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Monarchologie

Nach einigen Schweigen fuhr Adolf ganz gemütlich fort:

»Potztausend, Junge, ich war auch so kindisch, als ich noch Kaiser war. Vor dem Tode ... hatte ich eine Todesangst – unter uns, wie die meisten Ritter, sonst hätten die Pfaffen nicht so Oberwasser gekriegt! Und wie ich hier ankam, merkte ich, daß die ganze Geschichte nichts zu bedeuten hatte. Aber es ärgert mich doch, daß ich da oben weiter nichts war als ein Kaiser, der Ritter fechten ließ und Türme baute. Wenn ich je auf die Kruste zurückkäme, bestrebte ich mich, ein guter Mensch zu sein. Logos hat mir gesagt, daß das ein hoher Rang wäre ... ja, der höchste. Und was Logos sagt, ist wahr. Sei also nur zufrieden, und sorge dafür, daß du es ein klein wenig weiter bringst als zu so einer miserablen Kaiserschaft, und sei nicht zu hastig, und lerne, was zu lernen ist, und teile es ordentlich anderen mit ... die wieder ihrerseits deine Lehrer sind, mehr, als du weißt oder zugeben willst. Was sollte aus deinem Menschenzeichnen werden, wenn keine Menschen wären, die dir Modell ständen? Und schilt deine Modelle nicht aus. Das vertreibt die Liebenswürdigkeit von ihren Zügen, aus deinem Atelier, und von deinen Bildern. Denke, daß es nicht angenehm ist für einen Leser, so nackt da zu sitzen wie Pauline Borghese bei Canova. Er heizte ordentlich und das machte die Sache erträglich, sagte sie, du aber machst Türen und Fenster auf, sodaß alles erfriert an deinen Gliederpuppen. Wo war ich stehen geblieben?«

»Meister, du wolltest etwas von dem größten Kamel sagen ...«

»Freut mich, daß du gut zugehört hast. Die Zeit wird kommen, da du imstande bist, ein Feuilleton zu lesen. So weiter! Richtig, das größte Kamel! Tausende schlugen sie tot, tot, tot ... und es durfte keine Falte kommen in den Vorhang von meiner Nichte Bettstelle. Weißt du, warum nicht?«

»Weil sie deine Nichte war?«

»Nein, weil sie seine und ihre Nichte war, die Nichte der ... wie hießen sie doch!«

»Hohenzollern.«

»Der Hohenzollern. Der Bourbons. Der Wittelsbacher. Der Karolinger und Merowinger. Der York und Lancaster. Der Welfen und Ghibellinen. Der Romanows. Von Cyrus und Priamus. Von David und Herodes. Von Artaxerxes, Paläologus, Kodrus, Komnenus, Martell und Pipin. Von Viktor Emanuel. Von Antiochus Epiphanes, Pharamund, Og, Nimrod, Barbarossa und Alexander dem Großen. Von Achab und Jesabel. Von den fainéants ... eine zahlreiche Familie! Von Kekrops, Kadmus, Danaus und Pelops. Von Arpad. Von Inachiden und Herakliden. Von Heinrich dem Vierten. Von der Königin von Saba. Von Macbeth. Von Jagellonen, Habsburgern, Ptolemäern und Arsakiden. Von Iwan dem Schlächter und Karl dem Narren ... dem Sechsten. Von Pharaonen und Grimaldis. Von den Centauren Hengist und Horsa. Von Hermannen, Hetmannen, Khans, Begs, Beys, Orang-tuwa, Ricos-Hombres, und Frankenfürsten. Von Omar. Von den abessynischen und korsischen Göttergeschenken. Von Ataliba, Montezuma und Guatemozin. Von den Schulmeistern Louis Philippe und Dionys. Von Braganzas und Papst-Königen. Vom grausamen Alfons und der heiligen Elisabeth. Von Messalina, Kleopatra und Katharina von Rußland, geborener Zerbst. Von Despoten, Dynasten, Tyrannen. Von dem vatertragenden Äneas und dem Königen ohne Daum, Richter so und so viel. Von Ratbod dem Friesen, der in die Hölle ging. Von Louis XVI., der gen Himmel fuhr. Von rothaarigen Wikingern und was am wütendsten wütete unter den Berserkern. Von nordischen Rollos, skandinavischen Stures und moskowitischen Dobbres. Von Basileen, in Purpur geboren. Von allem, was sich für einen Dioskur, Krischna, Betua oder Tabu zu geben wußte. Von jedem, der Legionen für sich gewann mit kleinen Schuhen oder großen Worten, mit Zeichen in der Luft oder Champagner oder Gloire, mit Circenses, Regiecigarren oder Aussicht auf ungestraftes Plündern. Von dem Schwarm der Würdigsten nach Alexanders Tode. Von jedem, der zuerst unter seinen Stammesgenossen die blutgierige Geduld hatte, einen Stein zur Waffe zu schleifen. Von allem, was mit kupfernem Stabe mordete, als die gewöhnlichen Menschen diese Arbeit noch mit einem Stück knotigen Holzes besorgten. Von jedem, der in der Bronzezeit sein Buschpublikum durch eine Lanze mit eiserner Spitze verblüffte. Von ungetreuen Majordomen, Stuarts, Wakhils, Präfekten und Grafen und Herzögen, die ihren Herren Land, Heer und Macht stibitzten. Von allem, was sich geschickt die Erfindungen von Berthold Schwarz, Congreve, Paixhans, Dreyse oder Chassepot zu nutze machte. Von Sultans, Sudans, Paku-Alams, Bagindas, Kaziken, Susuhunans, Bels, Baals, Els, Elohim, Adonai, und was noch mehr den Namen des »Herren« trägt. Von Kalifen, Inkas, Njang-di-Pertuans, Kamis, Radschas, Schachs, Schechs, Scheikhs, Padischachs, Cäsars, Zaren, Kaiser, Khans, Kongs ... wie steht es mit deiner Brust? Ich huste ein bißchen.«

