Guy de Maupassant
Hans und Peter
Guy de Maupassant

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V

Aber der Doktor fand kaum ein oder zwei Stunden Schlaf, einen Schlaf, der von Träumen gequält war. Als er in dem dunklen, warmen, geschlossenen Zimmer aufwachte, empfand er, ehe er wieder ganz Herr seiner Sinne geworden, jene schmerzliche Beklemmung, jene unangenehme Seelenstimmung, die in uns ein Kummer zurückläßt, über dem man eingeschlafen ist. Es ist, als hätte das Unglück, das uns am Tage vorher nur gestreift, sich während der Ruhe in unser Fleisch eingewühlt, daß es nun peinigt und erschlafft wie ein Fieber. Mit einem Male kam ihm die ganze Erinnerung wieder, und er setzte sich aufrecht im Bett.

Nun begann er langsam, sich alle Überlegungen, die ihn am Hafendamm gestern, während die Sirenen ihre Wehrufe ausstießen, gequält, wieder in Erinnerung zu bringen. Je mehr er nachdachte, desto weniger war er zweifelhaft. Er fühlte sich durch seine Logik fortgerissen, wie durch eine Hand, die uns zu unerträglicher Gewißheit hinzieht und uns erwürgt.

Er hatte Durst, ihm war heiß, sein Herz schlug. Er stand auf, um die Fenster zu öffnen und zu atmen. Als er aufrecht stand, hörte er durch die Wand ein leichtes Geräusch.

Hans schlief ruhig und schnarchte leise. Er schlief! Jawohl, er hatte nichts davon geahnt, nichts davon empfunden. Ein Mann, der ihre Mutter gekannt, hatte ihm sein ganzes Vermögen hinterlassen, und er nahm das Geld und fand es ganz natürlich und richtig.

Er schlief den Schlaf der Reichen und Satten, ohne zu wissen, daß sein Bruder vor Kummer und Leid stöhnte. Und eine Wut erhob sich in ihm gegen diesen nichts ahnenden, selbstzufriedenen Schläfer da drüben.

Am Tag vorher hätte er an die Thür geklopft, wäre hineingegangen, hätte sich an sein Bett gesetzt, hätte ihm in der Verstörtheit seines plötzlichen Aufwachens gesagt: »Hans, Du darfst diese Erbschaft nicht behalten, weil sie unsere Mutter in Verdacht bringen und ihre Ehre antasten könnte.«

Aber heute konnte er nicht mehr sprechen, konnte Hans nichts mehr sagen, da er ihn nicht mehr für den Sohn seines Vaters hielt. Jetzt mußte er die Schmach, die er entdeckt, in seiner Seele verschließen, vor jedem fremden Auge den Flecken, den er gefunden, verbergen und dafür sorgen, daß niemand, nicht einmal sein Bruder, vor allem nicht sein Bruder, etwas davon merke.

Jetzt dachte er kaum mehr an die Rücksicht auf die öffentliche Meinung. Er hätte gewollt, daß alle Welt die Mutter anklage, wenn er nur gewußt hätte, daß sie unschuldig sei. Er, er allein. Wie konnte er noch an ihrer Seite leben, täglich, und wenn er sie anblickte glauben, daß sie seinen Bruder der Liebe eines fremden Menschen verdankte.

Und wie sie doch ruhig und heiter war und ihrer selbst sicher schien! War es denn möglich, daß eine Frau wie sie, von reinem Herzen und unberührter Seele, hatte fallen können, von der Leidenschaft verführt, ohne daß man ihr später irgend welche Gewissensbisse anmerkte oder eine Mahnung ihres getrübten Gewissens.

Ach, die Gewissensbisse! Die Gewissensbisse! Einst, in der ersten Zeit hatten sie sie quälen müssen! – Aber allmählich waren sie verblaßt, wie alles verblaßt. Sie hatte sicher ihren Fehltritt beweint, aber nach und nach hatte sie ihn vergessen. Haben nicht alle Frauen jene wunderbare Eigenschaft, zu vergessen, so daß sie nach ein paar Jahren kaum den Mann wiedererkennen, dem sie ihren Mund und ihren ganzen Leib zum Kusse überlassen haben. Der Kuß schlägt ein wie ein Blitz, die Liebe geht vorüber wie ein Gewitter. Dann glättet und ebnet sich das Leben wieder, wie der Himmel, und es beginnt alles von neuem. Denkt man noch an Gewitterwolken?

Peter konnte es im Zimmer nicht mehr aushalten. Dieses ganze Haus, das Haus seines Vaters lastete auf ihm. Es war ihm, als drückte ihn das Dach auf den Kopf, als erstickten ihn die Mauern. Und da er sehr durstig war, zündete er sein Licht an, um in der Küche ein Glas frisches Wasser zu trinken.

Er stieg die beiden Stockwerke hinab. Und als er dann mit der gefüllten Flasche zurückkam, setzte er sich im Hemd auf eine Treppenstufe in den Zug und trank gleich aus der Flasche in langen Schlucken wie ein durstiger Schnellläufer.

