer aus.

 

Eine Wechselschuld.

Nach englischen Zeitungen stellte in Killkenny ein verheirateter Kaufmann einer Dame, die er liebte, ein Eheversprechen in Form eines Wechsels aus: »Ich, Unterschriebener, N. N., verspreche, zwei Tage nach dem Tode meiner Frau die Vorzeigerin dieses Wechsels zu heiraten.«

Aber noch zu Lebzeiten der Frau des Kaufmanns starb die Besitzerin des Wechsels und übergab ihn vorher endossiert einer ihrer Verwandten. Diese starb aber ebenfalls, und zwar nicht ohne das Eheversprechen einer dritten zu übertragen. Sobald nun die Frau des Kaufmanns tot war, präsentierte diese dritte Besitzerin des Eheversprechens den Wechsel dem höchst erstaunten Kaufmann, der nach dem Tode seiner Geliebten die ganze Sache für erledigt gehalten hatte. Trotzdem hegte er als gewissenhafter Kaufmann vor seiner Unterschrift eine solche Achtung, daß er die ihm gänzlich unbekannte Dame am zweiten Tage nach dem Tode seiner Frau heiratete.

 

Zwei gute Branchen.

Ein Schornsteinfegermeister begegnete einem Geistlichen, der ihn mit folgenden Worten anredete: »Nun, lieber Meister, so fleißig? Wieviel Schornsteine haben Sie denn heute schon gefegt?«

»Einige zwanzig, Hochwürden!«

»Und was bekommen Sie für jeden?«

»Vier Groschen.«

»Ei, das macht mehr als drei Taler, die sind aber schnell verdient worden.«

»Jawohl, Hochwürden, Sie wissen das ja am besten! Uns Schwarzröcken wird es ja nicht schwer, Geld zusammenzuschlagen.«

 

Rotschilds Taschentuch.

Auf einem Dampfer, der von Mainz nach Köln
Viel reiselust'ge Passagiere brachte,
Befanden sich auch einst zwei Herren,
Die ihres Reichtums wegen viel Aufsehn machten.
Rotschild und Eskeles, die beiden Bankiers aus Wien,
Sie wollten auch einmal dem Goldstaub sich entziehn;
Sie wollten auch einmal an der Natur sich laben
Und nach vielen Wechseln auch mal 'ne Abwechslung haben.
Doch wie es oft dem reichen Mann ergeht,
Der Tag und Nacht an seinem Zahltisch steht,
Nur Zahlen kennt und nichts als Zahlen weiß zu deuten.
So auch erging es diesen beiden Leuten,
Rotschild und Eskeles. –
Obgleich bei mancher Station,
Johannesberg am Mäuseturm, Bingen,
»Ach, wie schön ist die Natur« ertönte,
So vermochten doch den Zahlengeist die beiden Herrn nicht zu bezwingen,
Denn sie rechneten und sprachen von Geschäften nur.
– Ein kleiner Jud' aus Polen stand unfern
Der beiden ehrenwerten Herrn
Und blickte schmunzelnd oft nach Rotschilds Taschentuch,
Das aus der Tasch' ihm hing.
»Bei Gott, es ist kein Trug,« begann der kleine Jud',
»Das Tuch ist reine Seide.
Was wär's für eine Freude,
Wenn es wär' mein.
Wenn ich es dem Herrn könnt' wegstibizen.
In allen Farben spielt's, 's muß großartig sein,
Wenn man kann stecken die Näs' in so'n Tuch hinein,
's muß wahrhaftigen Gott die Riechorgane reizen,
Wenn man kann die Näs' in so'n Tuch sich schnäuzen.
Das Muster ist königlich, wie heißt königlich?
S'ist kaiserlich, s'ist noch mehr, s'ist'e fürstliches Geweb'
Bei meiner Ehr'! –
Und die Blumen, Gott wie sein
Und dazu die schöne Borte,
Der Mann hat doch gewiß noch mehr von dieser Sorte,
Sonst läßt er's nicht hängen
So lang zur Tasche heraus,
Und stibitz' ich's ihm, macht er sich auch nichts draus.
Die Fingerspitzen springen,
Ich muß mich mit dem Tuch in nähere Bekanntschaft bringen.
Es winkt mir immer zu – es winkt mir immer zu,
Und krieg' ich's nicht, ich hab' im Grab noch keine Ruh'!«
Nach diesem Selbstgespräch
Schlich sich der Jud' aus Polen
Zu Rotschild hin, das Taschentuch zu holen.
Dach kaum hat er den Zipfel nur erfaßt,
So sieht ihn Eskeles, den ungebet'nen Gast.
Er spricht Zu Rotschild:
»Rotschild, gib acht, ein Dieb,
Er langt nach deinem Tuch,
Schnell gib ihm einen Hieb!«
Doch Rotschild spricht sanft lächelnd:
»Laß ihn langen;
Wir haben doch auch einmal klein angefangen!«

 

Die beiden Schimmel.

Der Baron von Reibnitz hat zwei Schimmel gehabt, die prachtvollsten Schimmel, weit und breit und unter Brüdern zusammen 3000 Mark wert, natürlich unverkäuflich. Was hat sich der Pferdehändler Salomon für Mühe gegeben, die Schimmel Zu bekommen; nichts zu machen. Eines Tages läßt sich der Herr Baron den Salomon kommen und sagt:

»Mein lieber Salomon, Sie können die Schimmel haben, wie sie im Stall stehen und liegen, um 500 Mark.«

Salomon legt hocherfreut die 500 Mark auf den Tisch des Hauses, geht hinunter in den Stall, da liegen die beiden Schimmel mausetot, über Nacht an Brustseuche krepiert.

Salomon sagt kein Wort, schlägt keinen Lärm, geht ins Kaffeehaus und trifft dort am Stammtisch fünf Geschäftsfreunde und erzählt so nebenbei, er solle die Schimmel vom Herrn Baron verkaufen um den Spottpreis von 1000 Mark. Nun wollte natürlich jeder die Schimmel haben.

»Wir wollen das so machen,« sagt Salomon, »jeder von euch gibt mir 200 Mark, und wer das längste Zündhölzchen zieht, dem gehören die Schimmel.«

Alle sind einverstanden, Salomon steckt die 1000 Mark ein, und Moritz Leichenstein zieht das längste Hölzchen, läuft hocherfreut in den Stall, kommt zurück ins Kaffeehaus und schreit:

»Du Schwindler, du Lump, die Schimmel sind ja kaputt, was tue ich denn mit gewesenen Schimmeln?«

Da zückte Salomon die Brieftasche, gibt dem Leichenstein 200 Mark und sagt:

»Hier hast du dein Geld wieder, jetzt will ich aber kein Wort mehr hören, ich verkaufe jetzt die Häute von den Schimmeln.«

 

Der schlaue Kleiderhändler.

Ein Berliner Trödler, der mit allem möglichen handelte, hatte eine amüsante List erfunden, um die auf seinem Lager befindlichen alten Hosen und Röcke an den Mann zu bringen. Er erstand nämlich alte oder sehr billige Portemonnaies, die gar keinen Wert mehr hatten, und steckte eins davon in eine Tasche jeder Hose und jeden Rockes, die er zum Verkauf aushing. Sobald nun ein Käufer kam, und sich eins der Kleidungsstücke besah, probierte er es natürlich an und befühlte wohl auch den Stoff und merkte dann plötzlich, daß etwas in der Tasche steckte. Vorsichtig, damit der offenbar ahnungslose Händler nichts merkte, betastete er den geheimnisvollen Gegenstand. Sicherlich war es ein Portemonnaie, das der frühere Besitzer, denn es wurden ja nur getragene Sachen hier verkauft, aus Versehen zurückgelassen hatte. Welch ein Fund war das! Vielleicht verbarg das Portemonnaie einen Schatz – Geld war auf jeden Fall darin!

