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Kapitel II.
Daß es keine eingeborenen praktischen Grundsätze gibt.

Philal. Die Moral ist eine demonstrative Wissenschaft, hat aber dennoch keine eingeborenen Grundsätze. Ja es wäre sogar sehr schwer, eine moralische Vorschrift von der Art anzugeben, daß sie mit einer so allgemeinen und so schnellen Zustimmung, wie der Satz: Was da ist, ist, aufgenommen würde.

Theoph. Es ist schlechthin unmöglich, daß es so evidente Vernunftwahrheiten, wie die identischen oder unmittelbaren, gebe. Obgleich man daher in Wahrheit sagen kann, daß die Moral unerweisbare Prinzipien hat, von denen eines der ersten und praktisch bedeutsamsten der Satz ist, daß man die Lust suchen und die Unlust fliehen müsse, so muß man doch hinzufügen, daß dies keine durch die Vernunft allein erkannte Wahrheit ist, da sie sich auf die innere Erfahrung oder auf verworrene Erkenntnis gründet, denn von dem, was Lust und Unlust ist, gibt es kein eigentliches Wissen Der Leibniz'sche Text scheint an dieser Stelle verderbt: statt der Fassung »on ne sent pas ce que c'est la joye et la Tristesse« lese ich: on ne sait pas..

Philal. Man kann sich der praktischen Wahrheiten nur durch vernünftiges Nachdenken, durch Überlegung und geistige Anstrengung versichern.

Theoph. Wenn dies der Fall wäre, so würden sie darum nicht weniger eingeboren sein. Indessen scheint die Maxime, welche ich eben angeführt habe, von einer anderen Art zu sein; man kennt sie nicht durch die Vernunft, sondern, sozusagen, durch einen Instinkt. Sie ist ein eingeborenes Prinzip, das aber keinen Teil des natürlichen Lichtes ausmacht, denn man kennt es nicht auf eine lichtvolle Art. Ist indes dieses Prinzip einmal aufgestellt, so kann man wissenschaftliche Folgerungen aus ihm ziehen, und ich stimme dem, was Sie soeben von der Moral, als einer demonstrativen Wissenschaft, gesagt haben, durchaus bei. Wie wir denn auch sehen, lehrt sie so evidente Wahrheiten, daß Räuber, Piraten und Banditen sie unter sich zu beobachten gezwungen sind.

§2. Philal. Aber die Banditen beobachten unter sich die Regeln der Gerechtigkeit, ohne sie als eingeborene Prinzipien zu betrachten.

Theoph. Was liegt daran? Kümmert sich die Welt etwa um diese theoretischen Fragen?

Philal. Sie beobachten die Maximen der Gerechtigkeit nur als Zweckmäßigkeits-Regeln, deren Befolgung für die Erhaltung ihrer Gemeinschaft schlechthin notwendig ist.

Theoph. Sehr richtig; und das gleiche gilt von allen Menschen im allgemeinen. Auf diese Weise aber sind eben diese Gesetze der Seele eingeprägt, als notwendige Folgen unserer Selbsterhaltung und unseres wahren Wohls. Glaubt man denn, wir wären der Meinung, daß die Wahrheiten in unserem Verstande unabhängig nebeneinander stehen, wie die Edikte des Prätors in seinem Anschlag oder Album verzeichnet waren? Ich setze hier den Instinkt, der den einen Menschen treibt, den anderen zu lieben, beiseite (denn von ihm will ich gleich nachher sprechen), rede also jetzt nur von den Wahrheiten, insofern sie von der Vernunft erkannt werden. Auch erkenne ich an, daß gewisse Regeln der Gerechtigkeit in ihrer ganzen Ausdehnung und Vollkommenheit nur unter der Voraussetzung des Daseins Gottes und der Unsterblichkeit der Seele bewiesen werden können; und die, zu denen der Instinkt der Menschlichkeit uns nicht anhält, sind der Seele nur wie andere abgeleitete Wahrheiten eingeprägt. Diejenigen indessen, welche die Gerechtigkeit nur auf die Notwendigkeiten dieses Lebens und auf das Bedürfnis gründen, statt auf die Lust, die sie in ihr selbst finden sollten – eine Lust, weiche, da Gott ihr Grund ist, eine der größten ist – die freilich sind einigermaßen mit der Gesellschaft der Banditen zu vergleichen.

Sit spes fallendi, miscebunt sacra profanis.

§ 3. Philal. Ich gebe zu, daß die Natur in alle Menschen den Wunsch, glücklich zu sein, und eine starke Abneigung gegen das Unglück gelegt hat. Das sind also wahrhaft eingeborene praktische Grundsätze, welche nach der Bestimmung aller praktischen Prinzipien einen beständigen Einfluß auf alle unsere Handlungen haben. Aber sie sind doch Neigungen der Seele auf das Gute hin, und nicht Eindrücke irgendeiner unserem Verstand eingeprägten Wahrheit.

