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III.
Auszüge aus Briefen von Kollegen und Anderen

a)

Vielen Dank für die freundliche Zusendung der siebenten Auflage des »Schwachsinnes«. Ich freue mich lebhaft über Ihren schönen Erfolg und bin überzeugt, daß dieses Buch unberechenbar viel Gutes wirken wird. Je länger ich das Treiben der Studentinnen in meinem Laboratorium beobachte, desto mehr muß ich Ihnen Recht geben. Das weibliche Hirn ist für die wissenschaftliche Anstrengung gar nicht geschaffen. Die Mädchen werden alle krank. Ich sehe blühende robuste Mädchen in mein Laboratorium kommen. Und am Ende des Semesters sind sie alle anämisch, nervös und klagen über Kopfweh. Die klugen Mädchen sollen, solange sie noch gesund sind, Mütter kluger, gesunder Söhne werden, nicht aber zuerst ihre Gesundheit ruinieren durch eine Arbeit, zu der sie nicht geschaffen sind, und dann verkrüppelte Kinder zur Welt bringen! Wenn man von den Mädchen ein ebenso strenges Maturitätsexamen, insbesondere in der Mathematik verlangen wollte, wie von den jungen Männern, so würde man sie fast alle von der Universität fern halten. In meinem Laboratorium war keine einzige imstande, mit Logarithmen zu rechnen. Von klaren physikalischen Begriffen habe ich beim Examen nie eine Spur entdecken können. – Noch vielmehr Unheil stiftet die Frauenarbeit in den unteren Volksklassen. Die Frauenarbeit in den Fabriken sollte gesetzlich verboten werden, wenigstens die Arbeit von Frauen, die noch Kinder unter fünf Jahren haben. Die Mutter soll bei ihrem Kinde bleiben. Keine Macht der Welt kann dem Kinde die Mutter ersetzen. Der minimale Arbeitslohn der Männer sollte durch eine internationale Gesetzgebung so hoch festgestellt werden, daß die Frau nicht nötig hat, auf Erwerb auszugehen, und bei den Kindern bleiben kann. Sonst gehen die edelsten Rassen des Menschengeschlechtes in wenigen. Generationen zu Grunde.

b)

Ich lese soeben die dritte Auflage »Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes«. Ich brauche Ihnen wohl nicht mitzuteilen, daß ich als Frauenarzt natürlich in allen wesentlichen Punkten mit Ihnen übereinstimme. Um so mehr hat es mich empört, daß Sie Ihr Buch im Anhang mit der Wiedergabe so minderwertiger Kritiken schänden; wenn es geistvolle Erwiderungen wären, würde der Wert Ihres Buches dadurch gehoben, aber derartig schwachsinnige (diesmal pathologische) Ergüsse wie von dem Baccalaureus sollten doch nicht abgedruckt werden. Dies ist Straßenkot und gehört dorthin.

Ich richte – und dies ist der Zweck des Briefes – wie ich glaube im Namen vieler, die Bitte an Sie, bei weiteren Auflagen diese Kritiken fallen zu lassen. Höchstens wären die Kritiken der verschiedenen Frauen aufzunehmen, weil sie so amüsant sind und vor allem so schön das von Ihnen charakterisierte Wesen des Weibes wiedergeben.

c)

Vielleicht komme ich einmal dazu, mich öffentlich zu Ihnen zu bekennen, obgleich meine schriftstellerische Tätigkeit sich in einer andern Richtung bewegt.

Diese Zeilen sind nun durch zweierlei veranlaßt. Einmal möchte ich mir erlauben, Sie auf eine längere Auslassung Nietzsches (Jenseits von Gut und Böse § 234 ff) hinzuweisen, die Ihnen vielleicht entgangen ist. Er sagt da unter anderm (§ 241): Im Grundproblem »Mann und Weib« vielleicht von gleichen Rechten, gleicher Erziehung, gleichen Ansprüchen und Verpflichtungen zu träumen: das ist ein typisches Zeichen von »Flachköpfigkeit« usw. Mir ist das aus der Seele geschrieben: mir ist die Abneigung gegen das »Mulier in ecclesia« angeboren und daß der Mann eine höhere Varietät des Homo sapiens L. darstellt, als das Weib, das ist, Sie heben es ja selber hervor, durch die Geschichte schon längst erwiesen. Es ist aber, fürchte ich, nutzlos, der Frauenbewegung entgegenzutreten. Diese wird weniger durch das Drangen der Frauen begünstigt als durch eine Verweiblichung der Männer. Hier liegt die große Gefahr und dieser bedenkliche Prozeß kann erst mit der jähen Unterbrechung der ganzen jetzigen Entwicklung durch Kriege, Seuchen oder sonstige Naturereignisse zum Stillstand kommen.

