Niklaus Manuel
Die Totenfresser
Niklaus Manuel

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3. Das Zwillingsstück der »Totenfresser«: »Von Papsts und Christi Gegensatz«.

In engerem Rahmen ist derselbe Gegenstand behandelt in dem Spiel von Papsts und Christi Gegensatz.

Das Stück erscheint überall als Anhang zu dem eben besprochenen Spiele abgeschrieben und gedruckt und ist nach Anshelm nur acht Tage nach jenem auf demselben Schauplatz aufgeführt worden.

Die Gegenüberstellung der weltlichen Pracht des Papstes als des Antichrists und der Demut Christi als des Welterlösers, war ein der Zeit geläufiger Gegenstand, den u. a. schon 1521 Lukas Kranach, mit Versen Luthers begleitet, in dem Passional Christi und Antichristi behandelt hatte, der sodann von Manuel selbst i. J. 1524 in einer Handzeichnung bildlich dargestellt worden ist und bis 1840 auch in der Kirche zu Boltigen im Berner Simmental auf sechs Fensterscheiben gemalt zu sehen war. Das Fastnachtsspiel von Papst und Christus ist im wesentlichen nur ein bewegtes lebendes Bild dieses Gegensatzes. Durch die XXIV Kreuzgasse zu Bern kommen zwei Züge verkleideter junger Leute gegen den dort im Mittelpunkt der Altstadt im Freien stehenden Richterstuhl heran: erst von hüben Christus auf dem Esel, die Dornenkrone auf dem Haupte, hinter ihm ein Gefolge von armen Jüngern und von Hilfsbedürftigen aller Art, dann von drüben der Papst an der Spitze seines Hofstaates und seines Kriegsheeres. Zu beiden Zügen machen zwei zuschauende Bauern ihre Bemerkungen, mit derben Ausfällen gegen das weltliche und kriegerische Leben des Papstes und gegen die Ablässe und Wallfahrten, die auf Kosten des gemeinen Mannes sich und die Kirche bereichern.

Der Schwabe und Berner Chronist Valerius Anshelm hat etwa zwölf Jahre später in seinem Geschichtswerke (Bd. 4, 475 der neuen Ausgabe, 1893) diese »zwei wohlgelehrten und in weite Lande erfolgreich verbreiteten Spiele« von den »Totenfressern« und von dem »Gegensatz des Wesens Christi Jesu und seines sogenannten Statthalters, des Römischen Papstes« unter der auszeichnenden Überschrift »Spiele evangelischer Freiheit« besprochen und ihre Bedeutung gut zusammengefaßt mit den Worten: »Durch diese farbenreichen Schaustellungen (wunderliche anschowungen) derengleichen bisher – als gotteslästerlich – nie erhört gewesen, ward viel Volkes bewegt, christliche Freiheit und päpstliche Knechtschaft überdenkend zu unterscheiden. Es ist auch in dem evangelischen Handel kaum ein Büchlein so oft gedruckt und so weithin ausgebreitet worden als das mit diesen Spielen.«


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