Theoph. Ich freue mich außerordentlich zu sehen, daß Sie in der Tat, wie ich gleich erläutern werde, eingeborene Wahrheiten anerkennen. Dieser Grundsatz stimmt mit dem, den ich eben erwähnt habe, überein, daß wir die Lust suchen und die Unlust meiden. Denn Glück ist nichts anderes, als eine beständige Lust. Indessen geht unsere Neigung also nicht eigentlich auf das Glück, sondern auf die Lust, d. h. auf die Gegenwart, während uns erst die Vernunft auf die Zukunft und auf das Beständige richtet. Die Neigung geht alsdann, sofern sie verstandesmäßig ausgedrückt wird, in eine Vorschrift oder eine praktische Wahrheit über, und ist sie eingeboren, so ist es die Wahrheit gleichfalls, da es in der Seele nichts gibt, was sich nicht im Verstande ausdrückte, wenn auch nicht immer mittels einer tatsächlichen, deutlich bestimmten Betrachtung, wie ich schon genugsam gezeigt habe. Auch sind die Instinkte nicht immer praktischer Art; einige enthalten theoretische Wahrheiten, und dieser Art sind die inneren Prinzipien der Wissenschaften und des Vernunftgebrauchs, wenn wir sie, ohne ihren Grund zu erkennen, aus natürlichem Instinkt anwenden. In diesem Sinne können Sie sich der Anerkennung eingeborener Grundsätze nicht entziehen, selbst wenn Sie leugnen wollten, daß die abgeleiteten Wahrheiten eingeboren sind. Aber das würde nach der von mir gegebenen Erklärung dessen, was ich eingeboren nenne, nur ein Streit um Worte sein. Und will jemand diese Bezeichnung nur denjenigen Wahrheiten geben, welche man sofort durch Instinkt empfängt, so will ich ihm nicht widersprechen.

Philal. Ich bin damit zufrieden. Wenn es aber in unserer Seele gewisse von Natur eingeprägte Züge als ebenso viele Erkenntnisprinzipien gäbe, so könnten wir sie nur in ihrer Wirksamkeit gewahr werden, ebenso, wie wir den Einfluß der beiden Grundsätze, welche beständig in uns wirken, nämlich den Wunsch, glücklich zu sein, und die Furcht, elend zu sein, empfinden.

Theoph. Es gibt Erkenntnisprinzipien, die ebenso beständig in unserem Vernunftgebrauch wirksam sind, wie es die praktischen Prinzipien im Gebrauch des Willens sind: so wendet z. B. jedermann die Regeln des Schließens durch eine natürliche Logik an, ohne sich dessen bewußt zu sein.

Philal. Die Moralgesetze müssen bewiesen werden; also sind sie nicht angeboren; so z. B. jenes Gesetz, welches die Quelle aller gesellschaftlichen Tugenden ist: Was du nicht willst, das dir geschieht, das tue auch dem andern nicht.

Theoph. Sie wiederholen immer den von mir schon widerlegten Einwand. Ich gebe Ihnen zu, daß es Moralgesetze gibt, die keine eingeborenen Prinzipien sind, aber darum können sie doch eingeborene Wahrheiten sein; denn eine abgeleitete Wahrheit ist eingeboren, wenn wir sie aus unserem Geiste schöpfen können. Es gibt aber eingeborene Wahrheiten, welche wir auf zwei Arten in uns finden, durch das Licht der Vernunft und durch Instinkt. Die, die ich soeben angeführt habe, werden aus unseren Ideen bewiesen, was Sache des natürlichen Lichtes ist. Doch kann etwas in bezug auf das natürliche Licht eine Folgerung sein, was in bezug auf den Instinkt ein Prinzip ist. So werden wir zu Handlungen der Menschlichkeit durch den Instinkt getrieben, weil uns dies angenehm, und durch die Vernunft, weil es recht ist. Es gibt in uns also instinktmäßige Wahrheiten, welche eingeborene Prinzipien sind, die man, auch ohne den Beweis dafür zu haben, empfindet und anerkennt, welchen Beweis man gleichwohl erhält, wenn man sich von diesem Instinkt Rechenschaft ablegt. So bedient man sich der logischen Schlußregeln infolge einer verworrenen Erkenntnis und gleichsam aus Instinkt; die Logiker aber zeigen den Grund derselben auf, wie auch die Mathematiker den Grund von dem angeben, was man beim Gehen und Springen, ohne daran zu denken, tut. Was die Regel betrifft, daß man den anderen nur das antun dürfe, was man von ihnen getan haben will, so bedarf sie nicht allein eines Beweises, sondern auch noch einer Erklärung. Wenn man die Macht dazu besäße, würde man von den anderen zu viel verlangen; sind wir ihnen demnach auch zu viel schuldig? Man wird mir einwenden, daß dies Gesetz nur von einem gerechten Willen zu verstehen ist. Dann wäre aber diese Regel, statt als Maßstab dienen zu können, vielmehr selbst eines solchen bedürftig. Der wahre Sinn derselben ist, daß der rechte Gesichtspunkt, um billig zu urteilen, der ist, sich in die Stelle des anderen zu versetzen.

