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An den Herausgeber des Museums
[Von ein paar alten deutschen Dramen]

Man hat Ihrem Journal bald nach seiner Entstehung einmal vorgeworfen, es enthalte nicht Deutsches genug, und Sie haben diesem Vorwurf, dünkt mich, bisher mehr Gehör gegeben, als er verdiente, da, wo ich nicht irre, die ganze Rechtmäßigkeit desselben bloß auf die unbeträchtlichste Hälfte des Titels gegründet worden war, welcher doch schon hinlänglich dadurch Genüge geschieht, daß das Werk von Deutschen geschrieben, deutsch, und in Leipzig herausgegeben wird. Indessen, so gering auch der Tadel immer war, so kann ich nicht leugnen, er ging mir ins Gewissen, denn ich hatte ihn der Schrift zum Teil mit zuziehen helfen. Für dieses Vergehen zu büßen, nahm ich mir auch wirklich gleich damals vor; allein es mit aller der frommen Pünktlichkeit und unter der beruhigenden Ähnlichkeit von Umständen, bei Vergehen und Buße, die, wie Sie wissen, dem Büßenden über alles ist, zu tun, dazu fand ich erst ganz vor kurzem die Gelegenheit, als ich ein altes Tagebuch von mir durchblätterte. Nachstehendes ist nämlich nicht allein deutsch, und bloß für Deutsche, sondern, (und das ist eigentlich was ich wollte) ich hatte mit Theaternachrichten gesündigt, und sehen Sie, es sind Theaternachrichten, womit ich büße.

Bei meinem Aufenthalt in Osnabrück hatte ich Gelegenheit, die Werke des nicht genug bekannten Rudolph von Bellinkhaus In den Betrachtungen über die neuesten histor. Schriften T. 3. S. 113. wird er, vermutlich durch einen Druckfehler, Bellinkham genannt. etwas näher kennen zu lernen. Sie wissen, daß dieser sonderbare Mann, der das Talent Verse ohne Poesie zu machen, in einem höhern Grad besessen, als irgend ein neuerer Lieblingsdichter unserer Jugend, mit seinen Reimen Himmel und Erde, Astronomie und Geographie, Theologie und Historie – so weit sie sich in Reime fassen lassen, mit nicht geringem Glück gefaßt, und sich dadurch den Namen des Osnabrückischen Hans Sachs erworben hat. Von seinem Leben gibt das 11te Stück der Osnabrückischen Unterhaltungen, eine Monatschrift, die nur ein Jahr (1770) gedauret hat, eine kurze Nachricht. Er stammte aus einem alten, angesehenen adlichen Geschlechte im Tecklenburgischen her. Über dieses alte adliche Geschlecht besitze ich zwei Werkchen, ein lateinisches und ein deutsches, beide in Versen. Das erste ist überschrieben: Epitaphia Virorum Generis splendore, virtute, eruditione, usw. clarissimorum, nobilissimorum; stemmatis Bellinckhusiorum. Osnab. 1619. Das zweite: Ein Kurz Geschlecht Register, deß Alt Adelichen Stammes der von Bellinkhausen und folgends die Bellinkhäuser so von diesem adlichen Geschlecht ihren Ursprung und Nahmen haben in deutsche Rythmos dem Geschlecht zu Ehren geschrieben durch Theodorum von Bellinghausen, Montanum. (Hier folgen einige Verse) Osnabrück 1618. Der Verfasser des erstern hat sich nicht genannt. Aus diesem Büchelchen ersieht man, daß diese Familie, so wie meist alle Familien, viele brave Leute hervorgebracht; einige sind bei Belagerungen erschossen worden, andere sind auf der See umgekommen, andere haben sich anders gezeigt, und ihr Leben beim Trunk geendigt etc. Einer gewissen Gertrud von Bellinkhaus ging es äußerst übel; ein Unglück traf sie über das andere, die der Genealog alle erzählt und um den Leser aufzurichten, wohlmeinend schließt:

Weil gott die seinen nicht verläßt,
Starb sie hernach bald an der Pest.

