Jean Baptiste Molière
Der Misanthrop
Jean Baptiste Molière

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Vierter Akt

Erster Auftritt

Eliante. Philint.

Philint. Nein, dieser Starrkopf gab nicht nach;
Der Streit war äußerst schwierig auszugleichen:
Er wollte, was man auch zum Guten sprach,
Von seiner Ansicht keinen Fußbreit weichen,
Und nie ward ein so drolliges Gericht
Gehalten vor des Ehrenrates Stufen.
»Nein,« rief er, »nein, ich kann nicht widerrufen,
Und alles geb' ich zu – nur dieses nicht.
Was will er denn? Was konnt' ihn so entfachen?
Ist er entehrt, weil er nicht dichten kann?
Wenn ihm mein Rat mißfällt, was liegt daran?
Der beste Mensch kann schlechte Verse machen;
Die Ehre wird dadurch nicht untergraben.
Ich halt' ihn, meine Herren Richter,
Für einen Mann von Mut, Verdienst und Gaben,
Kurzum für alles – nur für keinen Dichter.
Gern will ich loben seines Hauses Glanz,
Sein Reiten, Fechten, sein Geschick im Tanz;
Doch wenn er Verse macht, bleib' ich daheim;
Wem's nicht von Gott gegeben ward im Schlafe,
Der lasse seine Hand von Lied und Reim,
Eh' man's ihm nicht befiehlt bei Todesstrafe.« –
Am Ende schien es fast, als gäb' er nach;
Er aber hielt sich schon für mehr als fügsam,
Indem er folgende Erklärung sprach:
»Mein Herr, es tut mir leid, daß ich so ungenügsam;
Doch recht von Herzen wünscht' ich mir und Ihnen,
Daß Ihr Sonett mir besser wär' erschienen.«
Worauf es gleich an ein Umarmen ging,
Und damit fand die Sitzung ihren Schluß.

Eliante. Er ist gewiß ein rechter Sonderling
Und doch ein Mann, den ich verehren muß.
Denn seine strenge Wahrheitsliebe
Zeigt edlen Mut und Heldenhaftigkeit,
Und wünschen möcht' ich unsrer Zeit,
Daß solch ein Vorbild nicht vereinzelt bliebe.

Philint. Eins werd' ich nie verstehn: Wie konnt' er nur
Solch einer Leidenschaft sich überlassen?
Wie soll zu seiner Denkart und Natur
Die heftige Verliebtheit passen?
Und vollends scheint mir jeder Grund zu fehlen,
Daß seine Wahl auf Celimene fiel.

Eliante. Dies lehrt: Nicht immer wird der Neigung Ziel
Bestimmt durch Harmonie der Seelen,
Und wer etwas auf Wahlverwandtschaft gibt,
Den würde dieses Beispiel schlagen.

Philint. Ist anzunehmen, daß auch sie ihn liebt?

Eliante. Ja, das ist nicht so leicht zu sagen.
Wie könnt' ich prüfen ihrer Liebe Wahrheit?
Denn ihrem eignen Herzen fehlt die Klarheit;
Sie liebt manchmal und will es selbst nicht glauben,
Und manchmal liebt sie nicht und glaubt es doch.

Philint. Sie wird, so fürcht' ich, unsrem Freunde noch
Mehr, als er ahnt, von seinem Frieden rauben,
Und grad heraus, besäß' er mein Gemüt,
Er würde sich zu anderm Glücke wenden
Und einsehn, daß ein beßres Los ihm blüht
In dem Gefühl, das Sie an ihn verschwenden.

Eliante. Ich will mich nicht verstellen, und ich denke,
Man soll in diesen Dingen ehrlich sein.
Daß er sie liebt, ich seh' es ohne Pein,
Und grad weil ich ihm Anteil schenke,
So würd' ich, wenn's mir irgend möglich wär',
Gern selbst in ihre Hand die seine legen;
Fänd' er jedoch von ungefähr
In dieser Liebe keinen Segen,
Und zög' sie einen andern Freier vor,
Dann neigt' ich seiner Werbung gern mein Ohr,
Und daß er sich von ihr verschmäht gesehn,
In meinen Augen sollt' es ihm nicht schaden.