§9. Philal. Man begeht oft schlechte Handlungen ohne die geringsten Gewissensbisse, z. B. wenn man Städte mit Sturm nimmt, begehen die Soldaten, ohne sich zu bedenken, die schlimmsten Handlungen. Gebildete Völker haben ihre Kinder ausgesetzt; einige Karaibenstämme kastrieren die ihrigen, um sie zu mästen und zu verzehren. Garcilasso de la Vega erzählt In der Geschichte der Incas von Peru, von der im Jahre 1787 eine deutsche Übersetzung von G. E. Böttger verfaßt (Nordhausen, Groß) erschienen ist. (Sch.), daß manche Völker in Peru Weiber gefangen nehmen, um sie zu Konkubinen zu machen, und die Kinder bis zum 13. Jahre erzögen, worauf sie sie verzehrten und es mit den Müttern ebenso machten, sobald sie keine Kinder mehr bekämen. In Baumgartens Reise ist erzählt, daß es in Ägypten einen Derwisch gegeben habe, der für einen Heiligen galt, weil er sich niemals zu Weibern oder Knaben, sondern nur zu Eselinnen und Mauleselinnen gehalten habe Vgl. Mart. a Baumgarten in Breitenbach, Peregrinatio in Aegyptum, Arabiam, Palaestinam et Syriam (Norimbergae ex off. Gerlachiana p. P. Kaufmannum) 1694, 4º. L. II, cap. I, p. 73 (Sch.)..