Mit besonderer Genugtuung haben mich zwei von Ihnen in Ihrem Vorwort vorgetragene Ansichten erfüllt. Auch Sie betrachten die menschliche Seele nicht als eine knetbare Masse, der man jede Gestalt geben kann; auch Ihnen scheint die Seele vielmehr eine Summe gegebener Kräfte zu sein, an denen durch Erziehung und Ermahnung nicht mehr viel zu ändern ist. Ebenso scheinen Sie auch das viel überschätzte »Milieu« mit mißtrauischen Blicken zu betrachten. Als ob die Umgebung eine Kraft, eine schöpferische Kraft wäre, die Charaktere umzugestalten vermöchte.

d)

Ich kenne Ihre Schrift »Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes« schon von der ersten Auflage her. Ich stimme im Grunde mit Ihnen überein; nur meine ich, daß Sie in der »Unentwegtheit« Ihrer Folgerungen auf zu straffe Wege geraten. Dennoch fühle ich überall durch, daß Sie niemals Unrecht tun wollen, sondern immer nur die Wahrheit suchen. In dem Vorworte zur dritten Auflage haben Sie Ihren Standpunkt meist glücklich erläutert, obschon Sie auch in der ersten Auflage für vorurteilsfreie Leser nicht unklar gewesen sind. Der Sache selbst haben Sie in Ihrem Sinne einen großen Dienst erwiesen, daß Sie die »Kritiken und Zuschriften« abgedruckt haben.

e)

Anbei erlaube ich mir Ihnen den Brief einer »klugen und schönen« Frau zu schicken als Reagens auf Ihre Schrift über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. Mir hat der Brief viel Spaß gemacht und ich hoffe dasselbe von Ihnen, meiner Ansicht nach ist es ein Beweis für die Richtigkeit Ihrer Ansichten, denen ich vollkommen beipflichte. Ich halte die modernen Bestrebungen in der Frauenfrage für ein Unglück für das weibliche Geschlecht und freue mich, daß in der letzten Zeit es auch die Presse wagt, auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Männlicherseits würde man entschieden viel mehr gegen diese meist unsinnigen Bestrebungen vorgehen wenn nicht zu viele Männer, und auch solche an einflußreichsten Stellen – unter dem Pantoffel ständen.

f)

Ihre Schrift über die physiol. Schwachsinnigkeit des Weibes habe ich mit großem Interesse gelesen und ich stimme, wenn das für Sie auch ohne weitere Bedeutung sein mag, im Wesentlichen mit Ihren Ausführungen überein. Auch der praktische Arzt hat Gelegenheit genug, wenn er nur zu beobachten versteht, das Weib in seinen verschiedenen Lagen, Verhältnissen und Lebensaltern kennen zu lernen: Vieles habe ich in Ihrer Schrift bestätigt gefunden und habe sie daher mit großem Vergnügen gelesen; unter Vergnügen verstehe ich aber die Freude an der Enthüllung von Wahrheiten, d. h. an der Wahrheit selbst, besonders wenn man sie von berufener Seite bestätigt sieht.

Bei der Betrachtung, daß es dem Weibe im allgemeinen unmöglich ist, selbständig zu schaffen oder Bahn zu brechen, fiel mir ein, daß ich früher darauf hingewiesen habe, daß die Ars obstetricia in alten Zeiten trotz theoretischer Bearbeitungen eines Hippokrates, Celsus, Galen nur in den Händen der Weiber lag, sie also im Praktischen keinen Konkurrenten am Manne hatten, diese Kunst aber mit der Zeit so herunterbrachten, daß ein männliches Eingreifen später zur unbedingten Notwendigkeit wurde.

g)

Der Allgemeinheit könnte überzeugender Unterricht in der Weiberseelenkunde vor Konfektions-, Juwelier- und Photographie-Schaufenstern erteilt werden. Auch ein Museum von Weiberhüten, Korsets und culs de Paris würde gleichem Zwecke dienen.

Endlich hats einmal eingeschlagen; wie das tolle Toben der Weiberkritiken gegen Ihre Abhandlung erweist. Meiner Ueberzeugung und Erfahrung zufolge wird die ganze Emanzipationsmache ihrer allgemeinen Bedeutung nach überschätzt. Das Gros denkt nicht daran mitzumachen und wird nie daran denken. Aber öffnet nur alle Schranken so weit wie möglich, desto schneller wird sich das stolze Roß überschlagen.

