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19. Kapitel.

Wie die Schiffsmaaten vom Fischen zurückkehrten. – Warum Heik seinen Freund Towe im Schlafe störte. – Der Inhalt der Kiste. – Gazzis Flucht und Ende. – Die »Hallig Hooge« verläßt den Jaspersenhafen.

 

Das waren bange und schwere Wochen für die kleine Besatzung an Bord der Hallig gewesen, seit Paul und Towe mit dem Boote verschwunden waren. Die Arbeit hatte nur geringe Fortschritte gemacht, weil es allen an dem rechten Mute dazu gefehlt. Kapitän Jaspersen, Heik Weers und Dora hatten Beratungen über Beratungen abgehalten, wie man nach der Insel gelangen könnte, die da ab und zu im Osten in Sicht kam, und dann wiederum, wie ohne den Beistand jener beiden die Arbeit an Bord am besten und schnellsten zu bewältigen und dann das Schiff aus dem Hafenbecken zu bringen sei.

Der Grieche allein schien mit dem Stande der Dinge ganz zufrieden zu sein, insofern wenigstens, als er nicht viel zu arbeiten brauchte und immer genug zu essen hatte.

Das Schiff sah jetzt beinahe so verwahrlost und wüst aus, wie die Insel selber. Außenbords hatten sich unterhalb der Wasserlinien unzählige Langhalsen angesetzt, jene Muscheln, die an halsähnlichen Stielen hängen, mitunter lange Bärte bilden und hindernd auf die Fahrgeschwindigkeit der Fahrzeuge einwirken. Sie heißen eigentlich Entenmuscheln und sind in fast allen Meeren heimisch.

Jeden Tag fuhr einer mit dem Floß an Land und erstieg den Aussichtsberg, um nach der Insel auszulugen, auf der man die Gefährten vermutete. Lebten diese noch, dann unterließen sie sicher nicht, irgend ein Zeichen ihres Vorhandenseins zu geben. Wir wissen, daß es den beiden Unglücksgefährten nicht möglich gewesen war, ein solches aufzurichten. Wohl hatten sie das Segel, das sehr gut als Notflagge hätte dienen können, allein es fehlte ihnen an jeder Vorrichtung zum Aufheißen desselben, und als sie schließlich in den Besitz des Mastes und des Remens gelangt waren, da dachten sie nicht mehr an ein Notsignal, da hatten sie nur noch den einen Gedanken, das Boot wieder instandzusetzen und nach der Hallig zurückzukehren.

Wenn der Nebel den Ausschauenden daher wirklich einmal gestattete, das ferne Eiland zu erblicken, so entdeckten sie trotz des scharfen Schiffsteleskops dort nichts, woraus sie auf die Anwesenheit von Menschen daselbst hätten schließen können. Der dünne Rauch des Feuers wurde der dicken Luft wegen nicht sichtbar.

Daher erfolgte auf die erwartungsvolle Frage der an Bord Harrenden: »War etwas in Sicht?« stets nur die traurige Antwort:

»Nichts in Sicht.«

Kapitän Jaspersen hatte schon längst alle Hoffnung aufgegeben, Paul und Towe, oder auch nur einen von beiden, wiederzusehen. Er hielt es für nahezu unmöglich, daß Menschen ohne Obdach und ohne genügende Ernährung in einem so rauhen Klima längere Zeit ihr Leben fristen konnten. Und nun lastete es schwer auf seiner Seele, ohne Paul heimkehren und mit einer Trauerkunde das Pfarrhaus von Westerstrand wieder betreten zu sollen.

Eines Abends schlenderte der alte Heik langsam an Deck hin und her, seine Pfeife rauchend und verloren die beiden Masten betrachtend, die nun schon so lange da aufgerichtet standen, während für den dritten, den Fockmast und das dazugehörige Vorgeschirr noch so gut wie nichts geschehen war.

Er hatte heute wiederum den Weg nach dem Aussichtsberge gemacht und war mit dem trostlosen »Nichts in Sicht« zurückgekehrt.

Nach einer Weile gesellten sich Fräulein Ulferts und Kapitän Jaspersen zu ihm. Es war heller Mondenschein, man konnte das zerklüftete Felsgestein rings um den schwarzen Strand deutlich erkennen, und die Schatten der drei hin und her Wandelnden zeichneten sich dunkel und scharf umrissen auf den Decksplanken ab. Heik brachte das Gespräch auf die Heimreise.

»Uns hat es bisher an Herz für die Arbeit gefehlt,« sagte der Schiffer, »wenn das so fortgeht, kommen wir niemals nach Hause. Wir müssen uns zusammenraffen und das Werk wieder tapfer angreifen. Das soll gleich morgen geschehen. Seit wir unsere Freunde verloren haben, ist alles liegen geblieben.«

»Veel anners ward dat ok woll nu nich warn,« entgegnete Heik.

»Warum nicht?« fragte das junge Mädchen, und sah ihn mit traurigen Augen an.

