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Corisande

Ehemals hatten sich die Leute in der kleinen Stadt darüber gewundert, daß die alte Gräfin noch lebte. Nun wunderten sie sich nicht mehr, denn einmal im Leben hört das Staunen auf, selbst bei den verwunderlichsten Dingen. Vor Zeiten, wenn irgendeine böse Krankheit in die Stadt kam, oder wenn ein strenger Winter Stein und Bein gefrieren machte, da sagten die Bewohner des Städtchens zueinander: Nun wird wohl die alte Gräfin auch draufgehen! Aber sie ging nicht drauf, und schon seit Jahren hieß es, daß die alte Dame nicht stürbe, weil sie nicht sterben könne. Aus welchem Grunde sie das nicht vermöchte, wußte niemand anzugeben, und schließlich war es den Fernstehenden auch gleichgültig; wohl darum, weil beim Leben und Sterben doch kein Mensch mitzureden hat.

Jedenfalls konnte sich niemand das alte Haus in der stillen Straße ohne die Gräfin denken, zumal die Kinder. Denn gegen die war die alte Dame am freundlichsten. An warmen Frühlingstagen, oder wenn der Herbst noch goldigen Sonnenschein brachte, saß sie am geöffneten Fenster, das nach der Straße ging, und sah den Kindern zu, die vor dem Hause spielten. Sie hatte nichts dagegen, daß in ihrem kleinen Vorgarten Ball und Kreisel gespielt wurde, und wenn sich die Jungen prügelten, so lachte sie und klatschte in die Hände. Daher sagten auch die meisten vernünftigen Leute, der Verstand der Gräfin sei nicht mehr ganz in Ordnung, und das mochte wohl auch der Fall sein, obgleich darüber nichts Gewisses erkündet werden konnte. Denn ihre Gesellschafterin, Fräulein Ahlborn, gehörte zu den stillen alten Jungfern, von denen es ja noch etliche in der Welt gibt. Sie sprach niemals über ihre Herrin, und selbst die neugierigste Kaffeebase des Städtchens hatte es aufgegeben, mit ihr in Verkehr zu kommen. Wer also etwas von der Vergangenheit und den Schicksalen der alten Gräfin wissen wollte, der mußte sich an sie selbst wenden. Die Auskunft aber, die dann erteilt wurde, befriedigte nicht alle Frager. Denn meistens klagte dann die Dame sehr über ihre Gesellschafterin, die sie nach alter Sitte nur bei ihrem Vatersnamen nannte.

Ahlborn war nach ihrer Beschreibung ein junges, dummes und sehr unbrauchbares Geschöpf, das lauter unnütze Dinge im Kopfe habe und deshalb auch nächstens weggeschickt würde. Sie habe große Anlage zur Trägheit, sitze am liebsten den ganzen Tag im Lehnstuhl und sei neulich so frech gewesen, von ihrem letzten Willen zu sprechen. Ihr letzter Wille! Die Gräfin ereiferte sich. Es sei ihr unbegreiflich, wie ein so junges Mädchen auf diesen trübseligen Gedanken kommen könne! Es sei entschieden notwendig, daß Ahlborn bald heirate, dann würde auch ihre Stimmung besser werden.

So redete die alte Dame, und der neugierige Besucher saß da mit unheimlichen Gefühlen. War ihm doch bekannt, daß Fräulein Ahlborn fünfundsiebzig Jahre zählte, daß sie also vielleicht ein kleines Recht darauf hatte, an ihren letzten Willen zu denken. Gehörte der Besucher dem geistlichen Stande an, wie es meistens der Fall war, so begann er wohl unter einigem Räuspern davon zu sprechen, daß es vielleicht nicht übel sei, gelegentlich den Tod, der ja alle Menschen einmal ereile, ins Auge zu fassen. Aber weiter kam er nicht mit seiner Bemerkung, denn die Gräfin wurde nun sehr böse. Es sei unpassend, sagte sie, in anständiger Gesellschaft vom Tode zu sprechen. Man müsse immer tun, als gäbe es keinen Tod, dann komme er auch nicht zu einem. So halte man es bei Hofe, und so habe sie es auch immer getan.