Die Entdeckung war natürlich viel zu verlockend, als daß der Käufer sich von dem Erwerb dieses Kleidungsstückes irgendwie noch abhalten ließ. Er kaufte es also, ohne sich mit Handeln lange aufzuhalten, und entfernte sich dann schleunigst mit seinem Schatz, während der schlaue Händler ihm vergnügt nachschaute. Wenn dann der Käufer im ersten besten Hausflur Gelegenheit nahm, seinen Fund zu betrachten, dann fand er ein abscheulich altes und jedenfalls wertloses Portemonnaie, das leider keinen Pfennig baren Geldes enthielt.

 

Eine poesieerfüllte Kleinstadt.

In einer kleinen Stadt im nördlichen Schleswig hatte sich ein ästhetisch-literarischer Verein gebildet, dessen zahlreiche Mitglieder durch eifriges Lesen empfindsamer Romane sich ein ganz besonders romantisches Wesen angewöhnt hatten.

Einmal, im Spätherbst, kam ein Hosenzeugfabrikant in das Städtchen und wandte sich an einen Ladenbesitzer mit der Frage, ob er vielleicht Hosenstoffe gebrauchen könnte.

»Hosenstoffe?« rief der Gefragte erstaunt. »Nein, mein Liebster, wenn die Sonne den Bäumen die ersten Blätter entlockt und die Lerche in den blauen Lüften ihr erstes Lied singt, dann sprechen Sie wieder vor.«

Kopfschüttelnd ging der Hosenzeugfabrikant weiter und erschien bei einem andern Ladenbesitzer, an den er die gleiche Frage richtete. Zu seinem nicht geringen Erstaunen entgegnete ihm dieser:

»Wenn die Sonne die ersten Knospen aufküßt und die Nachtigall im Hain ihre ersten Liebesseufzer flötet, dann lassen Sie uns von Hosenzeugen reden.«

 

Der betrogene Betrüger.

Mit dem Pferdehandel ist es eine eigentümliche Sache, das lernte auch der Kronenwirt in einem kleinen Städtchen der Pfalz kennen. Einstmals kam ein Pferdehändler zu ihm und fragte: »Kronenwirt, brauchst du keinen Gaul?«

Dem Kronenwirt war es nun recht bequem, das man ihm das Pferd sogleich vors Haus brachte, aber er war auch mißtrauisch, denn der Händler hatte ihn schon verschiedene Male angeführt. Bald hatte er ihm einen Kopper verkauft, bald ein Pferd, das nicht einspännig ging, bald einen Lederfresser, der immer am Lederwerk knupperte. Er sagte daher:

»Freilich brauche ich einen Gaul. Aber, Alterchen, ich laß mich nicht mehr hinters Licht führen, und du mußt mir, wenn wir handelseins werden, schriftlich für das Koppen, Enspänniglaufen und Lederfressen garantieren.«

»Weiter nichts? Auch gut!« war die Antwort, und sie einigten sich über den Preis und das Schriftliche wurde aufgesetzt.

Andern Tags kam der Kronenwirt zu dem Pferdehändler und sagte: »Kannst deinen Gaul wieder holen, er koppt.«

»Natürlich koppt er«, erwiderte der Händler. »Ich hab dir ja für das Koppen ausdrücklich garantiert.«

Jetzt gingen dem Kronenwirt die Augen auf, und er ritt zu seinem Rechtsanwalt. Dieser gab ihm aber den Bescheid, daß da nichts zu machen sei, denn da stehe ausdrücklich schwarz auf weiß: »Für das Koppen, Einspänniglaufen und Lederfressen wird garantiert.« Er hätte eben schreiben müssen: »Gegen das Koppen usw.« Der Kronenwirt erhielt nun den Rat, in Zukunft vorsichtig zu sein, und ging betrübt und fluchend von dannen. Da traf er einen Bierbrauer, der mit seinem einfachen Verstand das richtige Loch fand, wo die Geschichte hinausmußte. Er nahm das Schriftstück in die Hand und fragte den Kronenwirt: »Koppt der Gaul?« – »Freilich!« – »Geht er einspännig?« – »Ja!« – »Frißt er Leder?« – »Nein, das tut er nicht,« – »Halt! Jetzt muß er ihn wiedernehmen; er hat auch dafür garantiert.«

Und so geschah es auch. Der Roßtäuscher mußte den Gaul wieder zurücknehmen, weil er – kein Leder fraß.

 

Kaufmanns Abenteuer.

Auf einer Messe bemerkte ein Kaufmann, daß eine geschickte Hand aus dem Gedränge heraus einen unerlaubten Griff in seine ausgestellten Waren tun wollte.

»Heda!« rief er. »So kann ich meine Waren nicht hergeben!«

»Und ich,« antwortete ihm eine Stimme, »kann sie nicht anders gebrauchen!«

 

Scherzhafte Frage.

Welcher Kaufmann schlägt am wenigsten auf seine Waren? – Der Glashändler.

 

Genaue Auskunft.

Ein Bankier, dem natürlich viel daran lag, das Steigen und Fallen der Kurse voraus zu wissen, kam einmal zu Talleyrand, um sich bei ihm zu erkundigen, ob das damals umlaufende Gerücht von dem Tode König Georgs III. von England begründet sei.

»Es wird mir ein Vergnügen machen,« sagte Talleyrand, »wenn die Mitteilung, die ich Ihnen darüber geben kann, Ihnen von Nutzen sein wird. Manche sagen, der König Georg sei tot, andere behaupten, er lebe noch. Was nun mich betrifft, so glaube ich weder das eine noch das andere. Ich sage Ihnen dieses aber nur im strengsten Vertrauen und hoffe, daß Sie mich in keiner Weise kompromittieren werden.«

 

Geschäftsprinzip.

Milchhändler zum neuen Angestellten: »Vor allem ist es mein Prinzip, immer den Kunden die Wahrheit zu sagen. Sehen Sie, was mache ich jetzt?«

Angestellter: »Sie gießen Wasser in die Milch!« Milchhändler: »Nein, ich gieße Milch in das Wasser. So kann ich also, wenn mich ein Kunde fragt, ob ich Wasser in die Milch gösse, ihm der Wahrheit gemäß versichern, daß ich das niemals täte.«

 

Ein gutes Geschäft.

»Nun, Herr Müller, wie geht's, was macht das Geschäft?«

»Danke, meine Kundschaft wächst von Tag zu Tag!«

»Wirklich?«

»Ja, ich habe Kinderkonfektion!«

 

Berufsgeheimnis.

»Gestern habe ich einen wirklichen Zauberer gesehen, der verwandelte Wasser in Milch.«

»Mach ich jeden Tag, ich bin auch aus der Milchbranche.«

 

Billig weggekommen.

»Ja, es waren schlimme Zeiten nach dem Kriege, ich hab' dabei fast mein ganzes Vermögen verloren!« »Und ich fast den Verstand!« »Na ja, Sie kommen eben immer billig davon!«

 

Geleimt.

Rettig machte ein paar Einkäufe in einem Laden und sah, während er bedient wurde, ein Goldstück auf dem Fußboden liegen. Vor Aufregung zitternd und bemerkend, daß ihn keiner beobachtete, ließ er wie zufällig einen seiner Handschuhe oben auf die Münze fallen und nahm den Handschuh auf, aber nicht das Goldstück, das am Boden liegen blieb. Im selben Augenblick trat ein Kommis an ihn heran und sagte höflich:

»Guten Abend, mein Herr. Gestatten Sie mir, Ihnen eine Flasche unseres berühmten flüssigen Leimes zu zeigen, der –«

Aber Rettig war verschwunden.

 

Der scharfe Mahnbrief.