»Weil wir uns doch kein rechtes Herz fassen können, ehe wir Towe und Paul nich wiederhaben tun,« antwortete der alte Matrose. »Dat is der Grund, Fräulein. Wir haben kein gutes Gewissen, Fräulein, dat is die Krankheit, die uns in die Knochen liegt, un uns an der Arbeit hindern tut. Un en Wunner is dat nich. Warum haben wir auch nich den Versuch gemacht, unsere Maaten aufzufinden. Bei gutem Wetter und Westwind kämen wir in zwölf oder achtzehn Stunden mit dat Floß ganz leicht nach der andern Insel; natürlich müßten alle Mann tüchtig paddeln. Proviant un Wasser ward mitnahmen, und dann bleiben wir so lange drüben, bis mal gut Wetter und der Wind östlich ist. Und ich wette, Fräulein, daß wir unsere Schiffsmaaten während dieser Zeit dort finden, vorausgesetzt, daß sie lebendig an Land gekommen sind. Und warum sollten sie das nicht? Towe schwimmt wie ein Seehund, und Paul sicher auch. Sind sie aber an Land gekommen, dann finden wir sie auch. Towe kann jahrelang von Tang leben, wie 'ne Seekuh, wenn es sein muß und er nichts anderes zu essen kriegt, un wat Towe kann, dat kann Paul ok. Wat seggen Se, Keppen Jaspersen? Schall de Expeditschon makt warn?«

»O bitte, Keppen Jaspersen!« flehte Dora. »Das gäbe doch wieder Hoffnung!«

»Ich habe gewiß nichts dagegen,« erwiderte der Schiffer. »Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß eine solche Fahrt ein großes und gefährliches Wagnis ist und ich für aller Leben verantwortlich bin. Wir wollen erst noch einmal die Karte um Rat fragen.«

Sie begaben sich in die Kajüte und breiteten hier zum hundertstenmal die Karte des südlichen Indischen Ozeans auf dem Tische aus. Sie maßen die Entfernung und erwogen alle Möglichkeiten, und obgleich eine solche Reise auf dem Floße nicht anders als eine Tollkühnheit bezeichnet werden konnte, so beschloß man dennoch, sie zu unternehmen. Das gebrechliche Fahrzeug sollte noch durch eine Anzahl Fässer und Planken verstärkt und auch mit Mast und Segel versehen werden, und dann wollte man, falls das Wasser günstig wäre, schon in der nächsten Woche die Fahrt wagen.

Fräulein Ulferts wußte sich vor Freude kaum zu fassen. Sie war ganz fest überzeugt, daß sich die Freunde auf jener Insel befanden und sehnlichst darauf warteten, durch ihre Schiffsgenossen erlöst zu werden.

»Eine innere Stimme sagt mir, daß sie dort glücklich gelandet sind, und daß wir sie bald wiedersehen werden!« rief sie.

»Kann wesen, kann ook nich wesen,« sagte Heik. »Wir haben das Versprechen von Keppen Jaspersen, dat genügt mich. Ein Mann, ein Wort, nich wohr, Kaptein?«

»Gewiß, Heik, die Fahrt wird gemacht. Jetzt aber wollen wir die Kojen aufsuchen; morgen in aller Frühe soll es an die Arbeit gehen. Gute Nacht, Fräulein –«

Er unterbrach sich, erhob die Hand und lauschte.

»Horch! Wir werden angerufen!«

Alle stürzten an Deck hinauf.

»Hallig Hooge, ahoi!« schallte es laut über das Hafenbecken.

»Sie sind da!« rief Dora jubelnd, »sie sind da!«

»Hallo!« antwortete der Schiffer. »Wer is dat dor?«

Ein Boot kam über das mondbeglänzte Wasser auf das Schiff zu. In seinem Achterteil stand ein Mann und wrickte Wricken heißt: ein Boot mit einem über das Heck ausgesteckten Remen durch schraubenartige Drehungen desselben fortbewegen.. Ein anderer stand mitschiffs bei dem Maste, an dem das Segel niedergeholt war.

»Wi sünd Ehre Schippsmaaten, Keppen Jaspersen; wi kamt just von 't Fischen torügg,« antwortete die gar nicht zu verkennende Stimme Tome Tjarks'. »Laten Se uns en Lin' hewwen.«

Heik warf dem Boot eine Leine zu, und wenige Sekunden später standen Paul und Towe wieder an Deck der Hallig, von allen Seiten mit herzlichster Freude begrüßt.

Als die erste Erregung sich gelegt hatte, und Towe zu Worte kommen konnte, wendete er sich an den Schiffer.