Wenn sich der vorlaute Besucher kopfschüttelnd entfernt hatte, dann pflegte die Gräfin Fräulein Ahlborn rufen zu lassen und ihr in wenigen raschen Worten zu kündigen. Sie passen nicht für mich! Sie sind zu jung für ihre Stellung, zu unbedacht! sagte sie dann in ihrer kurzen Weise. Dann nickte Fräulein Ahlborn ruhig, denn sie kannte diese Kündigungen seit mehr als fünfzig Jahren und wußte, daß sie die Gräfin nach einer Viertelstunde wieder vergessen hatte.

So war es denn auch. Wenn die alte Dame den Kopf in die Kissen ihres Lehnstuhls gedrückt und fünf Minuten geschlafen hatte, so wußte sie nichts mehr von ihrem Ärger über Fräulein Ahlborn und sah wieder nach den Kindern aus, die auf der Straße spielten. Sie verlangte Leben und Geräusch, und wenn die Kinder still waren, dann mußte Fräulein Ahlborn Kuchen unter sie verteilen. Sofort versammelte sich eine große Schar vor der Haustür; es gab Geschrei und Gelächter, Danksagungen und auch wohl ein gelegentliches Geheul, wenn sich jemand benachteiligt glaubte; aber die alte Gräfin freute sich über alles. Manchmal sah sie dann allerdings mit einem merkwürdig forschenden Ausdruck die Straße hinab, als erwartete sie noch jemand. Wenn aber niemand kam, so horchte sie wieder auf die Kinderstimmen.

Sehr viel Besuch kam nicht in das stille Haus. Hin und wieder einige jüngere Aristokraten, die der Gräfin flüchtig die Hand küßten, über das Wetter sprachen, in dem dunkeln Eßzimmer einige Gläser Portwein tranken und sehr gnädig gegen Fräulein Ahlborn waren. Sie brachten ihr wertvolle Geschenke, klopften sie auf die Schulter und versicherten sie ihrer unauslöschlichen Dankbarkeit. Diese dankbaren Menschen waren die Enkelkinder der alten Dame, und für einen Fremden mußte es etwas Rührendes haben, wie sehr sie sich über das lange Leben ihrer Großmutter freuten.

Fräulein Ahlborn aber war keine Fremde und daher auch nicht gerührt. Sie wußte ganz genau, daß diese zärtliche Liebe nur der großen Pension galt, die die Gräfin aus einem Nachbarstaate bezog, und die fast ganz ungeschmälert unter die Enkelkinder verteilt wurde. Es war eine bedeutende Summe, die halbjährlich zur Auszahlung kam, und die Nachkommen der Gräfin konnten sie gut gebrauchen. Wenn aber die Gräfin starb, so versiegte die Einnahmequelle.

Nur viel Champagner, liebes Fräulein Ahlborn! flüsterte die hübsche kleine Baronin, die Enkelin der Gräfin. Und vergessen Sie die Austern nicht!

Die Verwandten saßen in dem kühlen Eßzimmer und warteten auf die Verteilung der Pension.

Großmama muß auch manchmal geistige Anregung haben, meinte ein junger Mann, der nachdenklich den dunkelroten Wein in seinem Glase betrachtete. Sie hat doch etwas abgenommen in den letzten sechs Monaten. Als ich ihr heute erzählte, daß es geregnet habe, sah sie mich ganz fassungslos an!

Wahrscheinlich haben Sie ihr diese Bemerkung schon öfter gemacht, meinte Fräulein Ahlborn. Sie müssen ihr etwas Heiteres, Lustiges erzählen, das regt sie an!

Etwas Lustiges? Du lieber Gott! Die kleine Baronin schauderte. Sie kommt mir gar nicht lustig vor, eher leichen- und gespensterhaft! Weißt du, Arwed – sie wandte sich an ihren Gatten, einen ältern Herrn, der noch kein Wort gesagt hatte –, weißt du, daß mir Mama einmal erzählte, Großmama könne nicht sterben, weil sie nicht wolle? Sie wartet noch auf jemand, den sie vorher sprechen muß!