»Das soll ein Mahnbrief sein!« sagt Herr Neumann zu seinem Buchhalter. »Schreiben Sie mal, ich werde Ihnen diktieren: Sehr geehrter Herr! Wer hat mir versprochen, bis Ultimo zu bezahlen? Sie! Wer hat sein Wort nicht gehalten? Sie! Wer ist ein ganz niederträchtiger Lump? Ihr ganz ergebener Arthur Neumann.«

 

Eine rührende Geschichte.

»Wie ich ihm den Brief zu lesen gab, ich sag' Ihnen, geweint hat er, geweint! – Denken Sie nur, ein Mann, der ein Engros-Geschäft besitzt!«

 

Konjunktur.

»Wissen Sie nicht, wie ich ein Geschäft machen kann?«

»Wachs müssen Sie verkaufen. Seit ein paar Tagen ist Wachs an der Produktenbörse sehr gestiegen. Sie verdienen Geld dabei.«

»Ach, lassen Sie mich zufrieden, wie soll ich zu Wachs kommen?«

»Ja, wenn Sie kein Wachs haben!«

 

Aus einem Geschäftsbrief.

»In Ihrem Allerwertesten vom 7. Januar befindet sich noch ein dunkler Punkt, den ich bei meinem nächsten Besuch mündlich noch näher berühren werde.«

 

Ein Vorsichtiger.

Kaufmann, der seine Leute kennt, zum Reisenden: »Von einem so zudringlichen und impertinenten Menschen, wie Sie sind, kaufe ich überhaupt nichts, scheren Sie sich raus!« – Zum Lehrling: »Paul, verschließ einmal gleich den hinteren Eingang!«

 

Vorsichtiger Hinauswurf.

Prinzipal, auf einen Reisenden weisend, zum Hausdiener: »Fritz, geleiten Sie den Herrn mal nach unten. Aber sehen Sie zu, daß dabei das Treppengeländer nicht beschädigt wird.«

 

Ein Geschäftsbrief.

Ein Viehhändler schreibt an seinen Kunden: »Ich kann erst morgen nach dort kommen, da der Personenzug keine Ochsen mitnimmt. Alle Schweine werden auf dem Bahnhof sein, weshalb ich Sie auch erwarte. Wenn Sie Ochsen brauchen, dann denken Sie an mich!«

 

Die Versicherung.

»Wenn mein Laden in sechs Jahren abbrennt, was bekomme ich da, Herr Versicherungsinspektor?«

»Die volle Versicherungssumme: Zehntausend Mark.«

»Und wenn er in einer Woche abbrennt?«

»Drei Jahre.«

 

Geschäftsrätsel.

Kunde: »Wie verkaufen Sie diesen Limburger?«

Kaufmann: »Ja, das frage ich mich auch immer!«

 

Nur Engros.

»Was kosten denn die Schnürsenkel, Kleiner?«

»Zwee Paar fünfzehn Pfennig!«

»Ich brauche aber nur ein Paar!«

»Tut mir leid, meine Dame, wenn Se ang detalch koofen wollen, müssen Se zu Tietz oder Wertheim gehen!«

 

Beim Zigarettenfabrikanten.

»Ihre Hausmarke kommt mir auf einmal so klein vor.«

»Ja, das letzte Ende wird doch immer fortgeworfen, und da fertige ich sie jetzt einfach um dieses Stück kürzer an!«

 

Geschäftsbrief.

»Wir bestätigen Ihnen bestens dankend den Empfang Ihres Wertbriefes mit eingeschlossenen dreitausend Mark. Drei Scheine zu hundert Mark waren falsch, es gelang uns aber noch, sie diesmal unterzubringen.«

 

Der Auftrag.

»Nun, hat Ihnen der Müller endlich die Rechnung bezahlt? Ich habe Ihnen doch gesagt, daß sie ohne Geld nicht zurückkommen sollten.«

»Es war aber nicht möglich. Erstens ist er gestern gestorben ...«

»Nun, und zweitens?«

 

Schadenfreude.

Lehmann hat im Verkehr mit einem Grossisten viel Ärger gehabt. Der Grossist lieferte immer mehr, als Lehmann bestellt hatte. Eines Tages erfährt er, daß die Frau dieses Grossisten mit Drillingen niedergekommen ist.

»Das geschieht ihm recht«, ruft Lehmann erfreut. »Jetzt wird er auch einmal merken, wie einem zu Mute ist, wenn man mehr geliefert bekommt, als man bestellt hat.«

 

Schwere Zeiten.

»Grüß Gott!«

»Vielen Dank! Endlich einmal einer, der mir einen Auftrag gibt!«

 

Der Auftrag.

Tarnowitz gibt der Firma Müller einen Riesenauftrag. »Sehr erfreut«, sagt Herr Müller. »Aber zuerst müssen natürlich die drei früheren Lieferungen bezahlt werden.«

»Schön,« antwortet Tarnowitz, »aber dann ziehe ich meine Ordre zurück. So lange kann ich wirklich nicht warten!«

 

Eigentümliche Zählung.

Kunde: »Ich habe gestern in diesem Laden eine Hunderterpackung Quittungen gekauft. Als ich sie aber zu Hause durchzählte, waren es nur 76. Ich wollte darum bitten, mir die fehlenden 24 noch zu geben.«

Verkäuferin: »Tut mir leid, mein Herr. Unsere Hundertpackungen in den billigen Qualitäten enthalten immer nur 76 Stück. Wir könnten sie ja auch sonst zu einem solchen Preise gar nicht verkaufen.«

 

Eine gefährliche Branche.

»Warum haben nur eigentlich die Banken alle so stark vergitterte Fenster?«

»Na, damit sich die Direktoren und Kassierer bei Zeiten daran gewöhnen.«

 

Der Ehrenmann?.

»Mein Lieber, leihen Sie mir doch hundert Mark, Sie bekommen sie morgen bestimmt zurück. Sie haben das Wort eines Ehrenmannes.«

»Gut, aber wo ist der Ehrenmann?«

 

Geschäftsprinzip.

Kunde: »Die Hose, die Sie mir gestern für acht Mark verkauft haben, müssen Sie wieder zurücknehmen, die steckt ja voller Läuse!«

Händler: »Zurücknehmen tue ich prinzipiell nicht. Und im übrigen können Sie doch nicht verlangen, daß ich Ihnen für acht Mark eine Hose mit Goldkäfern drin liefere.«

 

Die Warenhausdiebin.

Chef zu einer Dame, die schon eine Reihe von Gegenständen weggenommen und unter ihren Mantel versteckt hat:

»Und jetzt darf ich Sie wohl zu unserem Kofferlager führen. Vielleicht kaufen Sie einen, um alle die Sachen bequemer nach Hause tragen zu können!«

 

In der Kunstausstellung.

Zwei Besucher bleiben vor einem Bild stehen. »Ein hübsches Bild!« meint der eine.

In diesem Augenblick tritt ein Herr an sie heran und fragt: »Möchten Sie es vielleicht kaufen?«

»Sie sind wohl der Maler?« erkundigt sich der eine der Besucher.

»Nein, der Hauptgläubiger.«

 

Das neue Geschäft.

»Na, Ede, du siehst ja so elegant aus!« »Ich habe vorige Woche ein Bankgeschäft aufgemacht.« »Ein Bankgeschäft? Womit denn?« »Mensch, frag doch nicht so dämlich – mit'n Stemmeisen natürlich!«

 

Schwierige Finanzen.

»Herr Müller, was rennen Sie denn so?« »Ja, ich muß schnell zu einem Bekannten, mir 50 Mark pumpen, damit ich das Geld zurückzahlen kann, das ich mir vor vier Wochen geborgt habe, als ich im Geschäft den Vorschuß zurückzahlen wollte, den ich mir genommen hatte, um endlich meine rückständige Miete zu begleichen, die übrigens bis jetzt noch nicht bezahlt ist.«

 

Logisch.

