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Bergpoesie.

Marryat erzählt irgendwo von einem jungen Seemann, dem übel wurde, als er zum erstenmal an Land kam. Der Knabe war an Bord zur Welt gekommen und war das Schaukeln, Wiegen, Wanken und Stoßen so gewohnt, daß der feste Erdboden ihm sein Gleichgewicht nahm. Als ich die Geschichte las – es ist lange her, denn ich lese nichts mehr, seit man mich, grausam genug, gezwungen hat, selbst eine Art Schriftsteller zu sein – hielt ich es bloß für ein Phantasiespiel. Später sah ich, daß ich unrecht hatte, oder ich begriff wenigstens die Möglichkeit davon, nachdem ich Albatrosse und Kaptauben, diese anmutigen Seeschmetterlinge, hatte unpäßlich werden sehen, wenn sie an Deck eines Schiffes gekommen waren, und das ist eine Art fester Grund für Wesen, die gewohnt sind, im Orkan zu segeln und auf der Krone der Wogen auszuruhen.

Etwas Ähnliches ist zu bemerken bei denen, die, im Flachland geboren, zum erstenmal ins Gebirge kommen. Ob umgekehrt auch ein Schweizer seekrank wird, wenn man ihn unvermutet auf eine holländische Wiese bringt, weiß ich nicht.

Und vielleicht ist es nicht immer Seekrankheit, was den Flachländer befällt, wenn er im Hochland zu steigen anfängt. Ganz richtig kann ich den Eindruck nicht beschreiben, besonders, weil er größtenteils auch von der Veranlagung, etwas schön zu finden, abhängt, oder von der Veranlagung zum Gegenteil. Aber es ist gewiß etwas Besonderes dabei, Schriftsteller und Versemacher, ja selbst Dichter und Gesetzgeber haben manchmal auf die Höhe »über dem Meeresspiegel« spekuliert, und das nehme ich übel.

Zwar schrieb ich selbst einmal, als ich einen Anfall von Versemacherei hatte, Multatuli (E.D. Dekker), Max Havelaar. Deutsch von Karl Mischke. Halle a. S., Verlag Otto Hendel ... ich stelle das nämlich nicht höher als das Rebusraten im Journal oder sonstige Kindereien – zwar reimte ich selbst einmal:

»Man fühlt, daß seinem Gott man näher sei ...«

Aber man bedenke, ich war jung, und ich spekulierte nicht mit solchen Phrasen. Es paßte nur so in den Vers, wie Meister Jochem zu Kamacho sagte.

Viele aber schlagen Gemütsmünze aus so brüchigem Metall, und das ärgert mich. Selbst der große Moses macht sich falscher Bergpoesie schuldig, und es ist ihm besonders übel anzurechnen, weil er sonst viel Beweise gesunden praktischen Sinnes gab. Er hätte wohl auch den banalen Fehler nicht begangen, wenn nicht das Herumtreiben in der Ebene der Wüste sein Völkchen besonders befähigt hätte, Höhen schön zu finden. Hätten zwischen Aegypten und dem gelobten Lande die Pyrenäen gelegen, hätte Moses den »Herren« wahrscheinlich veranlaßt, sich in den »Landes« zu offenbaren. Manche Leute finden solche Künste praktisch. Ich nicht.

Ich habe diesen Horeb gesehen, und das Ding ärgerte mich. Diese kahle, rauhe, nackte, dumme Bergkuppe – sie hat nie etwas gefühlt – ließ nichts blicken, was an die Allmacht erinnerte. Brimborium von Donner und Blitz – nun ja, Kinder fürchten sich vor dem Rumor.

Ich schwöre bei der großen Fancy-Ananke, Fancy (englisch für Phantasie), Dekkers Muse, vgl. »Minnebriefe«, »Abenteuer des kleinen Walther« u.s.w. Als Muse hilft sie die Geschicke der Phantasiegestalten bestimmen, die die Helden der Geschichte sind, und wird so zu einer Schicksalsgöttin. Sie ist schließlich bei Ausdruck der Folgerichtigkeit, nach der eins aus dem anderen entstehen muß ... Ananke. daß in meinem Gemüt ganz andere Bergkuppen aufragen, auf denen sich eine Allmacht offenbaren könnte ...

Aber das ist eigentlich keine Lektüre für Millionäre und solche, die es werden wollen.