»Dat Boot leckt mächtig un muß gau upheißt warn,« sagte er. »Vörher will ick aber nochmal dalgahn. Dor liggt nämlich en Fisch in, en bannig sworen Korl, de möt mit ein' von die Davitstaljen upheißt warn. Gewen Se mi en Stropp, dat ick de Talje anhaken kann.«

»Ein Fisch, Towe? Wat für een? Doch keen Walfisch?«

»Heißen Se ihm man an Bord, dennso werden Sie ja sehen, was für ein Diert dat is.«

Damit schwang er sich wieder in das Boot hinab, schlang den Stropp um die Kiste und hakte die Talje an. Paul und Heik heißten auf und bald standen alle um den schweren Behälter herum und betrachteten ihn mit neugierigen und verwunderten Blicken.

»De Fisch is in düsse Kist', Kaptein,« erklärte Towe vom Boot aus. »Wi hewwt em dor inspunnt, dormit dat he nich utrischen ded. Lassen Sie die Kiste in Ihre Kammer stellen, morgen wollen wir sie aufmachen und überholen. Un nu her mit de annere Talje, Heik! Dat Boot is halm vull Water un sackt weg, wenn't nich upheißt ward.«

Das Boot hing bald in den Davits, die Kiste wurde achteraus geschafft. Dora deckte in Eile den Tisch, trug Salzfleisch, Brot und Tee auf, und unsere ausgehungerten Helden verzehrten ein Mahl, das sie geradezu königlich dünkte. Dabei warfen sie ihren mit allen Ohren lauschenden Schiffsgenossen nur ab und zu eine abgerissene Andeutung ihrer Erlebnisse hin; an längeren Mitteilungen hinderte sie ihre große Abspannung und Ermüdung, und so verargte es ihnen niemand, als sie unmittelbar nach dem Essen die so lange entbehrten Kojen aufsuchten, wo sie sogleich in tiefen Schlaf sanken.

Den andern ging es nicht so gut, die konnten wegen der schrecklichen Töne, die aus Towes Kammer drangen, kein Auge schließen. Endlich konnte Heik dies nicht länger ertragen; er ging zu Towe hinein und schüttelte ihn heftig.

»Nimm's nich übel, Maat, daß ich dir stören tu',« sagte er, »aber wir haben hier eine Dame an Bord, auf die mußt du Rücksicht nehmen. Du hast uns nich gesagt, wie eure Insel heißen tut, aber nach din Gegrunze to urteilen, ward dat woll de Eberinsel west sin.«

Towe drehte sich um, sagte kein Wort und schlief weiter. Heik kroch wieder in seine Koje und brummte dabei sehr vernehmbar vor sich hin, daß schiffbrüchige Bootsegler keine passende Gesellschaft wären für Leute, die gewohnt seien, an Bord von Schiffen zu schlafen.

Die andern saßen bereits fröhlich beim Morgenimbiß, als Towe und Paul am nächsten Morgen erwachten. Der Duft von gebratenem Speck brachte sie schneller auf die Beine, als Feuerlärm dies zu bewirken vermocht hätte. Sie wurden allseitig so lebhaft und aufrichtig willkommen geheißen, daß es selbst den Seebären Towe wie Rührung überkam; nur Gazzi sagte kein Wort, sein schwarzgelbes Gesicht verzog sich zu keinem Lächeln, teilnahmlos und gleichgültig verzehrte er sein Frühstück, und man brauchte kein großer Menschenkenner zu sein, um zu merken, daß er von Neid und Mißgunst gegen die beiden Zurückgekehrten erfüllt war.

»Na, ohl Gazzi, wat seggst du?« redete Towe ihn lustig an. »Freust di nich, mi weddertosehn? Ick freu' mi bannig äwer di, du sühst so lieblich ut, as 'ne natte Katt in Regenweder.«

Gazzi streifte ihn mit einem kurzen, scheuen Blicke seiner stechenden Augen, blieb jedoch stumm.

»Heute gibt's viel zu tun,« wendete sich der Schiffer an die Helden des Tages. »Solange ihr auf Urlaub wart, ist hier wenig geschafft worden; wir haben daher viel nachzuholen, je eher wir fertig sind, desto eher können wir uns auf die Heimreise begeben. Wenn euch also eure Vergnügungstour nicht noch in den Gliedern steckt, dann wollen wir das Werk mit Fäusten angreifen. Was sagt ihr?«

»Ick segg her mit de Arbeit,« entgegnete Towe. »Mi verlangt bannig nah Hus to kamen, ehe die Hühnerpreise wieder in die Höhe gehen. Geld werden wir jetzt ja wohl genug haben, was, Paul?«

»Bei der Abrechnung daheim werden wir alle vergnügte Gesichter machen können,« sagte der Schiffer, indem er dem Matrosen zugleich einen Wink gab, in Gazzis Gegenwart nicht unnötig von der mitgebrachten Schatzkiste zu reden.

»De Yankees seggen › more days, more dollars‹, un dat segg ick ook,« warf der alte Heik ein. »Ich fühl' mich hier ganz wohl un war' ok gor nich bös, wenn wir noch Jahr un Dag hier liggen täten.«

Nach dem Frühstück rief der Schiffer Paul und Towe in seine Kammer.

