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Erster Teil

I. Glanzgesang

Glanzgesang

Von blauem Tuch umspannt und rotem Kragen,
Ich war ein Fähnrich und ein junger Offizier.
Doch jene Tage, die verträumt manchmal in meine Nächte ragen,
Gehören nicht mehr mir.

Im großen Trott bin ich auf harten Straßen mitgeschritten,
Vom Staub der Märsche und vom grünen Wind besonnt.
Ich bin durch staunende Dörfer, durch Ströme und alte Städte geritten,
Und das Leben war wehend blond.

Die Biwakfeuer flammten wie Sterne im Tale
Und hatten den Himmel zu ihrem Spiegel gemacht,
Von schwarzen Bergen lohten des Feindes Alarm-Fanale,
Und Feuerballen zersprangen prasselnd in Nacht.

So kam ich, braun vom Sommer und hart von Winterkriegen,
In große Kontore, die staubig rochen herein,
Da mußte ich meinen Rücken zur Sichel biegen
Und Zahlen mit spitzen Fingern in Bücher reihn.

Und irgendwo hingen die grünen Küsten der Fernen,
Ein Duft von Palmen kam schwankend vom Hafen geweht,
Weiß rasteten Karawanen an Wüsten-Zisternen,
Die Häupter gläubig nach Osten gedreht.

Auf Ozeanen zogen die großen Fronten
Der Schiffe, von fliegenden Fischen kühl überschwirrt,
Und breiter Prärieen glitzernde Horizonte
Umkreisten Gespanne, für lange Fahrten geschirrt.

Von Kameruns unergründlichen Wäldern umsungen,
Vom mörderischen Brodem des Bodens umloht,
Gehorchten zitternde Wilde, von Geißeln der Weißen umschwungen,
Und schwarz von den Kannibalen der glühenden Wälder umdroht.

Amerikas große Städte brausten im Grauen,
Die Riesenkräne griffen mit heiserm Geschrei
In die Bäuche der Schiffe, die Frachten zu stauen,
Und Eisenbahnen donnerten landwärts vom Kai! – – –

So habe ich nachbarlich alle Zonen gesehen,
Rings von den Pulten grünten die Inseln der Welt,
Ich fühlte den Erdball rauchend sich unter mir drehen,
Zu rasender Fahrt um die Sonne geschnellt. –

Da warf ich dem Chef an den Kopf seine Kladden
Und stürmte mit wütendem Lachen zur Türe hinaus.
Und saß durch Tage und Nächte mit satten und glatten
Bekannten bei kosmischem Schwatzen im Kaffeehaus.

Und einmal sank ich rückwärts in die Kissen,
Von einem angstvoll ungeheuren Druck zermalmt. –
Da sah ich: daß in vagen Finsternissen
Noch sternestumme Zukunft vor mir qualmt.

In deinem Zimmer

In deinem Zimmer fand ich meine Stätte.
In deinem Zimmer weiß ich, wer ich bin.
Ich liege tagelang in deinem Bette
Und schmiege meinen Körper an dich hin.

Ich fühle Tage wechseln und Kalender
Am Laken, das uns frisch bereitet liegt.
Ich staune manchmal still am Bettgeländer,
Wie himmlisch lachend man die Zeit besiegt.

Bisweilen steigt aus fernen Straßen unten
Ein Ton zu unserm Federwolkenraum,
Den schlingen wir verschlafen in die bunten
Gobelins, gewirkt aus Küssen, Liebe, Traum.

Der Tänzer

Ich weiß, daß ich in lichtem Traume bin,
Der mich bewege und mich himmlisch quäle:
Ich tanze über blanke Treppen hin,
Die auf und nieder gehn durch weite Säle.

Ich gleite ungehüllt auf nackten Füßen,
Viel Lichter breiten mir den Schaukelgang,
Mein Körper biegt sich spielend in dem süßen
Gefühl der Wellen und der Glieder Drang.

Und meine Augen langen in die Runde,
Wo drunten viele hundert Männer stehn,
Die aufwärts starren mit beschämtem Munde
Und lüstern meine rühren Reize sehn.

Vorüber tanze ich den langen Blicken,
Durchpulst von einem eigen=sichern Schwung:
Ich weiß, ich banne hundert von Geschicken
In meines Leibes weißen Wellensprung.

Die Wände dehnen sich. Die Sterne scheinen
Vereist herein. Getilgt sind Raum und Zeit. –
Und aller Erde Mannheit, sich um mich zu einen,
Umwogt die runde Fahne meiner Mannbarkeit.

Licht

Licht umzieht mich, umsingt mich, umfließt mich.
Spielend lasse ich meine Glieder im Fließenden plätschern.
Ein blankes Bassin umspannt mich die Straße,
Weit, weich, wiegend.
Ich wasche mich ganz rein.
Aus euren Köpfen, ihr schwimmenden Straßenwanderer,
Die ihr nichts von mir wißt,
Gebrauche ich schimmerndes Augenweiß, meinen Leib zu bedecken,
Hell zu beschäumen,
Meinen jung sich hinbiegenden Schwimmerleib.
O wie ich hinfließe im Licht!
O wie ich zergehe,
Wie ich mich durchsichtig singe im Licht!