Also etwas anderes, und zwar über Straßenbauer. Fragt einmal einen dieser Herren, ob sie nicht, sobald sie einen Haufen Sand abgeladen haben, um später damit ein aufgerissenes Straßenpflaster höher zu legen, augenblicklich die Straßenjugend auf dem Halse haben. Sicher! Alle Kinder aus der Nachbarschaft – es sei denn, daß einige Alcibiadesse zu anständig erzogen seien, um auf der Straße zu spielen – werden augenblicks diese kleine Erhebung zum Spielplatz wählen. Hinauf, hinunter, hinein, hindurch, drunter weg, wenn es sein muß, aber immer dabei! Rollen, rutschen ... Sand im Haar, Sand in den Schuhen, Sand in den Augen, ... kämpfen, ziehen, schubsen, stoßen, jauchzen, heulen, schreien, gellen: das ist ein Spaß, bis aufs Wehtun sogar.

Und – wenn euer starrer Liberalismus das Zeugnis der rückwärtskriechenden Pflasterleute ablehnt – fragt die Haarlemer Dünen, Kraantjelek und Brouwerskolk. Da beobachtet, am besten am Sonntag, die Amsterdamer, die das Glück haben, sich einmal im Jahre zu amüsieren – wer alle Tage Vergnügen haben kann, hat es nie – und sagt mir, ob in der Leidenschaft des Kletterns nicht etwas steckt, was nach einem erhabenen »Excelsior« hinweist?

Vielleicht sagt ihr Ja, aber ich glaube es nicht.

Erstens ist die Frage, ob das Steigen nicht lediglich die notwendige Vorbereitung ist zu dem noch reizenderen Hinunterrollen? Man kann doch von einem Amsterdamer nicht verlangen, daß er auf einer Haarlemer Düne geboren sei, und daß seine erste Bewegung die des Quecksilbers bei schlechtem Wetter sein soll. Wer in der Tiefe zur Welt kommt, muß steigen, ehe er sich den Luxus des Fallens gestatten kann. Darum gehen gewiß viele, wie ich, in ihrer Jugend außer Landes, und kommen dreißig Jahre später zurück, um Feuilletons zu schreiben ...

*

»Krummachers Parabeln oder Lamartine?« fragte mich im Jahre 1834 Abraham des Armorie van der Hoeven der Jüngere, als ich einige Sommerferientage im Hause seiner Eltern zu Duinlüst zubrachte.

Nach dem Frühstück erkletterten wir nämlich meistens den Blinkert, den größten kleinen Riesen der Overveenschen Sandhügel. Und da lasen wir. Da ...

Sie muß heraus, die Wahrheit, klingt sie auch grausam:

Da logen wir.

Und log auch Abraham nicht, er, der immer aufrichtig war, sogar gegen sich selbst – ich log.

Und auch sein Gefühl war falsch, wenn er es auch nicht wußte. Ich log und ich wußte es. Meine Schuld, o Fancy!

Es war Betrug in dem angeblichen Schönfinden von Krummachers mystischen Träumereien und von dem kränklichen Klingklang Lamartines.

Was versteht so ein Junge von zwölf, dreizehn Jahren – so alt waren wir – von solchen Versen:

»Dahingetrieben stets in neue Weiten,
In ew'ger Nacht, zu immer neuer Plag',
Ach, können mir im Ozean der Zeiten ...«

Stellt euch vor, unseren Ozean der Zeiten, und dann:

»Den Anker werfen keinen einz'gen Tag?«

Ich log, ja! Aber Lamartine auch. Lest seine Lebensgeschichte und urteilt dann. Handwerksmelancholie, weiter nichts. Es war gerade Nachfrage nach dieser Ware, und der feige Kunststückmacher lieferte, was verlangt wurde. Bah!

Ich log, ja! Denn wie entzückt auch über die schönen Verse, schielte ich doch mit sehnsüchtigem Blick nach dem Abhang des Blinkert, der mit seinen fünfundvierzig Grad so verführerisch zum Hinunterkullern einlud.

Und wir kullerten denn auch manchmal hinunter, das ist wahr. Aber ... mit Maßen, und nicht zu kurz vor oder nach Vater Krummacher, um unsere Erbauung nicht zu gefährden.

Noch einmal, er, Abraham, war aufrichtig. Er glaubte treuherzig, daß in dem Schaumgeschlag, an dem wir leckten, Nahrung war. Aber ich wußte es besser, und ich wagte es nicht zu sagen, weder ihm noch mir selber. Ich fürchtete vielmehr, daß es an meinem Magen läge, und schämte mich der Gesundheit, die ich, allzu bescheiden, für Krankheit hielt.

