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8. Tod und Bestattung.

 

»Dort sterben, das wäre hart!«

Weber.

 

»Daß ich die größte Sehnsucht nach Hause habe, kann ich aus ehrlichem Herzen versichern, aber die eigentliche Saison geht erst jetzt an und mit ihr die Erntezeit. Daß ich keinen Tag um meines Vergnügens willen verzögern werde, ist gewiß. Ich finde mein Glück nur bei den Meinigen und in der Erfüllung meiner Pflicht, möge auch die Welt mir die höchsten Ehren geben und ich mich zu Hause unbeachtet wissen.«

So schrieb nach der »mit unglaublichem einstimmigem ungetrübtem Enthusiasmus« aufgenommenen ersten Aufführung des Oberon Weber an seinen Chef Lüttichau in Dresden. Sein Leiden nahm aufs bedenklichste zu, schon konnte er kaum mehr reden noch gehen und seine Hände zitterten vor Schwäche. Und doch sollte er jetzt außer dem Oberon noch die Anzahl der Concerte dirigiren, die ihm selbst die so heiß ersehnte Nachlassenschaft für die Seinen zu bringen hatte. »Gehen Sie, gehen Sie! Alles Herumcuriren an mir hilft nichts mehr, ich bin eine zusammengerüttelte Maschine. Gott, wenn sie nur zusammenhielte, bis ich Lina und die Buben wieder umarmt hätte!« sagte er dem Dresdener Flötisten Fürstenau, der ihn auf dieser Reise begleitete und ihm jetzt neue Arznei reichen wollte. Er zählte die Tage, Stunden, Minuten bis zu diesem Wiedersehen. »Wir sind doch sonst auch getrennt gewesen und haben uns gewiß auch lieb gehabt, aber diese Sehnsucht ist ganz unvergleichbar und unbeschreiblich,« heißt es das eine Mal. Dabei wurde ihm das Dirigiren der eigenen Werke förmlich zuwider. »Ich habe den guten Mann schon so satt, daß ich recht nachzähle, bis das Dutzend voll ist, um loszukommen,« schreibt er. »Allerdings ist mein Gemüth der größte Sünder, nach allen diesen Erfolgen gehe ich umher wie Einer, der gehangen werden soll.«

Die Huldigungen des Publikums nahmen nur zu, ja einmal gab sich die Liebe zu ihm auf wahrhaft ergreifende Weise kund. Die national-englische Partei, zu der die stolze Aristokratie gehörte, die ihm persönlich nicht gerade geneigt war, hatte ein Gegenstück gegen den Oberon in Scene gehen lassen. »Gestern war ein interessanter Tag, die erste Vorstellung von meines sogenannten Rivals Oper Aladin,« erzählt er selbst. »Mit Mühe waren Plätze zu bekommen, einer der Inhaber des Theaters bot mir aber seine Loge an. Kaum trat ich hinein und wurde gesehen, als das ganze Haus aufstand und mich mit dem größten Enthusiasmus empfing. Dies in einem fremden Theater, an diesem Tage zeugte recht von der Liebe der Nation und rührte und freute mich sehr.« Das Stück selbst ließ man obendrein fallen.

Doch sollte er bei einer andern Gelegenheit das englische Volk auch in den Elementen jenes »süßen Pöbels« kennen lernen, dem eben die Kunst nur ein Spaß wie andere war.