Gerhard von Bellinkhaus Student,
Wilhelmi Sohn, sein Fundament
Zu Gesecken im Stift Colin gesezt,
Da er sich mit den Büchern ergötzt.
Erstlich zu Hervord hat studirt
Darnach andre Schulen visitirt
Ward auch ein kleines verrückt der Sinn
Darnach der Tod nahm ihn auch hin.Merkwürdig ist, daß man in dem ganzen Lauf des Bellinkhausischen Blutes durch drei Jahrhunderte den warmen Dichtertropfen spüren kann, der aber zweimal die unrechte Stelle getroffen, und hohen Originalgeist bewürkt hat:
und Catharina von Bellinkhaus:

War zweimal in der Stadt Ostend
Darin sie endlich nahm ihr Endt
Dann Sie ward ihrer Sinn verrückt,
Ging in die See &ndash;

Allein das Schicksal, das der Familie einen Dichter zugedacht hatte, fing bald an, dieselbe zweckmäßig zu degradieren, so daß nach langer Abnahme ihres Glanzes, erst ein Schuster und dann, unmittelbar auf den Schuster, der Dichter in linea recta wirklich eintrat. Der Schuster war Johann von Bellinkhaus und dessen Sohn Rudolph der Dichter, von dem ich hier rede. Neben seinem Umgang mit den Musen her, versah er auch noch den Botendienst bei den Eilfen Ämtern in Osnabrück, wo er 1645 im 78ten Jahre seines Alters gestorben ist. Seine Schriften sind sehr zahlreich, die Monatschrift nennt ihrer zwanzig. Eigentlich nur 19, denn die 20te ist die oben in der Note erwähnte Sammlung von Epitaphiis, die wohl nicht von ihm sein kann. Ich besitze aber allein zehne, die nicht in dem Verzeichnisse stehen, und darunter nur eine Komödie, deren dieser tätige Mann wenigstens 37 geschrieben hat. Ich sage wenigstens, denn eine von denen, die Sie bald etwas näher kennen lernen sollen, ist die 37te. Von diesen Lustspielen sind mir überhaupt nur zwei bekannt geworden, die eben angeführte, die ich einmal in Osnabrück gelesen habe, und dann noch eine, die ich selbst besitze. Sie übertreffen an unterhaltendem Scherz und an Lehre die meisten unserer neuern Dramen und Fragmente von Dramen, und von der Seite des mit Recht so sehr beliebten Sonderbaren, vielleicht alle. Sie sind dabei ursprünglich deutsch, haben ihre Schönheiten weder Rom, noch Griechenland, noch England zu danken, sind, so zu reden, mitten unter Eichen entstanden, und zeigen mehr als alles, was ich gelesen habe, was in diesem Fach Genie ohne Umgang mit der Welt und ohne Kultur bloß durch Drang allein vermag. Ich gebe Ihnen hier Titel und Plan von beiden, größtenteils in der guten Absicht, zu verhindern, daß nicht irgend einer unsrer Söhne der Kraft einmal darüber gerät, Prachtphrases und Flicksentenzen hineinschiebt, und für eigne Arbeit ans Hamburgische Institut schickt.

Ich mache mit derjenigen, die ich vor mir habe, bei weitem der schlechtesten von beiden, den Anfang. Sie heißt:

» Stratagema Diabolicum, eine Kurze aus der Maßenschöne Comödia genommen ex vitis patrum, wie der Satan auf eine Zeit in die Welt gekommen sich zu verheyrathen an die Menschen Kinder, auf daß er Saamen von seinem Geschlecht erhalten möchte. Den Bösen zur Warnung und Abschreckung von Sünden, den frommen zur Erinnerung im Guten bestendig zu bleiben vorgeschrieben. Erstlich new an Tag gegeben und in deutschen Rithmos gebracht durch Rud. Bellinckhusium Osnabrugensem. Gedrukt zu Erffurd durch Joh. Beck« (ohne Jahrzahl).

Nach dem Prologus, tritt ein Argumentator auf, der den Inhalt des Stücks erzählt, und am Ende wird ein Epilogus gehalten. Die spielenden Personen sind: Sathan, Mundus, Mors, Feccatum, Tartarus, Ebrietas, Arrogantia, Avaritia, Homicida, Falsitas, Invidia, Hypocrisis, Scortatio. Der Plan ist ungefähr der: Junker Satan (so heißt er im Stück) der Neigung zu heiraten verspürt, hält die Welt nach ihrem damaligen verderbten Zustand für den besten Ort, eine Braut aufzusuchen, und macht sich auf die Reise.

Die erste Szene, in welcher er seine Absicht eröffnet, ist überschrieben: Sathan allein auf dem Plaz. In diesem Selbstgespräch unterhält er sich nicht allein mit sich selbst, sondern auch von sich selbst.