Theoph. Die Moralwissenschaft ist (wenn man von den Instinkten absieht, wie denen, kraft deren wir der Lust nachtrachten und die Unlust fliehen) auf keine andere Weise als die Arithmetik eingeboren, denn auch sie hängt von Beweisen ab, welche das innere Licht darbietet. Und da die Beweise nicht sofort in die Augen springen, so ist es kein großes Wunder, wenn die Menschen nicht immer und sofort all das, was sie in sich besitzen, gewahr werden, und nicht immer schnell genug die Züge des natürlichen Gesetzes lesen, welches Gott, nach St. Paulus, in ihr Herz gegraben hat. Da indessen die Moral wichtiger als die Arithmetik ist, hat Gott dem Menschen Instinkte gegeben, die ihn sofort und ohne vernünftige Überlegung auf das Vernunftgemäße leiten. So befolgen wir ja auch beim Gehen die Gesetze der Mechanik, ohne an diese Gesetze zu denken und essen, nicht nur, weil es für uns notwendig ist, sondern auch und vornehmlich deswegen, weil das Essen uns Vergnügen macht. Aber diese Instinkte treiben uns nicht auf eine unwiderstehliche Weise zum Handeln; man leistet ihnen infolge von Leidenschaften Widerstand, man verdunkelt sie durch Vorurteile und verändert sie durch gegenteilige Gewohnheiten. Meist indessen ist man in diesen Instinkten des Bewußtseins einig und folgt ihnen, wenn nicht stärkere Eindrücke sie überwinden. Der größte und sittlich gesundeste Teil des menschlichen Geschlechts zeugt für sie. Orientalen und Griechen oder Römer, Bibel und Alkoran stimmen darin überein; die Polizei der Mohammedaner bestraft gewöhnlich das, was Baumgarten berichtet, und man müßte ebenso vertiert wie die Wilden Amerikas sein, um ihre Sitten, deren Grausamkeit selbst die der Tiere übertrifft, gut zu heißen. Gleichwohl fühlen diese Wilden in anderen Fällen recht gut, was Gerechtigkeit ist, und mag es vielleicht auch keine schlimme Handlungsweise geben, die nicht irgendwo und in bestimmten Fällen Billigung erfährt, so gibt es doch wenige, die nicht in den meisten Fällen und von dem größten Teil der Menschheit verurteilt werden. Dies ist nicht ohne Vernunft zustande gekommen; da es aber andererseits nicht durch Vernunft allein zustande gebracht worden ist, so muß es zum Teil natürlichen Instinkten zugeschrieben werden. Gewohnheit, Überlieferung, Erziehung haben dazu beigetragen; aber die Ursache dafür, daß die Sitte sich in bezug auf diese Pflichten allgemeiner zum Rechten wendet, ist doch das natürliche Gefühl. Auf das natürliche Gefühl geht auch die Entstehung der Überlieferung vom Dasein Gottes zurück. Die Natur gibt dem Menschen und selbst den meisten Tieren Liebe und Sanftmut gegen die, welche ihres Geschlechts sind. Selbst der Tiger » parcit cognatis maculis« Juvenal, Sat. 15. v. 159 (Sch.).. Daher kommt das schöne Wort eines römischen Juristen: quia inter omnes homines natura cognationem constituit, unde hominem homini insidiari nefas esse Florentinus, Digest. I, 1,3 (Sch.).. Fast nur die Spinnen machen davon eine Ausnahme und fressen sich untereinander auf, was soweit geht, daß das Weibchen das Männchen frißt, nachdem es mit ihm der Lust gepflogen hat. Neben diesem allgemeinen Sozial-Instinkt, welchen man beim Menschen Menschenliebe nennen kann, gibt es noch besondere, wie die Liebe zwischen Mann und Weib, die Liebe des Vaters und der Mutter gegen ihre Kinder, welche die Griechen στοργὴ nennen, und andere ähnliche Neigungen, die das natürliche Recht ausmachen oder vielmehr jenes Bild des Rechts, das nach den römischen Juristen die Natur des lebendigen Wesen gelehrt hat. Aber besonders im Menschen findet sich eine gewisse Sorge um Würde und Anstand, die uns antreibt, das, was uns erniedrigt, zu verbergen, schamhaft zu sein, gegen Blutschande Widerwillen zu haben, die Leichname zu begraben, Menschen überhaupt nicht und keine lebendigen Tiere zu essen. Man ist auch geneigt, für seinen Ruf selbst über Bedürfnis und Leben hinaus, besorgt zu sein, man ist Gewissensbissen zugänglich und fühlt jene laniatus et ictus, jene Martern und Schmerzen, von denen Tacitus nach Platos Vorgange spricht Tacitus, Annalen VI, 6; vgl. Platons Gorgias 524 E (Sch.). – abgesehen von der Furcht vor der Zukunft und einer höchsten Macht, die gleichfalls ganz natürlich entsteht. In dem allen ist etwas Reales: aber im Grunde sind diese natürlichen Eindrücke, welcher Art sie auch sein mögen, nur Hilfen für die Vernunft und Anzeichen des Rates, den uns die Natur erteilt. Die Gewohnheit, die Erziehung, die Überlieferung, die Vernunft tragen viel dazu bei; aber die menschliche Natur hat nicht weniger teil daran. Allerdings würden diese Hilfen ohne die Vernunft nicht hinreichen, um der Moral eine vollständige Gewißheit zu verleihen. Will man endlich leugnen, daß der Mensch den natürlichen Trieb besitzt, sich z. B. von häßlichen Dingen fernzuhalten – unter dem Vorwande, daß es Leute gibt, die nur gern von unflätigen Dingen reden, ja daß es solche gibt, deren Lebensberuf sie zwingt, mit Unrat umzugehen, und daß es Völker in Butan gibt, welche die Exkremente des Königs für wohlriechend halten? Sie werden also, denke ich, was die natürlichen Instinkte für das Sittliche und Ehrbare betrifft, im Grunde mit mir einer Meinung sein, wenngleich Sie vielleicht sagen werden, wie Sie dies auch von dem Instinkt des Strebens nach Glück gesagt haben, daß diese Eindrücke nicht eingeborene Wahrheiten sind. Aber ich habe schon darauf geantwortet, daß sich uns in jedem Gefühl eine Wahrheit und somit in dem natürlichen Gefühl eine eingeborene Wahrheit kundtut, obgleich diese oft verworren sein kann, wie die Erfahrungen der äußeren Sinne es auch sind. Man kann also die eingeborenen Wahrheiten von dem natürlichen Licht (welches nur deutlich Erkennbares enthält) so unterscheiden, wie der Gattungsbegriff vom Artbegriff unterschieden werden muß, da die eingeborenen Wahrheiten sowohl die Instinkte als das natürliche Licht in sich begreifen.

§ 11. Philal. Wer die natürlichen Grenzen von Recht und Unrecht kennte und sich dennoch nicht enthielte, sie durcheinanderzuwirren, könnte nur als ein erklärter Feind der Ruhe und des Glücks der Gesellschaft betrachtet werden. Da aber die Menschen sie in jedem Augenblick verwirren, kennen sie sie also nicht.

Theoph. Das heißt die Sachen doch ein wenig zu theoretisch nehmen. Täglich geschieht es, daß die Menschen ihren Erkenntnissen zuwiderhandeln, indem sie sie vor sich selbst verbergen, und, um ihren Leidenschaften zu folgen, ihrem Geist eine andere Richtung geben. Sonst würden wir niemals Leute Dinge essen und trinken sehen, die ihnen doch, wie sie wissen, Krankheiten und selbst den Tod bringen müssen, sie würden ihre Geschäfte nicht vernachlässigen, sie würden vieles nicht tun, was doch ganze Nationen getan haben. Die Zukunft und die Vernunft haben selten soviel Gewalt über uns, wie die Gegenwart und die Sinne. Das wußte jener Italiener sehr wohl, der, als er auf die Tortur gebracht werden sollte, sich vornahm, beständig den Galgen vor Augen zu haben, und den man öfter sagen hörte: Io ti vedo (ich sehe dich), was er nachher, als er freigekommen war, erklärte. Ohne den festen Entschluß, das wahrhaft Gute und das wahrhaft Schlechte immer im Auge zu behalten, um ihnen nachzustreben oder sie zu vermeiden, findet man sich fortgerissen und erfährt hinsichtlich der wichtigsten Bedürfnisse dieses Lebens dasjenige, was hinsichtlich Paradies und Hölle auch denen begegnet, die am festesten daran glauben:

Cantantur haec, laudantur haec,
Dicuntur, audiuntur;
Scribuntur haec, leguntur haec,
Et lecta – negliguntur.

