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Sechstes Kapitel

Beruf und Mutterschaft

Das zweite, im Anfang des vorigen Kapitels genannte Hauptproblem der Frau, das sich aus dem neuen Zuschnitt des wirtschaftlichen Lebens ergibt, ist die Verbindung des Familienberufs mit dem Erwerbsberuf, das Problem, das in den beiden Worten Beruf und Mutterschaft beschlossen ist. Nicht so sehr in der Verbindung: Beruf und Ehe. Denn die eigentliche Schwierigkeit entsteht erst, wenn man das Recht des Kindes mit seinem vollen Gewicht, seiner ganzen sozialen Bedeutung, in das Berufsleben, in die Berufspflichten der Frau hineinstellt.

Wenn nun diese Frage, die natürlich schon bei der Erörterung der wirtschaftlichen und geistigen Triebkräfte der Frauenbewegung gestreift werden mußte, von der auch schon im Zusammenhange mit den Fragen der Frauenbildung die Rede war und die schließlich die wirtschaftliche Grundlage für die innerhalb der Frauenfrage entstehenden Konflikte der Liebe und Ehe bildet, hier noch besonders ins Auge gefaßt wird, so geschieht das, weil einerseits ihre Bedeutung und Tragweite nur auf diese Weise übersehen werden kann und weil sie ferner eine Reihe von praktischen Aufgaben umfaßt, die in anderem Zusammenhang nicht richtig beleuchtet werden können.

Aber ehe wir in die Tiefe dieses Problems eindringen, müssen wir uns seinen Umfang, seine Breite abgrenzen. Denn der Konflikt Mutterschaft und Beruf gestaltet sich in den verschiedenen Berufsschichten verschieden. Es gibt Schichten, die noch jenseits davon liegen. Das sind die alten Formen familienhaften Berufsbetriebes, bei denen die Frau einen Platz in der Erwerbsarbeit des Mannes einnimmt: die Landwirtschaft, das Handwerk, der Kleinhandel. Hier gehen Hauswirtschaft und Beruf ineinander über oder stehen doch so dicht beieinander, daß eine tüchtige Frau beides übersieht. Schlecht und recht. Man richtet sich eben ein. Aber auch hier besteht der Konflikt, und es gibt Umstände, die ihn gerade jetzt verschärfen, speziell in der Landwirtschaft. Die Bäuerin vor allem beginnt, bei zunehmender Abwanderung des ländlichen Gesindes und der eigenen Söhne und Töchter in die Stadt, unter der Überlastung zu leiden, die mit der Bewältigung zweier Lebenskreise für sie verbunden ist.

Schwerer aber als hier, wo nicht im Beruf an sich, sondern nur in besonderen augenblicklichen Mißständen die Schwierigkeiten liegen, ist das Problem in jenen Erwerbsgebieten, bei denen Haus und Arbeitsstätte so durchaus getrennt sind, daß Mutterschaft und Beruf zwei verschiedene Lebenszentren werden, die sozusagen nur durch Personalunion miteinander in Beziehung treten! Hier entstehen Konflikte, die um so schwerer sind, je starrer, unbiegsamer, mechanisch gefestigter die Formen sind, denen sich die Erwerbsarbeit der Frau einzufügen hat. Eine solche Starrheit der Arbeitsformen kennzeichnet aber den modernen Großbetrieb.

Und nun zu dem Problem selbst.

Es ist schon bei der Erörterung der wirtschaftlichen Seite der Frauenfrage die wirtschaftliche Konstellation gestreift worden, die aus dem Doppelberuf der Frau entsteht. Wir vergegenwärtigen uns noch einmal ihre Hauptzüge und betrachten zunächst den Doppelberuf vom Standpunkt der erwerbstätigen Frau. Die Verflechtung des Berufslebens der Frau mit Ehe und Mutterschaft mag die verschiedensten Formen annehmen: sie mag ein Nacheinander sein, mag sich als eine vorübergehende, kürzere oder längere Unterbrechung des Berufs durch die Ehe darstellen oder als ein unausgesetztes mühsames Nebeneinander, immer ist die Wirkung der Inanspruchnahme der Frau durch Ehe und Mutterschaft auf die Lage der Frau als Berufsarbeiterin schwerwiegend und bedeutsam.

