Helene Nostitz
Rodin
Helene Nostitz

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Abschiedstag Louvre

Vor den Türmen von Notre Dame, in den Sälen des Louvre erwachte neben dem weltumspannenden Gefühl bei Rodin das der tiefen Zugehörigkeit zu seinem »doux pays de France«. Hier fühlte er sich als der Gastgeber. Als der Tag des letzten Abschieds nahte, begaben wir uns wie zu einer Feier in das »Musée du Louvre«. Wieder fanden sich die Stunden des verstehenden Schweigens vor den Sculpturen der Antike, vor den Sklaven Michel Angelos. Dann wachten die Erinnerungen an Italien auf, und wir standen lange in einem kleinen Saal vor den Madonnen früherer italienischer Meister, dort lächelte, neben Perugino, die Madonna des Piero della Francesca, deren Wiedergabe Rodin am Abend in Ardenza so lange betrachtet hatte. »Ich suche sie oft auf,« sagte er. – Zum letztenmal in diesem Leben sollte ich die Werke großer Meister durch seine Augen sehn, die wie die Strahlen eines Gestirns immer neue Gestalten aus dem Schatten ans Licht zogen. Die Sitzungen in der »Rue de l'Université« waren zuletzt voller Depressionen und Ermüdungen für uns gewesen, denn wir fühlten wohl ahnend die 106 schwere Last der dunklen Zukunft. Noch immer dringen seine letzten damals gesprochenen Worte zu mir: »Ne tombez jamais dans les mains de mauvais artistes.« Aus den Briefen tönt es aber noch einmal wie ein Zuruf zu neuem Aufschwung, wie ein Gebet, uns entgegen: »Möge mein Geist nie der Trockenheit verfallen und immer von Dichtung und Erinnerung genährt werden, bis zu meinem letzten Augenblick.«

 


 


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