»Ich wollte wegen eures sogenannten Schatzes mit euch reden,« sagte er, den Fuß auf die Kiste setzend. »Der Kasten ist schwer, man kann daher annehmen, daß etwas Ordentliches drin ist. Ehe wir ihn jedoch öffnen, muß alles klargestellt sein, so daß hinterher kein Zweifel über das Eigentumsrecht aufkommen kann. Ihr habt ihn gefunden und mitgebracht, und alles, was darin ist, mag es nun Geld, Geldeswert oder was anderes sein, gehört euch beiden allein und ausschließlich. Verstanden? Von einer Verteilung soll keine Rede sein.«

»Wir sünd andrer Meinung,« entgegnete Towe. »Wat, Paul, sünd wi dat nich?«

»Ja,« bestätigte dieser. »Wir haben unterwegs schon alles verabredet. Erweist der Inhalt der Kiste sich des Verteilens wert, so erhalten alle an Bord den gleichen Anteil.«

»Der Entschluß gereicht euch zur Ehre,« sagte der Schiffer. »Nicht jeder würde so denken. Der Fund ist herrenlos, daher gebührt er euch; das ist unbestreitbar. Aber wie ihr wollt. Lauf und hole uns einen Kuhfuß, Paul, den Deckel aufzubrechen. Hoffentlich werden unsre Augen durch den Anblick der Schätze nicht geblendet.«

Obgleich die Eisenbeschläge des Kastens ganz verrostet waren, so setzten sie doch den Bemühungen des Schiffers noch hartnäckigen Widerstand entgegen, und es dauerte lange, bis der Deckel nachgab und der Inhalt sich zeigte.

»Junge, Junge!« rief Towe, sich mit weit geöffneten Augen vorbeugend. »Dorum hemmt wi us quält un afrackert? Dorum hemmt wi us högt un freut as de Schützenkönig von Husum? Dat ischo nix nich as Steenkram un Dreck!«

»Nicht voreilig, Towe,« sagte der Schiffer. »Steine sind es ja, es können aber auch wertvolle Steine in rohem Zustande sein. Gewöhnliche Steine werden nicht so sorgfältig verpackt. Ich bin überzeugt, daß eure Mühe und Arbeit mit dem Zeug nicht umsonst gewesen ist.«

»Wenn Se dat seggen, Kaptein, dennso glöw ick dat,« erwiderte Tome, »un ok Paul glöwt dat.«

»Gewiß,« sagte dieser. »Wie sollte ein Schiff dazukommen, gewöhnliche Steine, sorgfältig in Kisten verpackt, mit sich herumzuschleppen? Ich meine, wir werden es nicht bereuen, uns mit der Last herumgebalgt zu haben.«

»Dat meen ick ok,« rief Towe aufatmend. »Un nu wüllt wi den Schatz verteilen.«

Der Schiffer schüttelte den Kopf. »Lassen wir die Finger davon, bis wir daheim sein werden, dann könnt ihr beide damit beginnen, was euch gefällt. Keine Überstürzung. Gut Ding will Weile haben.«

»Dat is richtig,« pflichtete Towe ihm bei. »Wie sollen wir auch teilen, da wir doch noch gar nich wissen tun, wieviel die einzelnen Steine wert sind?«

Als Gazzi später erfuhr, daß die an Bord gekommene Kiste wertvolle Steine enthielt, da wurde er von einer unbezähmbaren Gier erfaßt und verlangte heftig eine sofortige Teilung, denn alle Mann hätten ein Recht daran, das wäre der Brauch auf allen Schiffen.

»Sie irren, Gazzi,« erwiderte der Kapitän. »Das mag der Brauch auf Seeräuberschiffen gewesen sein, wenn es sich um an Bord gebrachten Raub handelte. Auf deutschen Schiffen geht die Gemütlichkeit nicht so weit. Die Steine sind als herrenloses Gut in einem alten Wrack, dessen Herkunft unbekannt ist, gefunden worden und sind Eigentum derjenigen, die sie an Bord brachten. Hüten Sie sich also, sich daran zu vergreifen, es könnte Ihnen sonst übel ergehen.«

An jenem Abend berichteten unsere Bootsfahrer ihre Abenteuer auf der Nebelinsel. Gazzi hörte nur mit halbem Ohre zu, als Towe aber erzählte, wie die zweite Kiste wieder verloren ging, da fing er an zu schelten.

»Hat man jemals solche Dummköpfe gesehen!« rief er ganz außer sich. »Sie sehen die Kiste fallen, sie wissen genau, wo sie liegt und rühren keinen Finger, sie wieder heraufzuholen! O, wenn ich dabei gewesen wäre!«

»Sag' dat nich nochmal, Maat,« entgegnete Towe, »sonst steck' ich dich ein Reff in die Zunge. Wenn hier an düssen Disch en Dummkopp sitten doot, dennso büst du dat. Mark' di dat.«

Der Grieche schwieg und redete den ganzen Abend kein Wort mehr. Am Tage darauf aber machte er sich an Heik heran, und suchte ihn zu überreden, mit ihm nach der Nebelinsel zu segeln und den wieder ins Wasser gefallenen Schatz zu heben.