Das beginnt, wie wir schon gesehen haben, bei der Frage der Berufsausbildung. Die Heiratschance führt nicht nur dem tatsächlichen Maße ihrer Bedeutung entsprechend, sondern wegen der menschlichen Hoffnungsseligkeit auch noch weit darüber hinaus zur Vernachlässigung der Berufsausbildung des Mädchens. So sehr man auch im Hinblick auf die Unsicherheit der Zukunft den Eltern zur moralischen Pflicht machen kann, ihren Töchtern eine vollwertige Berufsausbildung zu geben, so ist dieser rein moralische Zwang im allgemeinen nicht stark genug, um die Erwägung zu entkräften, daß eben doch tatsächlich die Rentabilität des in weiblicher Berufsausbildung angelegten Kapitals unsicher ist. Von diesem Ausgangspunkte unzulänglicher Berufs ausbildung gehen dann nach verschiedenen Seiten hin Wirkungen auf die Arbeitsleistung der Frau aus, deren Gewicht, man kann sagen, fast lawinenartig anschwillt. Die Leistungen, schon infolge geringwertiger Ausbildung auf einem niedrigen Niveau des fachlichen Könnens, sind auch deshalb von relativ geringer Qualität, weil eben die Frau ihre Berufstätigkeit nur als Episode ansieht und deshalb ihre Kraft nicht in dem Maße auf den Beruf konzentriert, wie einer, der von ihm seinen ganzen Lebensinhalt erwartet, dem der Beruf der ausschlaggebende Faktor äußerer Lebensgestaltung, das wesentliche Mittel sozialer Erfolge, die eigentliche Sphäre seines Schaffens, seiner Wesensbetätigung ist. Aber auch eine Frau, die ihrem Beruf anders gegenüberstehen möchte, findet sich nicht nur durch die Mängel ihrer Ausbildung, sondern auch durch den ganzen äußeren Zuschnitt der beruflichen Verhältnisse gehemmt. Weil die Mehrzahl der erwerbstätigen Frauen nur vorübergehend, d. h. während eines Zeitraumes von zehn Jahren höchstens dem Beruf angehört, so nehmen die Frauenberufe als solche episodischen Charakter an. Es entwickelt sich innerhalb derselben kein, oder ein unvollkommenes System von Aufstiegsmöglichkeiten. Die meisten Frauenberufe zeigen eine spärliche und nach oben hin kurz abgebrochene Skala von aufsteigenden Posten, die einem ganz dem Beruf gewidmeten Können nicht genug Spielraum bietet. Man denke etwa an die Beschäftigung von Frauen im Post- und Telegraphendienst, die – trotz der grundsätzlichen Anerkennung der Gleichberechtigung der Frauen auch in den Beamtenberufen durch die Verfassung – auch in der Republik zwar einige, aber doch nur geringe Erweiterung erfahren hat. Die Frauen, die in dem Beruf bleiben, sind deshalb in den allermeisten Fällen gezwungen, auf einer Stufe auszuhalten, die unterhalb der Grenze ihrer Fähigkeiten bleibt, und auch das drückt natürlich wieder auf die Berufsfreudigkeit und das Berufsinteresse. Ein drittes Problem birgt die Wirkung des Doppelberufs der Frau auf die Löhne. Auch hier erzeugt eine Ursache immer sine weitere noch gewichtigere. Das Gesetz der Lohnbildung, das man als den »gesellschaftlichen Charakter des Arbeitslohns« bezeichnet, zwingt auch die Fähigeren auf das Lohnniveau herunter, das den geringen Leistungen des Durchschnitts entspricht. Die Ehefrauenarbeit wiederum, als eine meist im Nebenberuf geleistete, nicht durch das Bedürfnis nach Erwerb des vollen Unterhalts bestimmte, wirkt drückend auf die Arbeit der unverheirateten Frauen. Die Tatsache, daß vorwiegend jugendliche Arbeiterinnen dem Beruf angehören, erschwert das Zustandekommen der Berufsorganisation, die meist von reiferen Kräften getragen wird und ohne solche sich nicht entwickeln kann. Die älteren Arbeiterinnen, die dieses reifere Element hinzubringen können, sind in zu großem Prozentsatz durch Ehe und Mutterschaft in Anspruch genommen, um für die Entwicklung des korporativen Lebens noch viel bedeuten zu können. Das vierte Problem schließlich, das in wirtschaftlicher Hinsicht aus dem Doppelberuf der Frau erwächst, ist die Versorgungsfrage vor allem für die große Menge von Frauen, die zwar einmal im Berufe gestanden haben, ihm aber durch die Ehe so durchaus entzogen sind, daß sie ihn als versorgungsbedürftige Witwen nicht wieder ergreifen können.

Und alle diese das wirtschaftliche Niveau der Frauenarbeit herabdrückenden Tatsachen wirken zusammen wieder nach der Richtung, den Ehefrauen ihren Mutterberuf neben dem Erwerbsberuf zu erschweren. Da die Frauenarbeit schlecht bezahlt wird, da sie in weitem Umfange ungelernte Arbeit ist, da die Frau wegen ihrer geringen Fähigkeit zur Organisation auch nur geringen Einfluß auf die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen ausüben kann, so sind die Ehefrauen, wenn sie überhaupt zur Arbeit gezwungen sind, zu lang andauernder, anstrengender und ihrem häuslichen Pflichtenkreis in keiner Weise angepaßter Arbeit genötigt. Denn dieser ganze vielfach ineinander verankerte und verflochtene Komplex wirtschaftlicher Schwierigkeiten hat nun gewissermaßen als Innenseite ein ebenso vielseitig verschlungenes Gewebe von psychologischen Konflikten. Mutterschaft und Beruf sind nicht nur im äußeren Leben, sondern auch in der Seele der Frau einander bekämpfende Interessensphären. Sie stehen wie zwei Mühlen am Bach ihrer Lebenskraft, der meist nur imstande ist, eine von ihnen im vollen Betriebe zu erhalten, so daß nun immer eine der andern das Wasser fortnimmt. Es können im Rahmen dieser Erörterung alle diese feinen Vorgänge des Aufsaugens der Kräfte, die der einen Lebenssphäre gehören müßten, durch die andere nur angedeutet werden. Die Konflikte sind natürlich am quälendsten, wo es sich um ein unmittelbares Nebeneinander von Beruf und Mutterschaft in den breiten unteren Bevölkerungsschichten handelt. Die Arbeiterin trifft der Zwiespalt zwischen Familien- und Produktionsinteresse auch in seinen seelischen Konsequenzen am härtesten. Er sprengt den geschlossenen Ring ihres Lebens und macht sie drinnen und draußen heimatlos. Denn der Beruf kann hier aus all den schon erörterten Gründen für die Frau nicht werden, was er für den Mann ist, der Kern, von dem aus sich sein Leben innerlich und äußerlich organisch zusammenfaßt, regelt und gestaltet. Und doch nimmt er so viel von ihrer Zeit und Kraft, daß der Rest nicht ausreicht, um den Familienberuf und die Mutterschaft mit der Eingabe und inneren Anteilnahme zu umfassen, die allein ihre Glücksquellen erschließt. Was diese Zerspaltung der Kraft auf lauter halbe Leistungen bedeutet, empfindet die Arbeiterin selbst vielleicht nur dumpf; dem Unabwendbaren gegenüber verstummt die Kritik. Aber dem Sozialpolitiker enthüllt sich die Abstumpfung und innere Verödung, zu der diese Formlosigkeit ihres Daseins sie verurteilt, die Entwurzelung des Innenlebens, die fast einer Degeneration gleichkommt und die durch ihre Wirkung auf das Familienleben fortzeugend Böses gebären muß. Es ist hier nicht der Raum, diese Wirkungen auf Haushalt und Kinder eingehend zu schildern. Sie sind ja oft beschrieben und bekannt genug: Säuglingssterblichkeit, Kinderverwahrlosung, Alkoholismus der Männer usw. Ob der Geburtenrückgang dazu zu rechnen ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Die Tatsache, daß er am stärksten in den Schichten ist, in denen die Ehefrauenarbeit nicht üblich ist, in der gehobenen Arbeiter- und in der kleinbürgerlichen Beamtenklasse, deutet darauf hin, daß jedenfalls die Hauptursachen des Geburtenrückganges wo anders zu suchen sind als in der Erwerbsarbeit der Ehefrauen, die vielfach erst notwendige Folge einer großen Kinderzahl ist.

