Hugo Marti
Der Kelch
Hugo Marti

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6 Haff und Heide

I.
       

O du weites, weites Land!

Die stille Sommermittagstunde
Legt wie eine weiche Hand
Flimmernd über dich von Strahlen
Goldgewobenes Gewand.

Du ruhst in einem frommen Traum,
Den auf blauem Himmelsgrunde
Zwischen Halm und Birkenbaum
Eilende Wolken schimmernd malen,

Und deine Felder atmen kaum.

 
7 II.
       

Der Mittag wandelt übers Moor.
Ich ruhe tief im warmen Sand.
Das Wasser spielt am Schilf empor
Und leckt mir wie ein Tier die Hand.

Im Sonnenlichte gleißend liegt
Das Haff wie glühendweißes Erz.
Hoch im Himmel rudernd fliegt
Ein Kranichzug waldwiesenwärts.

Dort schimmert ferneher im Glast
Ein Segel über den blitzenden Schaum.
Wie schlafend hängt es matt am Mast.
Uns bannt ein gleicher Mittagstraum.

 
8 III.
       

Die Nebelglocken läuten
Mit leisem Lied den Abend ein.
Es schließt ein letzter Erntetag
Sich wie ein Heiligenschrein.

Die rot und gelben Wälder
Sie werden morgen noch einmal
Wie güldene Kleinodien stehn
Und übermorgen fahl.

Zum Heidefeuer halt ich
Die Hände hin und schaue still,
Wie Glut um Glut erlöschen muß
Und alles schlafen will.

 
9 IV.
       

Es herbstet schon im Laube
Und güldet schon im Wald
Und dämmert in den Tag hinein
Und nachtet bald.

Wie losgelassene Hunde
Verbellt und hetzt ein Wind
In dunkler Nacht, die fern von Haus
Und Heimat sind.

 
10 V.
       

Die Tage sind mir wie ein Traum
Und schwinden als ein Schatten hin.
Kaum streift im Wandel mich ihr Saum,
Der ich im Traum versunken bin.

Ich schaue ferne fern den Rand
Von tiefen Wäldern, schneelastschwer.
Ich schau ein weites, weites Land.
Die Stille hör ich, und das Meer.


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