Gustav Meyrink
Des Deutschen Spießers Wunderhorn
Gustav Meyrink

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Der Mann auf der Flasche

Melanchthon tanzte mit der Fledermaus, die den Kopf unten und oben die Füße hatte.

Die Flügel um den Leib geschlagen und in den Krallenzehen einen großen goldenen Reifen steif emporhaltend, wie um anzudeuten, daß sie von irgendwo herabhänge, sah sie ganz absonderlich aus, und es mußte einen merkwürdigen Eindruck auf Melanchthon machen, wenn er beim Tanzen beständig durch diesen Ring zu sehen gezwungen war, der genau in seine Gesichtshöhe reichte.

Sie war eine der originellsten Masken auf dem Feste des persischen Prinzen, – auch eine der scheußlichsten allerdings – diese Fledermaus. –

Sogar seiner Durchlaucht Mohammed Darasche-Koh, dem Gastgeber, war sie aufgefallen.

»Schöne Maske, ich kenne dich«, hatte er ihr zugeflüstert und damit große Heiterkeit bei den Nebenstehenden erregt.

»Es ist bestimmt die kleine Marquise, die intime Freundin der Fürstin«, meinte ein holländischer Ratsherr, gekleidet im Stile Rembrandts – es könne gar nicht anders sein; jeden Winkel wisse sie im Schlosse, – ihren Reden nach – und vorhin, als mehreren Kavalieren der »frostige« Einfall gekommen, sich von dem alten Kammerdiener Filzstiefel und Fackeln bringen zu lassen, um draußen im Parke Schneeballen zu werfen, wobei die Fledermaus ausgelassen mitgetollt hatte –, hätte er wetten mögen, ein ihm wohlbekanntes Hyazintharmband an ihrem Handgelenk aufblitzen gesehen zu haben.

»Ach, wie interessant«, mischte sich ein blauer Schmetterling ins Gespräch, – »könnte da nicht Melanchthon vorsichtig ein wenig sondieren, ob Graf de Faast, wie es in letzter Zeit den Anschein hat, bei der Fürstin wirklich Hahn im Korbe ist?«

»Ich warne dich, Maske, sprich nicht so laut«, unterbrach ernst der holländische Ratsherr. »Nur gut, daß die Musik den Walzerschluß fortissimo spielte, – vor wenigen Augenblicken noch stand der Prinz hier ganz in der Nähe!«

»Ja, ja, am besten kein Wort über solche Dinge«, riet flüsternd ein ägyptischer Anubis, »die Eifersucht dieses Asiaten kennt keine Grenzen; und es liegt vielleicht mehr Zündstoff im Schlosse aufgehäuft, als wir alle ahnen. – Graf de Faast spielt schon zu lange mit dem Feuer, und wenn Darasche-Koh wüßte – – –«

Eine rauhe, zottige Figur, ein geschlungenes Knäuel aus Seil darstellend, bahnte sich – in wilder Flucht vor einem hellenischen Krieger in schimmerndem Waffenschmuck – eine Gasse durch die Gruppe der Masken, die den beiden verständnislos nachsahen, wie sie auf flinken Gummisohlen über den spiegelglatten Steinboden huschten.

»Hättest du keine Angst, durchgehauen zu werden, Mynher Kannitverstahn, wenn du der gordische Knoten wärest und wüßtest, daß Alexander der Große hinter dir her ist?« spottete die umgekehrte Fledermaus und tippte mit dem Fächer auf des Holländers ernsthafte Nase.

»Ei, ei, ei, schöne Marquise Fledermaus, der scharfe Geist verrät sich stets«, scherzte ein baumlanger »Junker Hans« mit Schweif und Pferdefuß. »Wie schade, ach wie schade, daß man dich – Füßchen oben – nur als Fledermaus so auf dem Kopfe stehen sehen darf.«

Jemand stieß ein brüllendes Gelächter aus.

Alle drehten sich um und sahen einen dicken Alten mit breiten Hosen und einem Ochsenkopf.

»Ah, der pensionierte Herr Handelsgerichtsvizepräsident hat gelacht«, sagte trocken der Junker Hans.

Da ertönt dumpfes Läuten, und ein Henker im roten Talar der westfälischen Feme, eine erzene Glocke schwingend, stellt sich inmitten des ungeheuern Saales auf – über sein blitzendes Beil gelehnt.