Als er wieder still saß, bedrückte ihn das Schweigen im ganzen Haus. Und allmählich hörte er jedes Geräusch. Zuerst vernahm er den Gang der Uhr im Eßzimmer, deren Ticken von Sekunde zu Sekunde zu wachsen schien. Dann hörte er wieder ein Schnarchen, das Schnarchen alter Leute, kurz, mühsam, hart, wahrscheinlich war es sein Vater. Und es traf ihn der Gedanke, als ob er ihm eben erst gekommen, daß diese beiden Menschen, die in demselben Hause schnarchten, Vater und Sohn, einander ganz fremd waren. Es war kein Band zwischen ihnen, nichts einte sie. Und sie wußten es nicht. Sie sprachen zärtlich miteinander, sie küßten sich, lachten und freuten sich über dieselben Dinge, als ob dasselbe Blut in ihren Adern rollte. Und doch konnten zwei Menschen, die am entgegengesetzten Ende der Welt geboren waren, einander nicht fremder sein, als dieser Vater und dieser Sohn. Sie meinten sich zu lieben, weil eine Lüge sie zusammengeführt. Eine Lüge schuf diese Vaterliebe und diese Sohnesneigung, eine Lüge, die nicht zu enthüllen war und von der nie jemand etwas wissen würde als er, der echte Sohn.

Und doch, doch, wenn er sich nun täuschte! Aber wie sollte er es wissen. Wenn wenigstens eine Ähnlichkeit, nur eine leichte Ähnlichkeit, zwischen seinem Vater und Hans bestünde. Eine jener seltsamen Gleichheiten in den Zügen, die vom Großvater bis auf den Onkel übergehen, beweisend, daß ein ganzes Geschlecht von der gleichen Umarmung stammt. Für ihn, den Arzt, hätte es nur einer Kleinigkeit bedurft, um das herauszufinden. Vielleicht die Bildung der Kinnbacken, der Schwung der Nase, die Stellung der Augen, die Art der Zähne oder des Haares. Ach, noch viel weniger, eine Bewegung, irgend eine Gewohnheit, eine Manier sich zu geben, gemeinsamer Geschmack, irgend ein beliebiges Zeichen, das dem geübten Auge charakteristisch erscheint.

Er suchte und fand nichts, aber auch nichts. Doch er hatte vielleicht nicht ordentlich hingesehen, schlecht beobachtet, da er doch bisher keinen Grund gehabt, jene feinsten Zeichen zu erforschen.

Er stand auf, um in sein Zimmer zurückzukehren. Und langsam stieg er die Treppe hinauf, immer noch in Gedanken. Als er an seines Bruders Zimmerthür vorüberkam, blieb er kurz stehen und streckte die Hand aus, um zu öffnen. Der unwiderstehliche Wunsch überkam ihn, sofort Hans zu sehen, ihn lange anzublicken, ihn im Schlaf zu überraschen, während sich das Gesicht, die schlaff gewordenen Züge ausruhen und alle Zeichen des beseelten Lebens verschwunden sind. So würde er vielleicht das schlummernde Geheimnis seiner Physiognomie entdecken und wenn wirklich eine zu konstatierende Ähnlichkeit existierte, würde er sie finden.

Aber was sollte er sagen, um seinen Besuch zu erklären, wenn Hans aufwachte?

Er blieb stehen, die Finger an der Thürklinke zusammengekrallt, und suchte einen Grund, einen Vorwand.

Da erinnerte er sich plötzlich, daß er vor acht Tagen seinem Bruder eine Flasche Laudanum geborgt, um Zahnschmerzen zu beruhigen. Er konnte ja sagen, er hätte Schmerzen, jetzt, diese Nacht, und wollte sein Mittel haben. Er trat also ein, aber er schlich sich ein wie ein Dieb.

Hans lag mit offenem Mund da und schlief tief wie ein Tier. Auf den weißen Kissen zeichnete sich der blonde Bart und das Haar ab. Er wachte nicht auf, aber er hörte auf zu schnarchen.

Peter beugte sich über ihn und betrachtete ihn gierig. Nein, dieser junge Mann sah Roland nicht ähnlich. Und zum zweiten Mal stieg in ihm die Erinnerung auf an Maréchals verschwundenes Miniaturbild. Er mußte es finden. Wenn er es sah, löste es ihm vielleicht jeden Zweifel.

Sein Bruder bewegte sich. Vielleicht fühlte er seine Gegenwart, oder der Lichtschein drang ihm durch die Augenlider. Da trat der Doktor zurück und ging auf den Fußspitzen zur Thür, die er geräuschlos schloß. Dann kehrte er in sein Zimmer zurück, legte sich jedoch nicht schlafen.