Philal. Jeder Grundsatz, den man als eingeboren voraussetzt, muß von einem jeden als recht und vorteilhaft erkannt werden.

Theoph. Das heißt ja immer auf die von mir so oft widerlegte Voraussetzung zurückkommen, daß jede eingeborene Wahrheit immer und allgemein bekannt sein müsse.

§ 12. Philal. Aber eine öffentliche Erlaubnis, das Gesetz zu verletzen, beweist, daß dies Gesetz nicht eingeboren ist: so ist z. B. das Gesetz, die Kinder zu lieben und zu erhalten, bei den Alten verletzt worden, da sie die Aussetzung derselben erlaubten.

Theoph. Auch eine derartige Verletzung beweist, wenn sie vorkommt, nur, daß man die Züge der Natur, die unseren Seelen eingegraben, aber mitunter durch unsere Übertretungen ganz verhüllt sind, nicht recht gelesen hat. Außerdem muß man, um die Notwendigkeit der Pflichten auf eine unwiderstehliche Art einzusehen, deren Beweis ins Auge fassen, was nicht ganz gewöhnlich ist. Wenn die Geometrie unseren Leidenschaften und gegenwärtigen Interessen ebenso wie die Moral zuwiderliefe, würden wir sie nicht weniger bestreiten und verletzen, trotz aller Beweise des Euklides und Archimedes, die man als Träumereien behandeln und als voll von logischen Fehlern ansehen würde; und Joseph Scaliger, Hobbes und andere, die gegen Euklides und Archimedes geschrieben haben, würden nicht so wenige Nachfolger finden, wie es der Fall ist Joseph Justus Scaliger (1540-1609) Cyclometrica Elementa. Leiden 1594, (näheres bei Cantor, Gesch. der Mathematik 2 II, 596f.; von Hobbes vgl. bes. die Schrift: De principiis et ratiocinatione Geometrarum, ubi ostenditur incertitudinem falsitatemque non minorem inesse scriptis eorum quam scriptis Physicorum et Ethicorum, contra fastum Professorum Geometriae (Opera, Amstelod. 1668) . Nur die Sucht nach dem Ruhm, den diese Schriftsteller in der Quadratur des Kreises und anderen schwierigen Aufgaben zu finden hofften, war es, was Männer von so großem Verdienst bis zu solchem Grade verblenden konnte. Und wenn andere dasselbe Interesse hätten, würden sie es ebenso machen.

Philal. Jede Pflicht führt auf die Vorstellung eines Gesetzes, und die Kenntnis oder Voraussetzung eines Gesetzes läßt sich nicht ohne einen Gesetzgeber denken, der es vorgeschrieben hat, ebensowenig, wie ohne Belohnung und Strafe.

Theoph. Es kann natürliche Belohnungen und Strafen ohne Gesetzgeber geben; so wird die Unmäßigkeit z. B. durch Krankheiten bestraft. Da ihr Schaden sich indessen nicht sogleich allgemein zeigt, so gebe ich zu, daß kaum irgendeine Vorschrift, an die man unwiderruflich gebunden wäre, bestehen könnte, wenn es nicht einen Gott gäbe, der kein Verbrechen ungestraft und keine gute Handlung unbelohnt läßt.

Philal. Also müssen die Ideen von Gott und einem zukünftigen Leben auch eingeboren sein.

Theoph. In dem von mir schon erklärten Sinne bin ich damit einverstanden.

Philal. Aber diese Ideen sind so wenig von Natur dem Geist aller Menschen eingegraben, daß sie nicht einmal sehr klar und deutlich in dem Geiste mancher Gelehrten und solcher Männer erscheinen, die sich die genaue Untersuchung der Dinge zu ihrer besonderen Aufgabe gemacht haben: geschweige daß sie jedem menschlichen Wesen bekannt sein sollten.

Theoph. Das heißt wieder auf dieselbe, von mir doch so oft widerlegte Voraussetzung zurückkommen, daß das, was nicht bekannt, auch nicht eingeboren ist. Das Eingeborene ist nicht von vornherein klar und deutlich als solches bekannt; und es bedarf oft großer methodischer Aufmerksamkeit, um es gewahr zu werden. Diese aber wird von den Gelehrten nicht immer angewandt und noch weniger von den anderen Menschen.