Er hatte in einem Concerte seines ersten Tenoristen die Ouvertüre zum »Beherrscher der Geister« zu dirigiren zugesagt. Das Haus war mit einer gemischten Menge gefüllt, die sich nur durch ein dramatisches Quodlibet mit gehörigem Unsinn und Clownswitz unterhalten wollte. An Weber dachte diese Klasse nicht und achtete daher auch gar nicht auf die Ouvertüre. Auf den Galerien wurde gejubelt, gepoltert, geschrieen, keine Hand rührte sich. Weber, erst wahrhaft entsetzt, lächelte, als man ihm die Natur dieses Publikums erklärte, und wohnte dann dem Verlaufe des Skandals ruhig bei, bis Beleidigungen seiner Rezia, die doch ebenfalls Engländerin war, ihn so reizten, daß er ergrimmt das Haus verließ. Als diese die ersten Tacte gesungen hatte, brach, Gott weiß weshalb, die Galerie in brüllendes Gelächter aus, und als sie empört mit stolzer Miene schwieg, schrie es durch das Haus: »Ist sie toll? Was ist das?« Dann trat Ruhe ein. Kaum hatte die Sängerin wieder eingesetzt, so schrie eine tiefe Baßstimme von der Galerie herab: »Juh, ich hoffe, Sie sind ruhig und getrost!« und eine noch tiefere aus dem Parterre antwortete: »Yes!« was ein Gelächter hervorrief, in dem alles erstarb. Die Sängerin rief: »Ich kann nicht singen!« und wurde ohnmächtig. »Unglaublich, unglaublich!« rief auf dem Heimwege Weber. Der Clavierspieler Moscheles, der ebenfalls in dem Concerte mitwirkte, fingirte in dem wüsten Lärm das Spiel, ließ blos am Schluß das Orchester fortissimo einsetzen, was ihm rauschenden Beifall einbrachte. Dies war der edle englische Volkssouverain von seiner Kehrseite.

Jetzt kam sein eigenes Concert, auf das er die größten Hoffnungen setzte. Er gab die Jubelcantate auf einen neuen englischen Text und leitete selbst die Proben, wobei einmal, als die kräftigen englischen Stimmen bei dem schönen Gebetchor gar zu dröhnend erklangen, seine schwache Stimme sich zu dem Ausrufe erhob: »Halt, halt! Nicht so! Würden Sie denn in Gegenwart Gottes so schreien?« Die Freunde besorgten nach Kräften alles Aeußerliche für ihn. Doch war er sehr besorgt um den Erfolg. »Du wirst dich wundern, mein theures Leben, mich so ernst in dieser Sache gestimmt zu sehen,« schreibt er nach Hause. »Wenn du aber bedenkst, daß Geld zu erwerben der einzige Zweck meiner Reise nach London war, daß die Erreichung dieses Zweckes mit manchen nicht unbedeutenden Opfern und Anstrengungen verknüpft war, so wirst du begreiflich finden, wie ich jetzt etwas für so wichtig halten kann, was in meinem ganzen Leben für mich nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hat. Bete, daß deinem alten Vater seine Wünsche, die nur für euch berechnet sind, in Erfüllung gehen und er recht glücklich und heiter sein kann!«

Leider sollte seine Hoffnung bitter getäuscht werden. Er hatte, todtkrank wie er war, die Lords und Ladys nicht persönlich eingeladen und so galt das Concert nicht als »fashionable«. Dazu strömender Regen, – das Haus blieb fast halb leer. »Als er, auf den Arm Smarts gestützt, hereinwankte und den Saal überblickte, verzog ein tief schmerzliches bitteres Lächeln seine sonst so ruhigen Dulderzüge,« sagt die Biographie. »Man muß auf Den vertrauen, der uns so oft seine unendliche Gnade bewiesen«, hatte er acht Tage vorher an seine Frau geschrieben. Was frommte nun die ausgezeichnete Leistung, was frommte seine eigene Begleitung eines Liedes, die letzte seines Lebens, was frommte der enthusiastische Beifall bei jeder Nummer? »Nach dem letzten Tone der Euryanthen-Ouvertüre ergriff Weber Fürstenau's Arm, verließ auf ihn gestützt den Saal und sank im Foyer wie zerknickt athemlos und außer sich auf ein Sopha. Zu den Freunden, die sich theilnehmend um ihn versammelten, sagte er mit matter Stimme: »Was sagen Sie dazu? Das ist Weber in London!«