Steigen wir zu höheren Stufen der Berufserfüllung auf, so verliert das Problem Beruf und Mutterschaft allerdings etwas von seinem sozialen, seinem Massencharakter und deshalb von seiner wirtschaftlichen Fatalität. Einmal sind hier die Bildungsgänge so festgelegt, daß sie dem Ansturm des Dilettantismus und der Halbheit Widerstand leisten; die Ärztin kann eben nicht wie die Handelsangestellte für ihren Beruf sich pressen lassen. Andererseits sind die Formen der Berufsausübung nicht so stereotyp wie da, wo – wie bei der Fabrikarbeiterin – Hunderte vom gleichen großen Organismus zur Ableistung einer eng begrenzten bestimmten Arbeit eingegliedert werden. Der Frau, die irgendeinen höheren Beruf, etwa den der Ärztin, der Lehrerin, der Künstlerin, erwählt hat, stehen immer Möglichkeiten offen, ihn in irgendeiner eingeschränkten, ihren Lebensverhältnissen angepaßten Form während der Ehe weiter zu führen. Für sie gilt nicht das starre Entweder-Oder, – entweder ein voller Beruf oder gar keiner –, das über dem Schicksal der Arbeiterin steht, von den in Deutschland praktizierenden Ärztinnen z. B. sind eine beträchtliche Zahl Ehefrauen und Mütter. Aber innere Konflikte (selbst wenn sich die äußeren hier überwinden lassen) gibt es auch hier. Um so mehr, je stärker die Frau innerlich durch ihren Beruf gebunden ist. Eine Frau, die zu eigentlich schöpferischem Wirken auf irgendeinem Gebiet geistiger Arbeit emporgedrungen ist, wird darin gerade Schwierigkeiten finden, den Vorrat von Aufopferung, von Bereitwilligkeit für die Ansprüche anderer in sich aufzubringen, der von den Aufgaben der Mutterschaft nun einmal unbedingt gefordert wird. Die Erhebungen von Adele Gerhard und Helene Simon über Mutterschaft und geistige Arbeit Verlag von Georg Reimer, Berlin bieten dafür eine Reihe von Zeugnissen – neben mannigfachen Beweisen freilich, daß elastische, besonders kräftige Frauen ihren Doppelberuf im vollsten Sinne bewältigen, was natürlich auch bei diesen Ausführungen als Vorbehalt immer hinzuzudenken ist.

Zu diesen Schwierigkeiten, die nach und nach den Vertreterinnen der Frauenbewegung zum Bewußtsein kamen, als Massen von Frauen in die Erwerbsarbeit eintraten, kommt nun noch die aus dem ganzen Ethos der Frauenbewegung hervorgehende Lebensforderung unbeschränkter persönlicher Entfaltung, der Freiheit zu eigener Lebensgestaltung und zur unbedingten Selbstbestimmung. Im Lichte der materialistischen Geschichtsauffassung erscheint diese Möglichkeit der Selbstbestimmung nur gewährleistet durch ökonomische Selbständigkeit, d. h. durch die Unabhängigkeit der Frau von dem Verdienste des Mannes. Von Lily Braun, A. a. O. der Amerikanerin Mrs. Perkins-Stetson » Women and Economics«. Deutsch von Marie Stritt: »Mann und Weib«. Leipzig, Heinrich Minden. u. a. ist das Prinzip aufgestellt worden, daß diese sogenannte sexual-ökonomische Abhängigkeit der Frau nicht nur die Ursache einer ganzen Reihe von ethischen und sozialen Mißständen, sondern auch vor allem das stärkste und auf keine Weise zu umgehende Hindernis der sozialen und moralischen Gleichberechtigung der Frau sei. Die prinzipielle Forderung, daß jene Abhängigkeit beseitigt werde, kommt also dazu, um das Problem Berufsarbeit und Mutterschaft innerhalb der Frauenbewegung zu verschärfen.