»Meister, meine Lungen ...«

»Schon gut! Übe sie etwas, und nun weiter. Ich bin nicht erkältet und habe deshalb keine Übung nötig. Zähle noch etwas von Königen auf. Kümmere dich nicht um die Chronologie ... ich tat es auch nicht. Ich bin neugierig, ob du den rechten nennst.«

»Nanntest du denn den rechten nicht, Meister?

»Gewiß! Aber es gibt einen, der alle vertritt, und das ist der wahre Rechte. Wer das Glück hat, Neffe oder Nichte von ihm zu sein, gehört von selber zur ganzen Sippschaft. Ich höre.«

»Von Seiner Majestät König Willem dem Dritten, König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg, Kaiser von Insulinde ...«

»Taugt nichts. Man sieht, daß du eben einen Holländer zu dir genommen hast. Dein Magen spricht mit. Nenne andere.«

»Von Kaiser Plebiscit?«

»Weiter, weiter!«

»Von Oktavianus Augustus, der das Leben Cäsars ... fortsetzte. Von Eteokles und Polyneikes, den Chemikern nach ihrem Tode. Von Dagobert, der seine Hosen verkehrt anzog. Von Nausikaas Vater, der keine Waschfrau hatte ...«

»Laß die Erklärungen weg, die machen wir uns hier unten selber. Weiter!«

»Von Semiramis, Agnes Sorel, Maintenon, Dubarry und Lola Montez ...«

»Wie? Was gefällig?«

»Entschuldige, Meister! Von den Louis und Ludwigs, den Hyksos, den Heptarchen, Tetrarchen, Duodezimarchen ... allerlei Archen. Von Bajazet, Timurleng, Dschengis und Attila. Von dem lieblichen Herrscher Dahomees, dessen Namen ich nicht weiß ...«

»Dann hättest du ihn auslassen können. Weiter!«

»Von Romulus, Remus, Egeria ...«

»Wie?«

»Von Numa Pompilius, Meister. Von Tullus Hostilius, Ancus ...«

»Ich schenke dir, was dazu gehört, bis Augustulus. Weiter!«

»Von Karl dem Großen und dem König von Rom-Reichstadt. Meister, ich werde müde.«

»Ganz wohl ... dann nur weiter. Es wird dir gut tun.«

»Von ... von ...«

»Weiter!«

Ich mußte gestehen, daß mein Vorrat von Königen mächtig dünn zu werden anfing. Ich bemühte mich, zusammenzukratzen, was ich konnte.

»Alle Kaiser von China,« rief ich.

»Richtig. Weiter!«

»Alle Dynastien Ägyptens ...«

»Gut. Fortsetzung! Weiter!«

»Die Hunderte von Königen aus der Ilias, der Odyssee, dem Exodus und anderen arabischen Geschichten ...«

»Das hilft ein bißchen. Weiter!«

»Meister!« rief ich hustend – und ich muß zugeben, etwas ungeduldig – »alle Könige, die jemals über ein Volk geherrscht haben!«

War es wohl zu viel verlangt, wenn ich hoffte, jetzt einen Augenblick Zeit zu haben, um auszuhusten? Ich fühlte mich erleichtert, wie jener Kölner, der, stolz auf die Zahl der Reliquien in seinem Dom, glaubte, schon etwas Rechtes gesagt zu haben, wenn er sich auf die einundzwanzigtausendneunhundertachtundneunzig Kniescheiben von Ursulas Genossinnen berief ...

Ach, ich hatte ohne meinen Wirt gerechnet! Man wird mir zugeben, daß das eine unbequeme Herrschaft war. Als ob ich noch gar nichts gesagt hätte, brummte er immer sein unzufriedenes »Weiter, weiter!«

Meine Lage war wirklich gräßlich. Fern vom teuren Vaterlande ...