Mein Name Sathan ist genant,
Ein Strick habe ich in meiner Hand.

Eine seltsame Art auf die Freierei zu gehen, allein es ist auch der Strick nicht, den Sie meinen, nichts von Zeckels Knieriemen, sondern entweder eine Schlinge, oder das Ende des Seils, womit das Netz zugezogen wird, das er über die Welt gestellt hat. So wird der Gedanke groß. In der zweiten Szene begegnet ihm die Welt, die (etwas kühn aber nett) durch das ganze Stück spielende Person und Schauplatz zugleich ist, und dann, wie beim Milton, die Sünde und der Tod. Nur Schade, daß der gute Mann in dieser wahrhaften Szene des Genies, Welt, Teufel, Tod und Sünde so ehrlich wegsprechen läßt, als stammten sie sämtlich aus dem Tecklenburgischen her, und gehörten sämtlich zu der Familie derer von Bellinkhaus. Hier rät die Sünde dem Teufel, die Trunkenheit, Fräulein Ebrietas, (Ebriettchen hätte zärtlicher geklungen) zu heiraten und macht eine Beschreibung von ihr, die ich Ihnen nicht vorenthalten will.

Sie ist stolz, gar frech von Gemüth,
Und gleich als eine Rose blüht,
Köstlich an Gestalt ist sie geziert,
Nach der Unzucht steht ihr Begierd,
Ist abgereicht auf Üppigkeit,
Mord, Heucheley, Geiz, Haß und Neidt
In der Hand tregt sie ein groses Licht
Und hat ein rechtes Pfeifer Gesicht.

In der ersten Szene des zweiten Akts erscheint die Trunkenheit selbst, allein grade als wenn das Stück erst diese Messe geschrieben wäre, sie spricht eben so nüchtern, wie der Tod, und hierin unterscheidet sich Bellinkhaus hauptsächlich von Shakespear, wie mich dünkt, der uns vermutlich Bierkrüge und Bagnios und Bedlam oben drein in dieser Szene gegeben haben würde. Am Ende der folgenden sagt Satan von ihr:

Stets betracht ich ihr schön Figur,
Sie ist lieblich von Angesicht,
Das Beyschlafen ist bereits verricht.

und dieses muß auch sein, denn ehe die nächste Szene und zwar desselben Akts vorüber ist, hat sie schon, ohne daß der Satan etwas Arges daraus hätte, sieben Kinder, und davon bekommt sie sechs auf dem Theater. Ist das nicht herrlich? Fürwahr so modern, so drangmäßig kühn und kraftvoll, daß man anfangs kaum weiß, was man zuerst bewundern soll, die Fruchtbarkeit der Ebrietas, oder des Bellinkhausischen Genies. Hier ist doch, wie ich sehe, fast mehr als Bierkrug, Bagnio und Bedlam. Die sieben Kinder sind lauter Mädchen, denen die Mutter, so wie eins ankommt, gleich den Namen auf der Stelle gibt. Sie können sie oben in der Liste der spielenden Personen von inclus. der Arrogantia an bis ans Ende finden.

In der zweiten Szene des dritten Akts äußert der Tartarus mitten auf dem Platz seine Freude, sowohl über Hochzeit, als Niederkunft, in einem recht fürchterlich prächtigen Monolog, wie Sie aus folgenden Zeilen schon sehen können.

Gar schrecklich ists, wer mich ansieht
Noch grewlicher, wer mein Stimm anhört,
Viel heßlicher, wer in mich fährt
In mir ist nicht zu finden Grund,
Ich rauch, brenn, dampf zu aller Stundt.

Ich kann mir vorstellen, daß diese Szene ihre Wirkung tun muß, wenn sie von einem tüchtigen Kerl, der seine Lippen zu wursten weiß, aufrecht guten Resonanzdielen gestampft, gebrüllt, und geschleudert wird, nicht zu gedenken, was sich hiebei noch von Kolophonium und Hexenmehl erwarten läßt. In der dritten Szene des dritten Akts, welche die letzte des Stücks ist, erscheinen Vater und Mutter mit ihren bereits mannbaren Töchtern, die aber alle stumm

Unser beyden Kinder werden groß
Sie müssen ausgesteuret seyn.

sagt der Satan.

