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1.

Ich, Hans Heinrich Freiherr von Schmartau, habe Anno 1725, als ich Lieutenant im Bevernschen Dragonerregiment war und zu Frankfurt an der Oder in Garnison lag, Urlaub genommen, um meinen Vetter, den kaiserlichen Oberamtsrath von Wolfersdorf in Breslau, zu besuchen. Bin auch von demselben wohl empfangen worden und habe mancherlei Plaisir genossen, theils in Breslau selbst, wo der Graf von Schafgotsch, kaiserlicher wirklicher Geheimrath und erster Director der kaiserlichen Regierung, mich zum Oefteren mit meinem Vetter, seinem intimen Freunde, in sein Haus lud, wie auch auf dem Gute dieses letzteren, wo mir mit Festen und Vergnügungen reichlich aufgewartet wurde.

Darauf im August desselben Jahres verließ ich den Ort auf einige Zeit und begab mich nach dem Kudowabade in Gesellschaft des Herrn Grafen Dietrich Althan, welchen ich einige Zeit vorher bei dem Grafen Schafgotsch angetroffen und kennen gelernt. Besagter Graf Althan war ein feiner junger Herr vom Wiener Hofe, wo er der kaiserlichen Majestät als Kammerjunker servirt, doch ebenfalls Urlaub begehrt. Er war wohlerfahren in allen höfischen Künsten und Sitten, aufs Reichste costumiret, auch wohl eben so stolz auf seine rothen spanischen Strümpfe, Schnabelschuh mit rothen Absätzen und Schminkpflästerchen auf beiden Backen wie auf seinen kaiserlich erbösterreichischen Grafentitel.

Mich schien er Anfangs über die Achsel betrachten zu wollen, als preußischen Offizier und Edelmann eines kaiserlichen Vasallen, allein wir kamen dennoch bald auf guten Fuß, da er wohl merkte, ich würde mir nichts gefallen lassen. Das Meiste jedoch zu unserer Freundschaft trug bei, daß ich ein lustiger, anstelliger Cavalier war, auch nicht allein schreiben und lesen, sondern sogar geläufig französisch sprechen konnte, was am Hofe zu Berlin und unter den preußischen Offizieren überhaupt damals nicht eben häufig gefunden wurde. Aber meine selige Mutter war Dame bei der Königin Sophie Charlotte gewesen, welche niemals eine andere Sprache, als die französische geredet, und ich wurde in Pagenhause erzogen, wo ich die Schreib- und andere Künste lernte und Gefallen daran fand.

Das Kudowabad war einer der Sammelplätze des österreichischen und schlesischen Landesadels, welche sich hier einzufinden pflegten, auch ihre Töchter, Nichten und Cousinen mitbrachten, so daß bei Festen und Bällen viele galante Connaissancen gemacht, auch zahlreiche Mariagen zu Stande gebracht wurden. Graf Althan wollte seine Schwester aufsuchen, welche sich ebenfalls im Kudowabade befand und ihn erwartete. Es war dies eine Wittwe, die ihren Namen nicht verändert hatte, denn ihr verstorbener Gemahl hieß ebenfalls Graf Althan und hatte ihr Güter in Mähren hinterlassen.

Welchen Planen Graf Dietrich weiter nachhing, wußte ich nicht, was mich jedoch betrifft, so dachte ich nicht daran, eine Heirath hier zu schließen, da ich preußischer Offizier und Protestant war, der österreichisch-schlesische Adel aber beide nicht besonders liebte. Ich dachte nur daran, vergnügt zu leben und nach junger Cavalier-Art mit schönen Damen interessante Aventures zu haben, wie dies häufig in jener Zeit geschah, wo sowohl von Frankreich aus, wie auch von dem üppigen Hofe des galanten Königs August von Sachsen und Polen sich leichtfertige Sitten weit verbreitet hatten.