Ich saß in Angst! Dieser Adolf sah nicht danach aus, als ob er mir das geringste Prinzchen schenken wollte. Ich dachte an Shylock, und zitternd befühlte ich meinen nicht sehr fleischigen Körper, aus welchem Teile er wohl sich sein Pfund Dynastien schneiden würde ... o, o!

Als ob die Zukunft des Königtums davon abhinge ...

Ganz ruhig, und als ob er die selbstverständlichste Sache von der Welt verlangte, forderte er mich noch einmal auf fortzufahren, und spöttisch fügte er hinzu: »Wenn ich bitten darf!«

Die noch am wenigsten mageren Teile meines Ichs schoben sich tief, tief in das Granitbänkchen, auf dem ich saß. Es schien, daß sie, wie kürzlich Espartero, keine Lust zu königlicher Gewalt hatten.

»Wenn ich nochmals bitten darf!«

»Meister, du brauchst nicht zu bitten, du kannst befehlen, aber ...«

»Schön! Also ich befehle!«

Ein König also, der nie über ein Volk geherrscht hat? Da haben wir es, dachte ich.

»Melchi...«

»Getroffen!« rief Adolf. Aber er rief es zu schnell. Denn er nahm sofort seine Zustimmung zurück, als ich mit falsch angebrachter Freude fortfuhr:

»Melchior, Kaspar, Balthasar, die Monarchen des sechsten Januar.«

»Unsinn! Die sind auch Blutsneffen meiner Base Adelheid, aber sie stehen ihr nicht näher als die anderen. Ich verlange einen Vetter ϰατ᾽ ἐξοχὴν!«  

»Den kenne ich nicht,« sagte ich beschämt.

»Du bist noch dümmer als der Beichtvater, der mich bediente, als ich Kaiser war, der Kerl absolvierte fürs Vaterland. Ich will von dir hören, wer der Vetter par excellence meiner Nichte Adelheid ist. Der Vetter im hundertsten Glied, der Vetter, der es verursacht, daß alle ihre Vetter ihre Vetter sind! Nur weiter, und ein wenig schnell!«

In der Angst meines Herzens flehte ich zu Fancy, wie ich es immer tue, wenn ich in der Klemme bin, und sie ... sie wurde boshaft. Das hat sie so an sich ... wenn ich in der Klemme bin.

Sie flüsterte mir zu, und ich stotterte es in einem Atem nach:

»Meister, deine Nichte, die Nichte der Hohenzollern, die sie so freundlich behandelten, ist zugleich die Nichte von Berangers König von Yvetot. Von Lady Stanhope, der Königin der Wüste. Von Kaulbachs Löwen in Reineke Fuchs. Von den Äsopischen, Lafontaineschen Löwen. Von den Löwen im Zoologischen Garten. Von Simsoms Honiglöwen, von den Löwen, die Daniel nicht verspeisten. Vom niederländischen Löwen. Vom King-Charles-Löwchen ...«

»Löwen genug. Weiter!

»Von Adlern und Walfischen, Luft- und Wasserkönigen.«

»Kein Viehzeug mehr. Weiter!«

»Von Gambrinus, dem Bierkönig. Von ... Aschenputtels Freier. Von ... Batavia, der Königin des Ostens ...«

»Weiter!«

»Von allen Winterkönigen. Vom Haagschen Tageblatt. Von Herz-, Schellen-, Pique- und Treff-König ... uff! Meister, ich kann nicht mehr.«

»Ja, so seid ihr Menschlein,« antwortete Adolf, gemütlicher als ich gedacht hatte. Er sah jetzt so aus, als ob er sich bloß über meine Angst hatte lustig machen wollen. Ziemlich wohlwollend fischte er mich aus der Granitmasse heraus, in die ich recht tief versunken war. Ich glaubte schon deutlich die Fußsohlen der Antipoden zu unterscheiden. Und er fing wieder an zu schulmeistern:

»Soll ich dir nun einmal sagen, warum du den Rechten nicht zu nennen verstehst? Du hattest zu große Lust, nett und witzig zu sein. Das ist ein großer Fehler, mein Sohn ... gewöhne dir das ab.«

»Aber Meister ... dann lesen sie mich nicht!«

»Das ist ihre Sache! Und nun ... gibst du es auf, den echten ursprünglichen Hauptvetter zu finden?«

»Meister, ich gebe es auf.«

»Sehr wohl! Du weißt also nicht, wen ich meine?«

»Meister, ich weiß es nicht.«

»Vorzüglich! Du kannst nicht?«

»Meister, ich kann nicht.«

»Zum Entzücken ... bezaubernd! Nun, du mußt!«

Und Fancy, die immer bei der Hand ist, wenn es sich um etwas Unmögliches handelt, rief lachend aus meinem Munde mit lauter Stimme:

»Von Melchisedek, dem gesalbten König von Salem!«

»Getroffen! Endlich! Richtig! Der wahre Grund der Liebenswürdigkeit gegen meine Nichte liegt in der heiligen Salbe dieses allgemeinen Stammonkels. Freut mich, daß du es endlich geraten hast. Hm ... ärgerlicher Umgang mit Menschen, denen man alles vorsagen muß! Wer etwas lehren will, muß auch etwas gelernt haben. Denke dran, auch heute abend in der Versammlung, und sage es deinen Lesern ... Dieser Malek Zadok ist der Erzkönig, von dem jeder rechtschaffene Herrscher seine Herrlichkeit ableitet. Aberglaube und Herrenspielen gehen immer Hand in Hand. Daß man zu einem Mann, der an der Spitze der Geschäfte steht, höflich ist, billige ich. Warum soll man durch Flegelei und Böswilligkeit die Aufgabe jemandes erschweren, der mit drückender Verantwortlichkeit belastet ist? Aber diese Anbetung der Macht als etwas Heiliges ist ein Fehler, der eure Geschichte schimpfiert ...«

»Der Respekt vor dem Gottesgnadentum läßt schon sehr nach ...«

»Mit nichten! Wenn ich dich weiter reden ließe, lögest du mir jetzt etwas vor von eurer ... Kultur, von eurer Aufklärung, von eurer Bildung, wie? Zu meiner Zeit, die ihr das dunkle Mittelalter nennt – sehr komisch, wahrhaftig! – prunkte man auch mit solchen Dingen. Auch wir glaubten schon wunder wie vorgeschritten zu sein. Jedes Geschlecht vergleicht sich mit dem vorhergehenden, und bläst sich ohne Grund auf. Die Menschheit ist wie ein Junge, der sich für einen ersten Athleten hält, weil er weniger steif ist als sein gichtbrüchiger Vater. Der kindische Respekt, den ihr noch immer vor solchen Heiligkeiten habt ... ja, ihr meint gewiß, daß ihr darin etwas weniger dumm seid als meine Zeitgenossen. Fehlgeschossen! Wenigstens gibt es Ausnahmen. In eurer Geschichtschreiberei verwechselt ihr den Eindruck, den alte Dinge auf euch machen, mit der Bedeutung, die sie hatten, als sie neu waren. Wir bauten keine Ruinen, ihr aber fandet verfallene Schlösser vor. Überhaupt ist nichts närrischer als die Art, wie ihr eure Geschichte auffaßt ... ja, das Schreiben selbst. Dieser Sonnenberg über uns war einmal funkelnagelneu. Um dich einigermaßen zu entschuldigen, muß ich zugeben, daß wir unserseits uns nicht vorstellen konnten, daß das Ding einmal für ein paar Groschen als Erinnerung aus der Vorzeit besichtigt werden sollte. Und daß ein preußischer Portier ... Gottsdonnerwetter! ... Alle Farbe ist nach dem Lichte, das auf sie fällt, und wer sich nicht in die Zeit der Ereignisse zu versetzen versteht, sieht sie ganz anders gefärbt, als wie sie waren. Oder sollte vielleicht ...«

Adolf stockte. Er sah mich fragend an und fuhr nach einigem Schweigen fort:

»Ich sehe, was du denkst. Es ist ziemlich intelligent von dir. Nun ja, es ist möglich, daß alle Farbe falsch ist, und daß ich ebenso verkehrt handelte, wenn ich meine Zeit und meine Türme aus der Nähe betrachtete, wie ihr, die ihr sie allzuferne seht. Nichts ist ganz wahr, mein Sohn. Merke dir den Spruch, und stelle ihn als Warnung an die Spitze, wenn du wieder Ideen schreibst. Oder tatst du es schon? Schon gut! Nichts ist ganz wahr. Das also auch wieder nicht, Männchen ...«

Ich nahm das verächtliche »Männchen« als einen Ausdruck des Ärgers. Adolf schien es übel zu nehmen, daß ich einmal beinahe recht hatte. Tote sind so.

»Glaube mir, nichts ist ganz wahr. Also auch nicht, daß ihr mit eurer Kultur und Aufklärung den albernen Respekt vor dem sogenannten göttlichen Recht beseitigt habt. Er herrscht noch in voller Kraft, stärker sogar als zu meiner Zeit.«

Ich machte eine Bewegung, die Zweifel bedeutete.