Er wußte schon in jenen Tagen mit mehr als Gewißheit alles, was seit Jahrhunderten unergründlich blieb und stets bleiben wird für ehrliche nüchterne Weisheitsforscher von sechsmal so hohem Alter. Und wissend ist er gestorben, vor der Zeit, da er vielleicht zu der Überzeugung gekommen wäre, daß sein erstes Wissen eitel war. Den Kampf gegen den Zweifel und später den Kampf des Zweifels hat er nie gekämpft.

Er glaubte und starb.

Ich blieb am Leben, um zu kämpfen.

Wie die meisten, fand er, bei dem Übergang von der Wiege ins Kinderzimmer, alle Wahrheiten klipp und klar auf ein Häufchen gelegt, und er hat damit ausgehalten bis an sein Ende. Auch er machte Verse, und zwar schöne, wenn er wollte. Ein Beispiel? Sieh hier, und prüfe, ob nicht die Krummachersche Sicherwisserei darin vorherrscht.

Aber sieh auch seine Herzlichkeit darin, wenn ich gleich zugebe, daß Verse in dieser Beziehung wenig Bedeutung haben. Ich würde mir auch auf seine Freundschaft wenig eingebildet haben, wenn sie sich nie anders gezeigt hätte als im Reim. Sie war innig.

»Nimm diese reinen Blätter von meiner Freundeshand ...«

Diese Verse standen nämlich in einem Album, das er mir schenkte.

»Und nimm dazu mein Freundesherz aufs neu;
Halt von der Sünde Schmutz den Pfad des Lebens frei,
Und wandle durch ein Blumenland
Nein, nein, nicht eine Reih' von schönen Tagen
Ist unser Leben. Stürme wehn hinein ...«

Davon wußte der gute, liebe, edle Junge nichts. Aber wahr ist es!

»Doch leichter ist die Last, trägt man zu zwein,
Die Last, die treue Freunde mit uns tragen.
Teil' mit mir Freud' und Leid, wie's Gott gemacht;
Was uns zu teil auch wird im Weltgetümmel,
Wir teilen einst die Seligkeit der Himmel,
Das Licht, das endet nicht – kurz ist des Lebens Nacht.«

Wenn ich so daran denke, ergreift mich Wehmut um den Kommentar. Was »der Sünde Schmutz« angeht ... mit all meinem Genie bin ich ein guter Mensch geworden. Fragt meine Frau und Kinder und unser Mädchen. Viel Schlimmeres als das fromme Lügen über den öden Krummacher habe ich nicht ausgeführt.

Und oft tat ich auch Besseres als das Abrutschen von der Overveenschen Düne. Aber man hat es mir immer übelgenommen.

»Stürme wehn hinein?« Bester Abraham, du warst ein Prophet, als du das niederschriebst auf das erste »reine Blatt« jenes Albums.

Stürme waren's. Stürme sind es noch. Seit Jahren pfeift mir der Orkan um die Ohren. Seit Jahren suche ich vergebens nach Hafen und Reede, und doch, doch bin ich nicht eifersüchtig auf die Eile und die Ruhe deiner Reise. Luctor et emergo ... ich kämpfe und tauche empor! Das ist auch etwas, nicht wahr, und sieht dann das hin und her geschleuderte Boot auch etwas mitgenommen aus, und weniger hübsch als wohlbestallte Ruinen ... etwa die zu Wyk bei Duurstede. Wenn Bismarck mich annektiert, wird er mich gewiß ausputzen, Hier ereignete sich beim ersten Druck ein spaßhafter Druckfehler. Statt »opknappen« (ausputzen) wurde gesetzt »opknoopen« (aufknüpfen). – Der weiterhin citierte Schluß von »Preußen und Niederland« heißt: »Allen gebe ich ein Rendezvous an der Grenze, wenn das öde Heil dir im Siegerkranz ihnen wie ein Donnerschlag in den holländischen Ohren klingen wird. Es lebe der König!« und dann, lieber wohlmeinender Macher kränklicher Verse, verspreche ich dir eine Bittfahrt nach dem Blinkert. Aber im Sande Kobolzschlagen mag ich nicht mehr – auch will ich keine preußische Unteroffiziere als Besatzung. Dabei bleibe ich seit dem Schlusse meines »Eins und anderes über Preußen und Niederland.«

Was übrigens die Stürme angeht, so fürchte ich, ich muß mich übergeben wie ein Albatros, wenn ich endlich einmal auf festen Grund gekommen sein werde.