Philint. Ich meinesteils, ich lass' es still geschehn,
Wenn Sie den Freund mit Ihrer Huld begnaden.
Er selber, wenn er will, kann Ihnen sagen,
Was ich hierin ihm oft und eifrig riet;
Doch wenn's die beiden miteinander wagen,
Und wenn er Ihnen sich dadurch entzieht,
Dann möcht' ich mir die hohe Gunst erstreiten,
Die ihm gegönnt war; weist er sie zurück,
Dann wär' ich selig, wollte dieses Glück
Von ihm zu mir herübergleiten!

Eliante. Sie scherzen, Herr Philint.

Philint.                                           Dies ist kein Scherz;
Dies stieg aus meiner Seele tiefstem Grunde.
Zu offner Werbung harr' ich nur der Stunde,
Und Flügel ihr zu geben wünscht mein Herz.

Zweiter Auftritt

Vorige. Alcest.

Alcest (zu Eliante).
Mein Fräulein, helfen Sie! – Mich traf ein Streich,
Der meine ganze Kraft zu lähmen droht.

Eliante. Was ist geschehn? Sie zittern, Sie sind bleich . . .

Alcest. Nicht fassen kann ich's noch! Das ist mein Tod! –
Zerginge diese Welt in Nacht und Graus,
Ich trüg' es leichter. – Nun ist alles aus . . .
All meine Liebe . . . ach, ich kann nicht sprechen.

Eliante. Sie müssen Atem schöpfen, sich erholen.

Alcest. O Gott, wie konntest du so holde Züge
Vereinen mit so schändlichem Verbrechen?

Eliante. Wer sagte Ihnen . . .

Alcest.                                   Alles, alles Lüge!
Ich bin verraten, um mein Glück bestohlen!
Denn sie – denn Celimene – gebt nur acht –
Hat mich getäuscht, betrogen, hintergangen.

Eliante. Ließ jemand Sie Beweis dafür erlangen?

Philint. Das ist gewiß ein törichter Verdacht;
Die Eifersucht wird leicht zum Wahn getrieben . . .

Alcest. Potz Wetter, sparen Sie sich nur den Rest!
    (Zu Eliante)
Ihr falsches Spiel steht leider felsenfest!
Ich hab' es schwarz auf weiß, von ihr geschrieben.
Ein Brief, den sie Oront geschickt, beraubte
Mich meines Heils und zeigt mir meine Schmach:
Oront, von dem sie stets nur Übles sprach,
Den ich am wenigsten gefährlich glaubte.

Philint. Ein Brief stellt manchen in verkehrtes Licht
Und legt auch wohl der Unschuld eine Schlinge.

Alcest. Noch einmal, Herr, bemühen Sie sich nicht
Und kümmern sich um Ihre Dinge.

Eliante. Nicht gar so ungestüm; dies Unrecht soll . . .

Alcest. Mein Fräulein, alles liegt bei Ihrem Willen;
Zu Ihnen flücht' ich mich vertrauensvoll,
Damit Sie dieser Wunde Qualen stillen.
Auf! Rächen Sie den niedrigen Verrat,
Mit dem sie meine Treue heimgesandt;
Ja, rächen Sie die unerhörte Tat!

Eliante. Sie rächen? Und wodurch?

Alcest.                                               Durch Ihre Hand.
Mein Herz hat Sie statt jener sich erkoren:
Das ist die Rache, die ich ihr geschworen.
Gefoltert soll sie werden durch die Treue,
Die echte Liebe, die besorgte Glut,
Durch all den wandellosen Opfermut,
Den ich fortan zu Ihren Füßen streue.

Eliante. Ihr Schmerz ergreift mich, und ich sage frei:
Es ehrt mich hoch, daß Sie um mich geworben;
Vielleicht ist aber gar noch nichts verdorben,
Vielleicht geht dieser Rachedurst vorbei.
Hat die Verräterin ein hübsch Gesicht,
So plant man vieles, doch man tut es nicht.
Und gab's auch tausend Gründe, sich zu trennen,
Schuldlos erscheint die Sündrin, die man liebt,
Und jeder böse Wunsch zerstiebt:
Den Zorn der Liebenden muß man nur kennen!

Alcest. Nein, Fräulein, diese Kränkung traf ins Leben;
Der Rückweg ist versperrt, der Bund gebrochen;
Unwiderruflich hab' ich's ausgesprochen
Und wär' ein Schwächling, wollt' ich ihr vergeben.
Sie kommt. Sie fühle meines Zorns Gewalt!
Nachdrücklich werd' ich sie zur Rede setzen
Und sie zerschmettern; Ihnen bring' ich bald
Ein Herz, das sich entwand aus ihren Netzen.

