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Einleitung.

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»Der Hut steht Ihnen glänzend, Sie sehen aus wie ein Kavalier!«
(Daumier)

Geld! Geld! Zeit ist Geld! schreit die Zeit dem Kaufmann in die Ohren. Jeder Pulsschlag klopft: Geld! Geld! So kommt es, daß, sich mancher Kaufmann zum nackten Kapitalisten entwickelt hat. Der Kapitalist aber: welch ein Menschenschreck!

Ein Glück, daß die Kaufmannswelt eine Unzahl von Erscheinungen zeigt, nicht nur den Großkapitalisten, der wie ein buddhistischer Götze auf seinen Geldsäcken thront, sondern den vergnügten Lehrling, Angestellte jeder Art: Buchhalter, Schreiber, Prokuristen, Sekretärinnen usw. Dann aber den Herrn Reisenden, S. M. den Reisenden. Er und seine Kollegen gäben allein schon genügend Stoff ab für eine Kulturstudie, für ein Buch, Doch soll hier ein erheiterndes Bild aus dem gesamten Kaufmannsleben gebracht werden.

Gerade durch das Mittel der humoristischen Anekdote, des Scherzes, der Schnurre und des Witzes lernt man die vielseitige Art eines Berufes und der ihm Angehörenden am schnellsten und unmittelbarsten kennen. Oft genug zielt der Witz allerdings auf die Schwächen des Berufes und der Menschen. Er zeigt sie nicht immer von der besten Seite. Er enthüllt und erhellt manche bösartigen Tiefen. Aber da diese Witze gerade von den Betroffenen am meisten herum erzählt und belacht werden, scheinen sie nicht allzu gefährlich zu sein – ja sie wirken vielleicht hier und da bessernd und vorbeugend.

Im übrigen ist es der Kaufmann wohl gewöhnt, daß er nicht verhimmelt wird. In der Bibel und bei Homer, in römischen und manchen morgenländischen Geschichten sowie bei Rabelais und im Eulenspiegel kommt der Kaufmann meistens nur als Betrüger zum Vorschein. Bei Shakespeare ist Shylock ein gefährlicher, blutgieriger Gläubiger – und seine Gegner, die jungen venetianischen Handelsjunker, sind auch gerade kein Vorbild von seelischer Vornehmheit. Durch die frühen deutschen Schwankbücher, wie beim Pfaffen Ameis, wandelt der Raufmann als pfiffiger und gewissenloser Betrüger. Und Goethe weiß im Faust das nur zu wahre Wort zu finden:

Krieg, Handel und Piraterie,
Dreieinig sind sie, nicht zu trennen.

Auch Fritz Reuter, der doch manchem Kaufmann gerecht wurde, zeigt manchmal den Händler als einen Menschen, der gern durch allerlei Manöver Vorteile erjagt – wie im »Pird-Handel«, in dem einem Pfarrer jenes Pferd wieder teuer verkauft wird, das er selbst erst billig zu Markte gebracht hat. Ein tiefsinniges Beispiel!... was sonst über den Kaufmann zu sagen ist, findet man im Buche; da äußern sich Abraham a Santa Clara, Wilhelm Busch, Oskar Blumenthal, Meyrink, Tucholsky, Eduard Bernstein, Moritz Toeb, Christian Morgenstern, Rudolf Sendig, Paul Gutmann, Mark Twain und viele andere recht deutlich. Auch bei Ludwig Thoma, Kalisch, Kopisch und anderen, die hier nicht alle zitiert werden konnten, ist der Kaufmann abgemalt.

Und trotzdem eine große Anzahl von Geschichten und Reckereien den Kaufmann als einen gerade nicht sehr angenehmen Zeitgenossen hinstellen – ja ihn auch als einen Menschen entlarven, der ebenso geprellt und betrogen werden kann wie andere Menschen – siehe besonders die Abschnitte Reinfälle und Tricks und Kniffe –, so bleibt eine ganze Menge übrig, was zugunsten vom Kaufmann spricht. Er hat unzählige kulturelle Werke gefördert und vorwärtsgetrieben – nicht nur aus Genußsucht und Freude an ihnen, sondern auch durch seine berufliche Tätigkeit. Auf diesem Gebiet hat er vielleicht mehr getan als manche andern Schichten. Zum mindesten hat er im großen Stil völker- und länderverbindend gewirkt, hat Kulturgüter von einem Volk zum andern getragen, hat Brücken geschlagen.

Gewiß, er wollte daran gewinnen. Aber er mußte auch sein vermögen und sein Leben einsetzen – durchaus nicht weniger als die Ritter, die ins heilige Land zogen. In meinem Buch »Kaufmanns Abenteuer« Sieben Stäbe Verlag, Berlin-Zehlendolf. habe ich den ersten Versuch unternommen, dem deutschen Kaufmann auch gerecht zu werden als Menschen, der in den finstersten Zeiten und in den bedrohlichsten Schrecken seinen Mann zu stehen wußte – und immer als Kulturträger wirkte.

Doch ich will hier kein Loblied auf den Kaufherrn und seine Mannen singen. Dies Buch hier zeigt ihn ja nur zu oft im vergnügten Zerrspiegel, wer will, kann sich hier manche scharfe Wahrheit sagen lassen. – Und wenn er selbst ein wenig Humor im Blut hat, wird er lachend die Meckerei hinnehmen und draus lernen.

Ist doch selbst in den alten Anekdoten und Schnurren aus früherer Zeit so vielerlei Lebensweisheit und gesunder Menschenverstand enthalten, daß sie immer noch für uns Menschen gelten, wir sind nämlich wirklich nicht so sehr viel anders geworden als unsere Vorfahren, wir sind ein belustigend Gemisch von Gut und Schlecht – genau so, wie uns dies Buch den Kaufmann und sein Gelichter zeigt.

Jedenfalls hat der Kaufmann, von dem zweifellos die meisten Scherze und Schnurren selbst stammen – viel praktische Lebensweisheit, viel Geistesgegenwart, Pfiffigkeit und Schlagfertigkeit in diese Erzählungen und Neckereien hineingelegt. In den Abschnitten » Pump und Pleite«, » Reklame«, vorzüglich aber in dem Teil » Vom Chef und seinen Leuten« und in » Tricks und Kniffe«, wird bewiesen, daß der Kaufmann sich zwar in allen Lebenslagen zu helfen weiß – daß er aber auch gern mit allerlei Sticheleien seine Berufsgenossen kitzelt – und sich über sich selbst lustig macht.

Berlin-Zehlendorf.

Hans Ostwald.


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