Wir fanden eine zahlreiche Gesellschaft beisammen, manche schöne Damen aus Wien, Dresden und Warschau, selbst solche, die in Paris am Hofe des Regenten, des Herzogs von Orleans, geglänzt und alle Pracht wie alle Ausschweifungen in Freuden, Festen und Genüssen dort mitgemacht hatten. Die Schwester meines Freundes, die Gräfin Althan, empfing uns mit Artigkeit und es war eine feine, sehr kluge Frau, ihrem Bruder zärtlich zugethan und auch mir bald gewogen. Sie war nicht mehr ganz jung, auch nicht besonders schön, allein sie ersetzte diese Mängel durch die Künste ihrer Toilette und durch ihren Geist, welcher von Vielen bewundert wurde.

Diese Gräfin Althan und ihr Bruder wurden jetzt meine Lehrmeister und brachten es in der ersten Woche dahin, daß ich mir ein neues grünes, mit Gold besetztes Kleid kaufte, um auf der Promenade zu erscheinen, einen pfirsichblüthenen Sammetrock aber, um im Gesellschaftshause zu tanzen. Graf Dietrich half mir mit Battistcollerets und Kantenmanchetten aus, und nachdem ein Haarkünstler aus Wien mir den langen Zopf abgeschnitten, welchen ich nach dem Vorbilde des Fürsten Leopold von Dessau trug, und statt dessen mir Taubenflügel und Haarbeutel angehangen, da ich mich standhaft weigerte, eine Perücke aufzusetzen, endlich auch mich weidlich mit Puder bestreut, ließ sich die Gräfin von mir ins Bad führen.

Wir lebten darauf noch eine Woche in Saus und Braus. Täglich gab es Zerstreuungen und Feste. Bald war es ein Ball, bald eine ländliche Lust, dann ein Gastmahl oder eine Tour de Plaisir. Ich machte manche artige Bekanntschaft, allein im Grunde war ich doch nicht zufrieden. Ich verstand es nicht recht, mich in diesem Kreise so frei zu bewegen, wie die jungen Herren, welche daran gewöhnt waren, überall zu charmiren, den schönen Damen aufzuwarten und ihnen Süßigkeiten zu sagen; verstand es nicht, mich angenehm und interessant zu machen und die zahllosen schmeichelhaften Redensarten immer bei der Hand zu haben, welche dazu nöthig sind.

Es war auch unter allen diesen Schönheiten keine, die mich mit Leidenschaft erfüllte, und vielleicht machte es mein preußisch und soldatisch Wesen und was ich von früh auf gesehen, daß ich eine gewisse Aversion gegen den allzu üppigen und flatterhaften Leichtsinn der Weiber fühlte, von dem ich hier Mancherlei sah und noch mehr davon hörte.

Endlich mochte es auch wohl sein, daß ich an der spindeldürren Gräfin, die mich zu ihrem Cavalier gemacht, wenig Behagen fand, wobei sie mich als bon enfant behandelte und als eine vornehme Dame wie ein Spielzeug betrachtete, das nicht immer nach ihrem Sinne war. Genug, ich fand bald Vieles anders, als ich es gedacht, hatte ein unruhig, unbefriedigt Herz in mir und ging mit dem Gedanken um, mich aus dem Staube zu machen, als dazu eine unerwartete Gelegenheit kam.

Eines Morgens, als ich mit dem Grafen Dietrich von der Promenade zurückkehrte, und wir bei seiner Schwester eintraten, lief diese uns mit einem Briefe entgegen.

Eine schlechte Neuigkeit, sagte sie. Helene kommt nicht.

Warum nicht? fragte er.

Weil Agnes krank geworden ist, oder sich so stellt. Allein will sie diese nicht in Steinau lassen.

Die kleine eigensinnige Hexe! schrie Graf Dietrich, indem er sein goldenes Bisambüchschen hervorzog und daran roch. Was soll nun geschehen?