»Nee, min Jung',« antwortete der alte Matrose und lachte. »Nee, min Jung'. Dat sollte di woll gefallen. Alleen kriegst du de Kist' nich an Land, dorbi schall ick di helpen. Un wenn ick die hulpen heww, nahsten brukst du mi nich mehr, im Gegendeel, denn bün ick di just um een Mann toveel, un ehr ick mi dat denn versehen do, stickt mich din Metz mang de Rippen. Nee, Gazzi, dorut kann nix nich warn.«

»Wie du willst,« entgegnete der Grieche. »Es war bloß ein Vorschlag. Ich mache den Versuch auf jeden Fall. Du hast gehört, was der Alte gesagt hat: die Steine sind Eigentum derjenigen, die sie gefunden haben. Gut, ich werde noch mehr finden, als Towe und Paul, und dann alle für mich allein behalten.«

»Jawohl, Maat, dat doo du man ok, un lat di dat good bekommen. Aber de Boot, de kriegst du nich, de brukt wi sülben.«

Damit ging er zum Schiffer und teilte diesem die Absicht des Griechen mit. Infolgedessen wurde das Boot während der nächsten Nächte scharf bewacht. Towe war jedoch dafür, daß man den Griechen gewähren lassen solle.

»Ümmer weg mit em,« sagte er. »Er kriegt den Kasten in seinem ganzen Leben nich wedder hoch, und wir werden uns wohler fühlen, wenn wir seine unangenehme Gegenwart los sind. Wir haben ein feines Feuer hinterlassen, dor kann ho sick an warmen, wenn dat mitdewil nich utgahn is. Also lat em loopen.«

»Ich hätte nichts dagegen,« sagte der Schiffer, »aber wir können das Boot nicht entbehren, und auf dem Floße hinzupaddeln, dürfte er keine Lust verspüren. Er wird den törichten Gedanken auch wohl inzwischen aufgegeben haben.«

So schien es auch wirklich zu sein, denn obgleich man anscheinend das Boot fortan ganz aus den Augen ließ, machte Gazzi keinen Versuch, mit demselben davonzugehen, obgleich Towe inzwischen das Leck im Buge nach allen Regeln der Kunst ausgebessert hatte. Die nächtliche Bewachung des kleinen Fahrzeugs wurde daher auch bald aufgegeben.

Man hielt jetzt wieder wie vordem täglich zehn volle Arbeitsstunden inne und hatte dafür auch nach Verlauf von vier Wochen die Genugtuung, die »Hallig Hooge« als richtigen Dreimastschoner begrüßen zu können, dem nur noch einige Segel fehlten.

Als Paul eines Morgens an Deck kam, um das Feuer in der Kombüse anzumachen – die Männer wechselten miteinander hierbei ab, um Fräulein Ulferts diese Arbeit zu ersparen – da sah er, daß das Boot aus den Davits verschwunden war. Er lief zurück und schaute in des Griechen Kammer hinein. Auch der war nicht da. Jetzt weckte er den Kapitän.

»Gazzi hat sich mit dem Boote davongemacht,« berichtete er.

»Also doch. Wie ist das Wetter?«

»Dick von Daak.«

»Sieh mal nach dem Glase, Paul.«

Der Jüngling tat wie ihm geheißen.

»Nun, wie ist's damit?«

»Das Quecksilber ist gefallen.«

»Dann möge Gott ihm beistehen, wir können's nicht. Weht es draußen?«

»Nicht viel, aber was da von Wind vorhanden ist, kommt aus Westen, steht also gerade auf die Nebelinsel zu. Er hat mithin alle Aussicht, hinzukommen.

»Hoffentlich schafft er's; verdient hat er es allerdings nicht.«

Die Sonne ging hinter einer schweren dunklen Wolkenbank auf. Die ganze Natur, selbst die Felsen an Land, sahen nach Sturm und kommendem Unwetter aus.

»He het sick för sine Jagd nach dem Glück keen' verheißungsvollen Morgen utsöcht,« sagte Towe, als er nach dem Frühstück auf dem Kampanjedeck stand, und die Nase prüfend in den Wind reckte. »Ich denk' mich, wenn er düssen Sonnenaufgang sehn tut, dennso wird er woll sacht irgendwo up Halligeiland wedder ünnerkrupen. Dor geit' all los! Junge, Junge, wo dat hult! Ick möcht' jetzt nich in de Boot sitten, wat Paul? Wi hewwt för 'ne Wil noog dorvon.«

Ein Brüllen erscholl von der See her, dann brach der Sturm mit furchtbarer Gewalt los. Der Wind pfiff und kreischte zwischen den Felsen, und verfing sich dermaßen in dem Hafenbecken, daß sogar die geschützt liegende Bark unter dem ersten Anlauf weit nach der Backbordseite überholte.