Es gibt nun zwei radikale Lösungen, die als die beiden Extreme in einer langen Reihe von Möglichkeiten der Vereinigung von Beruf und Mutterschaft einander gegenüberstehen. Die eine: die der Trennung von Beruf und Ehe; die andere: die der prinzipiellen Vereinigung beider. Mit der ersten Lösung werden wir schneller fertig, als mit der zweiten, aus dem einfachen Grunde, weil die gekennzeichnete wirtschaftliche und geistige Entwicklung im Frauenleben diese Lösung heute nicht mehr gestattet. Und zwar sowohl aus wirtschaftlichen als aus inneren Gründen – wegen unabänderlicher konkreter Tatsachen wie aus grundsätzlichen Erwägungen. Daß die Ehefrauenarbeit unter den herrschenden wirtschaftlichen Zuständen für viele Familien eine einfache Existenzfrage ist, steht außer jedem Zweifel. Ebenso wie die Tatsache, daß sie gerade da zugenommen hat, wo sie ihre schwersten Probleme hat: in der Großindustrie. Und beinahe ebenso zweifellos steht es fest, daß die Zunahme der Ehefrauenarbeit eine allgemeine, internationale Erscheinung ist. Und selbst wenn nicht anzunehmen ist, daß dieser Prozeß grenzenlos weitergehen wird, selbst wenn Anzeichen, z. B. in England, dafür sprechen, daß der Anteil der Frau an der industriellen Arbeit überhaupt seinen Sättigungspunkt hat, von dem an er nicht mehr steigt, bleibt das gegenwärtige Problem umfassend genug. Die wirtschaftliche Lage Deutschlands nach dem Kriege hat das Problem als solches kaum verändert – um so weniger, als heute noch nicht übersehen werden kann, ob wir im bisherigen Umfang Industrieland bleiben und für die noch zu uns gehörigen Volksmassen Arbeit haben, und welche Umgestaltungen die bisherige Berufsschichtung erfahren wird. In den Krisen der Arbeitslosigkeit, die wir durchgemacht haben, die aber doch immer relativ kurzfristig gewesen sind, ist natürlich die Tendenz der Einschränkung der Ehefrauenarbeit aufgetaucht. Sie ist während der Geltung von Demobilmachungsvorschriften bis ins Jahr 1923 hinein geradezu Prinzip gewesen. Andererseits aber hat ihre privatwirtschaftliche Lage viele Ehefrauen zur Erwerbsarbeit direkt genötigt. Insbesondere haben junge Ehen gar nicht anders begründet werden können, als auf der gemeinsamen Arbeit von Mann und Frau. Für die Frauen bedeutete allerdings der Doppelberuf in dieser Zeit eine besondere Belastung wegen der unendlichen Schwierigkeit der Haushaltsführung unter der Herrschaft von Inflation und Lebensmittelknappheit zugleich. Darum werden allerdings auch die Erfahrungen dieser Zeit für die Gestaltung des Problems unter normalen Verhältnissen nicht typisch sein. Unter normalen Verhältnissen wird man vielmehr sagen können, daß der Familienberuf der Frau in den breitesten Schichten nicht mehr einen für ein ganzes Leben und eine volle Kraft ausreichenden Lebensinhalt geben kann. Wer das, was unsere Urgroßmütter im Eheberuf geleistet haben, nach seinem vollen Werte einschätzt, der kann nicht wünschen, daß für alles, was seitdem an Aufgaben innerhalb des Hauses weggefallen ist, gar kein Äquivalent eintrete. Lassen sich für die Frauen Arbeitsformen schaffen, die dem Familienberuf angepaßt werden können (Halbtagsschichten u. dgl.), so kann der Beruf eine gesunde und heilsame Verwertung von Kräften sein, die von der Familie nicht mehr voll beansprucht werden. Neben dem Interesse der Frau spricht möglicherweise auch das Interesse der Produktion selbst mit, die die Frauenkraft heute nicht mehr entbehren kann. Dieses Produktionsinteresse wird natürlich je nach lokalen Verhältnissen eine größere oder geringere Rolle spielen. In Gegenden, die aus geographischen und technischen Gründen auf eine Frauenkräfte erfordernde Industrie angewiesen sind, wird es sich sehr entschieden, an anderen Orten kaum bemerkbar machen. Im ganzen aber liegt es in der Natur der ökonomischen Entwicklung, daß sie die Kraft, die sie an einer Stelle frei macht, an einer anderen verwenden muß, eine Notwendigkeit, die ja auch ebenso stark im Interesse der Entwicklung der Rasse liegt. Der radikalen Forderung, alle berufsmäßige Frauenarbeit einzudämmen und die Frau ganz an die Aufgaben der Familie zurückzugeben, steht nun das Ideal prinzipieller Vereinigung von Beruf und Mutterschaft gegenüber. Und zwar in der Form einer zu ökonomischer Selbständigkeit befähigenden vollen Berufstätigkeit der verheirateten Frau. Man erhofft die Verwirklichung dieses Ideals von der Kombination verschiedener sozialer Einrichtungen. Erstens, als der unerläßlichen Grundlage, von einer allgemeinen Verkürzung der Arbeitszeit auf ein Maß, das der Frau ermöglicht, mit dem Manne zu konkurrieren, ohne ihren spezifischen Familienaufgaben zuviel Zeit zu nehmen. Allerdings erscheint es zurzeit als eine vollkommen utopische Vorstellung, daß die »gesellschaftlich notwendige« Arbeitszeit in einem Umfange eingeschränkt wird, der so erheblich unter dem Kraftmaß des Mannes bleibt, daß er sich dem Kraftmaß der doppelt in Anspruch genommenen Frau anpaßt. – Als zweite Vorbedingung zur Vereinigung von Beruf und Mutterschaft wird die Hausgenossenschaft vorgeschlagen, oder, wenn man von der genossenschaftlichen Betriebsform als einem nicht unbedingt notwendigen Erfordernis absieht, die Hausgemeinschaft, auf alle Fälle aber eine Einrichtung des hauswirtschaftlichen Betriebes, durch die seine Funktionen von Fachkräften für viele Familien zugleich ausgeführt werden können und durch die auf diese Weise die Frau von der gesamten mit der Haushaltsführung verbundenen Arbeitsleistung befreit werden kann. Diesen beiden Voraussetzungen, nämlich der Erleichterung des Berufs auf der einen Seite, der Ablösung der Haushaltspflichten auf der andern, müßte nun aber noch eine dritte hinzugefügt werden, durch welche der Frau auch in der Zeit, in der sie durch die Mutterschaft physisch unfähig zur Berufsarbeit gemacht wird, die ökonomische Selbständigkeit gesichert wird, das wäre eine ausgedehnte Mutterschaftsrente. Um wirtschaftlich durchaus unabhängig vom Manne zu sein, müßte die Frau in der Zeit vor der Geburt des Kindes und in der Zeit, wo das Kind physisch ihrer bedarf, als Staatsrentnerin von der Notwendigkeit des eigenen Erwerbs befreit werden können. Die Wartung der älteren Kinder würde dann, wie die Haushaltsführung, von geschulten Kräften übernommen und für viele Familien gleichzeitig besorgt. In einer solchen Umgestaltung der jetzigen Familie läge nach Ansicht derer, die sie vertreten, auch die Lösung des sittlichen Problems, insofern, als durch die ökonomische Selbständigkeit der Frau die Möglichkeit zu frühen Ehen gegeben wäre, und überhaupt der Zwang zur Aufrechterhaltung der Dauerehe, der von dem Interesse des Kindes ausging, sich lockern würde.

