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III. Bilder

Die Heide-Touristen

Sie liegen wie gemäht im Heidekraut.
In ihren Köpfen stecken kurze Pfeifen.
Rauch quillt. Verweht. – Ein harter Mittag blaut.
Licht glüht herab in breiten Strahlenstreifen.

Einer sitzt wach mit vorgestrecktem Haupt.
In seinem Schoß blinkt eine Mandoline.
Sein Blick stößt vor, daß er der Landschaft raubt
Ein braunes Lied, das seiner Sehnsucht diene.

Um ihn die Schläfer träumen von der Stadt.
Der Traum warf sie zurück in ihre Zinnen,
Ins Trübe, das sie sonst umdüstert hat.
Die helle Heide sank von ihren Sinnen.

Doch jeder hat sein Mädchen dort. Das brennt
Jetzt rötlich auf in ihren müden Hirnen.
Und der, der einsam wacht und sieht, erkennt
Das kleine Licht auf ihren braunen Stirnen.

Und stark in gelbe Ferne späht er wieder.
Schwül wogt sein Blut und trübt ihm sein Gesicht.
Hell auf den Höhen stehen viele Lieder.
Doch er ist sehnsuchtsblind und sieht sie nicht.

Die Mandoline blinkt auf seinen Knien.
Noch stumm und wartend, da die andern wachen.
Und langsam folgt er, als sie weiterziehn.
Und sonderbar tönt ihm ihr gutes Lachen.

Elbestrand

Der Strand glänzt prall besonnt und badehell.
Es wimmelt um die Zelte wie von Maden.
Die aufgesteckte Wäsche blendet grell,
Und Mondschein kommt von Leibern, welche baden.

Vom Meere weht ein Wind mit Salz und Teer
Und kitzelt derb die Stadt=verweichten Lungen.
Da springt ein Lachen auf dem Strand umher,
Und unvermutet redet man mit Zungen.

Ein großer Dampfer kommt vom Ozean.
Stark ruft sein Baß. Die Luft wird plötzlich trüber.
Man drängt ans Wasser kindlich nah heran.
Ein Atem braust. – Die Woermann schwimmt vorüber.

Die Zeltstadt glänzt bevölkert wieder bald.
Wir schreiten langsam durch die hellen Reihen
Und hören hier: es kam ein Palmenwald,
Ein ganzes Land mit Düften, Negern, Affen, Papageien.

Erster Mai

Gesang der Scharen, vom Frühling geschürt, das wiegende Schreiten geliederter Prozessionen,
Schwank durch die Gartenbäume flammten ihre Farben, heiß und vom Winde geschleift,
Irr in den Lüften taumelten ihre Worte, ihr Haß und ihr Traum von zerbrechenden Thronen,
Kühn, maßlos war der Frühling zum Blühen und war verwintertes Blut zu drohendem Atem gereift!

Klirrend erwachten aus Häuserfenstern verzirkelte Bärte,
Kaum erfühlbar geschüttelt von blaß gerötetem Staunen ihr schüchterner Halt,
Brillenbepanzerte Professoren blinzelten schreckliche Härte
Und kauten manierliche Worte, belegt mit Attacken, mit Waffen, Qualm und Gewalt!

Aber die Jünglinge, wirr entsprungene Söhne der fenstergehaltenen Alten,
Folgten mit ängstlichen Wundern von ferne den schwer Fortziehenden nach,
Und sie fühlten sich heldisch durchglüht, als sie verstohlene Fäuste in Taschen ballten,
Leuchtend von Träumen des Tages, der Barrikaden und Flammen versprach.

Der Prophet

Du wankest gramvoll durch die Stadt, von Leuten
In Zobel und dem grauen Volk verhöhnt,
Und achtest scheu, wie sie Verlästrung deuten
Nach deinem Haupt, von Jahren grau gekrönt.

Plakate tragen sie, Karikaturen
Auf dich, der mühsam tastet, Schritt für Schritt.
Sie folgen kichernd deinen Spuren
Und lockend täuschend deine Freunde mit. –

Hell ein Barbier aus seinem Laden tänzelt.
Er schlägt das Seifenbecken mit der Hand.
Ein Schneidermeister kommt herangeschwänzelt
Und mißt zum Spott dich mit dem Meterband.

Ich messe, ruft er höhnisch, Ihre Größe:
Ein Kilometer reichte kaum! – –
Aufbäumt sich wiehernd ein Getöse
Und füllt mit Echo hoch den Straßenraum.

Ein großer Kaufmann schwenkt mit dem Zylinder,
Verbeugt sich tief und höhnt dich: Herrlichkeit! –
Das war ein Spaß für Narren und für Kinder.
Sie klatschen wild. Du gehst. Sie folgen breit.

Schwarz ist die Straße ganz von ihrem Drängen,
Wie Aufruhr laut und toll wie Karneval.
Die Tollheit brach aus träg gewohnten Strängen
Und feiert dir ein Narrenbachanal. –

Ihr kommt vorbei an hohen Kirchenstufen.
Du steigst hinauf. Erstaunend bleibst du stehn.
Tief, völkerstimmig, braust heran ihr Rufen,
Wie hohes Meer geht ihrer Mützen Wehn.

Dann zischen sie nach Stille in der Runde.
Ein Schweigen kocht und summt zu dir heran.
Und lüstern starren sie nach deinem Munde:
Ein Wort vom großen, Spott-verhaßten Mann!