Dummes Zeug! murmelte der Baron. Er hatte schon vorhin sehr mißmutig ausgesehen; nun wurde sein verlebtes Gesicht noch verdrießlicher.

Ihr Männer sagt immer: Dummes Zeug! wenn wir euch etwas Interessantes erzählen, schmollte die Baronin. Mama hat es mir gesagt, und sie mußte etwas davon verstehen, wenn sie auch nicht allzuviel mit ihrer Mutter verkehrt hatte. Ich glaube, die Großeltern haben getrennt gelebt. Nun einerlei, ich gönne Großmama von Herzen einen stillen Tod.

Baron Arwed fuhr auf und warf seiner Gemahlin einen strengen Blick zu. Schweigt sagte er heftig; wie kann man so gottvergessen sein und einem menschlichen Wesen, noch dazu seiner eignen Großmutter, den Tod wünschen? Er fuhr sich mit der Hand über den kahlen Kopf und räusperte sich laut. Ich für meine Person danke der Vorsehung täglich, daß sie uns das teure Leben deiner Großmutter solange erhalten hat. Möge sie es auch noch ferner in ihren Schutz nehmen.

Einige der Anwesenden murmelten eine Zustimmung; dann wurde noch etwas Wein getrunken, und Fräulein Ahlborn brachte die heute eingetroffne Pension. Gewissenhaft wurde sie verteilt, und als die kleine Baronin ein dickes Paket Banknoten in der Tasche ihres Mannes verschwinden sah, empfand auch sie große Dankbarkeit gegen die Vorsehung. Das hinderte sie aber nicht, während sie Fräulein Ahlborn beim Abschiede noch Austern und Champagner für die Gräfin empfahl, im stillen den lieben Gott zu bitten, sie selbst doch nicht so entsetzlich alt werden zu lassen. Als sich die Verwandten alle schnell verabschiedet hatten, saß die Gräfin am Fenster und sah den Davoneilenden nach.

Ahlborn, sagte sie verwundert, sollten das Lolos Kinder gewesen sein?

Ja, Ihro Gnaden; es waren die Kinder von Komteß Lolo!

Wie alt kommen die mir vor! Es scheinen keine Kinder mehr zu sein.

Die Frau Baronin ist doch erst fünfunddreißig! erlaubte sich Fräulein Ahlborn zu bemerken.

Die alte Dame erhob abwehrend die Hände. Sprechen Sie nicht von so abscheulich hohen Zahlen, Ahlborn! Ich will es nicht wissen, wie alt die Menschen sind, es regt mich auf! Sie mit Ihrer jugendlichen Unbedachtsamkeit passen nicht für mich, Ahlborn. Sie müssen heiraten, das ist die beste Lösung für Sie. Ich werde mich nach einer Partie für Sie umsehen, dann können Sie mich verlassen. Haben Sie mich verstanden?

Gewiß, Euer Gnaden; ich werde gehen.

Da kommen die Kinder aus der Schule! sagte die Gräfin, und über ihr welkes Gesicht glitt ein flüchtiger Freudenstrahl. Bringen Sie doch den Kleinen Kuchen, und sorgen Sie dafür, daß sie morgen Schokolade bekommen!

Dann schlief sie ein.

Wenn die heißen Sommertage kamen, dann saß die Gräfin in ihrem Garten. Dort war es kühl und schattig, und da an der einen Seite ihres Besitztums ein kleiner Landsee lag, so fehlte es ihr auch nicht an einer gelegentlichen Abwechselung. Hier flogen die Möwen über den glatten Wasserspiegel, aus dem Schilf flatterten wilde Enten, und hin und wieder glitt ein Schiffchen vorbei. Die Kahnfahrer sangen auch, manchmal lustige, manchmal traurige Lieder. Dann hob die alte Gräfin den Kopf und lauschte. Sie summte wohl auch selbst ein Liedchen, bis sie die Melodie vergaß und sich mit einem suchenden Blick umsah. Doch die Melodie kam nicht wieder, und endlich schlief die Gräfin ein. Aber auch unter den blühenden Büschen des Gartens sehnte sie sich nach Jugend und nach lachenden Gesichtern, und wenn es Fräulein Ahlborn gelang, einiger jungen Mädchen habhaft zu werden, dann war ihre alte Herrin sehr erfreut. Sie kamen nur nicht gern, diese jungen eben erblühten Mädchenknospen, und wenn sie konnten, verschwanden sie schnell wieder. Sie behaupteten, es sei ihnen bange vor der gespenstischen Gräfin, und Fräulein Ahlborn hatte ihre liebe Not, daß sie doch wenigstens etwas Schokolade und Kuchen genossen und sich eine Weile von den tiefliegenden Augen der alten Dame anstarren ließen.