Mit Mühe ward er in den Wagen und die Stiege hinaufgetragen. Und doch sollte er noch fünfmal den nach dem Original hergestellten Freischütz dirigiren, ja erhoffte bald wieder zu Hause zu sein. »Es lebt eine Ungeduld in mir! Du wirst nicht viel Briefe mehr von mir sehen,« schreibt er. »Denn vernimm den grausamen Befehl: Antworte mir auf diesen Brief nicht mehr nach London. Du staunst? Ja ja, ich gehe nicht nach Paris. Was soll ich da? Ich kann nicht gehen, nicht sprechen, Geschäfte will ich jahrelang verbannt wissen, also besser den geraden Weg zur Heimat.« Eine fiebernde Angst erfüllte ihn, die Seinen vielleicht doch nicht wiedersehen zu sollen. »Ich muß fort, zu den Meinigen, sie noch einmal sehen, und dann geschehe Gottes Wille!« sagte er zu den Freunden, wenn sie den stets kränker Werdenden zum Abwarten mahnen wollten. »Guter Gott, nur erst im Wagen sitzen,« schreibt er am 2. Juni, acht Tage nach seinem Concert, von dem er noch hörte, daß es ihm trotz allem gegen 2000 Mark eingebracht hatte. Die ferneren Kunstpläne hatten aufgegeben werden müssen, nur hoffte er zu seinem Benefiz den Freischütz noch einmal zu dirigiren. Auch dieses ward unmöglich. Er konnte nur noch im Lehnstuhle liegen, die matte Stimme berührte aber immer wieder die Reise. Am 4. Juni geleiteten ihn die Freunde zu Bette. »Gott lohne euch allen eure Liebe,« sagte er, ihnen die durchsichtig helle zitternde Hand reichend. »Nun laßt mich schlafen!« sagte er, nachdem er jede Bewachung abgelehnt, es waren seine letzten Worte: am Morgen fand man ihn todt im Bette. Friedlich auf der rechten Hand eingeschlafen, kein Kampf, kein Schmerz hatte die edlen Züge entstellt. Die Sehnsucht nach der Heimat war gestillt! – –

»Weber todt im vierzigsten Jahre,« schreibt sich noch in demselben Monat Juni der ertaubte Beethoven in das Conversationsheft. Er selbst sollte in dem nächsten Jahre dem Meister der deutschen Oper folgen.

Die Section der Leiche ergab ein nußdickes Geschwür im Halse und die Lunge als voll von Tuberkeln: eines der beiden hätte genügt, den Tod mit Sicherheit herbeizuführen. Der bis zum Gerippe abgemagerte, sehr klein gewordene Leichnam ward in einen Metallsarg gelegt. Die Freunde verzeichneten den Nachlaß: es waren etwas über 20.000 Mark da, anstatt der 36.000, deren er sicher zu sein geglaubt hatte.

Alle Schichten der Bevölkerung Londons durchdrang die Trauerkunde. Sie war stolz, daß Weber sein letztes Werk für sie geschaffen. Das Benefiz wurde nachgeholt. Allein die Theilnahme schien mit einem Male erstorben. Am fernsten hielten sich die Deutschen, sie hingen zum größten Theil von der Aristokratie ab, die ihn nicht angelächelt hatte. Dagegen war das Begräbnis, dessen sich unter seiner Freunde Antritt ein besonderes Comité angenommen hatte, feierlich glänzend, »im Stile der Beisetzung von Personen höchsten Ranges«. Imposant und erschütternd erklangen, als der lange Zug fast aller Kunstberühmtheiten Londons an der katholischen Hauptkirche in Moorfields anlangte, die Töne von Mozarts Requiem, von den ersten Künstlern der Weltstadt vorgetragen. Der Sarg wurde in die unter der Kirche befindlichen Grüfte als erster einer langen Reihe auf Quadern gestellt.

Der geliebten Gattin daheim sollte die schmerzlichste aller Nachrichten, die sie erhalten konnte, in milder Form zugebracht werden, die schrecklichste Ahnung aber reist sie der kommenden Freundin entgegen, ein entsetzlicher Schrei und sie sinkt in todesähnlicher Ohnmacht auf den Rasen nieder.

Der Eindruck dieses Verlustes in seiner zweiten Vaterstadt zeigte sich erst nach fünfzehn Jahren lebendig wirkend. Ein Aufruf erweckte eine Unterzeichnung zur Ueberführung der Leiche. Allein erst nachdem Derjenige, der »durch Webers lebensvolle Erscheinung in seinen frühesten Knabenjahren so schwärmerisch für die Musik gewonnen und später so schmerzlich von der Kunde seines Todes betroffen worden war«, Richard Wagner mit seinem Feuereifer für alles Große und Gute die Sache im Jahre 1844 in die Hand nahm, kam Leben und Erfolg in dieselbe. Herr von Lüttichau widerstrebte zwar solcher »übertriebenen Ehre«, die nachher jedem anderen Capellmeister ebenfalls zu gewähren sein werde. Allein Wagner wußte alle schwächlichen Bedenken durch die That hinwegzuspülen.

