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4. Kampf und Sieg.

(1812-1816)

 

»Mein Loos als Künstler verdrängt das Glück des Menschen in mir,« so schreibt am 26. Juli 1815 Weber an seinen Salzburger Freund Susan, und wirklich sind diese Jahre des edlen Freischützcomponisten eine scharfe Erprobung, ob vor dem unabweislichen Bedürfen des Herzens der Künstler besteht und ob der ebenso unüberwindliche Drang des Künstlers nicht den Menschen in ihm ertödten müsse. Zum Glück finden sein kluger Sinn und seine große Macht über sich selbst den Weg aus diesem jugendlich leidenschaftlichen Labyrinthe und lassen ihn zum schönsten Ziele vordringen.

»Unendlich schmerzlich ward mir diese Trennung, ich werde sobald nicht wieder solche gute herrliche Menschen finden,« schreibt er in seine Aufzeichnungen, als er jenes Berlin verlassen, das ihn nach seiner Sonderart erst völlig hatte reifen lassen und auch der erste Boden seiner eigenartigst schöpferischen Thätigkeit werden sollte. »Ich denke mir immer meine Freunde in Berlin als Eine Familie. O daß ich euch alle ebenso wiederfände, daß nichts abstürbe im Gemüthe und der Liebe!« ruft er ihnen später einmal zu.

Zunächst verweilte er einige Zeit bei dem kunstschwärmenden Herzog August von Gotha und zwar auf eine Weise, die nicht entfernt den Fürsten über dem bedürftigen Künstler erhaben zeigte, sondern im Gegentheil demselben eine anregende Heimatsstätte für den Menschen wie für den Genius bot. Hier traf er auch Ludwig Spohr, der an musikalischer Formgestaltung ihm damals weit überlegen nicht unbedeutenden Einfluß nach dieser Seite seines Schaffens auf ihn gewann. Ein Zufall ließ sie während dieser Kriegszeit eines Nachts dort garnisonirende spanische Soldaten singen hören und die Winterkälte hinderte sie nicht, sich diese originellen Melodien durch volle zwei Stunden tief einzuprägen: Webers »Preziosa« soll ebendavon Fruchtkeime empfangen haben.

Auch Goethe hatte er jetzt »einmal recht angenehm genossen«, fügt aber hinzu: »Es ist eine sonderbare Sache mit der näheren Vertraulichkeit eines großen Geistes, man sollte diese Herren nur immer aus der Ferne anstaunen.« Dem Dichter stand die freiere Sprache der Musik, die damals begann, nach seiner antik plastischen Anschauung zu ferne. Verstand er doch auch Beethoven nicht recht!

Der Beweggrund, dann aufs neue den Wanderstab zu ergreifen, war die pietätvolle Uebernahme der mancherlei Schulden, die sein sonderlicher Vater in Mannheim gemacht hatte. Er gedachte diesmal Oberitalien und Frankreich zu besuchen, als auf der Durchreise jener liebenswürdige Theaterdirector »Papa Liebich« in Prag, dem niemand etwas abschlagen konnte, ihn einlud, sein Orchesterdirector zu werden, das heißt im Grunde, ihm neben dem Schauspiel eine wirkliche Oper zu begründen. »Ich kann mich schwer entschließen, meine Pläne nach Italien fahren zu lassen, aber um die Wonne zu genießen, bald als braver Kerl meine Schulden bezahlen zu können, thue ich schon etwas! Vorwärts!« schrieb er und lud sich mit diesem männlichen Entschlüsse durch Jahre eine schwere Pein auf, die nur dadurch etwas versüßt wurde, daß er zugleich sein Ideal, die Begründung einer deutschen Oper, verfolgen konnte und sich selbst hier zu diesem seinem Lebenswerke stärkte und befähigte. »Nie, und ich lege dabei feierlich die Hand aufs Herz, nie soll die Welt sich in dem Zutrauen getäuscht finden, das sie vielleicht zu mir hegt,« schreibt er im März 1813 an Rochlitz. »Und sollte es Ihnen jemals so scheinen, als wollte ich abweichen, wanken und nachlässig werden, so halten Sie mir diese Zeilen vor als einen heiligen Vertrag, den ich mit der Kunst geschlossen und den ich bis zum letzten Athemzuge zu halten streben werde.«