Für die Betrachtung der Frage unter den heutigen Verhältnissen erscheinen noch mehr als früher diese Pläne als sozialistische Utopien, die kaum mehr einer ernsthaften Diskussion bedürfen. Von einer Mutterschaftsrente, die für fünf bis acht Jahre die Frau von der Notwendigkeit der Erwerbsarbeit entlastet, konnte eine Zeit des Wohlstandes und Aufstiegs vor dem Kriege träumen – auch nur träumen; heute ist die widersprechende Wirklichkeit dazu viel zu drastisch. Aber auch die Einrichtung der Hausgenossenschaften unter gänzlicher Entlastung der Frau von Haushalt und Kinderwartung scheint unter privatwirtschaftlichen Verhältnissen nicht denkbar. Sowohl Henriette Fürth wie auch Marianne Weber haben in einer Kritik dieses Plans unwiderleglich nachgewiesen, daß eine solche Einrichtung unter den gegenwärtigen Verhältnissen der einzelnen Familie weit mehr kosten würde als die Erwerbstätigkeit der Frau einbringt. Hier würde also schließlich auch der Staat zu Hilfe kommen müssen, und die Frau würde erst dann für die Erwerbsarbeit vollkommen frei werden, wenn der Staat die Versorgung und Erziehung der heranwachsenden Generation der Familie ganz und gar abnähme. Überdies scheint es an einer lebendigen Tendenz zur Auflösung des Einzelhaushaltes ganz zu fehlen. Die Erfahrungen bei der Fürsorge für die Volksernährung während des Krieges haben gezeigt, daß bei allen Schwierigkeiten des Privathaushalts die große Mehrheit der Bevölkerung doch auf die bequeme Massenspeisung, soweit es nur irgend möglich war, verzichtete, um sich den Einzelhaushalt zu erhalten, wenn hier die theoretische Plänemacherei nicht tatsächlich auf unüberwindliche Instinktwiderstände stieße, so wäre nicht begreiflich, warum sich bei hundertjähriger Frauen-Industriearbeit (in England) nicht schon genossenschaftliche Haushaltungsformen durchgesetzt hätten. Man kann aber eher im Gegenteil eine wachsende Neigung zum Einzelhaushalt feststellen.

