Christian Morgenstern
In Phanta's Schloß
Christian Morgenstern

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Mondbilder

I.
                              Der Mond steht da
wie ein alter van Dyck:
ein rundes, gutmütiges
Holländergesicht
mit einer mächtigen,
mühlsteinartigen,
crêmefarbenen
Halskrause.
Ich möcht ihn
wohl kaufen,
den alten van Dyck!
Aber ich fürchte,
er ist im Privatbesitz
des Herrn Zebaoth.
Ich mußte den Ablaß
wieder in Schwang bringen!
Vielleicht ließ er ihn
dafür mir ab . . .
Hm.
Hm.
II.
Eine goldene Sichel
in bräunlichen Garben,
liegt der Mond
im bronzenen Gewölk.
Mag da weit
die Schnitterin sein?
Ich meine,
die Schwaden bewegen sich –
oh, ich errate alles!
Ins Ährenversteck
zog wohl ein Gott
die emsige Göttermaid, –
irgend ein himmlischer
Schwerenöter der Liebe,
Jupiter-Don Juan
oder Wodan-Faust . .
In frohem Schreck
ließ sie die Sichel fallen . . .
Oh, Ihr königlich freien,
heiter genießenden,
seligen Götter!
III.
Groß über schweigenden
Wäldern und Wassern
lastet der Vollmond,
eine Ägis,
mit düsterem Goldschein
alles in reglosen Bann
verstrickend.
Die Winde
halten den Atem.
Die Wälder ducken sich
scheu in sich selbst hinein.
Das Auge des Sees
wird stier und glasig –:
als ob eine Ahnung
die Erde durchfröre,
daß dieser Gorgoschild
einst ihren Leib
zertrümmern werde . .
Als ob eines Schreies
sie schwanger läge,
eines Schreies voll Grausen,
Voll Todesentsetzen
Essetai êmar!
IV.
Durch Abendwolken fliegt ein Bumerang,
ein goldgelbes Bumerang.
Und ich denke mir: Heda!
Den hat ein Australneger-Engel
aus den seligen Jagdgründen
dorthin geschleudert –
vielleicht aus Versehen!?
Der arme Nigger!
Am Ende verwehrt ihm ein Cherub,
über den himmlischen Zaun zu klettern,
damit seine Waffe
er wieder hole . . .
Oh, lieber Cherub,
ich bitte für den Nigger!
Bedenke:
es ist solch ein schönes,
wertvolles,
goldgelbes Bumerang!

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