»Hoho!« sagte Towe. »Gazzi, min Söhn, wat seggst du nu? Möchtest du jetzt doch nicht lieber wieder an Bord von de ohle Hallig sein, mang dine gooden Schippsmaaten?«

Da kam der Schiffer eilig von achtern her.

»Macht das Floß klar!« rief er. »Zwei Mann gehen mit mir an Land! Heik und Towe! Bei dem Wind kann kein einzelner Mensch im Boote die See halten; wir müssen versuchen, ihm beizuspringen, wenn ihm etwas zugestoßen ist. Paul bleibt an Bord und gibt acht auf die Bark.«

»Jawoll, Kaptein.«

Das Floß war bald an Land gepaddelt und ohne Verzug machten die drei sich auf den Weg nach dem Robbenkap, denn nur in jener Gegend konnte das Boot bei diesem Winde angetrieben sein, wenn es Unglück gehabt hatte. Kaum lagen die hohen Felsketten, die den Jaspersenhafen umschlossen, hinter ihnen, da faßte der Sturm sie mit ganzer Macht, und sie mußten alle Kraft aufbieten, nicht umgerissen und in die Klüfte hinuntergeschleudert zu werden, an deren Rändern sie dahinzuschreiten hatten.

Der offene Ozean kam bald in Sicht. Sie blieben im Schutz einer Wand stehen und schauten hinaus über die brausende und brüllende Weite, auf der die weißbeschäumten Seen hintereinander herjagten und in donnernder Brandung gegen den Strand anstürmten.

»Auf solcher See kann kein Boot existieren,« sagte der Schiffer. »Ich fürchte, der arme Gazzi ist nicht mehr am Leben und schläft bereits tief unten in Gottes Keller den langen letzten Schlaf.«

»Dat is noch nich so ganz gewiß, Kaptein,« entgegnete Towe. »Gazzi was man en leegen Keerl, aber en Boot kunn he regieren so good as de beste von us. Ick will nich seggen, dat he in düssen Wind veel Utsicht hemmen doon deit, ick weet aberst, dat uns' lütt Boot sick ok bi slecht Weder fein holln deit un licht to handhaben is.«

»Dorüm büst du ok mit dat lütt Boot kentert,« brummte Heik Weers in bärbeißigem Spott.

»Dor hest du all wedder mal vörbidrapen, ohl Heik,« erwiderte Towe gleichmütig. »Nee, min Jung', wi sünd mit dat lütt Boot kentert, wildat wi di nich als Ballast an Bord hadd harrn. Süso, weetst nu Bescheed?«

Sie setzten ihren Weg fort. Als sie in die Nähe des Strandes gekommen waren, blieb Towe plötzlich stehen.

»Dor liggt de Boot, hoch un drog!« rief er. »As hüt morgen de Sünn so düster upgahn ded, dor wüßt ick fortsens, dat dat mit uns' Gazzi to Enn' wer. Gott sei seiner Seele gnädig!«

Das Boot lag kieloben und war weit aufs Land hinaufgeworfen. Obgleich jede der heranrollenden Seen es mit Schaum und Gischt übersprühte, so veränderte es dennoch seine Lage nicht, da ein hoher' Wall von Tang es seewärts umgab und als Wasserbrecher diente.

»Es hat sich einen guten Platz ausgesucht,« sagte der Schiffer, herzugehend. »Es scheint auch ganz heil davongekommen zu sein. Wir wollen es ein Stück weiter heraufholen, der Sicherheit wegen, und dann müssen wir uns nach Gazzi umsehen. Er kann ebensogut heil und gesund an Land gekommen sein, wie das Boot.«

Sie brachten das Fahrzeug aus dem Bereiche der Seen, und machten sich dann auf die Suche nach seinem ehemaligen Insassen. Zunächst lenkten sie ihre Schritte nach dem Robbenkap, und musterten dabei mit scharfen Blicken jeden Steinwinkel, jeden Riß und jedes Loch.

»Nix zu sehen,« sagte Heik nach einer Weile. »Er wird draußen in See schon weggesackt sein.«

»Er kann auch verwundet und hilflos hier irgendwo auf dem Strande liegen,« erwiderte der Schiffer. »Laßt uns rufen, alle Mann zugleich.«

Und durch das Getöse der Brandung und des Windes erscholl es:

»Gazzi ahoi!« und immer von neuem: »Gazzi ahoi!«

Aber keine Antwort ließ sich vernehmen, so angestrengt sie auch lauschten. Sie suchten noch eine lange Zeit und ließen noch oft den Ruf ertönen, der die Anwesenheit der Retter verkünden sollte; es war jedoch alles vergebens. Endlich schickten sie sich zur Rückkehr an.

Da erspähte der Schiffer einen mit den Wogen herantreibenden Gegenstand, in dem man bald den Mast des Bootes erkannte. Er kam langsam näher; sie warteten, bis sie ihn aus dem Wasser fischen und landen könnten, denn seine Wiedererlangung war für sie ein wertvoller Gewinn.

