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Theater in Stambul.

Der Mann der zwei Witwen

Nach dem Zwischenakt fiel der Gazevorhang, auf dem die Marionetten sich abgezeichnet hatten; und wirkliche Schauspieler erschienen auf der Estrade, um den »Mann der zwei Witwen« aufzuführen.

In diesem Stück traten drei Frauen und ein Mann auf. Aber die Rollen wurden nur von Männern gespielt. Unter dem weiblichen Kostüm erreichen die orientalischen jungen Leute mit ihrer ganz femininen Anmut, der Zartheit ihrer Haut und einer Unbefangenheit der Nachahmung, die man bei uns nicht antreffen würde, eine vollkommene illusionistische Wirkung. Gewöhnlich sind es Griechen oder Circassier.

Man sieht zuerst eine Jüdin erscheinen, vom Gewerbe der Händlerinnen mit getragenen Kleidern. Diese pflegen gleichzeitig die Intrigen der Frauen zu begünstigen, mit denen sie in geschäftlicher Verbindung stehen. Sie rechnet uns die Summen vor, die sie verdient hat, und hofft noch mehr bei einer Angelegenheit mit einem jungen Türken namens Osman zu gewinnen. Das ist der Liebhaber einer reichen Witwe, der Hauptfrau eines Bimbachi oder Obersten, der im Kriege gefallen ist.

Da jede Frau nach drei Monaten der Witwenschaft wieder heiraten kann, ist zu vermuten, daß die Dame den Liebhaber nehmen wird. Denn sie hat ihn schon bei Lebzeiten des Gatten ausgezeichnet, und er ließ ihr durch Vermittlung der Jüdin verschiedene sinnbildliche Buketts überreichen. Daher beeilt sie sich, den glücklichen Osman einzuführen, der in diesem Haus nun keine Gefahren mehr zu fürchten hat.

Osman gibt seiner Hoffnung Ausdruck, man werde die Hochzeitsfackel unverzüglich entzünden. Aber o Undankbarkeit! oder vielmehr: o ewige Laune der Frauen! Sie lehnt die Heirat ab, wenn Osman ihr nicht verspreche, auch die zweite Frau des Bimbachi zu nehmen.

Tscheytan, zum Teufel! sagt Osman zu sich selbst Zwei Frauen heiraten, das ist bedenklicher ... Aber, Licht meiner Augen! sagt er zu der Witwe. Woher kommt Euch dieser Gedanke? Das ist eine ungewöhnliche Forderung.

Ich will es Euch erklären, erwidert die Witwe. Ich bin schön und jung, wie Ihr es mir immer gesagt habt. Nun, in diesem Haus wohnt eine Frau, die weniger schön und jung ist als ich. Aber durch ihre Künste hat sie meinen verstorbenen Gatten dazu gebracht, sie zu heiraten und dann sogar zu lieben. Sie hat mich in allem nachgeahmt und ihm am Ende mehr gefallen als ich selbst. Da ich aber Eurer Zuneigung sicher bin, so wünsche ich, daß Ihr zugleich mit mir dies häßliche Geschöpf als zweite Frau heiratet. Durch die Herrschaft, die ihre Hinterlist über den schwachen Geist meines Mannes ausübte, hat sie mir soviel Leiden verursacht, daß ich sie von jetzt ab leiden lassen will! Sie soll von jetzt ab weinen, wenn sie mich vorgezogen sieht! und nur noch der Gegenstand Eurer Verachtung sein wird! Kurz, wenn sie ebenso unglücklich ist wie bisher ich!

Gnädige Frau, erwidert Osman, das Bild, das Ihr von dieser Frau entwerft, verführt mich zu ihren Gunsten. Ich fühle, daß sie sehr unangenehm ist; ich fühle, daß man mit dem Glück, Euch zu heiraten, die Widerwärtigkeit einer unholden zweiten Heirat verbinden muß. Doch Ihr wißt, nach dem Gesetz des Propheten schuldet sich der Gatte in gleicher Weise allen seinen Gattinnen, ob er nun wenige oder drei bis vier Frauen nimmt.

Ich aber habe zur Tochter des Propheten, zur Fatima, ein Gelübde getan, daß ich nur einen Mann heirate, der tut, was ich sagte.

Gnädige Frau, ich bitte, darüber nachdenken zu dürfen.

Ich Unglücklicher, sagt sich Osman, allein geblieben, zwei Frauen soll ich heiraten, davon die eine schön, die andere häßlich ist. Durch die Bitternis muß ich gehen, um zur Freude zu gelangen.