Aus den Nischen und Loggien strömen die Masken herbei: Harlekins, »Ladies with the rose«, Menschenfresser, Ibisse und gestiefelte Kater, Piquefünfe, Chinesinnen, deutsche Dichter mit der Aufschrift: »Nur ein Viertelstündchen«, Don Quixotes und Wallensteinische Reiter, Kolumbinen, Bajadèren und Dominos in allen Farben.

Der rote Henker verteilt Täfelchen aus Elfenbein mit Goldschrift unter die Menge.

»Ah, Programme für die Vorstellung!!«

»Der Mann in der Flasche«

Marionetten-Komödie im Geiste Aubrey Beardsleys

von Prinz Mohammed Darasche-Koh

Personen:

Der Mann in der Flasche – Miguel Graf de Faast

Der Mann auf der Flasche – Prinz Mohammed Darasche-Koh

Die Dame in der Sänfte – * * * *

Vampyre, Marionetten, Buckelige, Affen, Musikanten

Ort der Handlung: Ein offener Tiger-Rachen

»Was?! Vom Prinzen selbst das Puppenspiel?«

»Vermutlich eine Szene aus 1001 Nacht?«

»Wer wird denn die Dame in der Sänfte geben?« hört man neugierige Stimmen durcheinander fragen.

»Unerhörte Überraschungen stehen uns heute noch bevor, o ja«, zwitschert ein niedlicher Incroyable in Hermelin und hängt sich in einen Abbé ein, – »weißt du, der Pierrot vorhin, mit dem ich die Tarantella tanzte, das war der Graf de Faast, der den Mann in der Flasche spielen wird, und er hat mir viel anvertraut: – Die Marionetten werden schrecklich unheimlich sein, aber nur für die, die es verstehen, weißt du – und einen – – – – Elefanten hat der Prinz eigens aus Hamburg telegraphisch bestellt – – – aber du hörst mir ja gar nicht zu!« – Und ärgerlich läßt die Kleine den Arm ihres Begleiters los und läuft davon.

Durch die weiten Flügeltüren fluten immer neue Scharen von Masken aus den Nebengemächern in die Festeshalle, sammeln sich planlos in der Mitte, laufen durcheinander wie das ewig wechselnde Farbenspiel eines Kaleidoskopes, oder drücken sich an den Wänden zusammen, die wundervollen Fresken Ghirlandajos zu bestaunen, die bis zur blauen, sternenbesäten Decke emporsteigend gleich Märchengeländen den Saal umrahmen.

Wie eine buntschillernde Insel des Lebens liegt die Halle, umspült von den Gefilden farbengebundener Phantasien, die, einst in froh pochenden Künstlerherzen erwacht, eine jetzt kaum mehr verständlich einfache und langsame Sprache den hastenden Seelen des Heute zuraunen.

Diener reichen Erfrischungen auf Silbertassen in das fröhliche Gewoge, – Sorbet und Wein. – – Sessel werden gebracht und in die Fensternischen gestellt.

Mit scharrendem Geräusch schieben sich die Wände der einen Schmalseite zurück, und langsam rollt eine Bühne aus dem Dunkel vor, mit rotbraun und gelb geflammter Umrahmung und weißen Zänhen oben und unten: ein stilisierter, gähnender Tigerrachen.

In der Mitte der Szene steht eine riesige kugelförmige Flasche. Aus fußdickem Glas. Fast zwei Mann hoch und sehr geräumig. Die kolossalen Ebenholztüren des Saales fliegen auf, und mit majestätischer Ruhe tritt ein Elefant – gold- und juwelengeschmückt – herein. Auf seinem Nacken der rote Henker lenkt ihn mit dem Stiel seines Beiles.

Von den Spitzen der Stoßzähne schwingen Ketten von Amethysten, nicken Wedel aus Pfauenfedern.

Goldgewirkte Decken hängen dem Tiger in rosinfarbenen Quasten über die Flanken bis auf den Boden herab.

Die ungeheure Stirne hinter einem Netz mit funkelnden Edelsteinen, schreitet der Elefant gelassen durch den Festraum.