Er hatte das Personal für das neue Unternehmen zu gewinnen. Caroline Brandt, die gefeierte Soubrette, war die erste, die er engagirte: sie sollte seine Gattin werden, allein nach welchen Qualen, sagt uns der Ausruf des Eingangs. Dann ging es nach Wien und jetzt sieht er schärfer als zuvor. »Ich finde beinahe alles unter meiner Erwartung, die großen Lichter werden so klein, wenn man sie in der Nähe sieht. Moscheles, Hummel, von Krafft sind alles nur Sterne von braver aber gewöhnlicher Größe,« schreibt er am 13. April 1813, – Beethovens, der allerdings schon damals sich mehr und mehr persönlich zurückzog, erwähnt er nicht. Zurückgekehrt klagt er dann: »Das Orchester ist in Rebellion! Die Correspondenz mit allen neu zu engagirenden Mitgliedern, die Organisirung aller Contracte, neue Gesetze für Orchester und Chor, eine confuse Bibliothek in Ordnung bringen, dazu das Ueberlaufen von Menschen, es ist unbeschreiblich. Ich stehe um sechs Uhr auf und arbeite noch oft um zwölf Uhr.« Der schaffende Künstler hatte in dieser Thätigkeit zu schweigen, allein der Organisator einer deutschen Bühne im umfangreichsten Sinne wuchs hier heran, und wie bedeutungsvoll hat die Welt an seinem größeren Nachfolger in Bayreuth gesehen. Sogar böhmisch erlernte er, um dem Personal in jedem Augenblicke kräftig auf dem Nacken sitzen zu können.

Allein eines ward ebendamals in Prag mächtig angeregt, die Neigung für das Romantische, die in ihm selbst stack und die ja zugleich die Sehnsucht nach der Rückkehr aus der kühlen Allerweltsbildung zum trauten Heimatlichen war. Die politischen Verhältnisse führten in diesem Jahre in Prag viel hohe Persönlichkeiten zusammen. Mit ihnen in Beziehung standen Dichter wie Clemens Brentano und Ludwig Tieck. Ersterer scheint mit seinem phantastisch geistreichen Wesen unseren Freund eine Weile völlig gefesselt zu haben und letzterem verdankte er manche belehrend schöne Stunde. »Ich sang ihm sein Lied vor, du weißt, das verfluchte (»Sind es Freuden?«) und es gefiel ihm außerordentlich. Vielleicht macht er mir auch eine Oper,« schreibt er, und die Literaturgeschichte hat mit Recht festgestellt: »Was die romantischen Dichter anstrebten aber nicht konnten, das wollte Weber auch und konnte es.« Der volle Strom erwuchs jedoch erst, als die nationale Poesie riesengroß sich mit dem tiefen Fluten der deutschen Musik verband, die mehr als alles zuvor aus dieser heimisch-romantischen Tiefe erquollen ist.

Zwischen all dieses geistige und geschäftliche Treiben drängte sich nun hier wie Rankengetriebe durch Gestein eine verzehrende Liebesleidenschaft, es war die Tänzerin Therese Brunetti, die dem in sein künstlerisches Thun Verwickelten damals geradezu ein Seelenleid anthat. Wenige Notizen seines Tagebuches genügen, aber sie zeigen uns den heftig erschreckt Träumenden vor dem seligen Erwachen.