Der Tag kam nur langsam. Die Uhr im Eßzimmer, die tief und ernst klang, als ob das kleine Uhrwerk eine große Kirchenuhr in sich trüge, schlug die Stunden, eine nach der anderen. Der Klang kam herauf über die Treppe, ging durch Mauern und Thüren und verscholl in der Tiefe der Zimmer, im Ohr der Schläfer. Peter ging im Zimmer auf und ab, vom Bett bis ans Fenster. Was sollte er thun? Er fühlte sich so verstört, daß er den Tag nicht in der Familie zubringen mochte. Er wollte noch allein bleiben, mindestens bis zum andern Tag, um nachzudenken, sich zu beruhigen, sich zu stärken für den gleichmäßigen Lauf der Tage, den er nun wieder aufnehmen mußte.

Nun, er wollte nach Trouville, um die Menschenmenge am Strand hin- und herfluten zu sehen. Das würde ihn zerstreuen, ihn auf andere Gedanken bringen, ihm Zeit geben, sich an das Furchtbare zu gewöhnen, das er entdeckt.

Sobald es Tag geworden, wusch er sich und zog sich an. Der Nebel war verschwunden, es war wunderschön. Da der Dampfer nach Trouville erst um neun Uhr den Hafen verließ, überlegte sich der Doktor, daß er vorher seine Mutter begrüßen mußte.

Er wartete bis zu der Zeit, wo sie täglich aufstand, dann ging er hinunter. Sein Herz schlug so laut, als er an die Thür trat, daß er erst stehen bleiben mußte, um Atem zu schöpfen. Die Hand, die er auf die Klinke legte, war schlaff und zitterte, er war beinahe nicht imstande sie herunterzudrücken, um zu öffnen. Er klopfte. Die Stimme seiner Mutter fragte:

– Wer ist da?

– Ich. Peter.

– Was willst Du?

– Dir adieu sagen, weil ich den Tag mit Freunden in Trouville zubringen will.

– Ich bin noch im Bett.

– Gut, also laß Dich nicht stören. Ich küsse Dich heute abend, wenn ich zurück bin.

Er hoffte fortzukommen, ohne sie zu sehen, ohne auf diese Wangen den falschen Kuß zu drücken, den Kuß, bei dem sich sein Herz zusammenzog, wenn er nur daran dachte.

Aber sie antwortete: – Einen Augenblick, ich mache auf. Warte, bis ich mich wieder hingelegt habe.

Er hörte ihre bloßen Füße auf dem Fußboden. Dann glitt der Riegel zurück und sie rief:

– Komm herein.

Er trat ein. Sie saß im Bett, während ihr zur Seite Roland, eine Nachtmütze auf dem Kopf, zur Wand gekehrt beharrlich weiterschlief. Er war nicht zu wecken, wenn man ihn nicht schüttelte, daß man ihm beinah den Arm ausriß. An den Tagen, wo er auf Fischfang ging, war es das Mädchen, das, durch den Matrosen Papagris zur verabredeten Zeit herausgeklingelt, ihren Herrn aus diesem totenähnlichen Schlaf rüttelte.

Peter blickte seine Mutter an, während er auf sie zuschritt. Es war ihm plötzlich, als hätte er sie noch nie gesehen.

Sie hielt ihm die Wangen entgegen. Er drückte zwei Küsse darauf. Dann setzte er sich auf einen niedrigen Stuhl.

– Hast Du diesen Ausflug gestern verabredet? – fragte sie.

– Ja, gestern abend.

– Bist Du zum Essen zurück?

– Ich weiß noch nicht. Jedenfalls wartet nicht auf mich.

Er betrachtete sie mit erstaunter Neugierde. Das war seine Mutter, diese Frau. Plötzlich schien ihm das ganze Gesicht, das er von Kindheit an kannte, seit seine Augen zu sehen gelernt, dieses Lächeln, diese altgewohnte Stimme so neu, so anders wie sie sonst für ihn gewesen. Er begriff jetzt, daß er sie, da er sie liebte, nie genau angesehen. Und doch war sie es, und er kannte jeden kleinen Zug ihres Gesichts. Aber die Einzelheiten ihrer Züge sah er jetzt wie zum ersten Mal. Die ängstliche Aufmerksamkeit, mit der er dieses liebe Antlitz untersuchte, machte es für ihn anders, als er es jemals gesehen.

Er erhob sich, um fortzugehen. Dann, indem er der unwiderstehlichen Lust, die Wahrheit zu erfahren, die ihn seit dem Tage vorher quälte, nachgab, sagte er:

– Sag mal, ich glaube mich zu erinnern, daß wir früher im Salon ein kleines Bild von Maréchal hatten.

Sie zögerte ein oder zwei Sekunden, oder er bildete es sich wenigstens ein. Dann sagte sie:

– Gewiß.

– Ja, und wo ist denn das Bild hin?

Sie hätte noch schneller antworten können, als sie that:

– Dieses Bild? . . . Warte mal . . . Ich weiß nicht recht. Ich hab's vielleicht in meinem Schreibtisch.