Und diese Tatsache legt die Frage doppelt nahe: wäre eine solche Auflösung der Hauswirtschaft im Kulturinteresse der Frau zu wünschen? Für die Beantwortung dieser Frage müssen wir vor allen Dingen den mechanischen Charakter des weitaus größten Prozentsatzes möglicher Erwerbstätigkeit in Betracht ziehen. Die Forderung, alle Frauen voll berufstätig der erwerbsmäßigen Gütererzeugung einzugliedern, läßt sich nur in der Weise erfüllen, daß den weitaus größten Scharen Verrichtungen zufallen, deren »lebenerhöhende« Macht, deren Wirkung auf die innere Regsamkeit gering ist. Gering auf alle Fälle, verglichen mit den Lebenselementen, die in einer als Kulturberuf erfaßten und ausgeübten Mutterschaft liegen, wir müssen uns klar machen, daß die Frau, die wir während ihres ganzen Lebens zur Erwerbstätigkeit bestimmen, dadurch mit hineingezogen wird in jenen großen Prozeß der Spezialisierung der Arbeit, in dem die Arbeit ihren Persönlichkeitswert ganz oder zum Teil verliert und sich in eine Unzahl Einzelverrichtungen eines von keinem zu übersehenden großen Prozesses auflöst. Ohne Frage wird dadurch die Frau einer unpersönlicheren, einseitigeren und an inneren Werten ärmeren Form der Lebenserfüllung ausgeliefert. Man muß, um die ganze Tragweite dieser Tatsache zu übersehen, doch auch noch die technische Möglichkeit in Betracht ziehen, daß innerhalb aller menschlichen Arbeitsleistungen der Gegensatz zwischen Erfindung und mechanischer Ausführung noch immer größer werden wird, d. h., daß die menschliche Arbeit in immer komplizierterer Organisation auf der einen Seite wachsende geistige Beherrschung, auf der anderen Seite aber zunehmend geistlose mechanische Ausführung entwickeln wird. Wäre schon dadurch im Frauenleben Spezialisierung an die Stelle von Individualisierung gesetzt, so würde der Verlust an individuellen Werten noch größer werden durch die Form der künftigen Kindererziehung. Es ist wohl im letzten Grunde eine Frage des ganz persönlichen Wertgefühls, ob man in einer Organisation der Gesellschaft, in der die Möglichkeiten ganz vertrauter persönlicher Beziehungen zwischen den Menschen so viel geringer sein werden, einen Kulturfortschritt sehen will. Allgemeingültig läßt sich aber doch vielleicht sagen, daß die Produktivität der Menschen oder wenigstens eine gewisse Form der Produktivität, die nämlich, die Persönliches schafft, in dem Maße zurückgeht, als die Menschen aus einfachen und innigen Beziehungen zur Familie, zum Besitz, zur Heimat, in kompliziertere und um ebenso viel äußerlichere hineingeführt werden. In Zustände, in denen ihre natürliche Zugehörigkeit zu irgendeinem kleineren oder größeren Kreis ersetzt wird durch ein Auf-sich-selbst-gestelltsein, das zugleich eine gewisse Isolierung des inneren Lebens mit sich bringt.

Nun sind ja freilich die modernen großstädtischen Wohn- und Arbeitsverhältnisse augenblicklich noch so beschaffen, daß auf ihrem Boden in weiten Schichten der Bevölkerung keine Familienkultur, auch bei der inneren Neigung dazu, mehr erwachsen kann. Und man kann sich angesichts solcher Zustände billig fragen, ob nicht schließlich der Verzicht auf den Familienzusammenhang, der keiner mehr ist, doch sowohl für das Menschentum der Frau wie auch für die moralische Erziehung der heranwachsenden Generation vorzuziehen wäre. Aber man darf sich eben durch die augenblicklichen und vielleicht vorübergehenden Mängel einer Institution nicht über deren kulturelle Bedeutung an sich täuschen lassen; es gilt, die Entwicklungsmöglichkeiten an sich gegeneinander abzuwägen. Es gilt, der Funktion, die die Familie ihrer Natur nach ausüben könnte, durch soziale Reformen wieder zu freier Entfaltung zu verhelfen.

Ziehen wir schließlich auch noch die von der materialistischen Betrachtung aufgebrachte Doktrin in Betracht, daß die Frau unter keiner Bedingung ein persönlich freies und innerhalb der sozialen Gemeinschaft selbständiges Wesen werden kann, wenn nicht, wie man sich ausdrückt, die »Sklavenketten« ihrer materiellen Abhängigkeit vom Manne zerbrochen werden. Es ist fraglos, daß diese »sexual-ökonomische« Lage der Frau, wie auch z. B. John Stuart Mill sehr stark hervorhebt, zugleich eine innere Abhängigkeit im persönlichen Leben und eine mindere Einschätzung innerhalb der sozialen Gemeinschaft zur Folge haben kann. Der Mann wird sich wahrscheinlich immer als Ernährer der Familie fühlen, solange er für die Beschaffung der häuslichen Bedürfnisse zu sorgen, das Geld oder auch nur den größeren Teil des Geldes zu geben hat. Immerhin muß man sich klar machen, daß diese Vorstellung erst im Zusammenhange mit der Geldwirtschaft überhaupt entstehen konnte. In all den bäuerlichen Verhältnissen, in denen Geld überhaupt eine geringe Rolle spielt und die zur Erhaltung der Familie notwendige Arbeit nicht so streng in die weibliche und die männliche Sphäre sich zerlegt wie etwa beim Industriearbeiter, wird der Gedanke, daß ausschließlich der Mann der Ernährer der Familie sei, überhaupt nicht entstehen können. Diese Vorstellung ist lediglich die Wirkung des Tauschmittels Geld. Weil die für einen fremden Arbeitgeber geleistete Arbeit des Mannes in vollem Umfange in Geld umgesetzt wird, die Arbeit der Frau aber, insofern sie im Hause liegt, unentlohnt bleibt, wird die Frau als wirtschaftlich abhängig vom Manne empfunden. Hat man sich einmal klar gemacht, daß nur diese Umlaufsform des Arbeitsertrages an der Vorstellung der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Frau schuld ist, so erscheint es als durchaus möglich, den Wert der hauswirtschaftlichen Leistungen der Frau in das allgemeine Bewußtsein zu erheben, auch wenn sie keinen Preis auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Hier kommt gerade die Tatsache, daß die Frau heute auch außerhäusliche Erwerbsarbeit leisten muß, der Einschätzung ihrer häuslichen Arbeitsleistung zu Hilfe. Es ist ein Gesetz der Wertbildung, der wirtschaftlichen sowohl als in gewissem Grade auch der geistigen, daß die Dinge erst dann schätzungsfähig werden, wenn man sie mit andern vergleichen kann. Und so kann man wohl sagen, daß die hauswirtschaftliche Arbeitsleistung der Frau erst dadurch in ihrer ganzen Bedeutung erkennbar geworden ist, daß die moderne industrielle Entwicklung die Gesellschaft einmal gezwungen hat, zu erproben, wie weit diese Arbeit sich reduzieren läßt, wie weit sie entbehrt werden kann. Und innerhalb der Grenzen, die auf diese Weise gefunden wurden, vollzog sich gewissermaßen die Materialisierung des Wertes der Mutterschaft und des Hausfrauenberufes; sie ist jetzt etwas wirtschaftlich schätzbares geworden. Damit ist aber auch die Grundlage dafür geschaffen, die Vorstellung der ökonomischen Unselbständigkeit der Frau zu zerstören und, wie wir nachher sehen werden, rechtliche Institutionen zu schaffen, die dieser veränderten Auffassung Rechnung tragen. Als ökonomisch abhängig kann eben doch schließlich in tieferem Sinne nur der angesehen werden, der für den Unterhalt, den er empfängt, kein gesellschaftlich vollwertiges Arbeitsquantum leistet. Die Frau aber kann nicht so betrachtet werden, wenn sie eine volle Lebensaufgabe erfüllt, die sich ja, wie die Dinge augenblicklich liegen, noch aus zwei Bestandteilen, der Arbeit in der Familie und der im Erwerb zusammensetzen wird.