In Zügen umdrängen ihn die Masken und jauchzen der bunten Schar vornehmer Darsteller zu, die in einem Palankin auf seinem Rücken sitzen: Prinz Darasche-Koh mit Turban und Reiheragraffe. – Graf de Faast als Pierrot daneben. – Marionetten und Musikanten lehnen starr und steif wie Holzpuppen.

Der Elefant ist bei der Bühne angelangt und hebt mit dem Rüssel Mann um Mann aus dem Palankin; – Händeklatschen und lauter Jubel, als er den Pierrot nimmt und in den Hals der Flasche hinabgleiten läßt, dann den Metalldeckel schließt und den Prinzen obendrauf setzt.

Die Musikanten haben sich im Halbkreis niedergelassen und ziehen seltsame, dünne, gespenstisch aussehende Instrumente hervor.

Ernsthaft sieht der Elefant ihnen zu, dann kehrt er langsam um und schreitet zum Eingang zurück. Toll und ausgelassen wie Kinder hängen sich ihm scharenweise die Masken an Rüssel, Ohren und Stoßzähne und wollen ihn jauchzend zurückhalten; – – er spürt ihr Zerren kaum.

Die Vorstellung beginnt. Irgendwoher, wie aus dem Boden herauf, tönt leise Musik. –

Puppenorchester und Marionetten bleiben leblos wie aus Wachs.

Der Flötenbläser stiert mit gläsernem, blödsinnigen Ausdruck zur Decke; – die Züge der Rokokodirigentin in Perücke und Federhut, den Taktstock wie lauschend erhoben und den spitzen Finger geheimnisvoll an die Lippen gelegt, sind in grauenhaft lüsternem Lächeln verzerrt.

Im Vordergrund der Bühne die Marionetten – ein buckliger Zwerg mit kalkweißem Gesicht, ein grauer grinsender Teufel und eine fahle geschminkte Sängerin mit roten lechzenden Lippen – scheinen in satanischer Bosheit um ein schreckliches Geheimnis zu wissen, das sie in brünstigem Krampfe erstarren ließ.

Das haarsträubende Entsetzen des Scheintodes brütet über der regungslosen Gruppe.

– – Nur der Pierrot in der Flasche ist in ruheloser Bewegung, – schwenkt seinen spitzen Filzhut, verbeugt sich, und mitunter grüßt er hinauf zu dem persischen Prinzen, der mit gekreuzten Beinen unbeweglich auf dem Deckel der Flasche sitzt, – dann wieder schneidert er tolle Grimassen.

Seine Luftsprünge bringen die Zuschauer zum Lachen, – – – – wie grotesk er aussieht!

Die dicken Glaswände verzerren seinen Anblick so seltsam; – manchmal hat er Glotzaugen, die hervorquellen und so wunderlich funkeln, dann wieder gar keine Augen, nur Stirne und Kinn, – oder ein dreifaches Gesicht; – zuweilen ist er dick und gedunsen, dann wieder skelettartig dürr und langbeinig wie eine Spinne. – Oder sein Bauch schwillt zur Kugel an.

Jeder sieht ihn anders, nachdem der Blick auf die Flasche fällt.

In gewissen kurzen Zeiträumen ohne jeden erkennbaren, logischen Zusammenhang kommt ruckweise ein spukhaftes, sekundenlanges Leben in die Gestalten, das gleich darauf wieder in die alte, grauenvolle Leichenstarre versinkt, daß es scheint, als hüpfe das Bild über tote Zwischenräume hinweg von einem Eindruck zum andern, – wie der Zeiger einer Turmuhr traumhaft von Minute zu Minute zuckt.

Einmal hatten die Figuren aus schnellenden Kniekehlen heraus drei gespenstische Tanzschritte seitwärts der Flasche zugemacht; – und im Hintergrund verrenkte sich ein verwachsenes Kind wie in lasterhafter Qual. –

Von den Musikanten einer – ein Baschkir mit irrem, wimpernlosem Blick und birnenförmigem Schädel – nickte dazu und spreizte mit einem Ausdruck schreckhafter Verworfenheit seine dürren, gräßlichen Finger, die trommelschlägerartig in kugelförmige Enden ausliefen, wie wächserne Symbole einer geheimnisvollen Entartung.

Dann wieder war an die Sängerin ein phantastisches weibliches Zwitterwesen herangesprungen – mit langen, schlotternden Spitzenhöschen – und in tänzelnder Stellung erstarrt.

