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[Einleitung]

O mein herrliches deutsches Vaterland, wie muß ich dich lieben, wie muß ich für dich schwärmen, wäre es nur, weil auf deinem Boden der Freischütz entstand! Wie muß ich das deutsche Volk lieben, das den Freischütz liebt, das noch heute an die Wunder der naivsten Sage glaubt, das noch heute, im Mannesalter, die süßen geheimnisvollen Schauer empfindet, die in seiner Jugend ihm das Herz durchbebten! Ach du liebenswürdige deutsche Träumerei! Du Schwärmerei vom Walde, vom Abend, von den Sternen, vom Monde, von der Dorfthurmglocke, wenn es Sieben schlägt! Wie ist der glücklich, der euch versteht, der mit euch glauben, fühlen, träumen und schwärmen kann! Wie ist mir wohl, daß ich ein Deutscher bin!«

So schrieb im Jahre 1841 von Paris aus Richard Wagner, als dort Webers weltbekanntes Werk zum ersten Male vollständig aufgeführt wurde, in die geliebte Heimat. Und was war es, was ihn bei diesem deutschen Werke gerade in der kalten Fremde so bis zu Thränen rührte? Er selbst sagt von der Sage, die den Untergrund dieser herrlichen Tondichtung mit ihren wehmüthig beseligenden Stimmungen bildet, Folgendes:

»Die Sage vom Freischützen scheint das Gedicht jener böhmischen Wälder selbst zu sein, deren düster feierlicher Anblick uns sofort begreifen läßt, daß der vereinzelt hier lebende Mensch sich einer dämonischen Naturmacht wenn nicht verfallen, doch unlösbar unterworfen glaubte. Und hierin liegt gerade der besondere deutsche Charakter dieser und ähnlicher Sagen begründet: dieser ist von der umgebenden Natur so stark vorgezeichnet, daß ihr die Bildung der dämonischen Vorstellung zuzuschreiben ist, welche bei anderen, von dem gleichen Natureinfluß losgelösten Völkern mehr der Beschaffenheit der Gesellschaft und der sie beherrschenden religiösen Ansichten entspringt. Wenngleich grauenhaft, gestaltet sich diese Vorstellung hier nicht eigentlich grausam: die Wehmuth bricht durch den Schauer hindurch, und die Klage um das verlorene Paradies des Naturlebens weiß den Schrecken über die Rache der verlassenen Mutter zu mildern. Dies ist eben deutsche Art. Ueberall sonst sehen wir den Teufel unter die Menschen sich begeben, Hexen und Zauberer von sich besessen machen, sie dann willkürlich dem Scheiterhaufen übergeben oder vom Tode retten; selbst als Familienvater sehen wir ihn erscheinen und mit bedenklicher Zärtlichkeit seinen Sohn beschützen. Doch selbst der roheste Bauer glaubt dem heut zu Tage nicht mehr, weil diese Begebenheiten zu platt in das alltägliche Leben gesetzt sind, in welchem sie doch ganz gewiß nicht mehr vorkommen. Hingegen ist glücklicherweise der geheimnisvolle Verkehr des menschlichen Herzens mit der ihn umgebenden eigenartigen Natur noch nicht aufgehoben. Denn in ihrem beredten Schweigen spricht diese heute noch zu jenem ganz so wie vor tausend Jahren, und das, was es ihm in altersgrauer Zeit erzählte, versteht er heute noch so gut wie damals. So wird diese Natursage das ewig unerschöpfliche Element des Dichters für den Verkehr mit seinem Volke.«

Der dieses besondere Heimatsgut uns Deutschen auch in der Kunst der Töne völlig schenkte und damit den Grund einer deutschen Oper ausbaute, die in dem Schatten des heute herangewachsenen mächtigen Lebensbaumes unser ganzes tiefere Dasein hegt, war also Carl Maria von Weber. Ihm sei diese weitere biographische Skizze gewidmet.


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