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Verzeichnis einer Sammlung von Gerätschaften,
welche in dem Hause des Sir H. S. künftige Woche öffentlich verauktioniert werden soll

Nach dem Englischen

 

Vielleicht gewährt nachstehendes Verzeichnis einigen unserer Leser eine kurze Unterhaltung. Ich fand dasselbe bei meinem Aufenthalt in England in einer Bibliothek auf dem Lande, wo es auf die hinteren weißen Blätter eines Bandes von Swifts Werken von einer saubern Hand geschrieben war. Unmittelbar unter obiger Aufschrift stand in einer Parenthese: in the manner of Dr. Swift (in Dr. Swifts Manier). Der Besitzer der Bibliothek versicherte, es sei aus einem öffentlichen Blatte genommen, und eine ziemlich treffende Satyre auf einen damals verstorbenen reichen aber unwissenden Naturalien- Artefakten- und Raritäten-Sammler, der mit ungeheuerem Aufwand eine Menge des unnützesten Plunders in seinem Cabinet aufgehäuft habe. Man habe ihn aus Spott Sir Hans Sloane Nach dem bekannten großen Manne, dessen vortreffliche Sammlung die Basis der jetzigen Naturalien-Sammlung des Britischen Museums ausmacht. genannt, und darauf zielten die Buchstaben in der Aufschrift, der Mann habe, wo er nicht irre, eigentlich Marlowe geheißen. Seine Sammlung habe zwar nicht die nachstehenden Stücke, aber wirklich mehrere eben so tolle enthalten, und darunter auch einige, womit er war betrogen worden, und womit, sollte man denken, kein Kind hätte betrogen werden können, unter andern eine Kokus-Nuß, welche in Schottland wild gewachsen; eine solide Kugel von einem neuen Metall, die nicht mehr wog, als ein gleich großes Stück Kork; die beiden Kugeln hingen wirklich an einer gleicharmigen Waage und balancierten einander. Der edle Besitzer hatte nie bemerkt, daß der Waagebalken an der Seite des Metalls hohl, hingegen der andere solide oder gar mit Blei ausgegossen war. Der Schalk, der ihn mit dieser Rarität betrogen hatte, war vorsichtig genug, den Waagebalken vortrefflich auszuarbeiten, und den Kork sowohl als das Metall so an ihm zu befestigen, daß sie ohne Feile und Zange nicht abgenommen werden konnten, um die Stellen zu wechseln, oder sie auf einer anderen Waage zu wiegen. Außerdem soll die Zahl unnützen und dabei kostbaren Hausgerätes über alle Maßen groß gewesen sein.

Swifts niedrig komische Manier ist, wie mich dünkt, ziemlich gut getroffen. Kenner der Produkte dieses sonderbaren Kopfes werden wissen, daß Sr. Hochwürden nicht selten noch viel niedriger gedichtet, ja sich sogar sehr häufig zu groben Unflätereien herabgelassen haben. Auch diese waren in dem Verzeichnisse nachgeahmt, bleiben aber hier natürlich weg. Daß ich nicht bloß übersetzt, sondern manches auf unsere Sitten und Gebräuche übergetragen habe, wird man mir gern vergeben. Denn was in dieser Art von Witz ohne hinzugefügte Erläuterung keinen Eindruck macht, macht mit der Erläuterung gewöhnlich auch nur einen sehr kümmerlichen. Vor allen Dingen muß man aber den Leser bitten, nicht zu vergessen, daß der Aufsatz einige Tage nach dem Tode des unsinnigen Sammlers erschien, von dem damals in allen Gesellschaften die Rede war. Das war die eigentliche Blütezeit des Pflänzchens, das hier nun bloß elend aufgetrocknet erscheint:

  1. Ein Messer ohne Klinge, an welchem der Stiel fehlt.
  2. Ein doppelter Kinder-Löffel für Zwillinge.
  3. Eine Repetier-Sonnenuhr von Silber.
  4. Eine Sonnenuhr an einen Reisewagen zu schrauben.
  5. Eine dito, welche Lieder spielt.
  6. Eine Schachtel voll kleiner feingearbeiteter Patronen mit Pulver gefüllt, hohle Zähne damit zu sprengen.
  7. Eine Chaise per se (soll vermutlich percée heißen). Wenn man sich gehörig darauf setzt, so wird ein Dusch mit Pauken und Trompeten gehört. Er schallt durch das ganze Haus. Ein Möbel für einen großen Herrn. Hat 100 Guineen gekostet.
  8. Eine große Sammlung von porzellanenen Kammertöpfen, von zum Teil sehr lustigen Formen. – Die beiden letzten Artikel können eine Stunde vor der Auktion hinter einer spanischen Wand oder auch in einem Nebenzimmer probiert werden.
  9. Eine Bettstelle, in Form eines Sarges, schwarz gebeizt, mit überzinnten Henkeln, nebst 12 Gueridons für 12 Nachtlichter. Für Methodisten und Betschwestern.
  10. Eine dito Bettstelle, sich selbst des Nachts darin in der Stube herum zu fahren.
  11. Ein prächtiges Imperial-Bett, worin drei Großveziere an der Pest gestorben.
  12. Eine vortreffliche Sammlung von Instrumenten, die Juden zu bekehren. Sie sind meistens von poliertem Stahl, und das Riemenwerk von rotem Marocco. Zumal ist die große Peitsche ein Meisterstück der englischen Riemer-Künste.
  13. Ein vortrefflich gearbeitetes Modell von einem Leichen-Wagen, zwölf Leichen zugleich darin hinaus zu fahren.
  14. Eine Flasche mit Wasser aus einem Stück Eis, welches im Jahr 1740 noch um Pfingsten auf der Straße gelegen. Es hat die sonderbare und von keinem Physico noch bemerkte Eigenschaft, daß es bei jedem kalten Winter, wenn man es hinaus setzt, sich gleichsam seiner Freiheit erinnert, und das Glas zersprengt. Der Selige hatte der Königl. Sozietät eine Abhandlung darüber überreicht, sie ist aber wegen allerlei Kabalen nie gedruckt worden.
  15. Ein goldner Trumpfzähler. Etwas Einziges in seiner Art. Er wird wie ein Ring an den Finger gesteckt, doch so, daß er über ein Gelenk zu stehen kommt. Wenn ein Trumpf gespielt wird, biegt man den Finger sanft, so zeigt er die Zahl der gespielten Trümpfe ungefähr wie ein Schrittzähler die Schritte.
  16. Eine ganz vollständige Haus-Pulvermühle, worin jedermann sein Schießpulver selbst verfertigen kann, und zwar einen halben Zentner auf einmal. Sie ist so bequem eingerichtet, daß sie unter einem etwas großen Schreibtisch, oder auch unter einer etwas erhöhten Bettlade in Gang gesetzt werden kann. Der Pudel, der das Rad treibt, wird mit verkauft.
  17. Ein astronomischer Vexier-Tubus, wenn ein Freund durchsieht und man drehet eine kleine Schraube, so blaset er demselben Pfeffer und Schnupftabak in die Augen. Ist auch auf der Erde zu gebrauchen. Hierüber soll der Selige einmal ein Paar Ohrfeigen bekommen haben.
  18. Ein vortrefflicher Jagd-Tubus mit einem Flintenschloß, wenn man die Gläser heraus nimmt, welches mit einem einzigen Ruck geschieht, (eigentlich werden sie bloß in ihre Seitenbehälter geschoben), so kann man kleine Vögel damit schießen.
  19. Ein Barometer, welches immer schönes Wetter zeigt. Das Thermometer dabei zeigt Jahr aus Jahr ein eine angenehme temperierte Wärme.
  20. Ein vollkommener Apparat von allerlei Trauergeräte für hohe Häuser, als:
  21. Ein Suite von Kleidungsstücken für ein Kind mit zwei Köpfen, vier Beinen und vier Armen, von der Wiege an bis ins zwanzigste Jahr. Ein wahres Meisterstück der Schneiderkunst. Sie können auch zur Probe von zwei einzelnen Menschen angezogen werden, welches, zumal in gemischter Gesellschaft, zu drolligen Szenen Anlaß gibt.
  22. Eine Sammlung von vortrefflichen Formen, Drittel- und Zweidrittel -Stücke zu gießen, nebst einem Zentner Metall dazu. Dieser Artikel wird um der Delikatesse der Käufer zu schonen, im Dunkeln verauktioniert und im Dunkeln abgeliefert. Das dafür zu entrichtende Geld wird von dem Auktionator bei einer Diebs-Laterne in einem Winkel gezählt. Er ist ein Mann von Ehre.