§ 13. Philal. Wenn aber die Menschen das, was eingeboren ist, ignorieren oder bezweifeln können, so ist es zwecklos, uns von eingeborenen Prinzipien zu sprechen und uns ihre angebliche Notwendigkeit beweisen zu wollen. Denn statt daß sie alsdann dazu dienen könnten, uns, wie man vorgibt, der Wahrheit und Gewißheit der Dinge zu versichern, würden wir uns mit diesen Prinzipien in demselben Zustand von Ungewißheit befinden, als wenn wir sie gar nicht in uns hätten.

Theoph. Man kann gar nicht alle eingeborenen Grundsätze in Zweifel ziehen. Sie haben dies hinsichtlich der identischen Sätze oder des Satzes des Widerspruchs zugegeben, indem Sie zugestanden haben, daß es unbestreitbare Prinzipien gebe, die Sie damals freilich nicht als eingeborene gelten lassen wollten; aber es folgt daraus nicht, daß alles, was eingeboren und mit diesen eingeborenen Prinzipien notwendig verbunden ist, auch sofort von zweifelloser Evidenz sein müsse.

Philal. Soviel ich weiß, hat bisher noch niemand unternommen, von diesen Prinzipien ein genaues Verzeichnis zu entwerfen.

Theoph. Hat man uns denn etwa ein vollständiges und genaues Verzeichnis der Axiome der Geometrie entworfen?

§ 15. Philal. Lord Herbert Herbert von Cherbury (1581-1648), De veritate, prout distinguitur a verisimili, a possibili et a falso, Paris 1624. hat einige dieser Prinzipien aufzeichnen wollen, nämlich folgende: 1. es gibt ein höchstes göttliches Wesen; 2. man muß diesem dienen; 3. Tugend, verbunden mit Frömmigkeit, ist der beste Gottesdienst; 4. man muß seine Sünden bereuen; 5. es gibt Belohnungen und Strafen nach diesem Leben. – Ich gebe zu, dies alles sind evidente Wahrheiten, denen, wenn man sie recht erklärt, kein vernünftiges Geschöpf seine Zustimmung verweigern kann. Aber eingeborene Eindrücke sind sie, nach der Meinung unserer Freunde, darum noch lange nicht. Sollen aber diese fünf Sätze allgemeine Kenntnisse sein, die Gottes Finger in unser Herz geprägt hat, so gibt es deren noch andere, denen man gleichen Rang zuerkennen muß.

Theoph. Damit bin ich einverstanden, denn ich halte alle notwendigen Wahrheiten, ja sogar die Instinkte, für eingeboren. Aber ich gestehe Ihnen, daß jene fünf Sätze keine eingeborenen Grundsätze sind; denn ich halte dafür, daß man sie beweisen kann und muß.

§ 18. Philal. Im dritten Satz, daß die Tugend der Gott angenehmste Dienst ist, bleibt es dunkel, was man unter Tugend versteht. Versteht man sie in dem Sinne, welchen man ihr zumeist gibt, und soll Tugend dasjenige heißen, was nach den verschiedenen Meinungen, die in verschiedenen Ländern herrschen, für löblich gilt, so ist dieser Satz so wenig evident, daß er nicht einmal wahr ist. Nennt man dagegen Tugend die Handlungen, welche dem Willen Gottes gemäß sind, so wäre dies fast ein idem per idem und wir würden aus dem Satze nicht eben viel lernen; denn er würde nur besagen, daß Gott das angenehm ist, was seinem Willen gemäß ist. Das gleiche gilt von dem Begriff der Sünde im vierten Satze.

Theoph. Ich erinnere mich nicht, bemerkt zu haben, daß man die Tugend gemeiniglich für etwas ansieht, was von den Meinungen abhängt; wenigstens sehen die Philosophen sie nicht so an. Der Name »Tugend« hängt freilich von der Meinung derer ab, die ihn verschiedenen Gewohnheiten oder Handlungen beilegen, je nachdem sie sie für gut oder schlimm erachten und von ihrer Vernunft Gebrauch machen; über den Begriff der Tugend im allgemeinen aber stimmen alle überein, wenn sie auch in dessen Anwendung verschiedener Meinung sind. Nach Aristoteles und manchen anderen ist die Tugend eine Fertigkeit, die Leidenschaften durch die Vernunft zu mäßigen, und noch einfacher, eine Fertigkeit, nach der Vernunft zu handeln Aristoteles, Nikomachische Ethik II, 6: ἔστιν ἄρα ἡ ἀρετὴ ἔξις προαιρετική, ἐν μεςότητι οὐσα τῇ πρὸσ ἡμᾶς, ὡρισμένη λόγῳ καὶ ὡς ἂν ὁ φρόνιμος όρίσειεν μεςότης δὲ δύο κακιῶν, τῆς μὺν καθ ὑπερβοξὴν τῆς δὲ κατ ἔλλειψιν.. Dies aber muß notwendig dem angenehm sein, der die oberste und letzte Vernunft der Dinge ist, und dem nichts – und am allerwenigsten die Handlungen der vernünftigen Geschöpfe – gleichgültig ist.