Wie erfrischendes Aufatmen wirkte es förmlich, als mitten in eine solche Pause der Regungslosigkeit durch die rosaseidenen Vorhänge aus dem Hintergrunde eine verschlossene Sänfte aus Sandelholz von zwei Mohren auf die Szene getragen und in die Nähe der Flasche niedergestellt wurde, auf die jetzt von oben plötzlich ein fahles, mondscheinartiges Licht fiel.

Die Zuschauer waren sozusagen in zwei Lager geteilt, die einen – unfähig sich zu rühren und sprachlos – ganz im Banne dieser traumhaft vampyrartigen, rätselhaften Marionettentänze, von denen ein dämonisches Fluidum vergifteter, unerklärlicher Wollust ausströmte, – während die andere Gruppe, zu plump für derlei seelische Schrecken, nicht aus dem Lachen über das spaßige Gebaren des Mannes in der Flasche herauskam.

Dieser hatte zwar die lustigen Tänze aufgegeben, aber sein jetziges Benehmen kam ihnen nicht minder komisch vor.

Durch alle möglichen Mittel trachtete er offenbar, irgend etwas ihm äußerst dringend Scheinendes dem auf dem Flaschendeckel sitzenden Prinzen verständlich zu machen.

Ja, er schlug und sprang zuletzt gegen die Wandungen, als wolle er sie zerbrechen oder gar die Flasche umwerfen.

Dabei hatte es den Anschien, als schreie er laut, obwohl natürlich nicht das leiseste Geräusch durch das fußdicke Glas drang.

Die pantomimischen Gebärden und Verrenkungen des Pierrots beantwortete der Perser von Zeit zu Zeit mit einem Lächeln, – oder er wies mit dem Finger auf die Sänfte.

Die Neugier des Publikums erreichte den Höhepunkt, als man bei einer solchen Gelegenheit deutlich bemerkte, daß der Pierrot sein Gesicht längere Zeit fest an das Glas drückte, wie um etwas drüben am Sänftenfenster zu erkennen, dann aber plötzlich wie ein Wahnsinniger die Hände vor den Kopf schlug, als hätte er etwas Gräßliches erblickt, auf die Knie fiel und sich die Haare raufte. – Dann sprang er auf und raste mit solcher Schnelle in der Flasche herum, daß man bei den spiegelnden Verzerrungen manchmal nur noch ein helles, umherflatterndes Tuch zu sehen vermeinte.

Groß war auch das Kopfzerbrechen im Publikum, was es denn eigentlich mit der »Dame in der Sänfte« für eine Bewandtnis habe; man konnte wohl wahrnehmen, daß ein weißes Gesicht an die Sänftenscheibe gepreßt war und unbeweglich zur Flasche hinübersah, – alles andere aber verdeckte der Schatten, und man war auf bloßes Raten angewiesen.

»Was nur der Sinn dieses unheimlichen Puppenspieles sein mag?« flüsterte der blaue Domino und schmiegte sich ängstlich an den Junker Hans.

Erregt und mit gedämpfter Stimme tauschte man seine Meinungen aus.

Einen so recht eigentlichen Sinn habe das Stück nicht, – – nur Dinge, die nichts Gehirnliches bedeuten, könnten den verborgenen Zutritt zur Seele finden, – meinte ein Feuersalamander, und so, wie es Menschen gäbe, die beim Anblick der wässerigen Absonderungen blutleerer Leichen, von erotischem Taumel geschüttelt, kraftlose Schreie der Verzückung ausstießen, so gäbe es gewiß auch – – – –

»Kurz und gut: Wollust und Entsetzen wachsen auf einem Holz«, unterbrach die Fledermaus, »aber glaubt mir, ich zittere am ganzen Körper vor Aufregung, es liegt etwas unsagbar Grauenhaftes in der Luft, das ich nicht abschütteln kann; immer wieder legt es sich um mich wie dicke Tücher. – Geht das von dem Puppenspiel aus? – Ich sage nein; auf mich strömt es vom Prinzen Darasche-Koh über. Warum sitzt er so scheinbar teilnahmslos da oben auf der Flasche? Und doch läuft manchmal ein Zucken über sein Gesicht!! – – – Irgend etwas Unheimliches geht hier vor, ich lasse mir's nicht nehmen.«

»Eine gewisse symbolistische Bedeutung glaube ich doch herausgefunden zu haben, und dazu paßt ganz gut, was du eben sagtest«, mischte sich Melanchthon in das Gespräch.