  23. Einige Flaschen Lappländer Achtundvierziger. Im Englischen steht: some bottles of Iceland-Madeira (einige Flaschen von Isländischem Madeira).
  24. Eine ganze Sammlung von teils verbotenen teils sehr verrufenen Büchern mit Kupferstichen von großer, obszöner Schönheit. Sie sind sämtlich in schwarzen Korduan mit goldenem Schnitt gebunden, zum Gebrauch der Jugend zu Eton und Westmünster Der Übersetzer hat es nicht wagen wollen, die Namen dieser berühmtesten Schulen Englands mit deutschen zu vertauschen, so leicht es auch sonst gewesen wäre., sich in der Kirche damit zu amüsieren.
  25. Ein höchst merkwürdiges Stück. Eine kleine mit unbeschreiblicher Kunst gearbeitete Maschine, das concubinium (soll wohl heißen connubium oder commercium) animae et corporis zu erklären. Die Walze, welche alles in Bewegung setzt, hat drei verschiedene Stellungen für die drei bekannten Systeme; eine für den physischen Einfluß, eine für die gelegenheitlichen Ursachen, und eine für die vorherbestimmte Harmonie. Doch hat die Walze noch Raum für zwei bis drei andere; nur müssen sie einen Leib und eine Seele statuieren, doch könnte im Fall der Not die Seele auch heraus genommen werden. Der Leib an diesem kostbaren Werke ist von viel mehr als halbdurchsichtigem Horn gearbeitet, und etwa vier bis fünf Zoll lang. Die Seele aber, nicht größer als eine große Ameise, ist ganz, Flügelchen und alles, von Elfenbein, nur ist ihr linkes Beinchen etwas schadhaft. Die Bewegung wird der Maschine durch keine Kurbel mitgeteilt (man würde sie damit zerreißen), sondern durch ein Paar kleine Windmühlen-Flügel aus der feinsten Goldschläger-Haut, gegen welche mit einem dazu gehörigen und in einiger Entfernung von der Maschine befestigten so genannten doppelten, stäte fortblasenden Blasebalg ( follis infinitus) geblasen wird, durch diese Flügel wird eine Schraube ohne Ende (cochlea infinita) gedreht, welche alles in Bewegung setzt.
  26. Die Peinliche Halsgerichts-Ordnung (im Englischen steht die Habeas Corpus Akte) von dem Seligen selbst in Musik gesetzt. Es ist die vollständige Partitur mit Pauken und Trompeten. Bei einigen Passagen enthält das Accompagnement sogar Kanonen- Schüsse. Sonst hat hier und da auch die Maultrommel Solo.
  27. Einige Formen, Petrefacta zu machen. Das Rezept zur Masse ist dabei. Auch ein Vorrat von Pectiniten, Terebratuliten, Ammonshörnern u.s.f, auch ganz neu erfundenen Muscheln, die damit verfertigt worden; sie lassen alle völlig antik.
  28. Das seltenste Stück, nicht allein in dieser Sammlung, sondern vielleicht in der ganzen Welt, nämlich ein Stück echten Granits, worin ein metallenes Aleph so fest steckt, daß es durch Menschenhände unmöglich hinein gekommen sein, ja, ohne das Ganze zu zertrümmern, auch nicht dadurch heraus gezogen werden kann. Alle, die es sehen, bekennen einstimmig, daß es zum Bücherdruck gedient habe. Der Selige hat es von einem vornehmen Herrn, der seine Länder auf dem Berge Libanon hat, für eine große Summe gekauft.
  29. Eine prächtige Staats-Karosse mit vieler Vergoldung. Hoch über dem Kutschersitze ist ein prächtiger Spiegel angebracht, der gegen die Ebne, worauf die Kutsche steht oder geht, unter einem Winkel von 45 ° nach der Kutsche zu geneigt ist. Hinten über der Kutsche korrespondiert ihm ein ähnlich liegender, aber entgegengesetzter. Durch dieses prachtvolle Polemoskop wird der Kutscher in den Stand gesetzt, auf dem Bocke sogleich zu sehen, ob sich jemand hinten aufgesetzt hat. Ist dieses der Fall, so stampft er nur mit dem Fuß auf eine Feder, und der Passagier bekömmt sogleich einen derben Stoß gegen das Sitzfleisch, so daß er nicht leicht wieder kömmt.
  30. Ein Gespann Pferde, denen der Verstorbene das Makulaturfressen beigebracht hat. Ein Artikel für Buchhändler und Verleger. Wir brechen hier ab, damit nicht dieser gelehrte Artikel, wenn er noch mehr Ausdehnung erhält, am Ende gar den ganzen Taschen- Kalender in Pferde-Futter verwandelt.

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