– Ach sei so gut und such es mal.

– Ja. Ich will es suchen. Wozu willst Du es denn haben?

– Ach, es ist nicht für mich. Ich habe mir überlegt, daß es doch ganz natürlich wäre, es Hans zu schenken, und daß ihm das Freude machen müßte.

– Ja, Du hast recht, das ist eine gute Idee. Ich werde es suchen, sobald ich auf bin.

Und er ging fort.

Es war ein strahlend heller Tag. Kein Windhauch rührte sich. Die Menschen auf der Straße schienen guter Laune zu sein, die Geschäftsleute, die ihren Geschäften nachgingen, die Beamten, die ihr Bureau aufsuchten, die Mädchen, die zu ihren Läden eilten. Einzelne summten etwas vor sich hin, in glücklichster Laune bei diesem schönen Wetter.

Die Leute stiegen schon auf den Dampfer nach Trouville. Peter setzte sich ganz hinten auf eine Holzbank.

Er fragte sich: »War sie eigentlich bei meiner Frage nach dem Bild verstört oder nur erstaunt? Hat sie's bloß verkramt oder versteckt? Weiß sie, wo's ist, oder weiß sie es nicht? Und wenn sie es versteckt hat, wozu das?«

Und sein Geist, der immer denselben Weg von Schluß zu Schluß ging, sagte sich:

Dieses Bild, das Bild eines Freundes, eines Liebhabers war vor aller Augen immer im Salon geblieben, so lange, bis die Gattin oder die Mutter gemerkt hatte, zu allererst vor andern Menschen, daß ihr Sohn dem Bilde ähnlich sah. Sie hatte wahrscheinlich längst nach dieser Ähnlichkeit gespäht. Aber nun, als sie sie wirklich gefunden, als sie sie allmählich kommen sah und begriff, daß nun jeder andere sie eines Tages ebenso entdecken könnte, hatte sie eines Abends das kleine Bildchen, das gefährlich wurde, fortgenommen und es versteckt, da sie es nicht zu vernichten wagte.

Und jetzt erinnerte sich Peter ganz genau, daß das kleine Bild schon längst fort war, längst, ehe sie Paris verlassen. Es war verschwunden, meinte er, als Hans' sprossender Bart ihn plötzlich dem jungen, blonden Mann, der auf dem Bildchen lächelte, ähnlich gemacht.

Die Bewegung des abfahrenden Schiffes störte seine Gedanken. Er stand auf und blickte auf das Meer hinaus. Der kleine Dampfer bog, als er den Hafen verlassen, links um und steuerte keuchend, stöhnend, zitternd auf die ferne Küste zu, die man im morgendlichen Nebel sah. Hier und da lag das rote Segel eines schweren Fischerbotes unbeweglich auf der ebenen Flut und sah aus wie ein großer Felsen, der aus dem Wasser ragte. Und die Seine, die von Rouen herabfloß, ähnelte einem breiten Meeresarm, der zwei benachbarte Länder trennt.

In einer knappen Stunde kamen sie nach dem Hafen von Trouville. Und da gerade Badezeit war, ging Peter an den Strand.

Dieser sah von weitem aus wie ein langgestreckter Garten voll farbiger Blumen. Vor der großen Düne gelben Sandes, die vom Hafendamm bis zu den schwarzen Felsen sich erstreckte, ähnelten die Sonnenschirme in allen Farben, die Hüte in allen Formen, die Kleider in allen Färbungen, die man gruppenweise vor den Kabinen sah, entweder in langen Reihen an der Flut oder hier und da verstreut, wirklich gewaltigen Blumsträußen auf einer riesigen Wiese. Und das unbestimmte nahe oder ferne Geräusch der Stimmen in der klaren Luft, die Rufe, das Geschrei der Kinder, die man badete, das helle Lachen der Frauen gab einen unausgesetzten Lärm, der sich leicht mit dem Windhauch mischte. Man schien beide zugleich einzuatmen.

Peter ging zwischen den Menschen auf und ab. Ferner, fremder, abgeschiedener von ihnen, in seine quälenden Gedanken versenkt, als ob man ihn hundert Meilen im Meer draußen vom Deck eines Schiffes in die See geworfen. Er streifte die Menschen, und ohne daß er zuhörte, trafen ein paar Redensarten sein Ohr. Und ohne hinzublicken sah er, wie die Herren mit den Damen sprachen und die Damen mit den Herren lächelten.

Aber plötzlich, als sei er aufgewacht, gewahrte er sie deutlich. Und ein Haß stieg in ihm auf gegen sie alle, denn sie schienen glücklich und zufrieden zu sein.