Helene ladet uns nach Steinau ein. Ich kann noch nicht fort, aber Du mußt gehen, Dietrich.

Eine wundervolle Aussicht auf kostbare Tage! rief er spottend aus.

Ich komme nach, sagte sie, inzwischen wird Dich Baron Schmartau begleiten. Die Reise kann heut noch beginnen. Helene sehnt sich nach Gesellschaft.

Die Art, wie sie über mich bestimmte, war mir empfindlich, aber Graf Dietrich schien damit zufrieden.

Das ist ein sehr guter Einfall meiner Schwester, sagte er; wir wollen heut noch fort, Baron, wenn Ihr nichts dagegen habt.

Zunächst das, erwiderte ich, daß ich sicherlich nicht zu den Eingeladenen und Erwarteten gehöre.

Das thut gar nichts, versetzte er. Ihr werdet willkommen sein.

Dann kenne ich auch die Dame nicht, von welcher hier die Rede ist, fuhr ich fort.

Der Herr Baron wird sie kennen lernen, fiel seine Schwester ein, und meine Freundin wird ihm gefallen. Mit wenigen Worten will ich Ihm sagen, wer sie ist. Es ist die Gräfin Helene von Callenberg, welche auf ihrer Herrschaft Steinau im Fürstenthum Oppeln wohnt. Ich erwartete sie seit letzter Woche, warum sie nicht kommt, hat der Herr gehört. Nun rathe ich Ihm aber, als seine ergebene Freundin, unsere Bitten nicht abzuschlagen, denn Er wird eine der schönsten und liebenswürdigsten Damen kennen lernen, um deren Amour schon viele Seufzer zum Himmel stiegen.

Meine Schwester sagt die Wahrheit, betheuerte Graf Dietrich, doch abgesehen von aller Schönheit wird der Aufenthalt in Steinau Euch Vergnügen gewähren. Das Schloß ist berühmt wegen seiner Pracht und seiner Gärten. Die Jagd ist vortrefflich und die Gräfin selbst eine kühne Jägerin, die mit Euch um die Wette schießt und reitet. Also keine längere Widerrede, mein Freund. Meine Schwester meint es gut mit Euch; Ihr könnt ihre Devotion für Euch daran erkennen, daß sie Euch diese schöne Connaissance überläßt.

Und von Herzen Glück wünscht, lächelte die Gräfin. Ich sehe es voraus, daß der Herr Baron schnell in ein echauffement du coeur gerathen und es mir wenig danken wird. Aber ich rathe Ihm doch zu einiger precaution bei meiner süßen Freundin.

Ein Zug von Spott um ihre Lippen vermehrte meinen Aerger und stimmte mich dafür, den Vorschlag ohne Weiteres anzunehmen. Was hätte mich davon abhalten sollen? Meine Neugier war angeregt, gefiel es mir aber nicht bei Dieser vielgepriesenen Helene, so konnte ich ja meinem Besuche jederzeit ein Ende machen. Ich sagte daher meine Begleitung zu, Graf Dietrich umarmte mich dafür, und nach einigen Stunden schon saßen wir im Wagen und rollten der Oder zu.

Die Gräfin Althan versprach in einigen Wochen uns nach Steinau zu folgen. Sie wollte mich ohne Zweifel los sein und ergriff diese günstige Gelegenheit. Ich merkte das recht gut, aber ich war ihr dankbar dafür und wir trennten uns sehr froh und artig.

Amüsire sich der Herr Baron aufs Beste, sagte sie beim Abschiede, doch merke Er sich noch eine vertrauliche Instruction, welche ich ihn auf den Weg gebe. Vergesse Er sich in seinen Divertissements nicht zu sehr, damit ich Ihn auch noch am Leben finde, wenn ich nach Steinau komme. Dann wollen wir seine Conduite weiter überlegen.

Sie lächelte dabei mit überlegener Malice, reichte mir ihre Hand zum Kusse und tippte mit dem Fächer auf meine Stirn.

