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Im Herbst.

Im Herbst, wenn golden um Erker und Chor
Im flüsternden Abendwinde
Das Laub sich windet in schimmernder Pracht
Um die Mutter Marie mit dem Kinde,
Wenn die Schwalben das steinerne Kreuzesbild
Umflattern mit letzten Grüßen –
Dann sollst du dran denken, wer du auch bist,
Daß auf Erden nicht deine Heimat ist,
Daß wir alle von dannen müssen!

Du sollst dran gedenken in jedem Jahr,
In guten und bösen Tagen,
Du sollst nicht erst, wenn schneeweiß dein Haar,
Nach dem Ziel und dem Wege fragen.
Wenn das Auge blind und die Liebe tot,
Wie kannst du dein Kleinod nennen,
Was du nie geschaut, was du nie geliebt,
Wie kann dein Herz, zum Tode betrübt,
Des Lebens Krone erkennen?

Im Herbst, als golden um Erker und Chor
Im flüsternden Abendwinde
Das Laub sich rankte in schimmernder Pracht
Um die Mutter Marie mit dem Kinde,
Da kam ein Schwälblein, es flattert umher,
Und irrte um Erker und Bogen –
Doch Dächer und Zinken, sie waren leer,
Der Wind strich über den Markt daher –
Die Schwalben, die waren verzogen!

Da saß es unter dem fallenden Laub
Im herbstlichen Regenschauer!
Es wußte: bald kamen der Schnee und der Frost,
Und versank in schweigende Trauer;
Es träumte von einem schöneren Land,
Von sehnender Südlandsweise – –
Es war nur ein Schwälblein am Herbstestag!
Merk auf, mein Herze! sei treu und wach!
Du bist auf größerer Reise!


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