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Wernigerode.

Die Stadt vor dem Brocken.

Harztannengeflüster – sonst kein Laut
Im stillen verschwiegenen Walde.
Ein Bergbach klar und smaragdenhell –
Zart blauender Himmel über dem Quell,
Und ein Heimchen auf dämmernder Halde!

Abendgoldleuchten im weiten Wald,
Verklingendes Herdengeläute!
Droben der Harzgrafen ragender Bau,
In die Täler rings eine stolze Schau,
Das Städtebild und die Weite.

Es blinken Zinnen und Mauerwerk,
Von Purpurglut übergossen.
Die Sage kündet: Das alte Schloß
Verberge tief im felsigen Schoß
Die Krone Otto des Großen.

Die letzten Blätter wehen vom Stamm,
Bald fallen die ersten Flocken.
Und heimlich breitet sein Feierkleid
Der Winter über die große Zeit
Und die alte »Stadt vor dem Brocken.«

Waldfriede.

Waldtal mit deinen stillen Plätzen,
Mit deiner tiefen Sommerruh',
Mit deiner Tannen fernem Rauschen,
Wie schön bist du!

Die stille Einkehr zu sich selber,
Ich fand sie nie in Glanz und Glück,
Mit heißer Sehnsucht zog's mich immer
Zu dir zurück!

Waldtal mit deinem großen Schweigen,
Mit deiner stillen, tiefen Ruh',
Waldtal mit deinem Gottesfrieden,
Wie schön bist du!

Im Schnee.

Wenn in der kleinen Harzstadt
Markt und Straßen verschneit,
Ist mir's, als läg' ich begraben
In tiefer Vergessenheit!

Als käme nimmer ein Wand'rer
Über die Berge daher
Und schaute nach Land und Leuten
Und fragte, was Harzbrauch wär'.

Als könnte keiner von dannen
Aus dem Städtlein, blank und weiß,
Als sollt' es schneien und schneien,
Und würd' er darob ein Greis!

Als hätte ein Kind gespielet
Und schlüge den Deckel zu,
Und brächte Männlein und Fräulein
In Noahs Arche zur Ruh'!

Wenn in der kleinen Harzstadt
Markt und Straßen verschneit,
Ist mir's, als läg' ich begraben
In tiefer Vergessenheit!

Nur eins zieht hell und leuchtend
Durch den stillen, weißen Traum:
Christkindelein kommt vom Himmel
Mit strahlendem Weihnachtsbaum!

Sankt Sylvestri.

In den Lüften droben Feiergeläut',
Unten auf Erden hochheilige Zeit.
Und leise, leise aus dämmernder Höh'
Fällt in silbernen Flocken der Winterschnee,
Und webt seine Schleier um Erker und Tor,
Um den alten, lindenumschatteten Chor,
Um die Kirche zu Sankt Sylvestri!

Advent ist's, stiller, heil'ger Advent!
Den Menschen auf Erden das Herze brennt!
In jauchzender Freude, voll Seligkeit,
In Kreuzesfeindschaft, in bitterem Streit!
Wir aber breiten die Kleider aus
Und streuen die Palmen ums Gotteshaus,
Und schmücken das alte Sylvestri!

Kerze um Kerze flammt leuchtend empor,
Im Strahlenkranze steh'n Altar und Chor.
Da kommt's durch den Winterschnee leise herbei
Und pocht an der heiligen Sakristei,
Und setzt auf die Schwelle den zarten Fuß
Und tritt herein mit holdseligem Gruß
Zur Kirche zu Sankt Sylvestri!

Es blickt mit leuchtendem Aug' umher,
Als ob es nach Hause gekommen wär',
Als kläng' von der festlichen Kanzel dort
Des ewigen Vaters heiliges Wort!
Und leise bereiten zu seliger Rast
Die Engel die Krippe dem höchsten Gast –
Gott segne dich, Sankt Sylvestri!


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