Wenn es jezt nach den Willen mein
Geschehen möcht, so laß ichs zu.

antwortet Ebrietas. Darauf erzählt Satan ihre Bestimmung und diese Rede ist nicht übel und oft verwegen genug für einen damaligen Boten bei den Eilfen Ämtern zu Osnabrück. Ich setze sie Ihnen ganz her:

Arrogantia, die erste Tochter mein,
Soll an den Adel verheyrath sein,
Dann ich erkenne ihrer Art,
Sie ist voll Stolzheit und Hoffart.
Avaritia, mein Tochter schon,
Die trägt für andern eine Kron,
Will ich auch geben zur Ausbeut
Bestatten sie an die Kaufleut;
Falsitas, mein Töchterlein zart,
Die mich genugsam hat erklärt,
Verheyrath ich in den Wehstand
An die, so wohnen auf dem Land.
Invidia mein Töchterlein,
Die soll auch wohl verheyrath sein
An die Handwerks Personen viel,
Das meld ich euch in dieser Still;
Homicida mein Tochter fein,
Ob sie gleich ist schon jung und klein
Befrey ich an die Uebelthätr
Mörder, Schelmen, Dieb und Verräthr.
Hypocrisis, mein Kind in Unehrn,
Bestatt ich an die feinen Herrn,
Die sitzen im Geistlichen Stand,
So Pfaffen und Münch sind genannt;
Scortatio muß sein daheim,
Dann sie sind mir all angenehm
Insonderheit Scortatio
Macht mein Herz lustig und froh etc.

So etwas zu sagen war allemal verwegen, allein wenn man es recht bedenkt, so war auch Bellinkhaus der eigentliche Mann dazu; weder der Adel noch die Handwerksleute noch die Geistlichkeit konnten ihm sonderlich viel tun. Denn er war selbst vom Adel, hat selbst anfangs Schuh geflickt, und selbst Gebetbücher und geistliche Gesänge geschrieben. In der Tat befinden sich unter diesen zuweilen Stellen, die sehr schön sind, hauptsächlich fällt mir jetzt eine in die Hand, die ich Ihnen hier in der Note gebe, um sie von der schlechten Gesellschaft oben zu entfernen.

Hüt dich, o Mensch, für Sünd und Schand,
Wann Gott straft, schwer ist seine Hand,
Dann seine Gnad und Gütigkeit
Verkehrt sich in Gerechtigkeit.

und gleichwohl ist dieses Lied überschrieben: Venus du und dein Kind christlich verändert. Von dem Fall Adams und Eva. Wie viel aber auch von solchen Zeilen Herrn B. zugehören mag, kann ich nicht beurteilen.

Weiter ist nichts mehr drin. Nun komme ich auf seine 37ste Komödie, worin dieser Mann ein unerschöpflich Feld eröffnet. Der Titel ist:

Donatus

eine liebliche, lustige und außermaßen schöne Comödie von dem methodo welchen der weltberühmte sinnreiche, hochgelahrte und wohlverdiente Herr Donatus in seinem Kinderbüchlein sehr Kunstreich observiert und gehalten. Dem günstigen Leser zu sonderlichem Wohlgefallen Lehr und kurzweil halber geschrieben, und nun erstlich new nach dieser Form an Tag gebracht und in Druck verfertigt durch Rudolphum Bellinkhusium Osnabrugensem.

Richt nicht Leser unerwogen
So bleibst du selbst unbetrogen
Aus dem ich hat's nicht gemeint,
Der Narren Neidt und Vorwitz scheint.

Anno

DonatVs VVar gahr groß geacht
DruMb daß er dieß BuCh hat gemacht.
                37te Comedia R.B. anno 1615.

In diesem Stück hat Bellinkhaus, außer dem Vergnügen und der Besserung des Herzens seiner Leser, dem Hauptzweck aller Schauspiele, auch noch sein besonders Augenmerk auf ihr Latein gerichtet. Alles atmet Liebe und Syntax. Die spielenden Personen sind die fünf Paradigmata der Deklinationen, Musa, Magister und Scamnum, Felix sacerdos, Fructus und Species. Der Plan des Ganzen ist äußerst einfach. Donatus hält seinen Kindern einen Magister, dieser verliebt sich sterblich in dessen Köchin Musa. Dieses schlaue Paar treibt den Handel ganz lange heimlich, bis es endlich in unvorsichtiger Sicherheit einen falschen Teufel, namens Scamnum, zu seinem Vertrauten macht, und sich sogar bei einem kleinen Vorfall einmal Handreichung von ihm tun läßt. Scamnum geht hin und verrät dem Donat den Umgang des Magisters mit der Musa, und alles, was er gesehn und gehört hat. Donat, als ein ehrlicher Mann, zumal da sich bereits die Früchte der Liebe fructus species stark zu zeigen anfangen, tut das Beste, was er tun konnte, läßt einen Sacerdos kommen, und den Magister mit der Muse kopulieren. Kann etwas einfacher sein! Der Priester spricht:

Felix sit fructus zugleich,
Das wird vermehren das Himmelreich.