»Na, Lehmann, was drückt sie denn so?« »Ich habe kein Geld.« »Versteh' ich nicht! Wie kann Sie denn etwas drücken, was Sie gar nicht haben?«

 

Garantie.

Kundin: »Ist das nun auch wirklich ein echter Perserteppich?« Chef: »Einen Augenblick! Herr Cohn, kommen Sie mal her! Sie sind doch im Kriege Offizier gewesen, geben Sie mal schnell das Ehrenwort!«

 

Handelswert.

Zwei Geschäftsfreunde gerieten über eine Handelssache in Streit und erhitzten sich immer mehr.

»Geh zum Henker,« sagte endlich der eine, »dich verkaufe ich zweimal, eh du mich einmal verkaufst.«

»Das will ich gerne glauben,« antwortete der andere, »denn für dich gibt mir niemand auch nur einen Pfennig.«

 

Vom Wochenmarkt.

»Wat sagen Se, meine Kartoffeln sind erfroren? Na, denken Sie vielleicht, ich kann jede Kartoffel eene Unterhose anziehen?«

»Der Karpfen soll dot sein? Der macht nur de Oogen mal zu, weil ihn die Sonne so brennt!«

»Ob der Käse auch durch ist? Na, wenn Se den auf den Alexanderplatz legen, denn müssen Se schon 'ne Autodroschke nehmen, sonst holen Se 'n vor dem Brandenburger Tor nicht mehr ein!«

 

English spoken!.

»Na, Herr Löwenberg, wer spricht denn eigentlich in Ihrem Geschäft Englisch?«

»Manchmal die Kunden!«

 

Berliner Straßenhandel.

»Na, wie verkaufen sich die Schnürsenkel?«

»Ich sage Ihnen, Wertheim hat mir schon 500 Mark geboten, wenn ich nicht immer vor seinem Haupteingang verkaufe. Er scheut doch die Konkurrenz!«

 

Im Warenhaus.

Ein Herr läuft aufgeregt durch die Räume. Offenbar sucht er etwas. Endlich fragt ihn ein Verkäufer: »Suchen Sie etwas?«

»Ach, ich habe meine Frau verloren!«

»Trauerkleider, bitte, dort der Fahrstuhl. Zweiter Stock, rechts geradezu!«

 

Der moderne Allerweltsbazar.

Herr, der seine Einkäufe gemacht hat: »Jetzt möchte ich mich noch rasieren lassen.« Angestellter: »Bitte, eine Treppe links!« Herr: »Schneidet man dort auch Haare?« Angestellter: »Haareschneiden ebenda rechts! Eine Treppe höher wohnt der Hundescherer.« Herr: »Sie wollen sich wohl über mich lustig machen? Ich hätte Lust, Sie wegen Beleidigung zu verklagen!« Angestellter: »Rechtsanwalt? Immer gerade aus, diesen Gang, mein Herr.«

 

Dann kann es nicht fehlen.

Erster Kaufmann: »Glauben Sie, daß es dem Müller mit seinem neuen Geschäft gut gehen wird?« Zweiter Kaufmann: »Sicher, er hat ja geerbt!« Erster Kaufmann: »Geerbt? was denn?« Zweiter Raufmann: »Die Dummheit seines Vaters.«

 

Scherzfrage.

Welcher Unterschied besteht zwischen einem Bankier und einem Taschendieb?

»Ein Bankier spekuliert auf der Börse, und ein Taschendieb auf die Börse.«

 

Geschäftsinteresse.

»Warum sind Sie denn immer so freundlich zum dem kleinen Lemke? Der Lümmel ist doch der frechste und durchtriebenste Taugenichts in der Stadt!«

Glasermeister: »Ja, aber er wirft auch von allen Jungen die meisten Fensterscheiben ein.«

 

Gute Ware.

Kundin: »Ist der Stoff auch wirklich dauerhaft?«

Kaufmann: »Ich sage Ihnen, den tragen Sie bis zu ihrem Tode, und nachher können Sie ihn sich noch einmal wenden lassen.«

 

Verbotene Konkurrenz.

Zwei Besenhändler trafen sich. »Ich weiß nicht,« sagte der eine, »wie du deine Besen so billig verkaufen kannst. Ich stehle doch schon das Rohmaterial, aber ich bin doch immer noch um die Hälfte teurer!«

»I,« sagte der andere lächelnd. »Ich stehle eben die fertigen Besen!«

 

Geschäftsmäßig.

»Wollen Sie mir einen Gefallen tun?« sagte ein junger Stutzer zu dem englischen Bankier Simon Hansan. »Borgen Sie mir hundert Pfund!«

»Kommen Sie in mein Kontor!« sagte der Bankier.

Sie gingen beide hin, und als sie dort angekommen waren, fragte Hansan: »Welche Sicherheit können Sie mir geben?«

»Meine Person!« war die stolze Antwort.

»Sehr wohl, so legen Sie sich hier hinein,« entgegnete Hansan, indem er den Deckel einer großen, eisenbeschlagenen Kiste aufmachte.

»Da hinein?« fragte der Stutzer verblüfft, »warum denn?«

»Ja, dies ist der Ort, wo ich die Unterpfänder aufzubewahren pflege.«

Der junge Stutzer bekam einen roten Kopf. »Dann will ich lieber für das Geld danken«, meinte er und entfernte sich.

 

Auch ein Kaufmann«.

»Ick habe eene jroßartije Idee zu eenem Jeschäft«, sagte ein Berliner Dienstmann zu einem andern. »Een Handel, bei dem der Rohstoff überhaupt nischt kost!«

»Nanu? Womit willste denn handeln?«

»Mit de Spree! Der Emmer 'n Sechser! Ick suche nur noch 'n Engroskunden!«

 

Immer Geschäftsmann.

Gläubiger: »Wenn Sie nicht bezahlen können, will ich meinetwegen die Waren wieder zurücknehmen.«

Schuldner: »Machen wir. Aber natürlich nur gegen bar!«

 

Der Barbier und die Börsianer.

Ein Barbier, der in der Nähe der Börse sein Geschäft hatte, erzählte einmal, daß er Kunden, die von der Börse kämen, immer den doppelten Preis anrechnete.

»Sie denken wohl, die Leute von der Börse haben mehr Geld als andere?«

»Nee,« meinte der Barbier, »aber mir ist aufgefallen, daß die Leute, wenn sie von der Börse kommen, alle ein noch einmal so langes Gesicht machen.«

 

Einfach».

»Es ist doch wirklich erstaunlich, wie Sie mit Ihrer Senffabrik ein so großes Vermögen verdient haben. Die meisten Leute essen doch sehr wenig Senf.«

»Aber sie schmieren sich viel auf den Teller, und ich verdiene mein Geld nicht mit dem Senf, der gegessen wird, sondern mit dem, der auf dem Teller bleibt!«

 

Noch ein Rätsel.

»Wer war der erste Stärkefabrikant?« »Simson. Der Herr nahm die Stärke von ihm.«

 

Das Universalmittel.

»Verzeihen Sie, glauben Sie denn wirklich, daß diese Essenz, die Sie zu zwei Mark die Flasche verkaufen, gegen alle möglichen Krankheiten hilft, wie Sie in den Zeitungen ankünden?« »Zum Teil glaube ich es wirklich!«

»Was heißt das, zum Teil?«

»Ich glaube wirklich, daß ich für die Flasche zwei Mark bekomme.«

 

Mißbrauch.

»Hören Sie mal, der wasserdichte Mantel, den ich bei Ihnen gekauft habe, ist ja ganz aus dem Leim gegangen!«

»Ja, Sie haben ihn doch nicht etwa bei Regenwetter angezogen?«

 

Ein süßer Satz.