»Ist denn nicht der ›Mann in der Flasche‹ der Ausdruck der im Menschen eingeschlossenen Seele, die ohnmächtig zusehen muß, wie die Sinne – die Marionetten – sich frech ergötzen, und wie alles der unaufhaltsamen Verwesung im Laster entgegengeht?«

Lautes Gelächter und Händeklatschen schnitt ihm die Rede ab.

Der Pierrot hatte sich auf dem Boden der Flasche zusammengekrümmt und umkrallte mit den Fingern seinen Hals. – Dann wieder riß er den Mund weit auf, deutete in wilder Verzweiflung auf seine Brust und nach oben – und faltete schließlich flehend die Hände, als wolle er etwas vom Publikum erbitten.

»Er will zu trinken haben, – na ja, so eine große Flasche und kein Sekt drin – gebt ihm doch zu trinken, ihr Marionetten«, rief ein Zuschauer.

Alles lachte und klatschte Beifall.

Da sprang der Pierrot wieder auf, riß sich die weißen Kleider von der Brust, machte eine taumelnde Bewegung und fiel der Länge nach zu Boden.

»Bravo, bravo, Pierrot – großartig gespielt; da capo, da capo«, jubelte die Menge.

Als jedoch der Mann sich nicht mehr rührte und keine Miene machte, die Szene zu wiederholen, legte sich langsam der Applaus und die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich den Marionetten zu.

Diese standen noch immer in derselben geisterhaften Stellung, die sie zuletzt eingenommen hatten, doch lag jetzt eine Art Spannung in ihren Mienen, die früher nicht wahrzunehmen gewesen. Es schien, als ob sie auf irgend ein Stichwort warteten.

Der bucklige Zwerg mit dem kalkweißen Gesicht drehte schließlich vorsichtig seine Augen nach dem Prinzen Darasche-Koh. –

Der Perser rührte sich nicht.

Seine Züge sahen verfallen aus.

Endilch trat von den Figuren im Hintergrund einer der Mohren zögernd an die Sänfte heran und öffnete den Schlag.

Und da geschah etwas höchst Seltsames.

Steif fiel ein nackter weiblicher Körper heraus und schlug mit dumpfem Klatschen lang hin.

Einen Augenblick Totenstille, dann schrien tausend Stimmen durcheinander; – – – es brauste der Saal.

»Was ist's – was ist geschehen?«

Marionetten, Affen, Musikanten, – alles sprang zu; Masken schwangen sich auf die Bühne:

Die Fürstin, die Gemahlin Darasche-Koh lag da, ganz nackt; auf ein stählernes Stangengerüst geschnürt. Die Stellen, wo die Stricke in das Fleisch einschnitten, waren blau unterlaufen.

Im Munde stak ihr ein seidener Knebel. –

Unbeschreibliches Entsetzen lähmte alle Arme.

– »Der Pierrot!« gellte plötzlich eine Stimme, – »der Pierrot!« – Eine wahnsinnige, unbestimmte Angst fuhr wie ein Dolchstoß in alle Herzen.

– »Wo ist der Prinz?«

Der Perser war während des Tumults spurlos verschwunden. –

Schon stand Melanchthon auf den Schultern des Junker Hans; vergebens, – – er konnte den Deckel der Flasche nicht heben, und das kleine Luftventil war – – – – – zugeschraubt! –

»So schlagt doch die Wandungen ein, schnell, schnell!«

Der holländische Ratsherr entriß dem roten Henker das Beil, mit einem Satz sprang er auf die Bühne.

Es klang wie eine geborstene Glocke, als die Schläge schmetternd niederfielen; – ein schauerlicher Ton.

Tiefe Sprünge zuckten durch das Glas wie weiße Blitze; die Schneide der Axt bog sich.

Endlich – endlich – – – die Flasche brach in Trümmer. Darinnen lag, erstickt, die Leiche des Grafen de Faast, die Finger in die Brust gekrallt.

Durch die Festeshalle mit lautlosem Flügelschlag unsichtbar zogen die schwarzen Riesenvögel des Entsetzens.


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