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Louis Spohr (1784 – 1859)

[Vorwort]

Am 8. November 1859 schrieb von Paris aus Richard Wagner an die Constitutionelle Zeitung in Dresden Folgendes:

»Fast gleichzeitig starben mir zwei würdige hochverehrte Greise. Der Verlust des einen traf die ganze musikalische Welt, die den Tod Ludwig Spohrs betrauert: ihr überlasse ich's zu ermessen, welch' reiche Kraft, welch' edle Productivität mit des Meisters Hingange aus dem Leben schied. Mich gemahnt es kummervoll, wie nun der letzte aus der Reihe jener echten, ernsten Musiker von uns ging, deren Jugend noch von der strahlenden Sonne Mozarts unmittelbar beleuchtet ward und die mit rührender Treue das empfangene Licht, wie Vestalinnen die ihnen anvertraute Flamme, pflegten und gegen alle Stürme und Winde des Lebens auf keuschem Herde bewahrten. Dieses schöne Amt erhielt den Menschen in Spohr rein und edel, und wenn es gilt, mit Einem Zuge das zu bezeichnen, was aus Spohr so unauslöschlich eindrucksvoll zu mir sprach, so nenne ich es, wenn ich sage: er war ein ernster, redlicher Meister seiner Kunst und seine schönste Erquickung quoll aus der Kraft seines Glaubens. Und dieser ernste Glaube machte ihn frei von jeder persönlichen Kleinheit; was ihm durchaus unverständlich blieb, ließ er als ihm fremd abseits liegen, ohne es anzufeinden und zu verfolgen: dies war seine ihm oft nachgesagte Kälte und Schroffheit! Was ihm dagegen verständlich wurde, – und ein tiefes feines Gefühl war dem Schöpfer der Jessonda wohl zuzutrauen, – das liebte und schützte er unumwunden und eifrig, sobald er Eines in ihm erkannte: Ernst, Ernst mit der Kunst! Und hierin lag das Band, das ihn noch im hohen Alter an das neue Kunststreben knüpfte: er konnte ihm endlich fremd werden, nie aber feind. – Ehre unserm Spohr! Verehrung seinem Andenken! Treue Pflege seinem edlen Beispiele!«

So haben wir es diesmal nicht mit einem jener Heroen der Kunst zu thun, die deren Entwicklung mit einem mächtigen Ruck in wesentlicher Weise erweiterten. Sondern in behaglicher und fast idyllischer Ruhe breitet sich in diesem langen Künstlerleben der bis dahin gewonnene Bestand der Musik als ein wonnig beglückender Besitz freundlich zum Mitgenusse einladend aus. Darum sind es nicht eigentlich entscheidend große Kunstthaten, was uns diesmal begegnen wird, wohl aber ein durch das Ideale der Kunst schön verklärtes menschliches Dasein, sodaß wir hier mehr ein Intermezzo zwischen den vorwärts dringenden Acten einer großen Handlung als selbst ein Drama vor uns sehen. »Spohr zeigt sich überall muthvoll, entschlossen, tapfer, mit einem Wort echt männlich,« heißt es in dem Vorworte zu seiner Selbstbiographie von dem fast sieben Fuß hohen kräftigen Manne; »Spohr war wie alle edlen Naturen streng sittlich und von einer fast mädchenhaften Züchtigkeit; er kannte keinen Neid, sondern nur die aufrichtigste Freude über die Erfolge und Leistungen Anderer, er hatte daher eigentlich keinen Feind; wir waren oft Zeuge, daß starke Ausdrücke des Beifalls über seine Leistungen ihn eher drückten und belästigten als erfreuten.« Als er bei seinem Jubiläum stürmisch hervorgerufen wurde, äußerte er, es sei ihm als ob er auf das Schaffot geführt werde, und als er einst zum Geburtstage seines Kurfürsten in Gala zu erscheinen hatte, hüllte er sich bei zwanzig Grad Wärme in einen großen Wintermantel und antwortete einem theilnehmend nach seiner Gesundheit fragenden Freunde, den Mantel zurückschlagend und die mit Orden bedeckte Brust zeigend: »Ich schäme mich nur, so über die Straße zu gehen.« Niemals auch widmete er ohne unabweisbare Aufforderung einem Fürsten oder Großen eines seiner Werke.

Es erklingen also hier so recht alle jene Saiten, die ganz eigens das Gemüth und den Charakter des deutschen, zumal des norddeutschen Künstlers ausmachen, und wir haben dieselben eben nur als solche erklingen zu lassen, um fühlbarst in der Nähe und sogar in dem eigensten Athemskreise dieses Altmeisters der ausgehenden classischen Musikperiode zu weilen. Wozu uns denn zum Glück diesmal obendrein seine eigenen Lebensaufzeichnungen die leichteste Brücke schlagen, die zugleich gar manches anziehende Genre- und Sittenbild bringen und daher auch allgemeineren Antheil erwecken!


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