Endlich warf eine See ihn auf die Klippen. Heik und Towe liefen in die Brandung, ihn vollends aufs Trockene zu holen, ehe das zurückströmende Wasser ihn wieder davonführen konnte. Jetzt gewahrten sie, daß auch das Segel noch daranhing. Sie wunderten sich darüber, daß es so schwer heraufzuziehen war.

»Dat is irgendwo unklar,« sagte Towe, und riß mit Macht an der Leinwand. Gleich darauf rief er: »Mein Gott! Dor is he!«

In den Falten des Segels, die Schot um den Leib geschlungen, kam Gazzi an die Oberfläche, kalt und starr. Sie trugen ihn an Land und versuchten, ihn ins Leben zurückzurufen, allein alle Mühe war vergebens.

»Er ist tot,« sagte der Schiffer. »Es bleibt uns nur noch übrig, ihn zu begraben; da dies aber in diesem Felsboden nicht geschehen kann, so müssen wir gutes Wetter abwarten und ihn dann in die See versenken. Bis dahin wollen wir ihn, mit Tang und Steinen bedeckt, hier liegen lassen.«

Towe erwiderte, er wisse eine tiefe Stelle in einer Bucht gleich hinter dem Robbenkap, und mache daher den Vorschlag, ihn dort zu bestatten, dann hätte man das traurige Stück Arbeit hinter sich.

Der Schiffer war damit gern einverstanden. Sie wickelten den Leichnam in das Segel und trugen ihn an den von Towe bezeichneten Platz; hier taten sie noch einige schwere Steine in die Umhüllung und befestigten alles mit der Schot. Nach einem kurzen Gebete, das jeder für sich sprach, senkten sie den Toten in die See, in der so unzählige Menschenkinder, gute und böse, ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Obgleich der Grieche an Bord der Hallig nichts weniger als beliebt gewesen war, so warf sein jähes Ende dennoch einen Schatten über die kleine Gemeinde, und es dauerte einige Tage, ehe man sich davon wieder frei fühlte. Erwähnt wurde er von niemand, denn da man nichts Gutes von ihm zu reden wußte, so gedachte man seiner in der Unterhaltung lieber gar nicht mehr.

Einige Wochen nach dem Tode des Griechen war die »Hallig Hooge« seeklar und lag mit untergeschlagenen Segeln und gefüllten Wassertanks bereit, mit dem ersten günstigen Winde die Heimfahrt anzutreten.

Der Ertrag der Pelzrobbenjagd war, trotz des ersten Eifers, nur ein geringer gewesen; man hatte schließlich doch Wichtigeres zu tun gehabt. Die Wiederherstellung des Bootes war, als ganz unnötig, unterblieben, denn alle verfügbaren Bretter waren zur Ausbesserung der Schanzkleidung verwendet worden.

Sonst aber befand sich das Schiff in so gutem Zustande, wie es unter den obwaltenden Umständen kaum erwartet werden konnte. Man hatte eine lange Trosse ausgebracht, und an einem der am Hafeneingang liegenden Felsen befestigt. Ging der Wind herum, dann brauchte man nur den Anker aufzuhieven und an der Trosse zu ziehen, bis das Schiff durch die Enge war, und dann stand unseren Freunden, nach langer Haft in dem engen Hafenbecken der entlegenen Felseninsel, die weite Welt wieder offen.

Jeden Morgen schon ganz in der Frühe, schaute Kapitän Jaspersen nach dem Wetter aus, in der Hoffnung, einen günstigen Wind vorzufinden. Da aber in jenen Breiten vorwiegend westliche Winde wehen, und zwar nahezu neun Monate aus den zwölfen des Jahres, so mußte er jeden Morgen enttäuscht seine Koje wieder aufsuchen.

Endlich, des Harrens müde, beschloß er, an dem ersten schönen Tage hinauszulaufen, wenn der Wind nicht gar zu ungünstig wäre. Eines Abends, als das Barometer besonders hoch stand, und die Luft fast windstill war, eröffnete er seinen Gefährten, daß er am nächsten Morgen das Schiff durch die Enge zu bringen gedächte, wenn Wetter und Wind dies nur irgend gestatteten.

Darob große und freudige Erregung unter den Getreuen.

Mit dem ersten Tagesgrauen waren alle Mann an Deck und auch Dora schon in der Kombüse.

Paul warf von der Back aus einen langen Blick in die Runde. Die Felsen standen schwarz und still, und schwarz und still breitete sich auch der Wasserspiegel des Hafenbeckens aus. Wieviel Erinnerungen knüpften sich an diesen Ort!

Und setzt sollte es nach Hause gehen, nach Hause! Auf seinen früheren Seereisen hatte er sich nie so nach der Heimat gesehnt, wie jetzt. Die frische, fröhliche Seefahrt hatte einen solchen Wunsch kaum aufkommen lassen. Diesmal aber war es nur zum kleinsten Teil eine Seefahrt, zum größten Teil nichts als eine Verbannung, eine Gefangenschaft gewesen. Allerdings eine Gefangenschaft, die sich ertragen ließ. Aber doch eine Abgeschlossenheit von der ganzen übrigen Welt. Und jetzt sollte es nach Hause gehen. Sie hatten mit aller Kraft auf diesen Moment der Befreiung hingearbeitet; jetzt war er gekommen, und doch vermochte er kaum daran zu glauben.