Jetzt ging er durch die Gruppen der Menschen hindurch, um sie herum, plötzlich mit neuen Gedanken. All diese verschiedenfarbigen Toiletten, die den Sand wie ein Bouquet bedeckten, diese schönen Stoffe, die hellen Sonnenschirme, die Grazie der eingeschnürten Taillen, all jene genialen Erfindungen der Mode, vom winzigen Schuhchen bis zum extravaganten Hut, die ganze Verführung, die in den Bewegungen lag, in der Stimme, im Lächeln, kurz die Koketterie, die sich an diesem Strand breit machte, erschienen ihm plötzlich wie eine Riesenblume der Perversität des Weibes. Alle diese geschmückten Damen wollten gefallen, verführen, irgend jemand in ihre Netze ziehen. Sie hatten sich schön gemacht für die Männer, für alle Männer, nur nicht für den eignen Ehemann, den sie nicht mehr zu erobern brauchten. Sie hatten sich schön gemacht für den Liebhaber von heute und den von morgen, für den unbekannten Mann, dem sie begegneten, den sie vielleicht schon gesehen und schon erwarteten.

Und all diese Männer, die neben ihnen saßen, Auge in Auge getaucht, Mund an Mund mit ihnen sprachen, lockten sie, begehrten sie, machten Jagd auf sie, wie auf ein flüchtiges feines Wild, obgleich es so nahe bei ihnen war und so leicht zu erreichen. Dieser ganze weite Strand war also nichts als ein Liebesmarkt, wo die einen sich verkauften, die anderen sich verschenkten, diese verschacherten ihre Liebe und jene versprachen sie nur. All diese Frauen dachten nur immer an dasselbe. Ihr schon anderen Männern geschenktes, verkauftes, versprochenes Fleisch anzubieten und begehrenswert erscheinen zu lassen. Und er meinte, daß es auf der ganzen Erde ebenso sei.

Und seine Mutter war genau so, wie alle anderen. Wie die anderen? Nein. Es gab Ausnahmen, viel, viel Ausnahmen. Die, die er hier um sich sah, die Reichen, die Verrückten, die Liebesjägerinnen gehörten im großen ganzen zur eleganten galanten Welt oder sogar zur käuflichen eleganten Welt. Dann an diesem Strand, wo alle diese Beschäftigungslosen hin und her liefen, traf man nicht die ganze, große Menge der anständigen Frauen, die sich in ihren Häusern hielten.

Das Meer stieg und trieb allmählich die vorderste Reihe der Badenden gegen die Stadt zu. Ganze Gruppen standen schnell auf und entflohen, indem sie ihre Stühle mitnahmen, vor der gelben Flut, die mit einem kleinen schäumenden Spitzensaum näherkam. Die Kabinenwagen wurden auch von den Pferden den Strand hinaufgezogen. Und auf den Brettern des Promenadenweges, der von einem Ende des Strandes zum andern läuft, ergossen sich jetzt ununterbrochen zwei breite, langsam dahinfließende Ströme eleganter Menschen, die gegen einander flossen, sich trafen und sich mischten. Peter machte die Menge nervös. Er lief fort und ging in die Stadt. Und draußen, fast schon an den Feldern, frühstückte er in einem kleinen Weinschank.

Nachdem er seinen Kaffee getrunken, streckte er sich auf zwei Stühlen vor der Thür aus. Und da er diese Nacht kaum geschlafen, schlummerte er im Schatten einer Buche ein.

Nachdem er sich ein paar Stunden ausgeruht, rüttelte er sich auf und gewahrte, daß es Zeit sei, das Dampfschiff zur Heimkehr zu nehmen. Und er setzte sich in Gang. Er wollte heim. Er wollte wissen, ob seine Mutter das Bild Maréchals wiedergefunden, ob sie zuerst davon anfangen würde oder er sie wieder danach fragen müßte. Wenn sie abwartete, daß er sie noch einmal danach frug, dann hatte sie bestimmt einen Grund, das Bild nicht zu zeigen.

Aber als er wieder in seinem Zimmer saß, zögerte er, zum Essen hinunter zu gehen. Er litt zu sehr. Sein verwundetes Herz hatte noch keine Zeit gehabt, sich zu beruhigen. Aber er entschloß sich trotzdem und erschien im Eßzimmer, als man sich eben zu Tisch setzen wollte.

Ein Ausdruck der Freude lag auf allen Gesichtern.

– So, so, sagte der alte Roland, eure Einkäufe machen sich gut? Na, ich will nichts sehen, bis alles fertig ist.

Seine Frau antwortete:

– O ja, wir kommen vorwärts. Man muß sichs nur ein bißchen überlegen, daß man keine Dummheiten macht. Die Möbelfrage giebt viel zu schaffen.

Sie hatte den ganzen Morgen mit Hans beim Tapezierer und Möbelhändler zugebracht. Sie wollte gern reiche Stoffe haben, ein wenig pompös, daß sie auch gleich ins Auge fielen. Ihr Sohn dagegen wünschte einfache Vornehmheit. Nun hatten sie angesichts all der Muster und Proben immer beide ihre Gründe auseinandergesetzt. Sie behauptete, daß der Client vom Rechtsanwalt gleich gefangen genommen werden müsse, daß er sofort fühlen müsse, wenn er in das Wartezimmer tritt: der Mann ist reich.

