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13. Kapitel

Maienzauber, süßer, trauter.
Du umgaukelst meine Sinne,
Blumendüfte, laue Lüfte,
Holder Traum von Lenz und Minne.« –

 

 

Es war ein Maientag, wie ihn der Dichter besingen und wie er doch eigentlich in der rauhen Wirklichkeit selten genug in die Erscheinung tritt. Pflegt doch unter unserem nördlichen Himmelsstrich der »liebliche« Mai seinem Namen oft wenig Ehre zu machen. Diesmal aber hatte er sich gut angelassen. Das war ein Grünen und Blühen allüberall und die Sonne schien hell und warm vom tiefblauen Himmel hernieder. Sie machte dem einsamen Wanderer ordentlich heiß, welcher auf dem Wege von Dorf Waldenbach nach Schloß Waldenberg eiligst dahinschritt. Es war Carlo Cartano, der in der frühen Vormittagsstunde nach dem Schlosse eilte, heute war Gräfin Helenens Geburtstag. Sie hatte ihm geschrieben, daß er heute endlich kommen dürfe. Alle Wege seien geebnet. Ihre Verlobung könnte gefeiert werden, still und ruhig zwar wegen der Trauer würde das Fest sein, aber – man war doch am Ziele! Ein Glücksgefühl ohne Gleichen schwellte Carlos Brust. Endlich am Ziel! Er jubelte in den grünen, frischen Wald hinein! – Ha, und das Echo gab Antwort. Doch nicht das Echo war es. Helene selbst hatte den Jubellaut ausgestoßen, nachdem sie des Geliebten Stimme erkannte. Sie war ihm entgegen gegangen. Sie mußte zuerst ihn noch allein sprechen. Seit München war dies nicht mehr geschehen. Als Carlo nach des Vaters Tode den Kondolenzbesuch abstattete, war Helene nicht zu Hause gewesen. – –

Das war ein glückliches Wiedersehen! Helene lag lange, lange an Carlos Brust. Keines sprach ein Wort. Zu groß war die Seligkeit und in hellen Tropfen rannen Zähren des Glückes aus den schönen Augen des jungen Weibes – feucht strahlten die Augensterne des Mannes.

»Mein, endlich mein!« sprach Carlo dann innig. »Meine Braut – bald mein liebes, liebes Weib!«

Helene erschauerte in Wonne und flüsterte: »Ja bald, mein Geliebter! Ich habe es Mama schon erklärt, daß wir keinen langen Brautstand haben wollen!«

»Dank, tausend Dank, mein Lieb!« entgegnete der glückliche Carlo. »Wie denkt deine Mutter denn überhaupt über unser Glück?«

»O,« erwiderte Helene, »sie gönnt es uns von Herzen! Zuerst, ja, da hatte ich einen harten Stand – aber Bruder Udo und Tante Ada haben mir treulich zur Seite gestanden. Sie waren sofort mit meiner Wahl einverstanden! Udo schätzt dich, mein Carlo, sehr hoch und Tante Ada erst – sie schwärmt für dich! Pah, Mama und die Brüder, sie wären ja auch bald gewonnen gewesen, wenn nicht immer diese Angst sie beherrschte: »Was werden die Leute sagen?«

»Die Leute?« wiederholte Carlo verächtlich. »Die sollen nur reden! Um das Urteil der »Gesellschaft« haben mir uns nicht zu kümmern! Wir sind uns selbst genug!«

»Du denkst ganz wie ich!« versetzte Helene zärtlich. »Du und ich. wir sind uns genug – was kümmert uns noch die Welt?« Carlo küßte heiß den süßen Mund, der diese Worte gesprochen. Dann fragte er:

»Wie wird dein früherer Bräutigam, Graf Arnold, die Nachricht von unserer Verlobung aufnehmen?«

»Ach der,« entgegnete Helene geringschätzig, »von ihm habe ich dir viel zu erzählen! Doch das will ich mir auf später aufheben. Nur soviel: Arnold ist verheiratet und geht im nächsten Monat mit seiner Frau nach Amerika. Sie hat reiche Verwandte dort und Arnold wird eine Farm bewirtschaften. Ach, es ist der reine Roman!«

»Ja, ist dein Vetter denn nicht mehr Offizier?« fragte erstaunt Carlo.

»Nein, wegen seiner Heirat mußte er den Abschied nehmen,« erklärte Helene. »Vorher aber wurde er im Duell mit dem Leutnant Rastenberg tödlich verwundet! Kein Mensch glaubte, daß er mehr davon komme, Arnold selber nicht. Er ließ sich kurz nach dem Zweikampf mit seiner früheren Geliebten trauen!«

»Mit seiner früheren Geliebten?« verwunderte sich Carlo, »und mit dir hatte er sich verlobt?«

»Ja,« entgegnete Helene verächtlich, »das sind unsere Kavaliere von heute! Sie finden so gar nichts darin, sich eine Geliebte neben ihrer Gattin zu halten. – Doch lasse uns diese schöne Stunde nicht mit solchen widerwärtigen Dingen trüben! Uebrigens hat Arnold mir einen großen Brief geschrieben und mich um Verzeihung gebeten! Er ist noch lange nicht der Schlimmste – seine Frau soll übrigens ein sehr edles Geschöpf sein und wir hoffen alle, daß sie aus Arnold noch einen braven, tüchtigen Menschen machen wird. Mein edler Vater aber hätte sich so etwas nicht träumen lassen – gut, daß er es nicht mehr erlebt hat!« –

»Ja,« versetzte Carlo, »es ist besser, ihm blieb diese Enttäuschung mit dem Lieblingsneffen erspart!«

»Ach, und ich bin so glücklich, daß ich mich noch mit Papa vor seinem Ende aussprechen durfte! Er hat mir doch sozusagen die Erlaubnis, mich mit dir, mein Carlo, zu vermählen, erteilt!« sprach Helene gerührt.

»Gott Lob und Dank, daß er es tat,« sagte Carlo feierlich, »es ist eine große Last dadurch von mir genommen! Dem Mann, dem ich so viel zu danken habe, bin ich also auch im Tode noch verpflichtet – ich werde dich, seine Tochter, versuchen glücklich zu machen, Geliebte, so glücklich, wie du es nicht an der Seite jenes Anderen hättest werden können!«

»Du Guter,« flüsterte Helene, »doch jetzt wollen wir zur Mutter eilen, ihren Segen zu erbitten.«

»Ja,« antwortete Carlo, »auch meine lieben, treuen Eltern beten in dieser Stunde für unser Glück! Ich habe dir die herzlichsten Wünsche und Grüße zu bringen!«

»Deine Eltern sind jetzt auch meine Eltern!« erwiderte Helene warm. »Wir lassen nachher den Wagen anspannen, du und ich fahren selbst hinüber und holen sie aufs Schloß. Die Eltern meines Carlo müssen doch auch bei unserer Verlobungsfeier dabei sein!«

Carlo zog gerührt die Hand seiner Braut an die Lippen. Was er in diesem Augenblick empfand, er vermochte es nicht in Worte zu kleiden. – –

Helene aber hielt seine Rechte fest, ihre Augen leuchteten ihm entgegen in hingebender, reiner Liebe. Da sprach Carlo innig und es klang wie ein frommes Gebet an ihr Ohr:

»Gott segne dich, meine holde Braut!«

 

Ende.


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