Dritter Auftritt

Celimene. Alcest.

Alcest (für sich).
Mein Gott, jetzt gib mir Fassung! Gib mir Kraft!

Celimene (für sich).
O weh! (Zu Alcest) Weshalb schon wieder in Erregung?
Denn Ihrer Augen rollende Bewegung
Und Ihre Seufzer sind mir rätselhaft.

Alcest. Dann hören Sie, daß ein Betrug noch nie
Verübt ward, der so schwarz und greuelvoll,
Daß aller Teufel Trotz, des Himmels Groll
Nichts Schändlicheres jemals schuf als Sie!

Celimene. Ein artig Pröbchen Ihrer Zärtlichkeit.

Alcest. Nur keinen Spott! Dazu ist jetzt nicht Zeit!
Jetzt hätten Sie mehr Anlaß zum Erröten!
Für Ihren Trug ist der Beweis erbracht;
Verstehn Sie endlich, was mich wütend macht?
Mein Mißtraun war nur allzusehr vonnöten;
Der Argwohn, der Sie oft verdrossen,
Hat meines Unglücks Tiefe mir erschlossen;
Mein guter Geist hat mich gewarnt
Trotz all der List, mit der Sie mich umgarnt.
Doch halten Sie mich nicht für einen solchen Toren,
Daß ich nicht Rache für den Schimpf verlange.
Wohl weiß ich: Neigung fügt sich nicht dem Zwange,
Und Liebe wird in Freiheit nur geboren;
Ein Herz wird niemals durch Gewalt bestrickt,
Es muß sich frei verschenken und versagen,
Und hätten Sie mich offen heimgeschickt,
Dann fänd' ich keinen Grund, mich zu beklagen;
Hätt' ich sogleich gehört Ihr redlich Nein,
Ich dürfte nur dem Schicksal böse sein.
Doch mir den Glauben leihn, ich sei geliebt,
Das ist Verräterei, das ist Betrug,
Für den es keine Sühne gibt,
Und keine Strafe scheint mir groß genug.
Weh' Ihnen! Die Vergeltung soll beginnen!
Ich bin nicht mehr ich selbst, ich bin von Sinnen.
Ich fühl' es, dieser Schmerz wird mich erwürgen;
Mein armer Geist ist todeswund!
Ich bin ein Rasender und bin's mit Grund;
Was auch geschieht, ich kann nicht für mich bürgen.

Celimene. Welch eine Wut! Kaum trau' ich meinen Ohren!
Mir scheint, Sie haben den Verstand verloren.

Alcest. Ja, ich verlor ihn an dem Unglückstag,
Als meine Augen dieses Gift gesogen,
Als ich dem Schein von Lauterkeit erlag,
Mit dem Ihr süßer Zauber mich betrogen.

Celimene. Wer darf behaupten, daß ich Sie betrüge?

Alcest. O Heuchlerin! Doch diesem schlauen Spiel
Setz' ich nun ein für allemal das Ziel:
    (Er zieht den Brief hervor)
Hier sehen Sie; sind das nicht Ihre Züge?
Ja, schämen Sie sich nur aus Herzenstiefe;
Vor solchem Zeugnis schließt sich wohl Ihr Mund.

Celimene. Das also war's? Das hat Sie so gequält?

Alcest. Und Sie erröten nicht vor diesem Briefe?

Celimene. Erröten – ich? Aus welchem Grund?

Alcest. Das nenn' ich doch die Keckheit weit getrieben!
Sie leugnen, weil Ihr Namenszug hier fehlt.

Celimene. Wie sollt' ich leugnen, was ich selbst geschrieben?

Alcest. Und daß des Briefes Inhalt klar und hell
Sie schuldig spricht, das macht Sie nicht erbeben!

Celimene. Weiß Gott, Sie sind ein närrischer Gesell.

Alcest. Wie! Soll es hier noch eine Ausflucht geben?
Soll ich als Treubruch nicht den Brief betrachten,
Der für Oront von Honig überquillt?

Celimene. Oront? Wer sagt, daß ihm dies Schreiben gilt?

Alcest. Die Leute, die mir's überbrachten.
Doch wenn es auch für einen andern wäre,
Hab' ich dann keinen Anlaß, Sie zu schelten?
Ist Ihre Schuld dann eine minder schwere?