Hans aber, der nur gern elegante und wohlhabende Clienten haben wollte, hatte die Absicht, im Gegenteil die Leute durch bescheidenen und sicheren Geschmack einzunehmen.

Und der Streit darüber, der schon den Morgen gedauert, fing schon bei der Suppe wieder an.

Roland hatte gar keine Meinung. Er sagte:

– Ich will von nichts hören. Ich werde mir die Geschichte ansehen, wenn's fertig ist.

Frau Roland berief sich auf das Urteil ihres ältesten Sohnes:

– Nun, Peter, was meinst Du denn dazu?

Er war so nervös, daß er am liebsten mit irgend einem Schimpfwort geantwortet hätte. Aber er sagte dennoch in trockenem Ton, aus dem aber seine Erregung zitterte:

– Ach, ich bin ganz Hans' Ansicht. Ich bin für Einfachheit im Geschmack, die sich beim Charakter mit Ehrlichkeit und Offenheit vergleichen läßt.

Die Mutter sagte:

– Aber vergiß nicht, daß wir in einer Handelsstadt leben, wo man guten Geschmack nicht auf der Straße findet.

Peter antwortete:

– Was thut das? Ist das etwa ein Grund, es den Dummen gleich zu thun. Wenn meine Landsleute dumm oder unehrlich sind, muß ich sein wie sie? Eine Frau wird nicht ein Verhältnis anfangen, nur, weil ihre Nachbarinnen Liebhaber haben.

Hans fing an zu lachen:

– Du stellst Vergleiche an, wie ein Moralprediger.

Peter antwortete nicht. Mutter und Bruder setzten ihr Gespräch über Stoffe und Stühle fort. Er betrachtete beide, wie er seine Mutter am Morgen schon betrachtet, ehe er nach Trouville gefahren. Er beobachtete sie wie ein Fremder. Und es war ihm, als wäre er wirklich plötzlich in einer ganz fremden Familie.

Vor allem fiel sein Vater seinem Auge und seinen Gedanken auf. Dieser dicke, schlappe, selbstzufriedene, alberne Mann sollte sein Vater sein? Nein, nein, Hans sah ihm in keiner Beziehung ähnlich.

Seine Familie! Seit zwei Tagen hatte eine böse, fremde Hand, die Hand eines Toten, alle Bande, die diese vier Wesen aneinanderknüpften, eins nach dem andern zerrissen. Es war aus, alles zerstört. Er hatte keine Mutter mehr. Er konnte sie nicht mehr lieb haben, da er sie nicht mehr mit dem absoluten Respekt achten konnte, mit der heiligen, zarten Liebe, wie sie ein Sohnesherz braucht. Keinen Bruder – denn dieser Bruder war der Sohn eines Fremden. Er behielt nur noch einen Vater, diesen dicken Mann da, den er nun einmal nicht liebte, so sehr er sich auch Mühe gab.

Und plötzlich fragte er:

– Sag mal, Mama, hast Du das Bild wiedergefunden?

Sie riß erstaunt die Augen auf:

– Welches Bild?

– Das Bild von Maréchal.

– Nein. Das heißt, jawohl. Gefunden habe ich's nicht, aber ich glaube, ich weiß, wo es ist.

– Was denn? – fragte Roland.

Peter sagte zu ihm:

– Das kleine Bild von Maréchal, das früher in unserm Salon in Paris stand. Ich dachte, es müßte Hans Freude machen, es zu besitzen.

Roland rief:

– Natürlich! Natürlich! Ich erinnere mich genau. Ich hab's sogar Ende voriger Woche noch mal gesehen. Die Mama fand es im Schreibtisch, als sie Papiere ordnete. Es war Donnerstag oder Freitag. Weißt Du noch, Luise? Ich war gerade beim Rasieren, da nahmst Du es aus einem Fach und legtest es auf einen Stuhl neben Dich mit einem Haufen Briefe, von denen Du die Hälfte verbranntest. Es ist doch wirklich komisch, daß Du zwei oder drei Tage vor Hans' Erbschaft das Bild wiederfandest. Wenn ich an Ahnungen glaubte, das wäre eine.

Frau Roland antwortete ganz ruhig:

– Ja, ja. Ich weiß wo's ist, ich werde es nachher suchen.

Sie hatte also gelogen. Sie hatte gelogen, als sie an diesem Morgen dem Sohn, der sie fragte, was aus dem Miniaturbilde geworden, geantwortet: »Ich weiß nicht recht, vielleicht habe ich's in meinem Schreibtisch.«

Sie hatte es in der Hand gehabt, hin und her gedreht und betrachtet ein paar Tage vorher, dann wieder in dem geheimen Fach versteckt mit Briefen, seinen Briefen.