»Fürchterliche Scene. Es ist wirklich ein hartes Schicksal, daß das erste Weib, das ich wahrhaft und innig liebe, mich untreu glaubt, und das ist doch bei Gott nicht wahr, der schönste Traum ist vorüber, Vertrauen kommt nicht mehr, die Kette riß,« so ruft er am 8. November 1813 aus. Und Tags darauf: »Zu Theresen. Unendliche schmerzliche Erklärung, ich vergoß die ersten Thränen, die mir der Schmerz abpreßte.« Dann vierzehn Tage später: »Sie liebt mich nicht. Denn wie wäre es sonst möglich, daß sie mit solcher Wärme von ihrer ersten Liebe sprechen könnte, daß sie jedes kleinen Umstandes beim Anfang derselben mit Entzücken erwähnt? ... Ich will also wieder mich in mich selbst verschließen und sie soll wenigstens nicht sagen können, daß ich sie nicht innigst liebte, alles will ich zu ihrer Freude thun, meine bittre Ueberzeugung tief in mir vergraben und – arbeiten.« Dabei war im Gegentheil diese Frau untreu und leichtlebig. Man erkennt aber, wie tief sein Sehnen, sein Bedürfen nach solchem rein menschlichen Glücke war. »So allein wie ich jetzt stehe, habe ich lange nicht gestanden,« hatte er schon vorher an Gänsbacher geschrieben. »Wie Gott will! Ich habe Kraft zur Ausdauer und stürze mich in einen Strudel von Arbeit, der mich betäuben soll.« Er wollte schon an den Frauen verzweifeln, da lernte er die Eine näher kennen, die zwar ebenfalls in harten Prüfungen seiner Empfindung aber doch zuletzt siegreich ihn nicht blos »Weibes Wonne«, sondern auch »Weibes Werth« kennen lehrte: Caroline Brandt.

Sie war ebenfalls ein Kind der Bühne und als ausgezeichnete Künstlerin auf ihr so sehr zu Hause, daß sie sogar Weber selbst in Ausführung dessen, was »packt«, mit ihren Erfahrungen unterstützen konnte. Doch hatte sie andrerseits trotz einer gewissen genialischen Heftigkeit und Ungebundenheit jene Zauberkraft des ächten Weibes, »eine Atmosphäre unbeschreiblicher Wohnlichkeit und Behaglichkeit um sich zu verbreiten«, und so sprang hier rasch die ächte Herzensneigung hervor und drängte jede Sinnenleidenschaft zurück. Dabei flammt auch so recht die Begeisterung für seine Kunst wieder auf. »Ein übermenschliches Glück ist es, wenn ich einst meiner Kunst nur noch einige Zeit meines elenden Daseins retten könnte,« schreibt er im Sommer 1814 von einem Badeorte aus an sie. »O meine Lina, könntest du mir ins Auge schauen, könnte ich dich an meine Brust drücken!« Wir hören Weberschen Melodienschwung, und jetzt steht auch nahe ein Werk bevor, das ihn so recht der Nation schenken sollte: » Leyer und Schwert

Er reiste aus jenem Bade nach Berlin. »Ich kann nicht leugnen, daß diese enthusiastische, beinahe übertriebene Verehrung meiner Arbeiten und diese herzliche Aufnahme von allen Seiten mich recht aufgeregt und meinem Geiste einen neuen Anstoß und Schwung gegeben hat, und ich hoffe recht viel zu leisten und neue Lust und Kraft zum Arbeiten mitzunehmen,« schreibt er der Geliebten. Es war die Zeit, als die Befreiungskriege die Nation »aus dem Gröbsten herauszuhauen« begannen und die Deutschen sich zum ersten Male als ein allgemeinsames Volk fühlen sollten. Waren nicht die Preußen von jeher ein ganz besonderes deutsches Kriegsvolk gewesen? »Von dem einzigen Tirtäus könnte er die heroischen Gesinnungen, den Geiz nach Gefahren, den Stolz, für das Vaterland zu sterben, erlernt haben, wenn sie einem Preußen nicht ebenso natürlich wären wie einem Spartaner,« schrieb schon 1758 Lessing über die »Preußischen Kriegslieder von einem Grenadier«. Und Rahel Varnhagen sagt noch 1820 mit Recht: »Hier haben wir keinen andern Volksgesang, als den Wachtstuben- und Handwerksburschengesang. Nun giebt's noch Soldatenlieder aus dem Kriege.« Dazu war jetzt alles in strömender Bewegung, die auch Weber so ergriff, daß sich sein ganzes Wesen innerlich gehoben und umgemodelt fühlte. »In den acht Tagen, die ich hier bin, habe ich schon mehr gespielt als die ganze Zeit meines Aufenthaltes in Prag, auch fangen zu meiner Freude schon mancherlei musikalische Ideen wieder an, sich in meinem Kopfe zu entwickeln und zu bilden,« schreibt er. Obendrein erstand ihm hier eine Hoffnung auf dauernde Anstellung, in seinen jetzigen persönlichen Hoffnungen und Wünschen ein verheißungsreicher Trost!