Celimene. Und könnt' es nicht auch einer Dame gelten?
Wo wäre dann ein Grund, mich anzuklagen?

Alcest. Ein hübscher Winkelzug, ein Meistergriff!
Ich stehe waffenlos vor solchem Kniff
Und fühle mich aufs Haupt geschlagen.
Wie konnten Sie so plumpe List ersinnen?
Ei, glauben Sie, man hat so wenig Hirn?
Neugierig bin ich doch, mit welcher Stirn
Sie diese grobe Lüge weiterspinnen.
Wie deuten Sie's, daß in verliebten Tönen
Ihr Brief zu einer Dame spricht?
Rechtfert'gen Sie, um den Betrug zu krönen,
Nur diese Stelle . . .

Celimene.                     Nun beliebt's mir nicht!
Sie haben gar kein Recht, mir zu befehlen
Und einen solchen Ton zu wählen.

Alcest. Nein, werden Sie nicht aufgebracht; Sie sollen
Nur diese eine Zeile mir erklären.

Celimene. Niemals! Sie können denken, was Sie wollen;
Sei's, was es sei, mich wird es wenig scheren.

Alcest. Sei'n Sie barmherzig; machen Sie verständlich,
Daß Sie den Brief an eine Frau gesandt!

Celimene. Nein, an Oront; so glauben Sie's doch endlich!
Mich freut, daß er mich liebenswürdig fand;
Sein Wort und Wesen schätz' ich hoch vor allen;
Was immer Sie behaupten, geb' ich zu.
Nun gehn Sie, bleiben Sie – ganz nach Gefallen;
Nur lassen Sie mich jetzt in Ruh'.

Alcest (für sich).
O Himmel! Gab es Qualen je,
Die solche Marter überragten?
Mich treibt gerechter Zorn und tiefes Weh,
Und mich, den Kläger, macht sie zum Verklagten!
Sie steigert meinen Argwohn tausendfach,
Sie leugnet nicht, sie rühmt sich ihrer Schande,
Und dennoch, dennoch ist mein Herz zu schwach,
Um zu zerreißen seine Bande,
Zu schwach, um mit Verachtung sie zu strafen,
Die Undankbare, die ich so geliebt.
    (Zu Celimene)
Ja, Schlange, meine Schwachheit gibt
Dir Riesenkraft und macht mich neu zum Sklaven;
Ein Blick in diese Augen, und das Joch
Unsel'ger Liebe muß ich weiter tragen!
Ach, so verteidigen Sie sich doch,
Stehn Sie doch ab, sich selber anzuklagen!
Des Briefes Unschuld lassen Sie mich schaun;
Mein Wunsch wird Ihren Worten sich vereinen;
Bestreben Sie sich nur, mir treu zu scheinen,
So werd' ich mich bestreben zu vertraun.

Celimene. Ach, Sie sind nicht gescheit vor Eifersucht
Und völlig unwert meiner Liebe.
Das fehlte wahrlich noch, daß nur die Flucht
Zu niedrer Heuchelei mir übrig bliebe,
Daß ich mir helfen sollte mit Betrug,
Wenn sich mein Herz zu einem andern neigte!
Wie! Daß ich Ihnen meine Liebe zeigte,
Ist das noch nicht Verteidigung genug?
Hat ein Verdacht dagegen noch Gewicht?
Muß er mich nicht beleidigen und schmerzen?
Denn ohne Kampf entringt dem Frauenherzen
Sich solch ein zärtliches Geständnis nicht.
Der Leidenschaft und ihrem Ausdruck stellt
Die Frauenehre machtvoll sich entgegen;
Wie dürft' ein Mann, vor dem die Schranke fällt,
Straflos an diesem Spruche Zweifel hegen?
Ist er nicht schuldig, wenn er uns nicht glaubt,
Was nur mit schweren Opfern wir verschenken?
O gehn Sie! Dieser Argwohn muß mich kränken,
Hat Sie des Rechts auf meine Gunst beraubt.
O, wie ich mich der blöden Torheit schäme,
Daß mir noch blieb ein Rest von Zärtlichkeit;
Sie würde besser anderen geweiht,
Damit Ihr Vorwurf einen Grund bekäme.

Alcest. Arglistige! Soll ihre Macht nicht enden?
Ich weiß, Sie täuschen mich mit süßem Wort,
Und doch, und doch – mein Schicksal reißt mich fort,
Und meine Seele liegt in Ihren Händen.
Ich will Gewißheit haben, klares Licht,
Ob Sie so treulos sind, mich zu verlassen.