Und damit kommen wir nun dazu, die Diagonale aus den beiden Richtungen zu ziehen, in denen man die Lösung des im Doppelberuf der Frau beschlossenen Problems gesucht hat. Es scheint eine radikale Lösung sowohl im Sinne des ausschließlichen Familienberufs wie im Sinne voller, lebenslänglicher, dem Quantum nach »männlicher« Erwerbsarbeit für jetzt ausgeschlossen und damit die Notwendigkeit gegeben, einen Ausgleich dieser zwei Formen für die soziale Verwertung der Frauenkraft zu suchen.

Dieser Ausgleich wird in Wirklichkeit tausend verschiedene Gestalten annehmen. Er wird im persönlichen Leben der einzelnen Frau das Zentralproblem ihrer Lebensgestaltung sein, die Frage, von deren Beantwortung ihr Glück oder Unglück abhängt. Beseitigen läßt sich dieser Konflikt aus dem Leben der Frau durch allgemeine Maßnahmen nicht. Es bleibt nichts weiter übrig, als ihn durch solche sozialen Institutionen zu erleichtern, die einerseits der Frau die Ausrüstung für ein befriedigendes Dasein auf dem Arbeitsmarkt gewähren, andererseits, ohne ihre Berufsfreiheit einzuengen, ihre Mutterschaft so weit schützen, als sie selbst bei der heutigen Lage des Arbeitskampfes dazu nicht imstande ist. Der Maßstab, nach dem sich die Grenzen der beruflichen Betätigung einerseits, der Inanspruchnahme durch Familie und Mutterschaft andererseits regulieren müßten, muß in dem Kulturwert der einen oder der anderen Wirkensweise gesucht werden. Es darf nicht in der Berufsarbeit das schlechthin Wünschenswerte deshalb gesehen werden, weil sie das Mittel ökonomischer Freiheit ist, sondern zu erstreben ist diejenige Form der Verwertung der Frauenkraft, durch welche ein Maximum von wertvollen Leistungen zu erreichen ist. Wertvoll im Sinne wirklicher Kultur ist aber das Differenzierte, Individualisierte, Spezifische. Die Möglichkeit zu solchen Leistungen kann natürlich für die einzelne Frau sowohl im Beruf wie in der Ausübung der Mutterschaft liegen. In den unteren Berufsschichten mit ihrer vorwiegend mechanischen und undifferenzierten Arbeit wird im ganzen der Familienberuf mehr Möglichkeiten zu persönlich wertvollem und deshalb auch persönlich befriedigendem Wirken bieten als die Erwerbsarbeit. Hier also wird im allgemeinen die Erwerbsarbeit nur in dem Maße wünschenswert sein, als sie neben dem Eheberuf, ohne seine volle Erfüllung zu beeinträchtigen, bestehen kann. Das entspricht auch durchaus dem Empfinden der Arbeiterinnen selbst, von denen die besseren Elemente den Wunsch haben, gegen die Überlastung durch die »Außenarbeit« besser geschützt zu sein. Die praktische Richtlinie, die sich daraus ergibt, wäre, bei voller Freiheit und Fürsorge für das Berufsleben der Frau, durch wirtschaftliche Reformen und gesetzliche Maßnahmen Zustände zu schaffen, die der Arbeiterin nicht ein größeres Maß von Erwerbsarbeit aufzwingen, als sie im Interesse ihrer Mutterschaft zu leisten fähig ist.