»Den 13. componirte ich zwei Lieder,« heißt es im September 1814 von Gräfentonna in Thüringen aus: es waren »Lützows wilde Jagd« und das »Schwertlied«! Seine Umgebung beflügelte die ohnehin schon erregte Phantasie. »Das uralte Schloß, in dem ich hause und in dessen schauerlichen Gemächern beim Klappern alter Fenstern und Thüren ich diese Zeile schreibe, umfaßt mich recht wohlthätig mit seiner Stille und giebt mir in dem geistvollen Umgange mit dem Herzoge eine gewisse gemüthliche Ruhe,« schreibt er: der enthusiastische Herzog von Gotha hatte ihn wieder zu sich eingeladen. In Prag wurden dann trotz der »alten unglückselig geisttödtenden Stimmung«, die der »große Steinhaufen« und die trüben Theaterverhältnisse sogleich wieder über ihn brachten, bald die übrigen Lieder aus »Leyer und Schwert« niedergeschrieben, die er in jener erhöhten Seelenverfassung gefunden hatte und die den hohen Geist der Befreiungskriege für immer künstlerisch gefestet haben.

Dadurch ward ihm aber auch immer deutlicher, daß er selbst sich in eine solche Atmosphäre freieren geistigen Lebens begeben müsse, wenn er noch künstlerisch schaffen, noch geistig leben wolle. »Ich habe den 26. Fidelio gegeben, der trefflich ging,« schreibt er im December 1814 an Gänsbacher. »Es sind wahrhaft große Sachen in der Musik, aber sie verstehen's nicht, man möchte des Teufels werden!« Und an Gottfried Weber: »Das Böhmerland ist ein wahres geistiges Spital für mich geworden.« Obendrein gab es bald ärgerliche Mißverständnisse und gegenseitige Reizungen mit seiner geliebten Lina. Alles dies bestimmte ihn, Prag zunächst in Urlaub zu verlassen und dann ganz aufzugeben.

Er begab sich im Sommer 1815 nach München, als dort soeben die Nachricht vom Siege bei Waterloo eintraf und sich der Freudentaumel, den er in Berlin erlebt, gesteigert wiederholte. Er beschloß das große Ereignis durch eine bedeutende That seiner Kunst zu feiern: es ist die Cantate »Kampf und Sieg«, was daraus entstand, das erste Werk Webers in größerem Styl und Rahmen. Es sollte denn auch seinen Componistenruf dauernd begründen und dadurch ihm selbst wieder Raum und Ruhe zu künstlerischen Schöpfungen gewähren. »Ich habe einmal mein Leben daran gesetzt, für andere zu leben und ihnen meine Kunst zur freudigen Beute zu geben,« schreibt er. »Auf alles Lebensglück Verzicht leistend bin ich also ein Schlachtopfer der Welt.« Allein eben diese ächte Hingebung des Genius barg in ihrem Schooße auch das, was dessen eigentliches Glück ausmacht.