Interessant ist, wie die wütigste unter Ihren Gegnerinnen mit der vernichtenden Auffassung einer Empfindung herauskommt – lediglich um ihres letzten Zieles willen – die bisher allgemein als des Weibes höchster Schmuck, Stolz und Ruhm galt: »Die Verheiligung der Mutterschaft gehört zu den konventionellen Verlogenheiten«. (Zukunft vom 5. April 1902, S. 26!) Ich habe vom Wesen der Kinderliebe nie anders gedacht, habe aber am wenigsten von einer Frau, einer Mutter Zustimmung erwartet.

h.

Etwas spät kommt Ihnen meine dankbare Zustimmung zu Ihrem »Physiologischen Schwachsinn des Weibes« zu, aber deswegen ist sie nicht minder aufrichtig gemeint. Ob Ihnen viel daran gelegen ist, von einem Pfarrer ein Zeugnis der Verehrung zu empfangen, weiß ich nicht; aber ich muß Ihnen schreiben. Sie haben mir zu viel Freude gemacht!

Ich kenne Ihre Schrift erst seit vorigem Spätherbst. Da war auf einer Pastoralkonferenz die Rede von der Stellung der Frauen nach Paulus. Dabei platzten die Geister aufeinander. Der Vorsitzende, der eine unausstehliche Kongreßbummlerin zur Frau hat, geriet in helle Wut, und da rückte ein jüngerer Amtsbruder mit Möbius heraus. Ich kaufte sogleich das Schriftchen, las es mit heller Freude mehrmals und kann mich kaum davon trennen.

Als ich 20 Jahre alt war, las ich Stuart Mill und Bebel; in jenem Alter ist man empfänglich für dergleichen. Aber innerlich konnte ich mir jene Gedanken nicht aneignen, die mir zu jeder Stunde meines Lebens durch Tatsachen widerlegt wurden. Ich war auch nie im Stande, mich weiter mit Feministenliteratur abzugeben, und überspringe in Zeitungen und Zeitschriften all diese Sachen. Aber weshalb, das weiß ich jetzt erst, nachdem ich in Ihrer Schrift den Ausdruck der mir stets im Gefühl und Kopf steckenden Wahrheit gefunden habe.

Was Sie sagen, weiß eigentlich jedermann von jeher, und es ist traurig, daß es nun als etwas neues gesagt und bewiesen werden muß.

In der Baseler Wochenschrift »Samstag« habe ich versucht nachzuweisen, inwiefern Sie in der sprachlichen Frage, die Bezeichnung Weiber betreffend, Recht und Unrecht zugleich haben. Wir haben es da mit einer sprachlichen Erscheinung zu tun, die die Sprachwissenschaft längst kennt und als Pejoration oder Bedeutungsverschlechterung bezeichnet. Der »unangenehme Beigeschmack«, den Sie bei dem Wort finden, ist nichts anderes als der Beginn einer Pejoration. Wichtig nun ist hier, daß in allen Sprachen die Bezeichnungen für Weib von jeher leicht der Pejoration unterworfen gewesen sind, zuweilen nach der Seite der Unsittlichkeit (z. B. Dirne und Frauenzimmer, franz. garce und fille, englisch quean), zuweilen nach der Seite sozialer Verschlechterung (Mädchen = Dienstmädchen), zuweilen einfach im Sinne der Minderwertigkeit (Femme, Weib). Statt zu leugnen, daß das Wort Weib anfange als Genusbezeichnung unbrauchbar zu werden, hätten Sie mit Erfolg darauf hinweisen können, wie die Sprache beweist, daß die Menschen immer gewußt haben, was in Ihrer Schrift steht.

Ich freue mich über Ihre Schrift auch wegen der Form. Man darf wohl sagen, daß von zehn deutschen Gelehrten neun mit der deutschen Sprachlehre und dem guten Geschmack auf gespanntem Fuß stehen. Sie sind einmal Einer, der auch sagen kann, was er weiß. Es ist eine Erquickung, so etwas zu lesen.

Ich höre mit Verwunderung, daß Forel in seinem neuen Buch gegen Sie Stellung nimmt. Ich weiß nicht, was ich daraus machen soll, wiewohl ich von früher her weiß, daß das gescheite Weib immer Forels Schrulle gewesen ist.

Empfangen Sie, sehr geehrter Herr Doktor, die Versicherung meiner ausgezeichneten und dankbaren Hochachtung.

Nachschrift: Meine liebe Frau ist ganz Ihrer Meinung, und seither ist sie mir doppelt lieb.


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