Am 14. December 1844 kam die Leiche in Dresden an. Wagner hatte zu dem unter Fackelschein vor sich gehenden feierlichen Zuge die Musik hergestellt: 80 ausgewählte Bläser trugen dieselbe vor. Sie bestand aus zwei Motiven der Euryanthe. »Durch die Musik, welche in der Ouverture die Geistervision bezeichnet, leitete ich die Cavatine ›Hier dicht mit Quell‹ ein, um hieran die verklärte Wiederaufnahme des ersten Motives, wie sie sich am Ende der Oper wieder vorfindet, als Schluß anzureihen,« erzählt er nach seinen ›Lebenserinnerungen‹. »Ich erreichte durch das Ganze eine so überaus ergreifende und namentlich gerade unser Andenken an Weber innig berührende Wirkung, daß, wie die Schröder-Devrient zu der erhabensten Rührung hingerissen wurde, auch ich mir sagen konnte, noch nie etwas seinem Zwecke so vollkommen Entsprechendes ausgeführt zu haben. Mir wurde von Zeugen, welche an den Fenstern den Zug kommen und vorübergehen sahen, versichert, daß der Eindruck der Feierlichkeit unbeschreiblich erhaben gewesen sei.«

»Tief zum Herzen gehend, erhaben und gedankenreich« sprach am folgenden Tage, als die Leiche auf dem katholischen Kirchhofe in Friedrichsstadt-Dresden beigesetzt wurde, wieder der große Nachfolger des edlen Meisters. Was ihm zur Abfassung dieser Rede einen besonders rührenden Stoff zuführte, war der kurz vor dieser Uebersiedelung erfolgte Tod des hoffnungsreichen Sohnes des seligen Meisters. Sie soll uns die Bedeutung dieses Künstlers selbst mit sichersten Griff zusammenfassen.

»Hier ruhe denn!« sprach Wagner. »Hier sei die prunklose Stätte, die uns deine theure Hülle bewahre! Und hätte sie dort in Fürstengrüften geprangt, im stolzesten Münster einer Nation, wir wagten doch zu hoffen, daß du ein bescheidenes Grab in deutschem Boden dir lieber zur letzten Ruhestätte erwählt! Du gehörtest ja nicht jenen kalten Ruhmsüchtigen an, die kein Vaterland haben, denen dasjenige Land das liebste ist, in welchem ihr Ehrgeiz den üppigsten Boden für sein Gedeihen findet. Zog dich ein verhängnisvoller Zug dorthin, wo selbst das Genie sich zu Markte bringen muß um zu gelten, so wandtest du zeitig genug sehnsuchtsvoll deine Blicke nach dem heimatlichen Heerde zurück, nach dem bescheidenen ländlichen Sitze, wo dir an der Seite deines trauten Weibes Lied auf Lied aus dem Herzen quoll. ›Ach wäre ich wieder bei euch, ihr Lieben!‹ das war wohl der letzte Seufzer, mit dem du dort dahinschiedest!

»Warst nun du ein gemüthvoller Schwärmer, wer will uns tadeln, wenn wir gerade dir mit gleicher Neigung begegnen, wenn auch wir gerade diese Schwärmerei recht innig theilten und gern dem stillen Wunsche nachhingen, dich wieder bei uns in der lieben Heimat zu haben? O diese Schwärmerei, sie hat dich mit sympathetischer Gewalt zum Liebling deines Volkes gemacht! Nie hat ein deutscherer Musiker gelebt als du! Wohin dich auch dein Genius trug, in welches ferne bodenlose Reich der Phantasie, immer doch blieb er mit jenen tausend zarten Fäden an dieses deutsche Volksherz gekettet, mit dem er weinte und lachte wie ein gläubiges Kind, wenn es den Sagen und Märchen der Heimat lauscht. Ja, diese Kindlichkeit war es, die deinen männlichen Geist wie ein guter Engel geleitete, ihn stets rein und keusch bewahrte. Und in dieser Kindlichkeit lag deine Eigenthümlichkeit: wie du diese herrliche Tugend stets ungetrübt erhieltest, brauchtest du nichts zu erdenken, zu erfinden, – du brauchtest nur zu empfinden, so hattest du auch das Ursprünglichste erfunden. Du bewahrtest sie bis an den Tod, diese höchste Tugend. Du konntest sie nie opfern, dieses schönen Erbmals deiner deutschen Abkunft dich nie entäußern, du konntest uns nie verrathen! Sieh', nun läßt der Brite dir Gerechtigkeit widerfahren, es bewundert dich der Franzose, aber lieben kann dich nur der Deutsche: du bist sein, ein schöner Tag aus seinem Leben, ein warmer Tropfen seines Blutes, ein Stück von seinem Herzen! Wer will uns tadeln, wenn wir wollten, daß deine Asche auch ein Theil seiner Erde, der lieben deutschen Erde sein sollte?