»Können Sie einen Satz bilden, in dem viermal hintereinander Laden vorkommt? – Im Schokoladenladen laden Ladenmädchen zu einer Kostprobe ein.«

 

Gefährlicher Einbruch.

Ein Bankier schließt zufällig Sonntags sein Geschäftslokal auf und ertappt einen Einbrecher, der seinen Geldschrank aufgebrochen hat. Schnell zieht er seinen Revolver heraus und will um Hilfe rufen.

»Lassen Sie das nur lieber,« sagt der Einbrecher kaltblütig, »sonst erfährt alle Welt, daß in Ihrem ganzen Geldschrank nur drei Mark gesteckt haben.«

 

Verschnappt.

Weinhändler: »Sehen Sie, in einem Geschäft, wie dem meinen, ist es die Hauptsache, daß man die Leitung fest in der Hand hat.«

 

Der Automobilhändler.

Vor einem Hause liegt ein vollkommen zertrümmertes Auto, dessen Besitzer man hineingetragen hat. Kurz darauf kommt Herr Meier in das Haus und fragt: »Kann ich wohl den Herrn sprechen, der vorhin mit seinem Auto verunglückt ist?«

»Ja, aber er ist noch nicht so ganz bei Besinnung!« »Um so besser, ich will ihm nämlich ein neues verkaufen.«

 

Geld einkassieren.

Herr Schröder geht in ein Waffengeschäft und kauft sich einen Revolver, den er bezahlt und in die Tasche steckt.

»Erlauben Sie,« sagt der Verkäufer, »Sie wollen sich doch auch Patronen dazu kaufen?«

»Ist nicht nötig, Ich will nur den Seligmann erschrecken, sonst bezahlt er mir den Wechsel nicht, der heute fällig ist.«

 

In der Waschanstalt.

Eine Kundin kommt wütend herein: »Bitte, so liefern Sie mir meine Wäsche zurück!«

Angestellte: »Aber die Spitze ist doch sehr schön geworden!«

Kundin: »Wer redet denn von Spitze? Das war ein Bettlaken!«

 

Überhörte Mahnung.

Kunde: »Der Hosenstoff ist doch gut?« Verkäufer: »Ich sage Ihnen weiter nichts als das: Dieser Hosenstoff ist nicht zum Zerreißen!« Kunde (nach einigen Tagen wütend zurückkehrend): »Sie wollen ein reeller Kaufmann sein? Ihren Hosenstoff habe ich schon zerrissen!«

Verkäufer: »Ja, warum haben Sie ihn denn zerrissen? Ich habe Ihnen doch ausdrücklich gesagt: Dieser Hosenstoff ist nicht zum Zerreißen!«

 

Gewichtsbetrug.

Eine Dame in Berlin beklagte sich bei der Redaktion des »Beobachters« über das schlechte Gewicht, das ein namentlich bezeichneter Kaufmann gebe, und sagte, daß an einem Pfund Zucker drei Lot gefehlt hätten. Die Redaktion erwiderte, wenn an diesem Pfund Zucker drei Lot gefehlt hätten, so sei das gewiß nicht die Schuld des Kaufmanns, sondern ein Versehen des Lehrlings gewesen, denn wenn der Herr selbst wäge, dann fehlten stets – vier Lot.

 

Scherzfragen.

Welches ist der Unterschied zwischen einem Kaufmann und einem Milchhändler?«

»Der Kaufmann wird reich, wenn er verdient, der Milchhändler, wenn er verdünnt!«

Welches ist der liebenswürdigste Kaufmann? »Der Photograph; bei ihm wird jeder freundlich aufgenommen!« Welches ist der geduldigste Patient?

»Der Kassierer; er nimmt den ganzen Tag ein und fühlt sich sehr wohl dabei.« Warum kann man einen toten Bankdefraudanten nicht einäschern?

»Weil er schon bei Lebzeiten durchgebrannt ist!«

 

Das beste Geschäft.

Wer hat das beste Geschäft? »Der Schuhhändler, weil er nie einen Artikel ohne Absatz hat.«

 

Die Kümmelspekulation.

Zwei Eckensteher saßen zusammen auf der Treppe eines Eckhauses und sprachen von diesem und jenem. »Hör' mal, du,« sagte der eine, »ick habe mir det schonst lange überlegt, wir müssen mal uf 'ne leichte Weise en paar Jroschen verdienen; det Dragen jreift zu sehr an, un man hat weiter keen Verjnijen davon. Weeßte was, wir wollen mal mit Schnaps spekulieren. Über acht Dage is det Mottenfest in Lichtenberg, bis dahin sparen wir uns achtzehn Jroschen und koofn vor'n Dhaler en kleen Tönneken mit Kümmel. Die sechs Jroschen Rabatt, die sind denn schonst unser, und denn sehste natürlich, mit det eenzelne Jläser Inschenken verdient man ooch noch 'ne Menge Jeld.« Der andere ging auf diesen Vorschlag ein, und als der festliche Tag erschienen war, zogen beide frühmorgens zum Tore hinaus, kümmelbeladen gen Lichtenberg. Kaum waren sie aber eine Viertelstunde gegangen, so hielt derjenige, welcher das Fäßchen trug, an und sagte: »Hör' mal, Sperkel, det is heute ochsig neblich; wir wollen jeder eenen jeniesen, sonst erkälten wir uns.« Dies geschah und wiederholte sich mehrere Male.

Sperkel: »Du, Lehmann, seh' mal in das Faß rin, komm mal her! Seh' mal, wat da schon vor 'ne Öffnung in den Kümmel entstanden is.«

Lehmann (schaut hinein): »Hol' mir der Deibel, richtig! wie det allens in de Welt abnimmt, des is merkwürdig! Den ganzen Rabatt haben wir nu schon vernossen; anjetzt bleibt bloß noch de Ware an und für sich. Na, aber det schad't nischt, ick tröste mir; et war heute neblich, un bei solch' Wetter muß man sich sehr in acht nehmen. Mir is schon wieder so kalt in'n Magen, schenk' mich mal eenen in, aber schwaddern muß er.«

Sperkel: »Ne, Lehmann, det jeht nich mehr! Von de Ware dürfen wir nischt angreifen, dabei jingen wir zujrunde. Mir durschtert ooch noch, aber ick wer' dir erklären, wie wir die Sache machen. Verkooft muß der Vorrat werden, dazu is er da! Ob wir nu davon jenießen oder een anderer. Jeder is sich selber der nächste. (Er greift in die Seitentasche der Jacke.) Seh' mal, ick schenke mir jetzt eenen in, un jebe dir davor en Jroschen, damit die Jeschichte ihren ortlichen Jang jeht.« (Er gibt Lehmann einen Silbergroschen und trinkt.)

Lehmann: »Sperkel, ick kann't nich mehr aushalten, halte mal an! Schenk mir mal vor'n Jroschen in!« (Er trinkt und bezahlt.)

Sperkel: »Die Jelegenheit wer' ick benutzen, mir is die Kehle ooch schonst wieder so drocken.« (Er trinkt und bezahlt. Sie gehen weiter.)

Lehmann: »Du, setz' mal die Tonne ab un jieß eenen in. Ick muß eenen pfeifen, mir is musikalisch zumute.« (Er trinkt und bezahlt.)

Sperkel: »Et muß durchaus heute an de Witterung liegen.« (Er schenkt ein.) »So'n Durscht, wie ick heute habe, is mir noch nich vorjekommen, obschon mir schon viele Durschte vorjekommen sind.« (Er trinkt und bezahlt.)

Lehmann (sehr ernst): »Ick will dir sagen, Sperkel, det liegt nu woll ooch mehr an de Jelejenheit! wir haben den Kümmel sonst nich so bei der Hand, wie heute.«

Als sie nach Lichtenberg kamen, war der Handelsartikel bis auf eine Neige verschwunden. Sie zählten drauf ihre Barschaft, sahen sich gegenseitig mit großen Augen an und konnten vor Verwunderung nicht zu Worte kommen. Ihr Vermögen bestand nämlich in einem Silbergroschen, mit welchem sie sich wechselweise bezahlt hatten.