Fanatisch wie die Blicke an dir saugen!
Sie fiebern schon. Und warten Gierde-steif.
Und sind gebannt von deinen Strahlenaugen.
Sind fromm und sind für deine Größe reif.

Wie liebe Kinder sind sie anzusehen,
So folgsam nun, als vorher übertoll. –
Ganz vorne konnte man ein Wort verstehen,
Das dir entfiel: Gott! Sie sind wundervoll!

Die Straße

Auf violetten Dünsten schwimmen Lichter
Von brennend hohem Gelb. Du tauchst hinein,
Gewirbelt blindlings in ein Meer Gesichter,
Blaß, atmend nah. Versinkst. Und bist allein.

Nur du. Zum Prüfen fühlst du deine Hände
Und weißt, du träumst. Der Traum steigt weiß empor.
Vor dir erkennst du steile Straßenwände,
Behängt mit einem seltsam hellen Lichterflor.

Dein Ohr ist zu. Nur deine Augen fühlen.
Quer zeigt die Straße durch den Sternenwald.
Die Sternenzweige, die vorüberspülen,
Bildtäuschen Göttergesten und manche Tiergestalt.

Du selbst ein Stern. Du tönst. Dich kannst du hören
Hinklingen durch das All. Du träumst und schwimmst
In Töne=Träumen, die dich leuchtend schön betören,
Daß du sie für der andern Wohllaut nimmst.

Wo ist die Sonne, die dich zirkelnd bindet?
Versäumt. Du steuerst fort. Es ist zu spät.
Um deine Feuerbahn nachschleifend windet
Sich hell ein Schweif. – Stürm glühend fort Komet!

Keine Sterne

Die Straße dehnt sich lang in rote Ferne.
Die Lampen glühen prall das Pflaster an.
Ich schau hinauf. Sehr dringend. Doch die Sterne
Sind lichtverwischt und zeigen sich nicht an.

Das macht mich traurig in der lauten Gasse.
Doch ich bin jung und gräme mich nicht gern.
Ich blick umher. Und finde lauter blasse,
Totmatte Augen. Keinen Augenstern.

Entmutigt laß ich mich vom Strome treiben,
Die Hände tief in Taschen, durch die Stadt.
Und weiß, ich werde heute Verse schreiben,
Verhängt wie Sterne und wie Augen matt.

Daß ich in Geleucht starr stehe ...

Ich tanze die Treppe herab mit federnden Sehnen,
Mit glänzend geöffneten Augen fühle ich Straßen hin.

Aber der Tag ist schwierig im Winterdämmer.
Die Straßen biegen aus und flackern davon.
Ein Schatten überspringt mich, ein schmerzliches Wundern:
Die Wagen und Autos meiden mich in Flucht,
Die Straßenbahnen kreischen auf in den Strängen,
Um die Ecke schnellend, läuten sie Not.
Und Menschen, schwarz, heftig und windgeweht,
– Ihr rot umworbene Richter meiner Empfindungen! –
Stürmen vorüber, wirr fuchtelnd mit Fluchtgebärde,
Steif zeigen Finger nach meiner Stirn.
Und alles, was da war, begriffen, umgreifbar,
Legt zwischen sich und mich einen Raum!
Staub hebt sich auf und begibt sich vondannen!

Nur – o Traum besonnter Beruhigung! –
Ein Fenster im Dach – Auge blinkend verirrt! –
Scheibe, zerscherbt und der Armen Lichtschenker! –
Hält sich, gern gebend, plötzlichem Strahl der Scheidesonne hin.
Rührend empfangen, senkt sich der Funke auf mich,
Daß ich in Geleucht starr stehe wie ein Gott in der Fremde. –

Kommen da nicht aus allen Winkeln,
Den Türen, Läden, den Fenstern und Wagen,
Aus schwarz quellender Fülle der Torwege,
Aus Seitenstraßen, wo Janhagel pfiff –
Kommen nicht lauter sehr schüchterne Lichter,
Still flackernde Augen her, her zu mir!
Das, was ich suchen ging: Suchende Augen!
Was mich erschüttert und emporfedert!
Was mir wie schluchzendes Jauchzen nach innen schlägt:
Gefundene suchende Augen!

Hell schwimmen sie mir entgegen, glitzernde Wellen.
Ich bade mich, umtastet von ihrem Staunen.

Heilig frierend, bin ich der Sieger, bin der Prophet und der König. –
Denn seht: Ich schöpfe die Frage aus euren Augen, den Glanz und das Leben.

Motiv aus der Vorstadt

Da nun die Stadt im fahlen Dampfe lagert
Und schwebend überwölbt von gelber Glocke,
Gehalten von den Lichtern tiefer Mauern,

Da dünn der Mond und wirklos in den Wolken magert
Und merklos spärlich manche Winterflocke
Herniederschneit und bleicht und schmilzt nach kurzem Dauern:

Wer hilft mir tragen dieses matte Scheinen
Unwirklicher Gebärden solcher Nächte!
Wer liefert mir den Schrei, der dies Gewebe

Traumzager Mächte zerreiße und diesen bleichen, feinen,
Spinnfadendünnen Gesichten Zerrüttung brächte:
Daß plötzlich groß und glutdurchzuckt die Nacht auflebe!


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