*

Das Steigen und Fallen des Bodens in gebirgigen Gegenden hat einen sehr eigenartigen Einfluß auf die Art, wie die Bewohner uns den Weg zeigen, und das ist sogar der Fall an Stellen, wo nicht die mindeste Steigung zu merken ist.

»Gehen Sie nur die Straße hinauf ...«

»Erst links, und dann gerade hinunter ...«

Von solchem »Hinauf« und »Hinunter« hat man nicht viel. In Städten, die – sei es auch in der Ebene – den Fluß entlang gebaut sind, bedeuten diese Worte: stromauf und stromab; aber wer nun nicht weiß, ob er den Strom rechts oder links hat, kann auch nicht bestimmen, wo er hinläuft, und bleibt nach solch einem Bescheide genau so dumm, wie er vorher war.

Die Stadtverwaltung von Köln hat diese Schwierigkeit beseitigt. Die Farbe der Schilder in den Hauptstraßen dieser Stadt zeigt die senkrechte oder gleichlaufende Richtung zu der des Flusses an, und Pfeile, die den Lauf des Stromes bezeichnen, setzen die Holländer instand, zu wissen, welche Richtung er zu nehmen habe, wenn ihn einmal die weniger löbliche, aber doch erklärliche Lust beschleichen sollte, seinem Vaterlande ben Rücken zu kehren. Das ist in der Tat eine große Erleichterung, besonders weil die Kölnischen offenen Rinnsteine ein eigensinnig Gefälle beobachten, was – wie auch in der Politik – einen sehr schlecht riechenden Stillstand zur Folge hat.

Das muß man zugeben, der alte Sonnenwirt hatte weder Pfeile noch fließende Graben nötig, um mir begreiflich zu machen, wohin ich gehen müßte, als ich fragte, ob man den Turm noch immer besichtigen könne.

»Gewiß! Gehen Sie nur hinauf ... he, da oben! ... es kommt jemand ... bleiben Sie da!« schrie er. Und dann, zu mir gewendet: »Sonst geht er fort, wissen Sie.«

»Mit wem reden Sie, Alter?« fragte ich etwas erstaunt, denn es sah so aus, als richtete er das Wort an ein paar Spatzen, die schilpend auf einem Mauerstück saßen und nach einer neuen Wohnung ausschauten.

»Mit dem Pórtjeh, sonst geht er fort. Dort oben steht er ... da!«

An den Spatzen vorbei durch das kahle Geäst der Bäume hinsehend, erblickte ich in der Tat meinen wohlbekannten Turm, oder doch etwas davon. Mein vollständiger Mangel an Ortssinn war die Ursache, daß ich ihn da nicht gesucht hatte. Auch kam er mir weniger hoch vor als früher. Das ist ja, wenn man älter wird, mit vielen Dingen so.

Und zugleich sah ich etwas an den Turm angeklebt, was sehr gut für eine zu Civilversorgung berechtigte Persönlichkeit gelten konnte. Der Schützling Bismarcks stand auf den Stufen der eisernen Treppe, die durch die väterliche Sorge der Regierung in die Außenmauer geschlagen war, um den Besuchern den Zutritt zum ersten Stockwerk zu gestatten. Dort angekommen, konnte der geschätzte Gast ein wenig am »Civilversorgen« mithelfen, indem er die angemalten Lichtbilder, auf denen etwas von Sonnenberg zu sehen war, sechsmal zu teuer bezahlte. Auch konnte man da das Bild von Kaiser Adolf kaufen. Er ist sprechend ähnlich getroffen. Das habe ich später zu großer Genugtuung durch den Augenschein kennen gelernt. Als ich das Original zum erstenmal sah ... doch ich will nicht vorgreifen.

Ich habe das Wort »Portier« etwas sonderbar geschrieben, um es annähernd dem Alten nachzutun, der, wie die meisten seiner Landsleute, anscheinend gegen die Betonung der letzten Silbe in dem französischen Bastardwort protestieren wollte. Es ist ihnen nicht übel zu nehmen. Besonders nicht, wenn wir darauf achten, welche Mühe es uns Holländern bei vielen deutschen Worten macht, sie richtig zu betonen, z. B. die mit »un-« beginnen. Laß einmal einen Holländer die Aufschriften lesen, die in abgelegenen Winkeln gegen Unsauberkeit angeheftet sind, ich wette drei gegen eins, daß er sagen wird: verun reinigt ...

