Emerenz Meier
Gedichte
Emerenz Meier

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Der Säumer

        Der Säumer zieht auf dunklem Pfad
Durchs Waldgebirge hin.
Da kommt ihm wie von ungefähr
Sein Mädchen in den Sinn:
»O wäre doch, du gutes Pferd,
Was dich belastet, mein,
Ich kaufte Böhmens Königskron
Und gäbs dem Mägdelein!

Und wie mit leichtem Jugendmut
Er lenket heimatwärts,
Da singt er manches frohe Lied
Und drückt die Hand aufs Herz.
Ein seidnes Tüchlein birgt er dort,
Gestickt mit rotem Gold.
Es ist ein herrlich Angebind
Fürs Mädchen, fein und hold.

Da fliegt ein Reiter von der Burg:
»Du junger Säumerknab,
Mir Sattel, Pferd und all dein Geld,
Dir kalten Dolch und Grab!«
Der Säumer sinkt, ruft sterbend noch:
»All was ich hab, ist dein.
Doch unterm Wams dies seidne Tuch
Bring meinem Mägdelein!«

Dem Ritter läßt dies Wort nicht Ruh,
Nachschallts ihm aus dem Grab.
Er sucht des Säumers arme Maid
Das Waldland auf und ab.
Vergebens fragt er früh und spät
An hoch und niedrer Tür.
Und wie er heimkommt, tritt so bleich
Sein Töchterlein herfür.

»Was irrst du in der weiten Welt,
Läßt mich allein zu Haus?
Was suchest du des Säumers Lieb? –
Gib mir das Tuch heraus!
Wie schmückt es schön die Totenbraut,
Das Blut auf seidnem Schnee!
Ich suche mir den Bräutigam.
Mein Vater, nun – ade!«

 


 


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