Adieu, Baron! sagte sie dabei französisch, auch bei seinen Amours muß man den Kopf immer zu Rathe ziehen. Höre Er auf meinen Bruder, er wird ihm noch Manches zu erzählen haben.

Dies war allerdings der Fall, jedoch in den ersten Tagen unserer Reise hörte ich eigentlich nur weniges und Allgemeines von der Dame, deren Wohnsitz wir uns näherten, von ihrem Reichthum, ihrer Schönheit und ihren Eigenthümlichkeiten. Graf Dietrich wußte immer bald wieder davon abzubrechen und unter Scherz und Lachen zu schwören, daß ich diese reizende Gräfin erst sehen und kennen lernen solle, ehe er mir nüchterne und einseitige Schilderungen von ihr machen werde, die meine Illusionen verderben könnten. Am Donnerstage aber langten wir glücklich in Steinau an, und als wir die Stadt liegen sahen, erfuhr ich endlich Mehreres, was ich nicht wußte.

Da Ihr so neugierig seid, Baron, und mich immer wieder ausfragt, sagte Graf Dietrich, so muß ich Euch den Willen thun. Auch kann es jetzt nichts mehr schaden, wenn ich Euch einige offenherzige Mittheilungen über die Gräfin Callenberg mache; denn begleiten müßt Ihr mich jetzt und könnt nicht umkehren, wenn Euch auch nicht alles gefallen sollte, was Ihr hört.

Sie ist also nicht schön! rief ich aus.

Darüber seid unbesorgt, erwiderte er, Sie wird Euch wahrscheinlich mehr gefallen, als ich es wünsche.

Aber sie ist alt.

Nicht älter als dreißig Jahre, doch man könnte sie für zwanzig halten.

So ist es mit ihrem Reichthum nicht weit her.

Sie ist die Erbtochter des alten Grafenhauses Tentschin und ihr gehören außer dieser großen Herrschaft Steinau noch verschiedene andere Güter.

Nun denn, was, zum Henker! ist es mit ihr?

Wenn Ihr ein Schlesier wäret oder mit dem Hofe in Dresden bekannt, würdet Ihr sicher von der schönen Gräfin Callenberg schon etwas gehört haben, lachte Graf Dietrich. Vernehmt, was ich Euch von ihr erzähle. –

Helene Tentschin, das einzige Kind des letzten Grafen dieses Namens, wurde, als sie noch nicht sechszehn Jahre alt war, an den Grafen Friedrich von Promnitz zu Halbau verheirathet. Dieser Graf war Protestant, wie seine ganze Familie; die Heirath wurde daher am kaiserlichen Hofe nicht gern gesehen, allein der alte Tentschin bestand darauf und ließ sich durch keine Einwirkungen davon abbringen. Promnitz war ein feingebildeter, äußerst leutseliger und sanftmüthiger Herr, seine junge Frau aber hätte, wie ein feuriges Roß, eine starke Hand haben müssen, die ihren Nacken beugte und ihr wildes Blut bändigte.

Es wurde eine unglückliche Ehe. Der alte Tentschin erlebte das Ende derselben nicht, er würde sonst voll Kummer in sein Grab gestiegen sein und seine Schuld gefühlt haben. Er war so gelehrt wie sein Schwiegersohn, liebte Bücher, Bilder, Statuen und allerlei Kunst und Wissen, wie dieser; darum hatte er ihn sich ausgesucht; sein wildes Töchterchen aber lachte den gelehrten Eheherrn aus, ritt durch Wälder und Felder, jagte mit wilden Hunden und wilden Jägern, schoß mit Flinten und Pistolen und kam in solchen schlimmen Ruf, daß der arme Graf aus Gram und Aergerniß starb. Was meint Ihr dazu?

Daß ein solches Paar nicht zusammen paßte.