 

Vom Großunternehmer.

Aus: »Diskretes und Indiskretes«.

Von Rudolf Sendig.

Es liegt mir nun ganz fern, diese unbestritten außergewöhnliche Persönlichkeit nicht gleichfalls anerkennen zu wollen, aber man wird es mir nicht verübeln, wenn ich zwei kleine Episoden, die so recht den genialen Emporkömmling charakterisieren, aus meinen Erinnerungen der Vergangenheit entziehe. Die eine spielt sich ab bei Gelegenheit eines glänzenden Festes, das Exzellenz Lingner in seinem Schloß gab zu Ehren des Großherzogs von Oldenburg. Lingner hatte zu dieser Festlichkeit alle diejenigen eingeladen, die dem unter dem Schütze des Großherzogs von Oldenburg stehenden Schulschiffsverein irgendwie gedient hatten. Es waren dies etwa vierzig angesehene Persönlichkeiten Dresdens, zu denen zu gehören auch ich den Vorzug hatte. Daß die Darbietungen des generösen Gastgebers auch bei dieser Gelegenheit fast unübertrefflich genannt werden durften, bedarf keiner Erwähnung. Auf den herrlichen Schloßterrassen am Ufer der Elbe wurde an runden, mit Blumen geschmückten Tischen das Souper im Freien serviert. Ein milder Abend verschönte die lukullischen Genüsse. Seinen Höhepunkt fand dieser Sommernachtstraum aber erst, als Exzellenz Lingner nach beendetem Souper – es war mittlerweile nachts 12 Uhr geworden – alle Gäste, an der Spitze der Großherzog von Oldenburg, zu einem Orgelkonzert in seinen Musiksalon einlud. In diesen prachtvollen Musiksaal war eine Orgel eingebaut, und auf dieser Orgel machte Lingner in meisterhafter Vollendung profane Musik. Ich habe selten die Tannhäuser-Ouvertüre wirkungsvoller spielen hören, als in dieser herrlichen Nacht. Aber selbst bei dieser Gelegenheit konnte er seinen Hang zur Reklame nicht verleugnen. Es erschien ein Photograph, der die ganze Gesellschaft mit dem Großherzog von Oldenburg an der Seite des Gastgebers aufnahm, und alle Teilnehmer des Festes erhielten dieses wohlgelungene Bild zur bleibenden Erinnerung.

Bei der zweiten kleinen Geschichte schnitt Exzellenz Lingner nicht so siegreich ab. Der glückbegabte Mann war eben so verwöhnt worden, daß er sich doch zuweilen Sachen herausnahm, die eine energische Zurückweisung nach sich zogen. Lingner hatte dem Schiffsverein eine namhafte Summe zukommen lassen, und der Großherzog von Oldenburg, der in meinem Hotel in Dresden wohnte, hatte den verdienstvollen Geber zu sich zum Frühstück eingeladen. Nun ist es eine bekannte Tatsache, daß gerade in fürstlichen Kreisen peinlichste Pünktlichkeit als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Es vergingen aber zehn Minuten, es verging eine Viertelstunde, der geladene Gast, Exzellenz Lingner, kam nicht. Der Adjutant des Großherzogs war schon zweimal bei mir gewesen, um sich nach dem Verbleib Lingners zu erkundigen; endlich, zwanzig Minuten nach 11 Uhr fuhr das Auto vor und Exzellenz Lingner erschien behaglich auf der Bildfläche. Aus persönlicher Teilnahme, nicht um Kritik auszuüben, hielt ich es für meine Pflicht, Lingner anzudeuten, wie sehr er schon erwartet würde.

»Sind Sie beauftragt, mir dies zu sagen?« fragte Seine Exzellenz mit unglaublichem Hochmut. Ich erwiderte ihm, daß das nicht der Fall sei, daß ich nur mein persönliches Empfinden zum Ausdruck gebracht habe. Anstatt mir nun freundlich zu danken, sagte mir Lingner in ungehöriger Schroffheit:

»Kümmern Sie sich nicht um mich, sorgen Sie dafür, daß wir tadellos bedient werden!«

»Gewiß,« entgegnete ich nicht ohne Ironie, »ich habe sogar für Sie Mundwasser mit Odol angeordnet.«

Für dieses Mal war ich der Sieger geblieben, denn meine ironische Zurechtweisung hatte ihm gezeigt, daß ich nicht gewöhnt sei, mir solche Anmaßungen bieten zu lassen. Meine Bewunderung für diesen außergewöhnlichen und auch für den Dresdner Fremdenverkehr hervorragend wertvollen Mann hat dieses kleine Scharmützel indessen nicht vermindert.

 

Eigentümliche Schuldmahnungen.

Der jedenfalls sehr geschäftstüchtige Theateragent Fr. Fritsch, der auch die »Hamburg-Altonaer Theaterzeitung« redigierte, pflegte in diesem Blatt seine saumseligen Schuldner in origineller Weise öffentlich zu mahnen. Einige Proben seien hier wörtlich mitgeteilt:

Direktor A. Sch. in B. Der Briefe sind genug gewechselt, ich verlange endlich die mir schuldigen 7 Taler, um diese wechseln zu können, denn ich gebrauche notwendig kleines Geld!

O. Sch. in B.

Naht der Lenz, so schmilzt der Schnee,
Schmilzt das Eis und Veilchen blühen.
Und ich frage: Zahlst du? – »Nee?!«

W. W. in H.

Mit dir ist auch nichts anzufangen!
Ob man dich sticht und zwickt und brennt, –
Geld ist von dir nicht zu erlangen –
Und deine Haut scheint Pergament?!

B. in Hamburg. Sie sollten bedenken, daß hier unter dem wechselnden Mond ja nicht alles so bleiben kann. Folglich auch nicht Ihre Schuld von 7 Taler 15 Silbergr. – also ersuchen wir Sie um umgehende Berichtigung derselben, sonst müßten wir uns deutlicher erklären!!!

Leo L. in Trier. Ich kenne dich, Spiegelberg, aber du kennst mich noch nicht. Zahlst du jetzt nicht bald deine Schuld, so werde ich eine fürchterliche Musterung mit dir und deinesgleichen vornehmen: und dann »gefreu dich!«

U. K. in L.

O daß im neuen Jahre du mir endlich
Doch hieltest, was im alten du versprochen,
Doch nie gehalten, nämlich: Zu bezahlen!!

Frl. L. H. in B. Zarte Seelen finden sich! Sie sind eine zarte Seele und werden mich verstehen, wenn ich Ihnen in Flötentönen zuhauche: Bezahlen Sie endlich die noch restierenden 8 Taler, 7½ Silbergr.!

Frl. W. P. in B. Ich weiß nicht, in wieviel Jahren Sie Ihr Jubiläum als erste Liebhaberin feiern werden, aber eins weiß ich, ich würde jubilieren, wenn Sie mir endlich die seit 1½ Jahren schuldigen 8 Taler bezahlen würden.

Frl. Cl. Sch. in M. Wie schön sagt Goethe im Tasso: »Willst du am besten wissen, was sich ziemt, so frage nur bei edlen Frauen an!« – Ob es sich aber ziemt, daß Sie mir schon seit zwei Jahren das Abonnement schulden, dürfte wohl sehr zweifelhaft sein.

Frl. A. D. in K. Wir sind alt genug, um alle Galanterie gegen das weibliche Geschlecht verschworen zu haben, aber auch nicht jung genug, um selbst von der Schönsten der Schönen uns um unser Geld prellen zu lassen! Hier hört unsere Gemütlichkeit und unsere Galanterie auf – was wir zum letzten Male gütigst zu berücksichtigen Sie ersuchen.