»Noch einmal, scheltet uns nicht, ihr, die ihr die Eigenthümlichkeit des deutschen Herzens verkanntet, dieses Herzens, das so gern schwärmt, da wo es liebt! War es Schwärmerei, mit der wir nach der theuren Hülle unseres lieben Weber verlangten, so war es die Schwärmerei, die uns ihm so verwandt sein läßt, die Schwärmerei, der all die herrlichen Blüten seines Glückes entkeimten, um derentwillen die Welt ihn bewundert und wir ihn lieben.

»Ein Werk der Liebe glauben wir nur zu verrichten, wenn wir dich, lieber Weber, der du nie Bewunderung, sondern nur Liebe suchtest, den Augen der Bewunderung entziehen, um dich den Armen der Liebe zuzuführen. Aus der Welt, vor der du glänztest, geleiten wir dich zurück in die Heimat, in den Schooß deiner Familie! Fragt den Helden, der zum Siegen auszog, was ihn am meisten beglückt nach den siegvollen Tagen auf dem Felde der Ehre? Gewiß die Heimkehr in das Vaterhaus, wo sein Weib, seine Kinder seiner harren. Und sieh', wir brauchen hier nicht bildlich zu reden: dein Weib, deine Kinder harren deiner in Wirklichkeit. Bald vernimmst du über dieser Ruhestätte den Tritt des treuen Weibes, das so lange, so lange deiner Wiederkunft harrte und das jetzt an der Seite des theuren Sohnes die heißesten Liebesthränen dem zurückgekehrten Herzensfreunde weint.

»Sie gehört der Welt der Lebenden, du bist ein seliger Geist geworden, nicht Aug' in Auge kann sie dich begrüßen. Da sandte Gott einen Boten aus, der dich ganz nah', Aug' in Auge bei deiner Heimkehr begrüßen und dir Zeugnis geben sollte von der unvergänglichen Liebe deiner Treuen. Dein jüngster Sohn ward zu dieser Sendung ausgewählt, das Band zwischen Lebenden und Dahingeschiedenen zu knüpfen: ein Engel des Lichtes schwebt er jetzt zwischen euch und bringt euch gegenseitige Liebeskunde. Wo ist nun Tod? Wo ist Leben? Wo beide sich zu einem so wunderbar schönen Bund vereinen, da ist des ewigen Lebens Keim!

»Laß auch uns, du theurer Dahingeschiedener, mit in diesen Bund treten! Wir kennen dann nicht Tod, nicht Verwesung mehr, nur Blüte und Gedeihen. Der Stein, der deine Hülle umschließt, wird uns dann zu dem Fels der Wüste, dem der Gewaltige einst den frischen Quell entschlug: aus ihm ergießt sich in die fernsten Zeiten ein herrlicher Stern stets verjüngten schaffenden Lebens! Du Quell alles Daseins, laß uns dieses Bundes stets eingedenk und würdig sein!«

So sprach am Grabe Carl Maria von Webers Richard Wagner. Er hat das von Weber erstrebte vereinigte »Zusammenwirken aller Schwesterkünste« erreicht und uns die wahrhafte musikalisch-dramatische Kunst erschaffen. Es ist der stolzeste Bau, den Deutschland je gesehen, und Webers Wirken ist eine der unsterblichen Grundlagen desselben.

 

Ende.

 


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