Sehr wahr, weiser Salomo! lachte Graf Dietrich. Sie paßten nicht zusammen und der Himmel erbarmte sich ihrer. Der fromme Graf ging in die Gruft seiner Väter, die schöne Gräfin aber an den munteren Hof nach Dresden, wo sie nach einiger Zeit den Grafen Callenberg kennen lernte, einen stattlichen Cavalier von galanten Sitten, mit welchem sie besser zu passen meinte. Die beiden Kinder aus ihrer ersten Ehe wurden getheilt. Der junge Graf Promnitz kam zu seiner Großmutter, der Herzogin von Sachsen-Weißenfels-Dahme, welche zu Drehna in der Niederlausitz Hof hält. Die Tochter, Agnes Maria, blieb bei der Mutter.

So gehört die Gebieterin von Steinau zu dem regierenden hohen Adel, sagte ich.

Allerdings, antwortete er, sie ist mit erlauchten Familien verwandt und in ihrer Herrschaft hat sie alle Vorrechte hochadeliger Standesgüter.

Wie alt ist ihre Tochter jetzt?

Eben vierzehn Jahre geworden, doch wartet noch einen Augenblick, ehe wir von ihr sprechen. Graf Callenberg ritt und jagte mit seiner reizenden Frau um die Wette, dennoch wollte es das Schicksal, daß diese Ehe noch übler ablief als jene erste; denn es dauerte kaum zwei Jahre, so klagte er auf Scheidung.

Warum?

Wegen Ehebruch.

Sollte das wahr sein?

Ich weiß es nicht, sagte Graf Dietrich mit einem spöttischen Achselzucken, aber Callenberg beschuldigte den Kammerdiener seiner Frau, und diese wurde in Dresden ins Gefängniß gesetzt. Der galante König August nahm sich jedoch ihrer an, und eine Zeit lang soll sie zu den Favoritinnen Sr. Majestät gehört haben, was, wie Ihr wißt, als eine große Ehre betrachtet wird. Im Uebrigen seht Ihr jedenfalls daran, mein Freund, daß Helene Tentschin sehr schön sein muß, denn der König gilt in ganz Europa als erster Kenner.

Dann muß es wirklich doch ein lüderliches Weib sein! rief ich kopfschüttelnd.

Bah! antwortete er, sie hat nur Unglück gehabt und hat die Dehors nicht berücksichtigt. Manche machen es viel ärger und bleiben dennoch Tugendspiegel. Ihre Ehe wurde getrennt. Sie wollte nach Wien gehen, der Kaiser verbat sich jedoch ihren Besuch. So ging sie denn auf ihre Herrschaft Steinau und hier lebt sie nun seit Jahren ein einsames Leben in Gesellschaft ihrer Tochter.

Wie lebt sie dort? fragte ich.

Nun, man weiß eigentlich nichts Böses von ihr, dennoch aber nennt sie das Volk, wie mir erzählt wurde, die böse Gräfin. Sie ist heftigen Gemüths, führt die Peitsche ohne Ansehn der Person, schenkt den störrigen Bauern und Bürgern nichts, straft, wo Einer sich ihr zu widersetzen wagt, und hat immer geladene Pistolen bei der Hand.

Das ist ein Satan! sagte ich.

Schießt der König von Preußen seine Bedienten mit Pistolen, welche mit Salz geladen sind, und schlägt den Räthen des obersten Gerichtshofes die Zähne ein, lachte er, so wird die hochgeborene Gräfin Tentschin doch wohl elendes Bauernvolk in den Bock spannen und ihm das Fell zergerben können, wenn es ihr Spaß macht. In einem einzigen Fall nur sagt man ihr nach, daß sie wirklich von ihren Pistolen einen etwas zu starken Gebrauch machte.

Wirklich?

Eben jener Kammerdiener oder Haushofmeister, auf den sich Graf Callenbergs Anklage richtete, soll sich so unverschämt gegen sie betragen haben, daß sie ihn todtschoß.