Frl. L. B. in B.

Unschuldig bist du, doch nicht schuldenfrei
Wie unsre Bücher klärlich uns beweisen –
Tilg deine Schuld, und deine Unschuld will
Ich noch dereinst als schöne Sage preisen!!!

H. G. D. »Mit Worten läßt sich trefflich streiten!« allein niemand kann sich etwas dafür kaufen, und da ich mir nun eben etwas kaufen möchte, so bitte ich: Bezahlen Sie mir Ihre Schuld, sie beträgt jetzt gerade 8 Taler, 22 1/2 Silbergr.!!

 

Rasseln für Prasseln.

(Japanisch.)

In Tera-machi, der Tempelstraße in Kioto, lebten vor nicht langer Zeit zwei Nachbarn, deren Geschäftsläden sich in den anliegenden Häusern befanden. Einer war Kaufmann, war wohlhabend, ja reich, sagten die Leute, aber ein arger Geizhals, so einer, der, wie das Sprichwort haben will, einen Kiesel pellen möchte, wenn es was einbrächte. Der andere war Fischhändler und in der ganzen Umgebung wegen seiner Geschicklichkeit, Fische zu, bereiten, bekannt. Nichts aber kam seinen gebratenen Aalen gleich. Darum war auch sein Laden nie leer von Kunden, und vom frühen Morgen bis in die späte Nacht röstete er zerstückelte Fische an Bambusspießen über Kohlenfeuer und briet Aale in prasselndem Öle oder dämpfte sie in würziger Soya-Brühe.

Nun überlegte der Kaufmann, was er wohl ersparen könnte, wenn er sich diese verlockende Nachbarschaft zu Nutzen machte. Und da der Geiz erfinderisch ist, wußte er bald Rat. Zur Essenszeit begab er sich denn mit seinem Reisnapfe nebenan in den Fischladen, gleichsam zu freundlichem Besuche, setzte sich an die dampfende Bratpfanne und schnüffelte, während er den gekochten Reis mit den Eßstäbchen in den Mund schob, lüstern den köstlichen Fischgeruch und Fettduft ein. Das würzte das Mahl, und war es vorüber und er gesättigt, so kam es ja doch auf dasselbe hinaus, ob er nun wirklich Fische verzehrt oder nur gerochen hatte, und die Kosten waren gespart.

So tat er tagtäglich, bis solch nüchterner Fischgenuß ihm zur unentbehrlichen Gewohnheit geworden. Das merkte aber zuletzt Meister Fischhändler und glaubte sich berechtigt, dafür Bezahlung zu fordern. So schrieb er denn eine Rechnung für so viele Monde mehrmal täglicher Verköstigung der nachbarlichen Nase und überreichte sie dem Kaufmanne in dessen Laden. Dieser nahm sie mit verbindlichem Lächeln entgegen. Schmunzelnd durchlas er die Forderung, nickte mit dem Kopfe und hieß seine Frau, die Geldkasse holen. Hierauf nahm er mehrere Handvoll Gold- und Silbermünzen jeglichen Wertes und warf sie in eine Schüssel, die er nun schüttelte und rüttelte, daß das Geld klirrte und klang. Dann berührte er die Rechnung mit dem Fächer, verneigte sich und sprach:

»Das wäre denn berichtigt. So sind wir nun quitt.«

»Wie!« rief der Andere erstaunt, »Sie weigern sich zu bezahlen?«

»Keineswegs,« war die Antwort, »Sie berechnen mir den Duft Ihrer Aale, ich bezahle diesen mit dem Klirren meines Geldes. Rasseln und prasseln, mein lieber Herr Nachbar!«

 

Die Deputation.

von K. G. Nadler.

(Mel.: Ein freies Leben führen wir.)

Die Bäuch, die Bäuch, die dicke Bäuch,
      Die Bäuch sin unser Schade!
's wär gescheidder werrlich, sag ich euch,
Mir Bäcker hädde gar keen Bäuch,
      Keen Backe un keen Wade.

Nach Billigkeit un nach Vernunft
      Is unser Tax zu nieder,
Drum war aach unser ganzi Zunft
Bei ihrer letschte Zsammekunft
      wie'n eenzger Mann darwider.

Mir sage unserm Zunftschkriwent:
      Jetz, Adler, schpitz dein Fedder,
Schreib, daß mar nimmer lewe könnt,
Mach e Lamento ohne End,
      Sunscht hol dich's Dunnerwedder!

Er hot geddhan sein Schuldigkeit,
      Die Schrift war schier zum Flenne,
So kläglich wie die dheuer Zeit,
E Chrischt, e Judd, e Derk, e Heid
      Hätt sich erbarme könne.

Mir knöchle siwwe Mann eraus,
      Zufällig lauder dicke,
Die gehn zum Präsident ins Haus
Un rücke mit der Bittschrift raus,
      Un denke's durchzudrücke,

Was hot der Präsident gedahn?
      Der lest die Schrift un lächelt:
»Ihr Herrn, guckt euch nor selwer an,
Euch sieht mar doch keen Mangel an;« –
      Des war nig gut geknöchelt!

Mir gucke an uns in der Rund, –
      Do war nix mehr zu mache;
Mir Fetzekerl, all kuchelrund,
I jeder wiegt dreihunnert Pund, –
      Uns selwer war's zum Lache,

Doch wäre mer jetzt herlich froh,
      Wär schun die Geschicht vergesse;
Jetz heeßt's: »Die siwwe Küh sin do,
Die magre Küh vun Pharao,
      Un hawwe nix zu fresse.«

Drum noch emol: »die Bäuch, die Bäuch,
Die Bäuch sin unser Schade!
's wär gscheidder werrlich, sag ich euch,
Mir Bäcker hädde gar keen Bäuch,
Keen Backe un keen Wade!

 

Die gute Idee.

Im Schnellzug von Frankfurt nach der Pfalz sitzt ein feldgrauer Urlauber. Ein sehr seiner Herr steigt ein. Beide kommen bald ins Gespräch, der feine Herr stellt sich als Weinhändler vor, und der Feldgraue erzählt, er sei in seinem Berufe Gedankenleser. Der feine Herr sagt: »Wenn Sie meine Gedanken erraten können, bekommen Sie von mir 200 Mark.«

»Sehr einfach,« sagte der Feldgraue; »Sie sind der Weinhändler Pantschmeier aus Frankfurt, fahren jetzt nach der Pfalz, kaufen 10 Fuder saueren Kätschtenbuscher und verkaufen den Wein in Frankfurt als Liebfrauenmilch.«

Da zieht der Weinhändler die Brieftasche heraus und reicht dem Feldgrauen 2 Hundertmarkscheine.

»Also hab' ich Ihre Gedanken erraten«, sagt dieser.

»Gar nichts haben Sie erraten, auf eine gute Idee haben Sie mich gebracht.«

 

Die Patrioten.

In den ersten Tagen der Mobilmachung 1914 wurde in einem Kaffeehause in München 34mal die »Wacht am Rhein« gespielt, alles mußte aufstehen. Wie die »Wacht am Rhein« auf Wunsch zum 35. mal gespielt wurde, blieb ein junger Mensch, dem es zu dumm wurde, sitzen. Da hätten Sie aber die beiden Brüder Salzberger sehen sollen, diese fühlten sich durch das unzivilisierte Verhalten des jungen Mannes in ihren heiligsten Gefühlen verletzt, prügelten denselben durch und warfen ihn mit Hilfe anderer Gäste hinaus. Der junge Mann wurde dadurch bekehrt, bereute seinen Mangel an Patriotismus, stellte sich als Freiwilliger und fiel einige Wochen später auf dem Felde der Ehre. Die Gebrüder Salzberger aber hatten einen Bezirksfeldwebel zum Vetter, blieben während des ganzen Krieges Schulter an Schulter als unabkömmlich in der Heimat, bekamen umfangreiche Armeelieferungen, schoben nach Friedenschluß in Kartoffeln und Butter, haben zwei Autos und eine Villa in Garmisch, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch.