Sie hatte eine besondre Art, diese jungen Gesichter anzusehen; etwa so, als wenn sie jemand suchte und ihn nicht finden könnte. Dann murmelte sie unverständliche Worte vor sich hin, schüttelte den Kopf und sah grenzenlos traurig aus. So traurig, daß selbst das junge Volk, das doch sonst mit dem Alter wenig Mitleid hat, eine Art Rührung empfand und Fräulein Ahlborn fragte, was denn die Gräfin suche. Worauf die Gesellschafterin allemal einen tiefen Seufzer ausstieß und antwortete: Was sie sucht, Kinder? Ich kann es euch nicht sagen, und ihr würdet die Geschichte auch nicht verstehen. Denn ihr versteht noch nicht alles, was in dieser argen Welt vorgeht. Wenn ihr aber einmal alt werden solltet, dann will ich euch nur wünschen, daß ihr niemals so suchen mögt, wie es meine arme Herrin tut!

Über diese kleine Rede lachten die Jungen immer sehr. Schon deswegen, weil es ihnen ganz unfaßlich schien, daß sie jemals alt und traurig werden könnten. Dann huschten sie davon und kamen lange nicht wieder.

Eines Tages war die alte Gräfin sehr unruhig gewesen und hatte Fräulein Ahlborn heftig gescholten. Sie langweile sich, behauptete sie mit weinerlicher Stimme. Es sei unerträglich, wenn man jung und schön sei, seine Jugend so in der Einsamkeit zu vertrauern. Sie wolle Abwechslung haben, Besuch, heitere Gäste, sonst gehe sie ins Wasser und suche Vergessenheit. Da sie inzwischen der Gesellschafterin auch wieder kündigte und ihr ihre törichte Jugend vorhielt, so hatte diese keinen leichten Stand. Und als die Gräfin auf ihrem Rollstuhl in den Garten hinausgefahren war – denn es brütete ein heißer Sommertag über der kleinen Stadt –, da stellte sich Fräulein Ahlborn an die geöffnete Tür ihres Hauses und blickte seufzend auf die menschenleere Straße.

Plötzlich fuhr sie zusammen, als wenn sie einen Geist sähe. Und doch war es kein Geist, sondern ein junges Mädchen, das dicht vor ihr stand und nachdenklich einen blühenden Rosenbusch betrachtete, der im Vorgarten wuchs, und dessen schneeweiße Blüten einen feinen Duft ausströmten. Einen Augenblick stand die Gesellschafterin unter dem Banne eines großen Erstaunens. Dann aber atmete sie erleichtert auf, pflückte einige Rosen von dem Strauch, bot sie der Fremden an und stammelte eine Einladung, in den Garten zu kommen. Auch sah sie so freundlich, so vertrauenerweckend aus, und das Haus war so einladend kühl, daß sie nicht lange zu bitten brauchte.

Im Garten saß die alte Gräfin und hatte die Augen halb geschlossen. Sie war ruhiger geworden, nur ein sehnsuchtsvoller Zug lag auf ihrem Gesicht, und manchmal fuhr sie empor und lauschte in die Ferne. Ein mit Champagner gefülltes Glas stand neben ihr; manchmal führte sie es mit zitternden Händen an die Lippen und trank einige Tropfen. Wenn ein Vogel besonders laut sang, dann öffnete sie wohl die Augen und blickte nach oben. Dann sah sie auch den blühenden Jasminbusch, unter dem sie saß, und atmete seinen Duft ein.