»Gewiß! Ihr vergeßt immer – gerade wie mit den alten Türmen – daß die ältesten Geschlechter einmal neu gewesen sein müssen. Im Mittelalter waren alle Fürsten Emporkömmlinge, und wer sich des Alters seiner Abstammung gerühmt hätte, wäre in Gefahr gekommen, einem zu begegnen, der seinen Großvater noch als Krieger niedersten Ranges oder als Bauern, selbst als Leibeigenen gekannt hatte. Der Adel war denn auch anfangs nicht so hoffärtig, wie er später geworden ist, als die Zeugen der niederen Herkunft begannen auszusterben. Je weiter man sich entfernte von dem Ursprung der Häuser – ein toller Ausdruck im Ohre eines, der sie als Hütten und Höhlen gekannt hat – desto leichter fiel es, diesen Ursprung mit Legenden aufzuputzen. Die Abkunft von Grafen und Prinzlein zu erhöhen, war ein gutes Mittelchen zur Verbesserung der Lebenslage eines jeden, der das Lesen und Schreiben verstand. Für einen Schluck Gerstenbier konnte man seinen Großvater zu einem würdevollen Manne erklären lassen, der ein Beil im Eigentum besaß. Noch ein Schluck ... er war Anteilhaber, selbzehnt, an einer Pflugschar. Ein paar Näpfe Honigmet machten die Ahnen zu Eigentümern ummauerter Höfe, zu Landherren, zu Schiedsrichtern im Ting, zu Machthabern. Und für das wenigste, was so ein Ahne händelsüchtig und außerdem faul war, konnte man ihn zum Helden herausputzen. Das wußtest du gewiß nicht, daß ursprünglich so viel Trägheit unter den Heldenhaftigkeiten steckte? Nun, es ist so. Zu allen Zeiten haben die am meisten gefochten, die einen Abscheu vor der Arbeit hatten. Kurze Zeit fechten ist weniger anstrengend als lange graben. Einen kleinen Acker bearbeiten verlangt größere Anstrengung als hundert Menschen totzuschlagen ... besonders wenn sie nicht in Eisen gekleidet sind. Und mit solchen fochten unsere Ritter am liebsten, wenn auch eure Balladen nichts davon sagen ... Gräfliche Abstammung kostete einige Tage Nachtquartier für irgend einen Schmarotzer, der dichten konnte, und wer so einem Kerl einen Ring gab oder einen Rock von friesischem Stoffe, war gewiß Herzog. Hungrige Verseschmiede haben den Adel gemacht ... schade genug! Warum nenne ich es schade?«

»Adel ist ein Mißbrauch, Meister. Es ist eine Albernheit, eine Schande, ein Vorurteil, eine Pest, ein Fluch ...«

»Prachtvoll! Sorge du nur, daß du keine Pest wirst, wenn du solche Dinge erzählst. Adel ist eins der schönsten Dinge, die Logos euch dummen Menschen gegeben hat. Ihr treibt Mißbrauch, ihr, aber sage nicht, daß Adel selbst ein Mißbrauch ist. Ich will dir's erklären, aber sei dann weniger bürgerlich-plump von Auffassung. Ich nannte es schade, daß euer Adel von Verseschmieden gemacht ist – und die Pfaffen waren auch dabei, das versteht sich – weil er gerade dadurch seine wahre Bedeutung verlor. Das Schimpfen auf wahren Adel ist abgeschmackt und beschränkt. Es soll wohl Demokratie sein? Und sogar das Schimpfen auf den falschen ist unehrlich. Als dein Urgroßvater wegen Diebstahls gerädert wurde ...«

Ich sprang wütend auf und wollte ...

»Setze dich nur wieder hin,« sagte Adolf. »Ich weiß nichts Böses von dem Manne und setzte nur so etwas voraus, um dich zu zwingen, den Wert, den du der Geschlechtsehre beilegst, zu offenbaren. Ihr Demokraten, die ihr die Berechtigung des Anspruchs auf Erbruhm leugnet, werdet rasend, wenn man euch ererbte Schande vorwirft. Wenn eure Demokratie aufrichtig wäre, wäre es dir vollkommen gleich, wie dein Urgroßvater unter die Erde gekommen ist. Sei doch konsequent, mein Sohn, und rege dich doch nicht so auf, wenn ich dir zeige, daß du es nicht bist ... Das Umschmeicheln derjenigen also, die ein Plätzchen an einer gedeckten Tafel zu vergeben hatten – gedeckt sage ich auch nur so, denn Tischtücher benutzten wir nicht – hat einen falschen Adel in die Welt gebracht, der viel Unheil angerichtet. Mir sagten sie, ich stammte von ... von wem meinst du wohl?«

