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XXV.
Aelteste Berichte über die Canarier.

. Als im Alterthum die ersten Schiffer die canarischen Inseln entdeckten, nannten sie diese Blüthengestade ob ihres Farbenschimmers, ihrer köstlichen Luft und perlenden Gewässer wegen die glückseligen Inseln. Allein die Welt besaß nur verwirrte Sagen von ihnen, und die längste Zeit des Mittelalters blieben sie völlig verschwunden hinter den grauen Schleiern des Ozeans. Erst im 12. Jahrhundert, indessen noch vor 1147, wo die Mauren von Lissabon vertrieben wurden, segelten von dort Abenteurer auf Entdeckung in die fernen Meere. Nach langem Umherkreuzen bei Inseln, die leicht als Azoren und Madera zu erkennen, kamen sie zu einer der canarischen Inseln und fanden sie bewohnt und angebauet. Als sie sich näherten, wurden sie von Barken umringt, zu Gefangenen gemacht und zu einer Ortschaft geführt, die an der Küste lag. »Sie landeten bei einem Hause, wo sie Leute sahen von hohem Wuchs und von weißröthlicher Farbe, die wenig Zeug anhatten und das Haar lang trugen, nicht kraus, und Frauen von einer seltenen Schönheit. Drei Tage lang blieben sie gefangen in einer Kammer dieses Hauses. Den vierten sahen sie einen Mann kommen, der arabisch sprach und sie fragte: wer sie seien, woher sie gekommen, und wo ihre Heimath sei? Sie erzählten ihm ihr ganzes Abenteuer. Dieser machte ihnen gute Hoffnung und ließ sie wissen, daß er des Königs Dolmetscher sei. Tags darauf wurden sie dem König vorgestellt, der dieselben Fragen an sie richtete, und dem sie antworteten wie sie schon Tags zuvor dem Dolmetscher geantwortet: daß sie sich auf's Meer gewagt um zu wissen, was es dort Besonderes und Seltsames geben könne, und um seine äußersten Gränzen festzustellen. Als der König sie so reden hörte, fing er an zu lachen und sagte dem Dolmetscher: »Erkläre diesen Männern, daß mein Vater einst einigen von seinen Eigenleuten befohlen hatte, über dieses Meer zu fahren. Sie durchschifften es in seiner Breite einen Monat lang, bis, da die Helligkeit ihnen völlig mangelte, sie genötigt waren, dieser eiteln Unternehmung zu entsagen«. Der König befahl außerdem dem Dolmetscher, die Abenteurer seines Wohlwollens zu versichern, damit sie eine gute Meinung von ihm faßten, und das geschah auch. Sie kehrten dann in ihr Gefängniß zurück und blieben dort, bis ein Wind von Westen sich erhob, wo man ihnen die Augen verband. Man ließ sie in eine Barke steigen und sie einige Zeit lang auf dem Meere treiben. Drei Tage und drei Nächte fuhren sie und wurden dann des Nachts, die Hände auf dem Rücken gebunden, an der Küste Afrikas ausgesetzt, wo andern Morgens Berber sie finden mußten, die ihnen halfen, daß sie wieder nach Portugal zurückkehren konnten.

In dieser Erzählung wird zwar dem canarischen Könige der Glaube an »das düstere Meer« in den Mund gelegt: im Uebrigen trägt der Bericht durchaus nicht das Gepräge von etwas Erdichteten an sich und wird durch die späteren Nachrichten bestätigt. Edrisi hatte die Geschichte seinem berühmten geographischen Buche schon 1154 einverleibt; allein man vergaß sie wieder, oder wenn ein Seemann davon hörte, so wagte er nicht, mit den finstern Schrecknissen des fernen Weltmeers es aufzunehmen. Zweifelte doch damals noch kein Mensch an Senecas Beschreibung: »Regungslos steht das Meer und gleichwie die träge Masse der an ihren Enden abnehmenden Natur, verwirrt ist das Licht durch tiefe Dämmerung und verschlungen der Tag von Finsternissen, nicht vorhanden oder unbekannt die Gestirne.«