 

Das einfachste Mittel.

Mein Freund, der Krampfaderntoni, weiß immer eine vorteilhafte Kapitalanlage für mich. Er hat auf dem Südbahnhof einen Waggon Seife stehen, den läßt er mir aus Freundschaft billig ab, ein fabelhaftes Geschäft könne ich damit machen. Gut, ich gebe ihm als Kaufpreis meine ganzen Ersparnisse, nachdem ich noch 20 Mille heruntergehandelt habe, sause auf den Südbahnhof und frage nach meiner Seife. Ich renne sofort zu meinem Freund Toni und sage:

»Mensch, da ist ja gar kein Waggon Seife da, was soll ich denn machen?«

»Rindviech, weiterverkaufen«, sagt der Toni.

 

Kunsthandel.

Von Paul Gutmann.

Mein Freund Adolf, der Kunsthändler, verspürte plötzlich den Ehrgeiz, auf der Höhe der Zeit zu sein. Zwar hatte sein Bilderhandel nach dem Geschmack des Publikums ihm ein hübsches Vermögen eingebracht, aber das genügte ihm nicht. Er wollte Entdecker sein, Führer der Allerneusten, sein Name sollte weithin leuchten als Panier der Entwicklung. Er sprach mit Verachtung von der bisherigen Kunst. Dürer war für ihn ein Zeichenlehrer, Raffael ein Konditor, alles Moderne bis auf die wahre Kunst, die jetzige Photographenkitsch. Ich warnte ihn: »Die Entwicklung geht mit rasender Eile. Schon kommen bedrohliche Nachrichten aus München. In einem bisher unbekannten Café bereitet sich der Taifun vor. Hast du von den Sphäristen gehört?«

Er verneinte.

»Siehst du,« sagte ich, »so hinkst du deiner Zeit nach. Was du für die wahre Kunst hältst, ist das aufgewärmte Gemüse von gestern. Die Sphäristen lachen über euch, nennen euch Analphabeten, versumpfte Hinterwäldler, Idioten. Euer Gehirn ist flach wie eure Leinwand.

»Ja, um Gottes willen, was wollen sie denn?«

»Weg von der Fläche. Sie malen auf Kugeln.«

Er ließ sich vor Schreck auf einen Stuhl fallen.

»Das ist das Ende«, schrie er.

»Das ist der Anfang«, erwiderte ich, »Ihre Ausstellung, die ich als einer der Ersten besichtigen durfte, wird ein geistiges Erdbeben verursachen, von der Decke des Ateliers, in dem ich war, hängen bemalte Kugeln herab, teils Kegelkugeln, teils Glaskugeln. Der Eindruck ist unbeschreiblich. Die Welt ist eine Kugel, sagen sie. wir sehen nicht flächen-, sondern kugelhaft, wo z. B. sich der Mensch im Freien befindet, ist er der Mittelpunkt einer Halbkugel. Früher stand der Mensch als Zuschauer vor einem Panorama, jetzt ist er die Welt selbst. Da ist nicht nur Kunst, das ist erhabenste Philosophie, ja Religion.«

Es half nichts. Er wollte nicht auf meine Warnung hören und begnügte sich mit dem abgestandenen Futurismus. Um sein Verständnis zu beweisen, ließ er sich die berühmten Werke des hochgeschätzten Meisters und Häuptlings der ganzen Richtung, Balthasar Fricasso, kommen, der in Barcelona lebt. Es waren die Gemälde »Revolution« und »Dame am Kamin«.

Vor vierzehn Tagen telefonierte er mich an: »Komme sofort, um des Himmels willen. Die Bilder tragen keine Bezeichnungen und ich weiß nicht, welches »Revolution« und welches »Dame am Kamin« ist.«

»Wende dich an Emil Stürmer,« sagte ich, »den Verfasser des Buches »Grundlagen des Futurismus«. Der wird's finden.«

Stürmer kam. Sie saßen zwei Tage und zwei Nächte vor den Bildern, ohne zu einem Resultat zu gelangen. Sie drehten die Bilder um und um, aber es gelang nicht.

»Gestern hatte ich's,« sagte Stürmer, »heut' ist es mir wieder entfallen.« Endlich einigte man sich, das Bild mit dem kreischenden Rot und Gelb war »Revolution«, das blaugrüne »Dame am Kamin«.

Der Geheime Kommerzienrat Streber kaufte »Revolution« für sechzigtausend Mark. Es sollte der Glanzpunkt seiner neuerbauten Villa am Wannsee sein. Die Kritik, die zur Besichtigung geladen war, geriet in Verzückung über den »Menschheitsschrei, der in chaotischen Strömen von gelb und rot sich zusammenballte und als Hymnus der Zukunft dämonisch-phantastisch emporstieg, getragen von den gleich Irrlichtern aufzuckenden Emanationen des Ewig-Absoluten.«

Vor drei Tagen schob sich Adolf mit schlotternden Knien und erdfahlem Gesicht in mein Zimmer.

»Ich bin ruiniert«, sagte er, »Mein guter Ruf ist für alle Zeiten zerstört. Fricasso war soeben bei mir und verlangte die »Dame am Kamin«. Ich zeigte sie ihm. Er schrie »Das ist ja Revolution.« Dann ging er mit Fäusten auf mich los, kreischte, daß er betrogen sei, das verkaufte Bild »Dame am Kamin« koste allein hunderttausend Mark, er wolle auf die Polizei, mich wegen Betrug anzeigen, meinen Namen durch alle Blätter schleifen.«

Es gelang mir nicht, Adolf zu beruhigen.

Heute lese ich in der Zeitung: »Der bekannte Kunsthändler A. F. wurde in der Nähe der Villa des Kommerzienrats Streber in Wannsee als Leiche an Land gespült. Ob Unfall oder Selbstmord vorliegt, ist unbekannt.«

 

Das ist mein Wien ...

Aus »Stiefkind der Grazien«.

Von Paul Morgan.

Ich lese in der Wiener Zeitung:

»Der in Paris seßhafte Filmhändler Wolfgang H. verhandelte im Kaffeehaus mit einem Vertreter der Wiener Filmfirma über den Verkauf eines Films. Gelegentlich einer Zusammenkunft setzte sich auch der Agent Adolf N. zum Tisch der beiden verhandelnden Parteien und erfuhr, daß der in Frage kommende Film um 21000 Schillinge verkauft wurde. »Ich bin dabei«, meldete sich gleich Adolf N. bei Herrn H. und verlangte eine Provision von 420 Schillingen, da er angeblich die Differenzen zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ausgetragen hätte. Als ihm die Auszahlung dieses Betrages verweigert wurde, verklagte er Herrn H. auf Zahlung der Provision. In den Kreisen der Kaufmannswelt sieht man diesem Prozeß mit großem Interesse entgegen, da es sich um eine prinzipielle Entscheidung in der Frage handelt, ob die Wiener Kaufleute auch weiterhin von den Parasiten und Belauschern der Kaffeehausgeschäfte belästigt werden können ...«

Immer wieder las ich die anscheinend belanglose Zeitungsnachricht. Teure Heimat, geliebte Stadt der Gemütlichkeit, des Walzers und der Kaffeehäuser – du änderst dich nicht, und wenn ringsum die Welt in Trümmer ginge! »Die Kaufmannswelt sieht mit großem Interesse entgegen ...« und kommt auf den einen einzigen einfachen Gedanken nicht: Daß sich eventuell – wenn's nicht anders geht – vielleicht – Geschäfte auch – in einem Bureau tätigen ließen ...


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