»Hiev' Anker!« kam das Kommando des Kapitäns.

Alle eilten ans Spill, sogar Dora beteiligte sich an der schweren Arbeit, die lange Kette einzuhieven und den mächtigen Anker aus dem Grunde zu brechen, wo er so lange Monate gelegen und sich eingefressen hatte.

»Klickklack, klickklack« gingen die Pallen, und Glied um Glied kam die Kette durch die Klüse und über das Spill herein. Alle paar Minuten mußte Paul von der Back auf das Deck hinabspringen, um die sich hinter dem Spill anhäufende Kette achteraus zu ziehen. Endlich stand die Kette außerhalb der Klüse auf und nieder.

»Fasthieven!« rief der Schiffer. »Hol' ein die Lose von der Trosse!«

Die schlaff im Wasser hängende Trosse wurde um die Winsch genommen und steifgeholt. Darauf begann das Hieven aufs neue, und endlich, nachdem sich alle bis zur Erschöpfung angestrengt hatten, hing der Anker unter dem Buge. Er wurde mit dem Kattblock unter den Kranbalken geheißt, wo er zunächst hängenblieb, um später mit dem Fischtakel gefischt, auf die Back gebracht und hier befestigt zu werden.

Jetzt ging es wieder an die Winsch, um die Trosse, die, wie wir wissen, vor dem Hafenausgang an einem Felsen festgemacht war, einzuhieven. Langsam dem Zuge folgend, glitt das Schiff der Enge zu. Als die Trosse ihre Schuldigkeit getan hatte, und losgeworfen werden mußte, war noch so viel Fahrt in dem Schiffe, daß es mit dem Boote leicht durch die schmale Fahrstraße des Ausgangs geschleppt werden konnte, die zuvor wiederholt sorgfältig ausgepeilt worden war.

Während der Dauer des Schleppens, das durch alle vier Männer ausgeführt wurde, stand Fräulein Ulferts am Ruder und steuerte das Schiff mit sicherer Hand nach den ihr vorher eingeprägten Merkzeichen durch die klippenreiche Enge hindurch, bis es die freie See erreicht hatte, und die lange, sanfte Dünung wieder zu spüren begann.

Wenige Minuten darauf waren die Männer wieder an Bord. Die Fallen der Fock und des Großsegels wurden um die Winsch genommen und beide Segel zugleich geheißt. Ein leichter Südostwind füllte die Leinwand – die »Hallig Hooge«, ehemals Bark, jetzt Dreimastschoner, hatte ihre Fahrt nach Kapstadt angetreten.

Bald lag die Insel mit dem gastlichen Jaspersenhafen weit hinter ihr, so einsam, wie zuvor, ein Tummelplatz der kalten Sturmwinde, und der Regen- und Schloßenböen, die nach kurzer Zeit alle Spuren der Menschen, die hier nahezu ein Jahr lang ihr Leben gefristet hatten, verwischt haben werden.

Von einer Meeresströmung war nichts zu merken. Vielleicht hatte Kapitän Jaspersen recht, wenn er meinte, daß jene Strömung, die die Bark damals nach der Insel und in das Hafenbecken hineinbrachte, auf vulkanische Ursachen zurückzuführen gewesen sei, und daß das Wasser nicht so gewaltsam durch das enge Felsentor geströmt wäre, wenn es nicht irgendwo einen unterirdischen Auslaß in dem Felsenbecken gefunden hätte.

»Beten Sie um gutes Wetter, Fräulein Ulferts,« sagte der Schiffer zu dem jungen Mädchen, als er das Ruder übernahm, nachdem er das Segel am Besan hatte heißen helfen; »ich habe die Fahrt gewagt im Vertrauen auf die leichten Winde, die wir um diese Zeit hier wohl erwarten können. Schweres Wetter halten unsere Masten nicht aus, die eigentlich doch nichts als Notmasten sind. Es war nur eine Ironie, als wir die Hallig einen Dreimastschoner nannten; sie ist mit der neuen Takelung, die uns so schwere und langwierige Arbeit kostete, doch nur ein armes, verkrüppeltes Ding, das sich, aus der Entfernung gesehen, mit seinem kümmerlichen Segelwerk und dem großen Unterschiff komisch genug ausnehmen mag.«

»Sie alle haben redlich und treu geschafft, da wird der Lohn Ihrer Arbeit nicht ausbleiben,« antwortete Dora.

»Ick bün dicke tofreden mit uns' Dreemastschoner,« sagte Towe, der die Persenning auf dem Scheinlicht vermittelst starker Latten neu befestigte; »mehr as sin Schülligkeit kann nüms nich doon.«


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