Frühlingsatem

Eine Liebesfrohheit hat meine Wangen rot gepudert.
Mein Atem mischt sich weich dem Tagwind.

Wo ich die Straßen betrete, sind sie zum Festzug bereitet.
Ein blumiges Schauvolk festschreitet und gleitet.

Menschen erwartungs-groß haben sich aufgestellt,
Aus allen Fenstern kommen Blicke zu mir Sonntag-erhellt.

Mit bloßem Kopfe und mit vor Jungkraft federnden Zehen
Muß ich immer und immer durch Sonnenstraßen gehen.

Ich habe ein fernblaues Mädchen am Ende der Straße erschaut,
Das liebruhelos Säulen von Sonnenstaub vor mir baut.

Und während ich gehe, geht in meiner Herzbrust jemand mit viel schnelleren Füßen
Und ruft: Wir werden heut küssen! küssen!

Weichluft-umschlungen verzittert mein Jubelschrei hinab in die Brust,
Und mein Atem strömt ab in den Wind. Von Dächern weht ein Gelächter.

Die Luft steht grünverschleiert ...

Die Luft steht grünverschleiert in der Sonnenzeit.
Meine Fenster, die auf die Wasser zeigen,
Holen in ihre Rahmen herüber die Häuserbänke,
Die stromüber weiß in den Mittag schweigen.
Meine Zimmer saugen in sich volle Süßigkeit.
Und meine Augen, die in der lauen Luft entschweben,
Müssen ihr eigenes Leben im Blauen leben.

Das Verzärtelte

Es werden Zeiten kommen, ernste, schwere,
Die mich umpacken mit beschwielter Hand.
Sie finden mich in unbereiter Wehre
Und Gliedern, solchen Zwanges unbekannt.

Dann werd ich hingewühlt in Betten dämmern,
In Traumflucht hüten meinen müden Sinn,
Und an der Adern matt gewohntem Hämmern
Verzärtelt wähnen, daß ich lebend bin.

Und Tage werden nah vorüberschreiten,
Freigütige Hände nach mir ausgestreckt.
Ich aber, in des Blutes Heimlichkeiten
Versponnen, träume weiter ungeweckt.

O ernste Träume werden mich durchhallen,
Und Sonnen werden pendeln durch mein Blut
Und junge Sterne sich zusammenballen
Um mich, gesäugt von meiner Schöpferglut.

Es werden Zeiten kommen, ernste, schwere,
Doch ich entgleite ihrer harten Zucht
Und gründe fern, in selbstgewollter Leere
Ein Haus, durchdröhnt von meiner Träume Wucht.

Begreift!

Von Dumpfheit summt das halbe Kaffeehaus,
Das halbe ist getaucht in leichtes Glühen
Und flackert in den Lampentag hinaus,
Wo feine Nebel an die Scheiben sprühen.

Es wollen ernste Freunde mich bedeuten,
Ich sei zu leicht für diese Gründerjahre,
Weil ich, statt kampfgenössisch Sturm zu läuten,
Auf blauer Gondel durch den Äther fahre.

Ich sah bisher nur Zeitungsfahnenwische
Und warte längst auf Barrikadenschrei,
Daß ich mich heiß in eure Reihen mische,
Besonnt vom Wind des ersten Völkermai!

Den Kopf ganz rot, malt ihr Kulissenbrand
Und überträumt die Zeiten mit Besingung.
Begreift: Ich wirke, spielend freier Hand,
Mein helles Ethos silberner Beschwingung.

Der Schwebende

Meine Jugend hängt um mich wie Schlaf.
Dickicht, Lichter-berieselt. Garten. Ein blitzender See.
Und drüber geweht die Wolken, die zögernden, leichten. –

Irrlichternd spiele ich durch greise Straßen,
Und aus dem Qualmen toter Kellerfenster
Lacht dumpfe Qual im Krämpfe zu mir auf:

Da heb ich meine lächelnd schmalen Hände
Und breite einen Schleier von Musik
Sehr süß und müde machend um mich aus. –

Und meine Füße treten in den Garten,
Der Abend trank. Die Liebespaare, dunkel, tief, erglühend,
Stöhnen, verirrt ins Blut, auf vor der Qual des Mai:

Da schüttle ich meine weichen Haare
Im Winde, und rote Düfte reifer Sommerträume
Umwiegen meinen silberleichten Gang. –

Blaß friert ein Fenster, angelehnt am Winde,
Draus heiser greller Schrei und Weinen singen
Um einen Toten auf der dunklen Fahrt:

Ich schließe meine Augen, schwere Wimpern,
Und sehe Ländereien, grün vor Süden,
Und Fernen, zärtlich weit für Träumereien. – –

Ein glänzend helles Kaffeehaus, voll Stimmen
Und voll Gebärden, lichtet sich, zerteilt.
An blanken Tischen sitzen meine Freunde.

Sie sprechen helle Worte in das Licht.
Und jeder spricht für sich und sagt es deutlich,
Und alle singen schwer im tiefen Chor:

Drei Worte, die ich nie begreifen werde,
Und die erhaben sind, voll Drang und Staunen,
Die dunkle Drei der: Hunger, Liebe, Tod.


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