Unerhört! Was ergab die Untersuchung?

Untersuchung? erwiderte er. Es kam natürlich nicht dazu. Eines elenden Burschen wegen wird man nicht so großes Aufsehen machen. Er wurde eingescharrt und vergessen. Das gräfliche Gericht in Steinau, der Justizamtmann der gnädigen Gräfin, konnte doch schwerlich gegen diese selbst Anklage erheben, wozu ohnehin des Kaisers Befehl nöthig gewesen wäre. Was aber auch wahr oder falsch an allen diesen Dingen sein mag, mein Freund, so ist so viel gewiß, daß man mit dieser leidenschaftlichen Frau sich wohl vorsehen muß.

Gewiß, Graf Althan, versetzte ich. Am besten jedoch, man hat gar nichts mit ihr zu thun; darum möchte ich, weil es noch Zeit ist, umkehren.

Thorheit! lachte er. Was geht das Alles Euch an? Es ist eine originelle Schöne, voller Esprit, voller Phantasie, voll Humor. Ihr werdet Euch divertiren, mein Freund, nur muß man nicht etwa einer ernsthaften Inclination bei ihr nachhängen, keine rührenden Sentiments verlangen, wie meine Schwester sagte; man muß zu seinen Amouren mit ihr weder sein Herz in Bewegung setzen noch etwa gar ihr Herz fordern. Um keinen Preis der Welt möchte ich mich in sie verlieben oder von ihr geliebt werden!

Sie machen keine Ansprüche darauf? fragte ich in seinen Ton eingehend.

Nicht die geringsten, versetzte er, ich trete Euch im Voraus alle Ansprüche ab, denn ich bin kein Mann, der Gnade vor diesen schönen Augen fände.

Ich spöttelte über seine Bescheidenheit, allein er hatte wirklich nicht viele körperliche Vorzüge aufzuweisen. Sein mageres, gelbes Gesicht und sein welker Körper konnten sich mit meiner Jugendkraft nicht messen. Früh sich Genüssen und Ausschweifungen überlassend, trug er die Spuren und Folgen derselben an sich, was aber seine geistigen Fähigkeiten betraf, so war er mir darin um so mehr überlegen.

Ihr werdet mit mir zufrieden sein lernen, lachte er, doch Eines muß ich Euch noch mittheilen, was die junge Gräfin Agnes betrifft –

Welche ohne Zweifel ihrer gnädigen Mama gleicht, fiel ich ein.

Fehlgeschossen, sagte er, sie ist vielmehr das Gegentheil der Mama. Schüchtern, blöde, ein furchtsames Kind, das davonlaufen möchte und ihre Mutter keinesweges liebt.

Das ist ein schlechtes Zeichen für diese.

Sprechen Sie niemals von dem eigensinnigen Mädchen, kümmern Sie sich nicht darum, auf keinen Fall reden Sie etwa zu ihren Gunsten.

Dazu fühle ich mich nicht berufen.

Auch diese Tochter, fuhr er fort, ist Protestantin, da es üblich ist, daß die Kinder einer gemischten Ehe sämmtlich der Religion des Vaters folgen. Gräfin Helene hat sich vergebens bemüht, ihre Tochter zu ihrer Religion, das heißt zu unserer allein seligmachenden und beglückenden katholischen Kirche zu bekehren; sie ist jedoch verstockt geblieben, wie ihre Mutter sagt hauptsächlich durch Einfluß der alten Herzogin in Drehna, welche überhaupt schon Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hat, um diese Enkelin in ihre Hände zu bekommen. Es ist ihr aber nicht gelungen, denn die Gräfin haßt die Familie ihres verewigten Gemahls viel zu sehr, um jemals darein zu willigen. Nun weiß der Herr Baron Alles, was nöthig ist, und jetzt laßt uns suchen, so schnell als möglich nach Steinau zu kommen.



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