»Ich wage nicht zu raten, Meister.«

»Bescheiden! Sie erzählten, daß ich von der Familie des Augustus wäre, und zwar durch unartige Vermittlung von Ovidius Naso. Stelle dir vor, dieser Versemacher sollte deshalb verbannt worden sein, weil er sich mit Julias Hilfe unrechtmäßig zum Mitstammvater der Nassaus gemacht hatte! Kein Wort wahr. Soweit ich es habe ergründen können, waren meine Großväter unbescholtene Leute im Dillenburgschen, und später nahmen sie den Namen des Landes an, in dem sie zu Wohlfahrt und Ansehen gekommen waren. Die Nase des Ovid hat nichts damit zu tun. Aber ich sage das alles nur als Vermutung, denn eigentlich hatten wir keine Familienpapiere als höchstens Flachshaar und blaue Augen; ich schließe daraus, daß wir Germanen sind. Na, das sagt nicht viel; ganz Deutschland ist voll davon ... Als das Kunststückchen der Familienlegenden nicht mehr zog, dachte man auf neue Mittel, um die ›Häuser‹ ansehnlich zu machen, und wie üblich, nahm man seine Zuflucht zu etwas recht Altem. Ihr macht es darin wie die Modenarren, die in alten Bilderchen Modelle für das Neue suchen. Überall hat man zu aller Zeit Größe von göttlicher Abkunft abgeleitet, und das ging soweit, daß man mit der Ehre eines Stammvaters sehr leichtsinnig umsprang, wenn nur der Fehltritt vom Pfade der Tugend ein leidliches Verbindungspfädlein zwischen Himmel und Erde abgeben konnte. Darum sind alle Mythologien so liederlich. Die olympischen Don Juans – sieh einmal so einen Jupiter – wurden erfunden, um Menschen, die es bezahlen konnten, einen göttlichen Ursprung zu geben. Das geschah in Griechenland, in Ägypten, in Indien, in ganz Asien, überall. Und die Pfaffen zeigten uns Nordwestlingen den Weg zur Nachfolge. Pflugscharen, Hufen, Heldentaten von Großvätern halfen nichts mehr. Man mußte schon mehr besessen haben, es mußte etwas Schöneres ausgerichtet sein – und war es nur eine absonderliche Geburt – um sich höher zu erheben als andere. Man suchte in der Schrift und fand diesen Zadok, ›einen Priester des wahren Gottes.‹ Da nun die Phantasie unserer Versmacher nicht so blumig war wie die der südlichen und östlichen Vorgänger, und auch, weil sie mit Vorliebe den bequemsten Weg wählten – ganz wie die Ritter – du siehst, auch hier spielt die Faulheit ihre Rolle! machte sie jede spezielle Erzählung entbehrlich, indem sie ein für allemal diesen Melchisedek hinstellten als allgemeinen Stammvater ...«

»Aller Könige?«

»Noch mehr. Des Königtums! Und die Ehrfurcht davor ist noch in keiner Weise abgeblaßt. Als Anhängsel davon sieht man überall die Selbstverständlichkeit, mit der man sich vor anderer Gewalt beugt, die zwar nicht königlich ist, aber mit den königlichen Vorrechten steht und fällt. Ein Vorurteil tröpfelt, wo es nicht regnen kann, und selbst in sogenannten Republiken, wo man den König verjagte, schafft man sich allerlei kleine Könige aus halber, viertel- und negativen Größen, die sich zur Entschuldigung ihres Daseins wahrhaftig nicht auf Jupiters Schliche berufen können. Und auch der gute Melchisedek ist ihr Stammvater nicht. Aber wohl wird der Respekt vor den Winkelbaronen durch eine Art Melchisedekscher Verstärkung des eigenen Wertes aufrechterhalten. Hört die Ursache auf ...«

»Hört die Wirkung auf ...«

»Ach nein! Nach dem Aufhören der Ursache bleiben sehr oft die Folgen bestehen, und sie werden selbst Ursachen. Die Lahmlendigkeit, mit der man sich jahrhundertelang vor der geistlichen Stammvaterschaft des Salemschen Königs verbeugte, hat es mit sich gebracht, daß man sich gewöhnte, auch vor allerlei Würden seine Reverenz zu machen, die mit dem ›Priester des Herrn‹ nichts zu tun haben. Wer lange vor einem Altar gebeugt liegt, wird krumm und bleibt krumm. Er wird sich später nicht aufrichten, stünde er auch vor dem Zahltisch und der Geldlade. So geht es denn auch. Und Bürgersleuten, die sich vor dem Mammon niederwerfen, steht es nicht wohl an, auf die Anbeter des Gottesgnadentums herabzusehen. Meinst du, daß es in der Albernheit einen Unterschied gibt?«

»Ja ... nein ... nein ... ja ... Meister, ich glaube ...«

»Du glaubst, daß du es nicht weißt. Famose Ansicht. Ich sage dir, daß jede Albernheit eben so viel wert ist, wie die andere. Aber es ist ein moralischer Unterschied zwischen Irrtümern, die auf Vorteil ausgehen, und kindlichen Irrungen, die einen Beweis von Aufrichtigkeit geben. Zu alter Zeit hat man sich für das Königtum aufgeopfert. Es liegt etwas Anmutendes darin. Du findest mich konservativ?«

Ich lächelte. Wirklich, ich riet so selten richtig, daß ich den Mut verlor, eine Meinung zu äußern. Ich murmelte etwas über die Liberalen, und was die vermutlich sagen würden, wenn ihnen Adolfs Ansicht zu Ohren kam ...

Aber ich hatte keine Zeit, den Eindruck gehörig in Worte zu kleiden.

Eine schreckliche Wut schien sich meines Wirtes zu bemächtigen. Er fiel mir mit einem Fluche, den ich glücklicherweise vergessen habe, in die Rede.