Peter betrachtete seine Mutter, die gelogen hatte. Er betrachtete sie mit der Verzweiflungswut eines hintergangenen Sohnes, der sich in seinen heiligsten Gefühlen betrogen fühlt, mit der Eifersucht eines blinden Mannes der endlich den schmachvollen Betrug entdeckt. Wenn er, der ihr Sohn war, der Mann dieser Frau gewesen wäre, hätte er sie bei den Handgelenken gepackt, bei den Schultern, bei den Haaren, zu Boden geworfen, sie geschlagen, gestoßen und zerstampft. Und er konnte nichts sagen, nichts thun, sich nichts merken lassen. Er war ihr Sohn, er hatte nichts zu rächen. Ihn hatte man ja nicht betrogen.

Und doch hatte sie ihn betrogen, in seiner Zärtlichkeit betrogen, in seiner frommen Ehrfurcht. Sie mußte für ihn unantastbar sein, wie jede Mutter für ihr Kind. Wenn die Wut, die in ihm groß geworden war, sich fast bis zum Haß gesteigert hatte, so war es deshalb, weil er meinte, sie sei ihm fast noch strafbarer als seinem Vater gegenüber.

Die Liebe von Mann und Frau ist ein freiwilliger Vertrag, in dem derjenige, der sich schwach zeigt, sich nur einer Treulosigkeit schuldig macht. Wenn die Frau aber Mutter geworden ist, so ist damit ihre Pflicht gewachsen, weil die Natur ihr das Gedeihen eines neuen Geschlechtes anvertraut. Wenn sie dann unterliegt, so ist sie feige, unwürdig und niederträchtig.

– Na jedenfalls – sagte plötzlich der alte Roland, indem er seine Beine unter dem Tisch streckte, wie er es jeden Abend that, um sein Glas Johannisbeerschnaps zu trinken, – ist's garnicht dumm, nichts zu thun, wenn man sein kleines Einkommen hat. Ich hoffe, daß Hans uns nun mal zu 'nem Dinerchen einladen wird. Hol's der Teufel, wenn ich mir auch den Magen dabei verderbe.

Dann wandte er sich zu seiner Frau:

– Suche doch mal das Bild, Alte, da Du fertig gegessen hast. Mir macht's Spaß, das Ding mal wieder zu sehen.

Sie stand auf, nahm ein Licht und ging hinaus. Dann kam sie nach einer Abwesenheit, die Peter sehr lang erschienen, obgleich sie kaum drei Minuten gedauert hatte, lächelnd wieder und hielt an einem Ringe ein vergoldetes altertümliches Rähmchen.

– Hier – sagte sie. – Ich hab's beinah sofort wiedergefunden.

Der Doktor hatte zuerst die Hand danach ausgestreckt. Er nahm das Bild in die Hand, und mit ausgestrecktem Arm betrachtete er es von weitem. Und dann, als er fühlte, daß seine Mutter ihn ansah, hob er langsam die Augen zu seinem Bruder, um zu vergleichen. Er hätte in seiner Wut beinah gesagt: »Da sieh' mal einer an, das ist der reine Hans!« Und wenn er auch die gefährlichen Worte nicht auszusprechen wagte, gab er doch seinem Gedankengang Ausdruck durch die Art und Weise, wie er das gemalte Gesicht mit dem lebendigen verglich.

Sie hatten unbedingt gemeinsame Züge. Derselbe Bart, dieselbe Stirn. Aber doch nichts, was so in die Augen fiel, daß man hätte behaupten dürfen: »Das ist Vater und Sohn.«

Es war mehr eine Familienähnlichkeit. Eine Ähnlichkeit der Physiognomien durch das gleiche Blut. Aber was für Peter viel entscheidender war, als der Gesichtsschnitt, war seine Mutter, die aufgestanden war, ihnen den Rücken gewendet hatte und viel zu langsam sich damit beschäftigte, Zucker und Schnaps in den Wandschrank einzuschließen.

Sie hatte begriffen, daß er wußte, was geschehen, oder es wenigstens ahnte.

– Gieb mir mal das Ding her! – sagte Roland.

Peter reichte ihm das Miniaturbild, und sein Vater rückte das Licht heran, um besser sehen zu können. Dann sagte er ganz weich vor sich hin:

– Armer Kerl! Und so sah er wirklich aus, wie wir ihn kennen lernten. Jesus nochmal! Wie so was schnell geht. O, er war damals ein hübscher Kerl und hatte so ein angenehmes Benehmen. Nichtwahr, Luise?

Da seine Frau nicht antwortete, fuhr er fort:

– Und dieser sich immer gleich bleibende Charakter. Ich habe ihn niemals schlechter Laune gesehen. Na, nun ist's aus. Von dem ist nichts mehr übrig, als . . . was er Hans hinterlassen hat. Jedenfalls ist eins klar, daß er ein guter und treuer Freund bis an's Ende geblieben ist. Er hat uns selbst im Tode nicht vergessen.