§ 20. Philal. Man sagt gewöhnlich, daß die Gewohnheit, die Erziehung und die Meinungen derer, mit denen man verkehrt, diese Prinzipien der Moral, die man als eingeboren ansieht, verdunkeln können. Ist aber dieser Satz richtig, so vernichtet er den Beweis, den man aus der allgemeinen Zustimmung ziehen will. Der Schluß, der hier häufig gezogen wird, läuft auf folgendes hinaus: Die Prinzipien, die ein Mensch von gesundem Verstande anerkennt, sind eingeboren; wir und die von unserer Partei sind Leute von gesundem Verstande, also sind unsere Grundsätze eingeboren. Eine lustige und geradewegs auf Unfehlbarkeit führende Manier des Schlusses!

Theoph. Was mich anbetrifft, so bediene ich mich der allgemeinen Zustimmung nicht als eines Hauptbeweises, sondern nur als einer Bestätigung; denn die eingeborenen Wahrheiten tragen, sofern man sie für das natürliche Licht der Vernunft nimmt, ihr Gepräge in sich, wie die Geometrie; denn sie sind in den unmittelbaren Prinzipien, die Sie selbst als unbestreitbar betrachten, eingeschlossen. Indessen will ich zugeben, daß es schwerer ist, die Instinkte und manche andere natürliche Fertigkeiten von den Gewohnheiten zu unterscheiden; doch ist auch dies, wie es scheint, meistenteils möglich. Übrigens haben die kultivierten Völker wohl einigen Grund, sich den Gebrauch des gesunden Menschenverstandes in höherem Maße als den wilden Völkern zuzuschreiben, da sie ihre Überlegenheit über diese dadurch beweisen, daß sie sie fast ebenso leicht wie die Tiere bezwingen. Wenn dies nicht immer gelingt, so liegt dies daran, daß sie sich, ebenfalls wie die Tiere, in dichte Wälder retten, wo es schwer ist, sie zu bewältigen, und der Preis nicht der Mühe lohnt. Die Ausbildung des Geistes ist ohne Zweifel ein Vorzug: und wenn es erlaubt ist, für die Roheit gegen die Kultur zu sprechen, so wird man auch das Recht haben, die Vernunft zugunsten der Tiere zu bekämpfen und die geistreichen Scherze Despréaux' in einer seiner Satiren für bare Münze zu nehmen, wo er, um dem Menschen seinen Vorzug vor den Tieren streitig zu machen, fragt:

L'ours a peur du passant ou le passant de l'ours?
Et si par un édit de pastres de Lybie
Les lions vuideroient les parcs de Numidie etc. Boileau (Despréaux), Satiren VIII 62 ff. (Sch.).

Man muß indessen zugeben, daß es manche wichtige Dinge gibt, in denen die rohen Völker uns überlegen sind, vor allem in Betracht der körperlichen Stärke; und selbst in bezug auf die Seele kann man sagen, daß in gewisser Hinsicht ihre praktische Moral besser ist als die unserige, weil sie weder die Habsucht kennen, die alles zusammenscharren, noch den Ehrgeiz, der alles beherrschen will. Man kann sogar noch hinzufügen, daß der Verkehr mit den Christen sie in vielen Dingen schlimmer gemacht hat: man hat sie, indem man ihnen Branntwein zuführte, gelehrt, sich zu betrinken, zu schwören, zu lästern und andere Laster anzunehmen, die ihnen wenig bekannt waren. Bei uns gibt es mehr Gutes und mehr Schlimmes als bei ihnen; ein schlechter Europäer ist schlimmer als ein Wilder, denn er steigert künstlich das Böse. Indessen hindert nichts die Menschen, die Vorzüge, welche die Natur jenen Völkern gibt, mit denen, welche uns die Vernunft verleiht, zu verbinden.

Philal. Aber wie wollen Sie folgendem Dilemma eines meiner Freunde begegnen: Ich wünschte, sagt er, daß die Verfechter der eingeborenen Ideen mir sagten, ob diese Prinzipien durch Erziehung und Gewohnheit vertilgt werden können oder nicht? Können sie es nicht, so müssen wir sie bei allen Menschen finden, und sie müssen im Geiste jedes einzelnen Menschen klar erscheinen; können sie aber durch fremde Begriffe verderbt werden, so müssen sie deutlicher und auffallender dort erscheinen, wo sie ihrer Quelle noch näher sind, ich meine bei den Kindern und Unwissenden, auf welche fremde Meinungen noch am wenigsten Eindruck gemacht haben. Welche Entscheidung sie hier auch treffen wollen, so werden sie schließlich klar sehen, daß sie durch feststehende Tatsachen und eine beständige Erfahrung Lügen gestraft wird.