Die Jüdin tritt wieder auf, und er unterrichtet sie über seine Lage.

Was sagt Ihr da? antwortet sie. Die zweite Gattin ist ja reizend! Hört nicht auf eine Frau, die von ihrer Rivalin spricht! Nur dies ist wahr, daß Eure Geliebte blond ist und die andere dunkel. Haßt Ihr die dunklen?

Solche Vorurteile habe ich nicht.

Schön. Fürchtet Ihr etwa den Besitz zweier gleich reizenden Frauen? Wenn ihre Farben auch verschieden sind, ist doch eine die andere wert. Ich verstehe mich darauf.

Wenn du die Wahrheit sprichst, sagt Osman, so wird mir das Gesetz des Propheten, das jeden Gatten zu gleicher Teilung unter seine Frauen verpflichtet, leichter werden.

Ihr sollt sie sehen. Ich habe ihr mitgeteilt, daß Ihr in sie verliebt seid, und wenn sie Euch durch die Straßen gehen und unter ihren Fenstern anhalten sieht, so geschehe dies nur um ihretwillen.

Osman belohnt eilig die kluge Vermittlerin; und bald tritt die zweite Witwe des Bimbachi auf. Sie ist wirklich sehr schön, obschon etwas gebräunt. Sie zeigt sich von den Aufmerksamkeiten des jungen Mannes geschmeichelt, und scheut vor einer Heirat nicht zurück.

Ihr liebtet mich lange stumm. Aus Furchtsamkeit, so hat man mir mitgeteilt, erklärtet Ihr Euch nicht. Mich hat dies Gefühl immer gerührt; jetzt bin ich frei und will Eure Hingebung belohnen. Laßt den Kadi rufen.

Es bestehen keine Schwierigkeiten, sagt die Jüdin. Jedoch der unglückliche junge Mann schuldet der großen Dame, der Ersten, Geld.

Wie! ruft die Zweite, dies böse häßliche Geschöpf wuchert?

Ach ja! erwidert die Jüdin, und ich habe mich in diese Angelegenheit gemischt, denn ich leiste der Jugend allzu gern Dienste. Der arme Junge ist dank meiner Dazwischenkunft vor einem schlechten Schritt bewahrt worden. Da er aber das Geld nicht zurückgeben kann, will ihn die Hanoum nur entlasten, wenn er mit der Heirat zahlt.

Das ist die traurige Wahrheit, sagt der junge Mann. Und die Dame wird gerührt.

Aber welche Freude wird es Euch bereiten, ruft die Jüdin, wenn Ihr diese arglistige Frau verschmäht und verachtet seht von dem Manne, der Euch liebt!

Es liegt in der Natur der von ihren Vorzügen überzeugten Frau, daß sie an einem solchen Ergebnis nicht zweifelt. Sie willigt also ihrerseits in die doppelte Heirat und der Kadi wird gerufen, man unterzeichnet den Vertrag.

Jetzt aber ist die Frage, welche der beiden Frauen den Vorrang hat! Die Jüdin bringt dem glücklichen Osman einen Blumenstrauß: diejenige soll ihn erhalten, die der junge Gatte für die erste Hochzeitsnacht wählt. Er steht in großer Verlegenheit da. Denn jede der Frauen streckt schon die Hand hin, um das Pfand des Vorzugs zu empfangen.

Aber im Augenblick des Zögerns zwischen der Blonden und der Dunklen läßt sich ein gewaltiger Lärm im Hause vernehmen. Die Sklaven stürzen erschrocken hervor und schreien, sie hätten ein Gespenst gesehen.

Der Bimbachi tritt auf mit einem Stock.

Denn der so wenig vermißte Gatte ist nicht tot, wie man annahm. Er war nur gefangen. Nun gibt ihn der Friedensvertrag zwischen Russen und Türken seinem Vaterlande und seiner Liebe zurück.

Unverzüglich jedoch begreift er die Szene und läßt auf alle Anwesenden einen Hagel von Stockhieben niedersausen. Es fliehen die blonde und die dunkle Frau und die Jüdin und der Liebhaber nach den ersten Schlägen. Unter dem großen Beifall des Publikums wird der weniger rasche Kadi für die andern verprügelt.

Das ist der Inhalt dieses Schauspiels, und sein moralisches Ende erfreut jeden Gatten, der dieser Vorstellung beiwohnt.


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