Plötzlich hörte sie Schritte neben sich, und als sie neugierig den Kopf wandte, richtete sie sich kerzengerade in die Höhe. Einen Augenblick war sie stumm, dann stieß sie einen Laut des Entzückens aus.

Corisande! Du bist es! Ach, ich wußte es ja, daß du heute kommen würdest! Ich wußte es!

Liebkosend strich ihre welke Hand über das gesenkte blonde Haupt der jungen Fremden.

Ich wußte es! wiederholte sie noch einmal triumphierenden Tones. Wenn meine Corisande zwei oder drei Tage verstreichen läßt, ohne mich zu besuchen, dann finde ich es ganz entsetzlich. Ich kann es nicht aushalten, Kleine, gerade jetzt nicht. Du weißt, meine Nerven haben gelitten durch die bösen Träume der letzten Zeit! Die bösen Träume!

Sie seufzte und winkte dann. Ahlborn, einen Stuhl für das gnädige Fräulein!

Gehorsam setzte sich das Mädchen auf einen Sessel, den die alte Gesellschafterin eilig herbeiholte, sah dann aber ängstlich um sich.

Fräulein Ahlborn legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm und flüsterte: Ihro Gnaden halten Sie für Corisande, für Fräulein Corisande. Lange schon verlangte sie nach Ihnen!

Wie überwältigt vor Freude hatte sich die alte Gräfin wieder in ihren Stuhl zurückgelegt. Die letzten Worte Fräulein Ahlborns hatte sie gehört, und sie nickte eifrig. Ja, Kleine, ich verlangte nach dir; obgleich Ahlborn noch so jung und unerfahren ist, so hat sie doch für meine Sehnsucht ein wenig Verständnis gezeigt. Aber du wirst mir darin beistimmen, daß ich sie bald entlasse. Sie paßt nicht für mich. Meine Gesellschafterin muß eine mehr gesetzte Person sein!

Hastig griff die Gräfin nach ihrem Champagnerglase und tat einen kräftigen Zug. Wo ist Corisandes Glas, Ahlborn? rief sie ungeduldig. Sie wissen doch, daß sie gern Champagner trinkt, wenn auch nicht so gern wie ich. Nun ja, wenn man Braut ist und jünger als ich, dann muß man die Dehors wahren! Sieben Jahre bist du jünger als ich, nicht wahr, Kleine? Deshalb habe ich auch immer versucht, dich zu behüten und zu bemuttern!

Die Gräfin lachte plötzlich. Nun, sehr viel Anlage habe ich eigentlich nicht zum Vernünftigsein. Mein Herz – sie machte eine Bewegung, als wenn sie körperliche Schmerzen empfände, dann lachte sie wieder und hielt ihr leeres Glas der Gesellschafterin hin. Euer Gnaden sollten nicht so viel sprechen, sagte diese, indem sie die Flasche aus dem Eiskübel nahm und vorsichtig das Glas füllte.

Seien Sie nicht so vorlaut! schalt die Gräfin. Das Mädchen kennt ihre Stellung gar nicht! seufzte sie, zu ihrem Besuch gewandt. Ich denke, daß ich bald einen braven Mann für sie finde; vielleicht einen Gutspächter. Aber lassen wir das. Du siehst reizend aus, Corisande! Sie sah das junge Mädchen mit strahlenden Augen an.

Habe ich es nicht immer gesagt, daß du sehr hübsch aussehen könntest? Deine Mutter behauptet, du hättest nur beauté de diable, aber das ist nicht wahr. Wenn du wie heute ein helles Kleid trägst, dazu an der Brust frische Rosen, dann finde ich dich entzückend. Prinz Christian hat mir neulich etwas Ähnliches über dich gesagt, und er ist ein feiner Kenner von Frauenschönheit. Auch Alfred findet dich hübsch, obgleich er erst ein wenig zweifelhaft war. Jetzt aber hat er sich sehr entschieden darüber ausgesprochen. Ganz gewiß, Kleine, er findet dich sehr hübsch!

Die Gräfin schwieg und sah nach den weißen Jasminzweigen über ihrem Haupte.


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