Nun streckte auch Hans den Arm aus, um das Bild anzusehen. Er betrachtete es ein paar Augenblicke und sagte dann mit Bedauern:

– Ich erkenne ihn absolut nicht wieder. Ich habe ihn nur noch vor Augen mit weißem Haar.

Und er gab das kleine Bild seiner Mutter zurück. Sie warf einen flüchtigen nur kurzen Blick darauf, ängstlich wie es schien, und sagte dann im Ton wie immer:

– Das gehört jetzt Dir, Hänschen, da Du sein Erbe bist. Wir nehmen es in Deine neue Wohnung mit.

Und als sie in den Salon traten, stellte sie das Bildchen auf den Kamin neben die Uhr, wo es früher gestanden.

Roland stopfte eine Pfeife; Peter und Hans zündeten sich Cigaretten an.

Sie rauchten gewöhnlich, indem einer im Zimmer auf und ab ging, der andere mit übereinandergeschlagenen Beinen in einen Lehnstuhl versunken saß. Der Vater setzte sich immer rittlings auf einen Stuhl und spuckte von weitem ins Kaminfeuer.

Frau Roland pflegte auf einem niedrigen Stuhl an einem kleinen Tisch, auf dem die Lampe stand, zu sitzen, stickte, strickte oder zeichnete Wäsche.

An diesem Abend begann sie eine Stickerei für Hans' Zimmer. Es war eine schwierige, komplizierte Arbeit, die im Anfang ihre volle Aufmerksamkeit erforderte. Und doch schlug sie ab und zu die Augen, die die Kreuzchen zählten, auf, um kurz und flüchtig das kleine Bild des Toten zu betrachten, das an die Kaminuhr gelehnt stand. Und der Doktor, der mit vier, fünf großen Schritten durch das Zimmer eilte, die Hände auf dem Rücken, die Cigarette zwischen den Lippen, begegnete jedesmal dem Blick der Mutter.

Es war, als bespähten sie einander, als wäre zwischen ihnen der Krieg erklärt. Und ein schmerzliches, unerträgliches Wehgefühl schnürte Peters Herz zusammen. Er sagte sich, gequält und doch befriedigt: »Muß sie jetzt leiden, wo sie weiß, daß ich sie erkannt habe!« Und jedesmal, wenn er am Kamin vorbeikam, betrachtete er Maréchals blondes Antlitz, um recht zu zeigen, daß ihn ein Gedanke beschäftigte. So ward dieses kleine Bild, kaum so groß wie eine Handfläche, zu einem lebenden Menschen, einem bösen, furchtbaren Geist, der plötzlich in dies Haus, in diese Familie eingedrungen.

Da klang die Klingel an der Hausthür. Frau Roland, die sonst so ruhig war, zuckte zusammen und verriet dadurch dem Doktor die Erregung ihrer Nerven.

Dann sagte sie: – Es wird Frau Rosémilly sein. – Und ihr ängstliches Auge schweifte wieder zum Kamin hinüber.

Peter begriff ihre Angst und ihr Entsetzen, oder meinte, sie zu verstehen. Der Blick der Frauen ist durchdringend. Sie begreifen schnell und sind mit einem Verdacht schnell bei der Hand. Wenn sie einträte, würde sie dieses unbekannte kleine Bildchen sofort sehen und vielleicht die Ähnlichkeit zwischen diesem Gesicht und Hans herausfinden. Und dann würde sie alles verstehen und begreifen. Er bekam Angst, eine plötzliche, fürchterliche Angst, daß diese Schmach enthüllt werden könnte. Und als die Thür aufging, wendete er sich um, nahm das kleine Bild und schob es, ohne daß Vater oder Bruder es gemerkt hätten, unter die Standuhr.

Als er wieder die Augen seiner Mutter traf, schienen sie ihm verändert, starr und verstört.

– Guten Abend! – sagte Frau Rosémilly. – Ich komme, um mit Ihnen eine Tasse Thee zu trinken.

Aber während man sich um sie bemühte und sie fragte, wie es ihr ginge, verschwand Peter durch die offengebliebene Thür.

Als man sein Verschwinden bemerkte, waren alle erstaunt. Und Hans, der darüber unzufrieden war wegen der jungen Witwe, die er verletzt wähnte, brummte:

– So ein Bär.

Frau Roland antwortete:

– Du mußt es ihm nicht anrechnen. Er ist heute nicht ganz wohl und müde von seinem Ausflug nach Trouville.

– Ach was, – meinte Roland, – das ist noch lange kein Grund, um auszureißen wie ein Wilder.

Frau Rosémilly wollte vermitteln und versicherte:

– Nein, nein. Er hat sich auf englisch empfohlen. So macht man's in der Gesellschaft immer, wenn man zeitig fort will.

– O, – antwortete Hans, – in der Gesellschaft kann das wohl so sein, aber man macht das nicht in seiner Familie. Und mein Bruder thut's erst seit einiger Zeit.

 


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