»Li... li... liberale? Was ist das? Mit solchem Zeug halten wir uns im Reich der Geister nicht auf, hörst du? Meinetwegen könnten sie in einem oder den anderen Tageblatte erzählen, ich hätte mich bestechen lassen und wollte Zeitungsschreiber werden. Und du, der mit solchem Unsinn herauskommt ... noch einmal, und ich setze dich an die Luft! Da kannst du dann den Rotterdamer Courant lesen oder das neue batavische Handelsblatt oder den Arnhemer, Gott besser's! zusammen mit deinem civilversorgten Portier, der jetzt auch liberalisiert ... in der Bierschenke. Liberalismus ... davon sprich mir! Das ist etwas anderes, hörst du, als das Geschwätz der Liberalen über Liberalismus. Dieser Portier – der Kerl ist gerade jetzt betrunken – und die Liberalen ... sie kennen vom Liberalismus nicht den ersten Buchstaben ... und du selber siehst mir auch so aus, als kämst du mich hier profanieren mit solchem Schwatz! Ich sage, was ich für wahr halte! Das ist Liberalismus, verstehst du! Wenn du nachher wieder auf die Kruste kommst und du triffst so einen Liberalen, dann sag' ihm ...«

Ich bekam Furcht. Ich fürchtete, daß Adolf mir eine Botschaft auftragen würde, so unfreundlich, daß man daraus deutlich die Tonnen von Schätzen herauszählen könnte, die der Konservativismus mir für diesen Dienst geschenkt hatte. Es ging aber noch einmal gut ab. Adolf war milder, als ich erwartet und vielleicht auch verdient hatte.

»Wenn du so einen Liberalen siehst, dann sage ihm, daß er in die Schule gehen soll und versuchen ... liberal zu werden, wenn es ihm noch möglich ist. Diese Leute brauchen nichts dringender als ein bißchen Freisinn. Auch sind sie – gerade wie meine Ritter! – oft faul. Viele lassen sich unter die Liberalen stecken, um bequem alles zu leugnen. Das spart die Mühe der Untersuchung. Ich sehe, was du denkst ...«

»Ja, Meister, es kommt mir vor, daß manche Konservativen ...«

»Diesmal hast du recht ...«

Gott sei Dank, endlich einmal!

»Ja, die meisten Konservativen nehmen aus demselben Grunde alles in Bausch und Bogen an. So ist es! Wenn die Menschen etwas weniger zurück wären, hättet ihr da oben weniger Arbeit mit dem dummen Parteigezänke, das der Auffindung der Wahrheit vierkantig im Wege steht. Wer zu faul ist, sich eine eigene Meinung zu schaffen, nimmt an der einen oder der anderen Hälfte von Hans Jedermanns Meinung Anteil. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Die gemeinste Folge dieser Armut an geistigem Eigentum ist das Verdächtigen des einzelnen, der alleiniger Besitzer einer geistigen Pflugschar ist. Das macht die Seelen- oder Leibeigenen neidisch, siehst du, und Neid ist die Mutter vieler ... Bücherbeurteilungen. Was übrigens eure Liberalen betrifft ...«

Hier begann Adolf zu husten. Aber sein Husten war nicht echt. Ich merkte deutlich, daß er bloß einen Vorwand suchte, um das Thema zu wechseln. Mit einer Art von Furcht schielte er nach hinten. Ich folgte der Richtung seines Blickes und gewahrte, daß Logos in der Nähe war.

»Na ja,« gab Adolf nach einigen Worten zu, »er hört nicht gern, daß ich mich mit so etwas beschäftige. Bei solchen Gelegenheiten wirft er mir vor, daß meine Gnomschaft von jungem Datum ist, und daß ich mich manchmal wie ein Ungestorbener anstelle. Ich gebe denn auch zu, daß ich noch immer nicht alle Menschlichkeit abgeschüttelt habe. Warum hast du mich böse gemacht mit dem Zeitungsgewäsch? Freilich, ich hätte auf das Zeug, das für meinen dümmsten Kobold zu niedrig ist, nicht achten sollen ... Ich konservativ? Ich? Das wirst du gleich sehen, wenn ich die Könige von Gottes Gnaden unter die Hände nehme. Denn sie sind meine Vettern ... Recht geht vor. Was tun sie für die Völker, die sie als Halbgötter anbeten? Es ist verdammt bequem, jahrhundertelang von der olympischen Mitschuld an vormütterlichen Fehltritten Vorteil zu ziehen, man sollte aber manchmal auch zeigen, daß Rasse und hohe Abkunft etwas wert sind. Ein arabisches Pferd läuft und beträgt sich wie ein arabisches Pferd. So gehört sich's! Aber viele Göttersöhne in Europa machen eine Figur, als ob ihre Großmama sich mit Silenus oder dessen Esel eingelassen hätte. Bei so viel Bürgerlichkeit in der Handlungsweise ist es wahrhaft die Unmoralität nicht wert, sich für einen Bastard-Spätneffen Jupiters auszugeben ... Das fühlten eure kleinen Könige wohl, und es drückte sie wohl, und sie schämten sich wohl, aber ... wie üblich wirkte das Gefühl und die Scham verkehrt. Um Rasse zu zeigen, oder was doch so aussehen sollte, legten sie sich aufs Fechten, die bequemste Manier, viel Radau zu machen ohne große Anstrengung. Du siehst, in meinem Urteil bin ich, alter Kaiser, ganz Demokrat. Es wird noch besser kommen. Sag' mal, du, Schreiber ...«

Die Mißachtung, mit der Adolf das Wort aussprach, ist nicht wiederzugeben. Wo sollte ich hin!

