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Das Vaterland

... die das Vaterland mehr lieben als ihre Seele.

Die größte Verpflichtung

Sooft ich mein Vaterland ehren konnte, habe ich es, wenngleich es mir Vorwürfe eintrug und mich Gefahren aussetzte, immer bereitwillig getan; denn es gibt für den Menschen keine größere Verpflichtung als die gegen sein Vaterland, da er ihm sein Dasein verdankt und alles Gute, was ihm Glück und Natur gewährt haben. Seine Verpflichtung wird um so größer, je edler das Vaterland ist, das ihm zuteil geworden.

Die höchste Ehre

Ich glaube, daß die größte Ehre, die ein Mensch erwerben kann, die ist, die ihm sein Vaterland freiwillig erzeigt. Ich glaube auch, daß man nichts Schöneres und Gott Wohlgefälligeres tun kann, als seinem Vaterlande zu dienen und zu nützen. Überdies wird kein Mann wegen irgendeiner Handlung so sehr gepriesen, wie es die werden, die durch Gesetze und Einrichtungen die Staaten reformiert haben. Solche Männer werden am meisten gefeiert und wie Halbgötter verehrt. Da es aber wenige gab, die das zu tun Gelegenheit hatten, und sehr wenige, die es zu tun verstanden, so ist die Zahl derer klein, die es wirklich taten. So großen Wert legten auf diesen Ruhm die Männer, die stets nur nach Ruhm strebten, daß sie, da es ihnen unmöglich war, eine Republik in der Wirklichkeit zu errichten, dies in ihren Schriften getan haben. Aristoteles, Plato und andere wollten der Welt beweisen, daß, wenn sie nicht wie Solon und Lykurg einen freien Staat gründeten, sie dies nicht aus Unwissenheit unterließen, sondern aus Mangel an Macht und Gelegenheit. Der Himmel kann also einem Manne kein größeres Geschenk machen, als ihm eine solche Macht und Gelegenheit zu geben, noch ihm eine rühmlichere Aufgabe stellen als die, einen freien Staat zu gründen.

 

Die Ehre, die mir das Vaterland während seiner Freiheit erwiesen hat, kann es mir während seiner Knechtschaft nicht nehmen.

Befreit das Vaterland!

Wenn es einst nötig war, daß das Volk Israel unter Ägyptens Joche seufzte, damit man Moses' Tatkraft kennen lerne, daß die Perser von den Medern unterdrückt wurden, damit man Cyrus' Seelengröße erkenne, daß die Athener zersplittert waren, damit Theseus' Vortrefflichkeit zur Geltung komme, so war es auch jetzt nötig, daß Italien jede Art von Erniedrigung kennen lernte, versklavter als die Israeliten, geknechteter als die Perser, uneiniger als die Athener, ohne Führer, ohne Verfassung, bedrängt, ausgeplündert, zerfleischt und verheert war, damit sich die Größe und Tatkraft italienischen Geistes erweisen könne.

Wenn man auch gelegentlich bei einem Manne schwache Anzeichen sah, woraus man auf seine göttliche Sendung, Italien aus seinem Elend zu befreien, hätte schließen können, so verließ ihn doch das Glück in der entscheidenden Stunde.

Jetzt liegt Italien wie leblos am Boden und wartet auf seinen Retter, der diesem unwürdigen Zustande ein Ende mache, der die Räubereien und Verheerungen in der Lombardei, die Plünderungen und Brandschatzungen in Neapel und Toskana unterbinde und die durch die Länge der Zeit beinahe unheilbar gewordenen Wunden heile. Italien fleht zu Gott um einen Retter, der es von der Grausamkeit und dem Übermut der Barbaren befreie. Es ist bereit, der Fahne zu folgen, die ihm ein Tapferer voranträgt.

 

Man darf also diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen. Nach einer langen Zeit des Leidens wird Italien endlich seinen Erlöser sehen. Mit welch unaussprechlicher Liebe würde er überall aufgenommen werden! Jubelnd würden sich ihm alle Provinzen anschließen, die unter der Überschwemmung der Fremden gelitten haben, mit welchem Durst nach Rache, mit welch standhafter Treue, mit welcher Andacht, mit welchen Tränen würde er begrüßt werden! Welche Tore würden sich ihm verschließen? Wo würde das Volk ihm den Gehorsam verweigern? Wo würde sich ihm Eifersucht widersetzen? Welcher Sohn Italiens würde ihm die Huldigung versagen? Jeder ist der Barbarenherrschaft unsagbar müde.

Ich habe euch freigebig aus dem Schatze meiner Erfahrungen mitgeteilt ..., damit ihr euren Fürsten beraten und ihm in der Ausführung des Planes beistehen könnt, wenn sich günstige Gelegenheit bietet. Laßt euch durch die Größe des Planes nicht in Staunen setzen oder gar abschrecken, denn unser schönes Vaterland scheint bestimmt, alles, was die Zeit in den Todesschlaf versenkt hat, wieder ins Leben zu rufen, ebenso wie die Dichtung auch die Malerei und die Bildhauerkunst.


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