Einen wahren Kampf und Sieg hatte er derweilen aber in sich selbst durchzumachen. »Ich habe dir ein Bild meines Kunstlebens in Prag, das ein immerwährendes Sterben ist, gegeben,« schreibt er an den »harmonischen Bruder« Gottfried Weber. »Dazu gesellt sich seit Jahr und Tag eine unendlich heftige Liebe, meine erste! – Hatte ich vorher über alles gelacht, was ich darüber gelesen und gehört hatte, so lernte ich nun an mir selbst das Unbegreifliche begreiflich finden ... Wer mit einer solchen Heftigkeit und so tiefem Gefühle liebt wie ich, für den ist der Frohsinn verloren ... Ich bin so reizbar und weich geworden, ich kann jetzt sogar weinen.« Und eine solche Liebeshoffnung sollte unerfüllt und unfruchtbar bleiben? Caroline fand, daß sie ihr Verhältnis zu Weber lösen müsse: es war neben kleinlichen Zwischenträgereien und anderen Gründen die wohlbegreifliche Eifersucht auf sein künstlerisches Schaffen, das je ernster und tiefer es ward, ihn ihrem Herzen zu entfremden schien. Denn solche innere Geistesthätigkeit macht für Andere zeitweise gänzlich geistesabwesend. »Du kannst denken, wie sehr mich eine solche Arbeit wie die Cantate, die meinen Ruf in der Welt begründen kann, Tag und Nacht beschäftigt,« schreibt er an Weber, und an Caroline: »Du weißt von jeher, daß ich ernst und finster bin, und wenn ich jetzt so bin, so ist mir das wohl nicht zu verargen. Ja ja, der Kunst hast du mich freilich wiedergegeben, so ganz, daß auch sonst für nichts mehr ein Funke Hoffnung oder Freude in mir glimmt. Ganz abgeschlossen bin ich für sie, denn etwas muß ich doch noch auf dieser Welt bedeuten, wenn ich nicht ganz mich selbst als ein des Lebens unwürdiges Wesen betrachten soll.« Sein Herz blutet. »Mit Wonnegefühlen zaubere ich mir die seligen Stunden zurück, die ich durch deine Liebe genoß, wo kein feindseliger Dämon sich zwischen uns drängte, du alle deine unendliche Lieblichkeit entfaltetest und mein Ernst dem Vollgefühle einer glühend erwiederten Liebe wich und ich ahnte, daß nur solche Augenblicke das Höchste sind,« schreibt er an sie. »Unvergeßlich und ewig theuer wird mir deine Sorgfalt für mich sein, stets sehe ich dich mir entgegenschweben, wenn ich der Last des Tages entronnen war. Mit thränend frohen Augen kann ich mich unserer wahrhaft oft kinderähnlichen Possen und Scherze erinnern.« Der Schmerz durchglüht seine Seele und läutert sie. Mit den Worten: »Sei heiter, sei froh! Und bist du dies einst, so gedenke in glücklichen Stunden deines armen Carls, der unveränderlich bis zum letzten Hauche dich liebte und in dem du unvergeßlich leben wirst, bis einst die Zeit und sein Gefühl ihn reif gemacht haben hinüberzugehen. Leb' wohl!« – mit diesen schmerzlichen Worten nimmt er Abschied von ihr, um durch diesen Beweis der Uebermacht über sich selbst sie – erst recht zu gewinnen. Sie hatte gesehen, daß er seinem Berufe als Mann und Künstler sogar ein solches persönliches Glück zu opfern im Stande war, und warum will Leonore sogar ihr Leben für den gefangenen Gatten hingeben? Florestan »wagte Wahrheit kühn zu sagen«, und Weber wußte, daß er an letzter Stelle doch der Kunst angehöre.- Caroline hatte diese Wahrheit jetzt erprobt und war sein fürs Leben. Schon bald nach seiner Rückkunft in Prag fanden die liebeglühenden Herzen einander wieder.

Die Aufnahme der Cantate war selbst in dem schwerzubewegenden Prag eine durchschlagende. Weber reiste darauf im Sommer 1816 nach Berlin, wo dieselbe ebenfalls den größten Enthusiasmus erregte. Er vermittelte dort für seine Caroline ein Gastspiel, und der persönliche Anblick der Verehrung, die er hier in allen Kreisen genoß, sowie das Gefühl, daß er denn doch als Künstler etwas ganz anderes bedeute als sie selbst in ihrem bescheidenen Kreise von Darstellungen auf der Bühne, mußten sie erst völlig davon Überzeugen, daß sie einem solchen Manne gegenüber mir berufen sei, ihr ganzes Dasein seinem edlen Streben zu widmen: es fand denn auch hier die förmliche Verlobung statt. Und dies konnte um so eher geschehen, als ihm für Berlin, wo statt seiner Bernhard Romberg angestellt worden war, mehrere andere Städte die Stellung als Capellmeister anboten. Er wählte Dresden, weil dort eine deutsche Oper neubegründet werden sollte und ihm in dieser Hinsicht durch sein eigenes energisches und umsichtiges Vorgehen in Einstudirung Allerwelts-Opern in Prag die beste Vorschule zu Theil geworden war.

So war ihm selbst ebenfalls durch Kampf Sieg geworden: er hatte ein Weib gefunden, das ihm wie angeboren war und daher sein ganzes Herz erfüllte, und sollte jetzt einen Beruf gewinnen, der sein ganzes künstlerisches Können in thätigen Anspruch nahm und demselben zugleich allüberall neue schöpferische Aufgaben stellte.


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