Theoph. Ich bin erstaunt, daß Ihr scharfsinniger Freund verdunkeln und vertilgen miteinander verwechselt hat, wie man auch auf Ihrer Seite nicht sein und nicht erscheinen miteinander verwechselt. Die eingeborenen Ideen und Wahrheiten können nicht vertilgt, aber bei allen Menschen (in ihrem gegenwärtigen Zustande) durch ihre körperlichen Bedürfnisse und oft noch mehr durch die dazukommenden schlimmen Angewohnheiten verdunkelt werden. Diese Züge inneren Lichtes würden den Verstand immer erleuchten, den Willen immer erwärmen, wenn die verworrenen Wahrnehmungen der Sinne sich nicht unserer Aufmerksamkeit bemächtigten. Das ist jener Streit, von dem die Heilige Schrift nicht weniger als die alte und neuere Philosophie redet.

Philal. Wir befinden uns also in ebenso dichter Finsternis und in ebenso großer Ungewißheit, als wenn es eine solche Erleuchtung gar nicht gäbe.

Theoph. Gott bewahre! Wir würden dann weder Wissenschaften noch Gesetze, ja keine Vernunft haben.

§§ 21. 22. Philal. Hoffentlich werden Sie wenigstens die Macht der Vorurteile zugeben, die oft etwas als natürlich erscheinen lassen, was nur Folge schlechter Lehren ist, denen man als Kind ausgesetzt war, oder schlechter Gewohnheiten, die man durch Erziehung und Umgang angenommen hat.

Theoph. Ich gebe zu, daß der vortreffliche Autor, dem Sie folgen, darüber viel Schönes und, wenn man es richtig nimmt, Wertvolles sagt; aber ich glaube nicht, daß all dies der recht verstandenen Lehre vom natürlichen Gefühl oder den eingeborenen Wahrheiten widerspricht. Auch wird er sicher mit seinen Bemerkungen nicht zu weit gehen wollen. Auch ich bin, ebenso wie er, überzeugt, daß viele Meinungen als Wahrheiten gelten, die nur die Wirkungen der Gewohnheit und Leichtgläubigkeit sind, wie es andererseits auch viele gibt, die manche Philosophen zu Vorurteilen stempeln wollen und die gleichwohl in der gesunden Vernunft und in der Natur begründet sind. Man muß sich ebensosehr oder noch mehr vor denen hüten, die, meist aus Ehrgeiz, als Neuerer auftreten, als man gegen alte Eindrücke Mißtrauen hegen muß. Ich habe, nachdem ich eingehend über das Alte und Neue nachgedacht, gefunden, daß die meisten angenommenen Lehren einen guten Sinn zulassen. Ich wünschte daher, daß Männer von Geist ihren Ehrgeiz lieber darein setzten, aufzubauen und vorwärtszugehen, als niederzureißen und zurückzuschreiten. Man sollte eher den Römern gleichen, die so schöne öffentliche Bauwerke errichteten, als jenem Vandalen-Könige, dem seine Mutter empfahl, den Versuch zu machen, diese großen Bauwerke zu zerstören, da er nicht auf den Ruhm rechnen könne, sie zu erreichen Diese Anekdote gibt die Chronik des Idatius (Cap. 62); der betreffende König der Vandalen heißt Chrocus, welcher mit den Sueven und Alanen bei Mainz den Rhein überschritten und dem schlimmen Rate seiner Mutter folgend in Deutschland wie in Gallien auf das Fürchterlichste gehaust haben soll. (Vgl. Bouquet, Rerum Gall. et Franc. scriptores, Tom. II, p. 464.) (Sch.)..

Philal. Der Zweck der Gelehrten, die die eingeborenen Wahrheiten bekämpft haben, war, zu verhindern, daß man unter diesem schönen Namen Vorurteile gewähren lasse und seine Trägheit damit zu verdecken trachte.

Theoph. Über diesen Punkt sind wir einig; denn ich verwerfe nicht nur alle zweifelhaften Prinzipien, sondern möchte sogar den Beweis bis auf Euklids Axiome ausdehnen, wie einige Alte es auch getan haben. Und wenn man nach dem Mittel fragt, die eingeborenen Grundsätze zu erkennen und zu prüfen, so antworte ich gemäß dem schon vorhin Bemerkten, daß man sie mit Ausnahme der Instinkte, deren Grund unbekannt ist, auf erste Prinzipien, d. h. auf identische oder unmittelbare Axiome zurückzuführen suchen müsse; mit Hilfe von Definitionen, die nichts anderes als eine deutliche Auseinandersetzung der Ideen sind Zu Leibniz' Lehre von der Definition vgl. z. B. den Aufsatz »De Synthesi et Analysi universali« Band I, 44 ff.. Selbst Ihre Freunde, die bisher den eingeborenen Ideen entgegen waren, werden, wie ich glaube, diese Methode billigen, die ihrem Hauptzweck zu entsprechen scheint.


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