Es ist auffallend, daß wir in einer fremden Sprache – wenn wir es soweit bringen – selten mehr lernen als die Bedeutung der Wörter. Manche kommen bis zur Kenntnis von Redensarten. Wenige dringen bis zu den »Idiotismen« vor. Keiner beinahe lernt den Ton, den Klang, die Melodie meistern. Kein holländisches Mädchen wird zu ihrer Freundin auf echt deutsche Weise sagen: »aber Philippiiiihne!« wenn die ihr ein Knäuel Garn stibitzt hat oder einen Liebhaber – auch »o du abscheulicher Mensch!« im Munde einer deutschen Dame ist unnachahmlich ... wie man behauptet. Selbst habe ich diesen Ausruf nicht gehört.

Pórtjeh also.

»Ein Portjeh, Alter? Wie steht es denn damit? Das war doch früher nicht. Damals ...«

Ich gestehe, daß ich an Staccata dachte und an die ausgetretene Wendeltreppe.

»Früher? Ja, damals ...«

Hier folgte ein Bericht von der preußischen Eroberung und der Civilversorgung.

In Gottesnamen, dachte ich, meinen Turm will ich wiedersehen, wenn mir auch das Mitversorgen unangenehm war.

Ob Staccata auch versorgt war? Und civil?

Ich fragte darnach nicht, wenn es mich auch interessierte, denn ich fürchtete, zu hören, daß sie noch immer nicht annektiert war, oder ... zu oft.

Ich bezahlte meinen Holländer, und kroch aus der Mulde, in der die Wirtschaft liegt, um die andere Mulde zu erreichen, in der der Turm steht, der den Umkreis der großen Mulde, innerhalb deren Kaiser Adolf seine Burg gebaut hat, nicht beherrscht. Die horizontal gerichteten Blicke des Beschauers, der auf der Plattform des Turmes steht, bleiben auf einem Kreis von Hügeln sitzen, die sich über seinen Standpunkt erheben und in ihm beinahe den Eindruck hervorrufen, als säße er in einem Brunnen. Erst wenn er über die – niedlich reparierten – Zinnen weg sieht, kommt er auf seine frühere Vermutung zurück, daß er in der Tat einen Turm erstiegen hat.

»Grüß Gott, Herr Ritter, Kastellan von und zu Sonnenberg!«

Mit diesen Worten trat ich in den Turm. Ich wollte den Portier fühlen lassen, daß ich wußte, was sich gehört, und daß ich schon mehr mit Rittern und Burgen zu tun gehabt hatte. Vielleicht lag auch in dem altmodischen Gruß ein bißchen Spott über den neuen Kalk.

Geschadet hat es ihm nichts. Ebenso gesund wie vor meinem Gruß, erzählte er mir, in welchem Jahre sein erhabenes Brunnenrohr gebaut worden war, wie viel Stockwerk es hatte, und daß er Photographien zu verkaufen habe ...

»Und hier,« sagte er und öffnete eine Falltür, »hier war das Gefängnis ...«

Ich sah hinunter, aber ich sah nichts. Es war barbarisch finster in dem Loch. Aber ich fragte angelegentlich, ob da unten auch alles frisch gestrichen wäre.

»Ganz neu repariert ... ganz neu! Repariert und restauriert, alles!«

»Und gehörig angestrichen?«

»Freilich!«

Er wird mich wohl für einen Maurerlehrling gehalten haben, der auf der Wanderschaft war,

»Ach so,« sagte ich befriedigt. »Und diese Bildchen?«

»Der Preis ist nach Belieben,« erwiderte der Mann, woraus ich entnahm, daß er meine Barschaft – und, besonders nach meiner Freude über den frischen Anstrich, meine Freigebigkeit höher einschätzte als seine eigene Unverschämtheit. »Nach Belieben. Und dieses Porträt ...«

Ich bezahlte für die lumpigen Bilder einen angemessenen Preis, und dankte für das Porträt. Aber ich sah mir diesen Adolf gut an, um ihn wieder zu erkennen, wenn ich ihm einmal begegnen sollte ... wie zu erwarten stand. Ich sah nämlich voraus, daß ich bald eine Genesung brauchen würde nach meinem Portier und dem preußischen Anstrich.


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