Celimene. Nein, Ihre Liebe ist die rechte nicht.

Alcest. Ach, sie ist größer, als Gedanken fassen,
Und diese Glut, die jedes Maß verlor,
Feindsel'ge Wünsche lockt sie mir hervor:
Ich wünschte, daß Sie häßlich wären,
Daß ein unseliges Geschick Sie quälte,
Daß Gott Sie hätt' erschaffen zum Entbehren,
Daß Ihnen Stand und Rang und Reichtum fehlte,
Damit die Opfertaten meiner Liebe
Aus Ihrem Leben scheuchten Nacht und Graun
Und mir der Ruhm, der Stolz, die Wonne bliebe,
Ihr Glück mit meinen Händen zu erbaun.

Celimene. Die neuste Art von ritterlichem Schutz!
Davor sei Gott, daß je der Tag erschiene . . .
Ist das nicht Dubois? Und in welchem Putz!

Vierter Auftritt

Vorige. Dubois.

Alcest. Was soll der Aufzug, die bestürzte Miene?
Was gibt es?

Dubois.               Herr . . .

Alcest.                             Nun?

Dubois.                                     Eine Mordgeschichte!

Alcest. Was ist geschehn?

Dubois.                               Ach, Herr, uns geht es schändlich.

Alcest. So sprich!

Dubois.                 Leis oder laut?

Alcest.                                           Nur zu! Berichte!

Dubois. Soll ich vor dieser Frau da . . .

Alcest.                                                   Wird's nun endlich?
Willst du wohl reden?

Dubois.                             Herr, wir müssen fliehn.

Alcest. Wieso?

Dubois.             Wir müssen lautlos uns verziehn.

Alcest. Warum?

Dubois.             Wir dürfen hier nicht mehr verweilen.

Alcest. Weshalb?

Dubois.               Weil's nötig ist, daß wir von hinnen eilen.

Alcest. Was gibt dir Anlaß, so zu sprechen?

Dubois. Der Anlaß ist: wir müssen schleunig fort.

Alcest. Du Lump, ich werde dir die Knochen brechen,
Wenn du nicht Rede stehst mit klarem Wort.

Dubois. Ein schwarzer Kerl, der schwarze Kleider trug,
Bracht' uns ein Stück Papier bis in die Küche;
Drauf stehen lauter Krakelfüß' und Sprüche;
Aus denen wird kein Teufel klug.
Ich glaube, daß es den Prozeß betrifft;
Doch kann's der Satan selber nicht verstehn.

Alcest. Ei, du Halunke, wegen dieser Schrift
Meinst du, wir müßten auf die Reise gehn!

Dubois. Ja, was ich sagen wollte – bald darauf
Kam einer, der bei Ihnen oft verkehrte,
Gerannt in atemlosem Lauf
Und wies mich an, dieweil Sie nicht zur Stell',
Und weil er mich als treuen Diener ehrte,
Ich sollte . . . halt, wie heißt er doch nur schnell?

Alcest. Ganz einerlei! Was ward dir aufgetragen?

Dubois. Nun ja, er ist Ihr Freund; das ist genug.
Er sprach, gefährlich sei der mindeste Verzug,
Und wenn Sie blieben, ging's an Ihren Kragen.

Alcest. Was! Ließ er sich darauf nicht näher ein?

Dubois. Das nicht; doch nahm er Tinte und Papier
Und schrieb etwas, woraus, so denk' ich mir,
Der ganze Handel deutlich ist zu fassen.

Alcest. Gib her!

Celimene.           Was mag hier vorgefallen sein?

Alcest. Ich weiß nicht; doch ich wünsche zu erkunden . . .
Du Teufelskerl, hast du's nun bald gefunden?

Dubois (nachdem er lange in seinen Taschen gesucht hat). 
Mein Seel', ich hab's zu Hause liegen lassen.

Alcest. Jetzt aber warte . . .

Celimene.                           Werden Sie nicht böse,
Und eilen Sie, daß sich dies Rätsel löse.

Alcest. Ein feindlich Schicksal ist darauf erpicht,
Daß kein Gespräch uns beide je vereine;
Ich biet' ihm Trotz; vermehren Sie es nicht,
Daß ich heut abend wiederum erscheine.

 


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