Erst zweihundert Jahre später kam ein Brief von Florentiner Kaufleuten aus Portugal nach ihrer Vaterstadt, und da Meister Boccaccio der Novellist von allem Neuen und Wunderbaren sich angezogen fühlte, so trug er jenen Bericht in sein Tagebuch ein, und mit diesem ist er uns erhalten. Wir erfahren daraus, daß im November 1341 zwei Handelsschiffe, von einem Kriegsschiffe begleitet, welche der König von Portugal aussandte, zu den canarischen Inseln kamen. »Die erste erschien ganz steinig und bewaldet, voll von Ziegen und andern Thieren und von nackten Männern und Weibern, wild von Benehmen und Aussehen. Dann segelten sie eine größere Insel an: da kam eine große Menge Volks zur Küste und unter ihnen schienen Einige vornehmer, in Gewändern von rothem und braunem Ziegenleder, die soweit man von außen sehen konnte, außerordentlich zart und weich waren und künstlich gesteppt mit Darmfäden, und nach ihrem Benehmen zu schließen, war ein Fürst dabei, dem alle Achtung und Gehorsam bezeugten. Diese Menge wollte offenbar mit den Seefahrern Verkehr haben, aber obwohl man sich dem Strande auf Booten näherte, wagte man doch nicht zu landen, weil deren Sprache unbekannt war. Diese Sprache aber klang ziemlich gebildet und geht nach italienischer Weise rasch vom Munde. Da Jene sahen daß keiner landen wollte, wagten es Einige schwimmend zu ihnen zu kommen, und man nahm ein paar gefangen und führte sie von dannen. Zuletzt da die Seefahrer dort keinen Nutzen sahen, segelten sie ab. Indem sie aber um die Insel fuhren, fanden sie dieselbe viel besser auf der Nordseite als auf der Südseite angebaut, und sahen dort eine Menge Häuser, und Feigen und Bäume, Palmen ohne Datteln, wieder Palmen und Gärten und Kohlstöcke und Gemüse. Deshalb stiegen zwanzig Bewaffnete in die Boote und stießen an's Land und wollten sehen, wer in den Häusern sei. Sie fanden darin etwa dreißig Menschen, die alle unbekleidet (?) waren und als sie die Bewaffneten erblickten, erschreckt von dannen flohen. Jene aber gingen hinein und sahen die Häuser aus viereckigen Steinen gebaut mit wunderbar geschicktem Werk, und das Dach war von außerordentlich großen und sehr schönen Balken. Da sie die Thüren verschlossen fanden und das Innere zu sehen begierig waren, so fingen sie an mit Steinen sie einzustoßen. Darüber geriethen die, welche fortgegangen, in Zorn und fingen an die ganze Gegend mit dem heftigsten Geschrei zu erfüllen. Endlich brachen die Thüren ein, und man trat in die meisten Häuser, fand aber nichts darin als trockene Feigen in Palmkörben, die sehr gut waren, wie die von Cesena, und Weizen viel schöner als italienische; denn die Körner waren länger und dicker und sehr weiß, so auch die Gerste und anderes Getreide, von dem wie man annahm die Eingeborenen lebten. Die Häuser aber, gleichwie sie sehr schön waren und die Dächer von den schönsten Balken, waren inwendig ganz weiß als wären sie mit Gips geweißt.«

Ueber die vier Canarier aber welche man nach Europa brachte, lautet der Bericht ferner:

»Sie sind unbeschnitten und haben lange blonde Haare, die beinahe bis an den Nabel reichen, und mit ihnen bedecken sie sich, indem sie barfuß einhergehen. Die Insel aber, aus der sie stammen, heißt Canaria und ist mehr als die übrigen bevölkert. Sie verstehen durchaus nichts von einer Sprache, da man in mehreren verschiedenen zu ihnen gesprochen hat. Unsere Körpergröße überschreiten sie nicht; sie sind von starkem Gliederbau, kühn und tapfer genug, und haben, wie man merken kann, großen Verstand. Man redet mit ihnen durch Zeichen und durch Zeichen antworten sie, gleichwie Stumme. Sie ehrten einander, aber einen von ihnen mehr als die Uebrigen, und dieser hatte einen Leibschurz aus Palmen, die Uebrigen aber von Binsen, die roth und gelb bemalt sind. Sie singen lieblich und tanzen beinahe nach Art der Gallier. Sie sind lachend und sind fröhlich und ziemlich gesellig, und dies mehr als viele Spanier. Sobald man sie auf das Schiff gebracht hatte, aßen sie Brod und Feigen, und das Brod schmeckt ihnen, obgleich sie es nie vordem gegessen; Wein wollen sie durchaus nicht, indem sie Wasser trinken. In gleicher Weise essen sie Getreide und Gerste mit vollen Händen und Käse und Fleisch. Davon haben sie und zwar von gutem einen sehr großen Vorrath. Rinder aber, Kameele und Esel besitzen sie nicht, wohl dagegen viele Ziegen, Schafe und Wildschweine. Man zeigte ihnen goldene und silberne Münzen, diese waren ihnen ganz unbekannt; ebenso kennen sie durchaus kein Gewürze. Goldene Halsbänder, schöngearbeitete Gefäße, Schwerter, Degen wurden ihnen gezeigt: es scheint nicht, daß sie dergleichen jemals gesehen noch zu Hause haben. Sie sind offenbar von der allergrößten Treue und Ehrlichkeit, denn niemals wird Einem etwas Eßbares gegeben, das er es nicht, bevor er davon kostet, in gleiche Theile theilt und allen Uebrigen ihren Antheil gibt.«

So erscheinen die Wandschen gleich in den beiden ersten Berichten, und liest man nun in all den folgenden, wie diese Charakterzüge nur weiter ausgeführt werden, so muß man sich wundern, daß Keiner schon damals auf den Gedanken kam, die Canarier seien den Germanen verwandt. Allein die Kenntnisse in der Geschichte, wie die Erfahrung in der Länder- und Völkerkunde waren ja noch gering. Wenn wir aber heutzutage in der Erwägung dessen, was uns von den Wandschen in glaubwürdiger Weise überliefert worden, beginnen mit dem was je nach Klima und Landesart sich am ersten ändert, mit Wohnung Kleidung Lebensweise, – wenn wir dann weiter gehen zu dem was länger dauert, zu den Sitten des Hauses, den Begriffen vom Rechten und Anständigen, der noch tiefer liegenden religiösen Anschauung, dem Nationalcharakter überhaupt, – wenn wir dann die Körperbildung, den Schädelbau, den Ausdruck des Gesichts, den Grad der Intelligenz untersuchen, – endlich nicht außer Acht lassen was am festesten sitzt, das Eigenthümliche im Staats- und Rechtswesen: so stoßen wir überall auf deutliche Grundzüge, wie sie nur bei Germanen sich finden.

Ich lade meine freundlichen Leser zu einem ganz kurzen Gang ein, um diese Untersuchung zu machen. Ihre Beweisfülle werde ich wohl noch in einer besondern Schrift des Breiteren vorlegen.


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