»Du, Schreiber, Ideenhändler, Gedankenschneider, Phantasienbildner ... würdest du es fertig bekommen, zwei englische Aristokraten als Beispiele eines mißhandelten Volkes zu verwenden? Ich werde dir auf den Weg helfen. Lord Fitz-William hatte einen Kutscher, der seinen Herrn haßte. Ob unser Fitz ihm dazu Anlaß gegeben hatte, weiß ich nicht. Aber gewiß ist, daß Tom auf Mittel sann, um bei der ersten Gelegenheit sein Mütchen zu kühlen. Er teilte das seinem Freunde Billy mit, der gegen seinen Herrn, Lord Fitz-James, von gleichen Gefühlen beseelt war. Aber auch der wußte nicht, wie man die Sache gehörig, d. h. gefahrlos, anlegen sollte. Mit einem Male wurde Billys Verstand durch einen Geniestrahl erleuchtet. Was taten sie wohl?«

»Meister, ich weiß es wirklich nicht. Phosphor in die Suppe? Fett ins Heu?«

»Abgeklapperte Mittel! Das erste Mal, daß beide einander im offenen Wagen trafen, gab Tom Billys Herrn einen tüchtigen Hieb mit der Peitsche. Billy wurde wütend: was, du willst meinen Herrn schlagen, das werde ich dir abgewöhnen ... da! Und der arme Fitz-William bekam zwei Schläge für den einen. Tom, wutentbrannt, zahlte dafür Fitz-James vier heim, worauf Billy seinen mißhandelten Herrn durch ein Halbdutzend Striemen um die Ohren des anderen Lords rächte. Dann wieder Tom. Dann wieder Billy. Dann beide zusammen, um die Wette. Die braven Kutscher nahmen so feurig für Ehre und Rücken ihrer Herren Partei, daß die beiden Lords endlich wie gerädert heimgebracht wurden. Und als sie wiederhergestellt waren, fühlten sie sich anstandshalber noch verpflichtet, ihren Kutschern für die Mühe und das Heldentum zu danken ... Diese Lords sind die Völker, mein Sohn! Und die Könige verfahren mit ihnen, wie Tom und Billy, die in solchen Fällen sich Retter der Vaterländer nennen, auf deren Rücken die Striemen fallen. Erzähle das getrost den Lesern, und sage, daß sie ihren Vorteil damit wahrnehmen, gleichgültig, ob sie Lord oder Kutscher sind, Volk oder König. Aber denke nun bloß nicht, daß eure Friedensbünde etwas wert sind ... Unsinn! Tom lacht darüber, und Billy auch.«

»Wenn man ihnen die Peitsche abnähme?« wagte ich kleinlaut vorzuschlagen.

»Dummheit! Das nenne ich das Kind mit dem Badewasser ausschütten. Nein, Peitschen brauchen sie für die Pferde. Ein Kutscher ohne Peitsche ist kein Kutscher. Hauptsache ist, man soll ihnen nicht zujubeln, wenn sie damit Seine Lordschaft, die allgemeine Wohlfahrt, getroffen haben. Man muß nicht sie mit Weihrauch und Versen trunken machen. Mancher Fechtkönig, der die reimenden Schwätzereien solch eines Dichters – so nennen sich die Kerle, wahrhaftig! – buchstäblich nahm, glaubte wirklich etwas ganz Feines vollführt zu haben, wenn er Tausende und Tausende um den Hals brachte. Das heißt dann ... wie nennen sie es doch?«

»Meinst du vielleicht Gloire, Ruhm, Meister?«

»Ja, so etwa. Du kannst dir denken, man vergißt so etwas, wenn man tot ist. Majestät, höre auf zu siegen, oder ich höre auf zu dichten! ruft so ein Verseschmied. Der Mann taugte nicht einmal zum Stenographen, das siehst du wohl. Ist es keine Schande! Und ihr Menschlein, die ihr euch etwas einbildet auf die Erfindung der Buchdruckerkunst – eine leichte Erfindung, bei meiner Seele! – ihr schluckt solche Dinge herunter. Was die Könige in Verblendung ausführen, müssen die Achiver ausbaden ... nun, wenn die Achiver das so gut wissen, warum machen sie die Könige toll? Weißt du, warum Logos euch so viel schlechte Fürsten gab? Ich will dir es sagen. Ihr verdientet die guten nicht. Wenn die Menschen selbst ein bißchen mehr taugten, brauchten sie überhaupt keinen König, aber so weit seid ihr noch lange nicht. Bessert euch!«


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