Zur Hochzeit werden, unter andern guten Freunden, eingeladen der Nominativus, Genitivus, Dativus etc. dieser letztere Gedanke gefällt dem Dichter so sehr (und wem sollte er nicht gefallen!) daß er, aus Furcht, es möchte ihn doch jemand übersehen, ausdrücklich darauf verweiset; der Vorredner sagt sehr nachdrücklich und schön:

Die Zall der sex casus nominum
Das seynd, merkts die Verwandten frumb.

Nun, mein Freund, was denken Sie von diesen deutschen Originalen? Ich will Ihnen kurz sagen, was ich davon denke. Das Bellinkhausische Drama ist, dünkt mich, gerade das, was unsern Tagen sowohl als dem Genie unsers jungen Anflugs vorzüglich angemessen wäre. Wir sehen hier eine Philantropia, die eine Melpomene umarmt, und ein dramatisches Feld, in dem man, ohne sich sonderlich um den Menschen zu bekümmern, demselben unendlich nützlich werden kann. Der Mensch, wie mancher längst bemerkt haben muß, fängt bereits in diesem späten Alter der Welt an, dem Dichter über den Kopf zu wachsen, und sein Zeug so subtil zu spinnen, daß die alten Phrases gar nicht mehr passen. Wir sind jetzt die simpeln Bratenwender gar nicht mehr, die wir ehmals in Rom und Athen waren. Jeder Küchenjunge ist eine Repetieruhr. Dort konnte man das Quicquid agunt homines auf jeder Landstraße sehen, das man jetzt kaum mehr nach einem jährigen Zutritt ins Haus findet. Natürlich zu schreiben ist die größte Kunst unserer Zeit, und der höchste Flug des Menschen von 1779 wäre eine Fertigkeit in diesem Dinge zu schreiben, wie Anno Eins. Ich dächte also wir Heßens laufen, und wählten uns ein anderes Feld, in welchem die ersten Würfe gewiß die natürlichsten sein müssen, eben deswegen, weil sie die ersten sind. Bellinkhaus hat die Deklinationen auf das Theater gebracht, das ist, grade den armseligsten Teil der ganzen Grammatik. Wie wäre es, wenn sich unsere Zeiten an die vier Konjugationen machten? Stellen Sie sich vor, wie neu! Wer ein Überflüssiges tun will, kanns doch auch hier noch tun. Denn, lieber Himmel, läuft denn nicht alles unser Tun und Lassen auf Konjugationen und amare, docere, legere und audire hinaus, scribere und recensere etwa ausgenommen, die doch auch wieder nach jenen gehn? Weiter; ich für meine Person kann mir nichts Ehrwürdigeres und zugleich Prächtigeres denken, als einen tüchtigen Imperativus, wenn er gut vorgestellt würde, z. E. von Herrn W....m im Haag, ich meine den linken Arm in die Seite gestemmt, und mit der rechten Hand, bei hohem Ellenbogen auf das Herz gelegt, zur Pracht und zum Ohrfeigenausteilen; oder auch, wenn er die Krone auf dem Haupt, unter einer beständigen Systole und Diastole der Nasenflügel mit einem goldnen Szepter unter die Trabanten hineinprügelte, daß die Stücken wegflögen. Bedenken Sie nun ferner die hermaphroditischen Deponentia, was für Stoff zu den trefflichsten Verwickelungen bei Lustspielen mit und ohne, ich meine mit und ohne Heiraten; die 43 Präpositionen mit ihren Regierungsformen, und endlich gar die Interjektionen! Was könnte sich herrlicher ausnehmen, als ein Chor von ihnen, zumal wenn sie von schönen Mädchen in lichten weißen Gewändern mit zerstreuten Haaren, gerungenen Armen, bei dem bezaubernden Schimmer in Tränen schwimmender Augen vorgestellt würden! Doch dieser Wink wird genug sein. – Denn im Ernst, mein Freund, ich denke der unschuldige Leser fängt bereits an mit an der Buße Anteil zu nehmen, die ich mir allein auferlegt hatte.

G.C.L.


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