Hierher gehören natürlich vor allem die Fragen des Wöchnerinnenschutzes, hierher gehört die Ausgestaltung der Krankenversicherung, die Witwen- und Waisenversicherung, sowie, wie schon erwähnt, auf dem Gebiete der Frauenbildung die Einführung hauswirtschaftlicher Belehrung in Volks- und Fortbildungsschulen. Hierher gehört die ganze komplizierte Frage der Halbtagsschicht. Stillstuben in Fabriken (wie sie in Italien obligatorisch sind), Stillprämien, Milchverteilung usw. müßten in erweitertem Maßstabe der Mutter auch nach der gesetzlichen Schonzeit die Pflege ihres Kindes erleichtern, die Einführung aller technischen Erleichterungen in die Arbeiterwohnung ihre Familienaufgaben möglichst von überflüssigem materiellen Kraftaufwand entlasten. Hier alles einzelne aufzuführen ist nicht möglich und nicht notwendig. Staat, Kommune und private Wohlfahrtsarbeit haben hierzu schon gemeinsam Anfänge geschaffen: der Wohnungsreform, Säuglings- und Jugendfürsorge usw., deren Ausbau das Los der arbeitenden Mutter erleichtern muß, ohne ihr – das muß Maß und Richtschnur bleiben – ihren Familienberuf zu entleeren.

Außerhalb der durch alle diese Maßnahmen zu beeinflussenden Arbeitsschichten liegt dann aber noch das bis jetzt ziemlich kleine Gebiet der eigentlichen höheren Frauenberufe: von der Lehrerin bis zu künstlerischen, literarischen, wissenschaftlichen Berufsausübungen. Hier kann von außen her relativ wenig geschehen, um den Konflikt zwischen Beruf und Ehe zu erleichtern. Die Lösung wird mehr eine Aufgabe der einzelnen, und sie kann ihr auch eher überlassen werden. Denn die wirtschaftliche Lage in diesen Berufsschichten wird meist so sein, daß durch die Berufsarbeit der Mutter nicht das unbedingt Notwendige in der Pflege der Kinder gefährdet wird, weil die Mutter sich in dieser Hinsicht durch andere Kräfte entlasten kann. Und was die eigentlich erziehliche Fürsorge betrifft, so ersetzt die Atmosphäre des Hauses, die größere Geborgenheit durch die Umgebung manches, was in anderen Schichten nur durch die Aufmerksamkeit der Mutter geleistet werden kann. So wird es denkbar, daß eine berufstätige Frau unter Umständen für die Entwicklung ihrer Kinder wohltätiger wirkt als eine ängstliche Mustermama, die unausgesetzt an ihnen »erzieht«.

Ein soziales Problem im eigentlichen Sinne bietet aber auch innerhalb dieser Berufe die Stellung der Beamtinnen zu Ehe und Mutterschaft. Der Artikel 128 der Reichsverfassung hat bestimmt, daß »alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte beseitigt werden«. Als solche Ausnahmebestimmung ist vor allen Dingen der in den meisten Staaten und Verwaltungen herrschende Grundsatz verstanden, daß die Beamtin im Fall ihrer Verheiratung aus dem Beruf ausscheiden muß. Auf Grund der Verfassung war also nun allgemein die Möglichkeit geschaffen, den Beruf in der Ehe beizubehalten. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten brachten es mit sich, daß von dieser Möglichkeit ein verhältnismäßig weitgehender Gebrauch gemacht wurde. Insbesondere in den Verwaltungszweigen der Post und Eisenbahn, aber auch im Lehrberuf gingen zahlreiche Beamtinnen unter Beibehaltung ihres Amtes eine Ehe ein. Daß sie im Amt blieben, war zweifellos zum größeren Teil auf die wirtschaftlichen Gründe zurückzuführen. Der Verdienst des Mannes reichte nicht zum Lebensunterhalt für zwei, oder doch dann nicht, wenn noch Hausrat beschafft oder Angehörige erhalten werden mußten. Bei einem Teil dieser Frauen – insbesondere bei den Lehrerinnen – wird auch die Anhänglichkeit an den Beruf mitgesprochen haben. Vielfach war das Verbleiben im Beruf sicher nur als Provisorium gedacht – bis ein richtiger Haushalt begründet werden konnte (der oft aus Wohnungsmangel nicht möglich war), bis Kinder kamen, bis gewisse wirtschaftliche Verpflichtungen abgedeckt waren. Die Erfahrungen über die Möglichkeit der Vereinigung von Beruf und Ehe lassen sich nur so weit statistisch erfassen, als die Frage nach der Berufsleistung in Betracht kommt. Sie waren verschieden, für die Lehrerinnen günstiger als für die Postbeamtinnen, aber doch im ganzen mehr negativ als positiv. Ungeheuerliche Versäumnisziffern im Dienst wurden insbesondere bei den Postbeamtinnen festgestellt. Bei ihrer Beurteilung wird man allerdings die abnormen Verhältnisse der Jahre berücksichtigen müssen, in denen sie gemacht sind: allgemeiner Niedergang der Berufsdisziplin, allgemeine Herabsetzung der Leistungsfähigkeit und ungeheure Erschwerung der Hauswirtschaft. So lassen diese Erfahrungen sicher keinen Schluß auf normale Zeiten und Umstände zu und machen eine eingehende grundsätzliche Prüfung der Frage keineswegs überflüssig. Leider ist jedoch aus einem gleichfalls zeitgebundenen und zufälligen Grunde das Experiment zunächst nahezu abgebrochen. Die notwendige Verminderung des Beamtenkörpers aus Ersparnisgründen hat zunächst zur Entlassung der meisten verheirateten Beamtinnen geführt. Nach der Verordnung der Reichsregierung sollten wirtschaftlich gesicherte Beamte vor wirtschaftlich nicht versorgten entlassen werden, und die verheirateten Beamtinnen wurden als in der Regel »versorgt« angesehen. Form und Bedingungen dieser Entlassung stehen zweifellos im Widerspruch mit der Verfassung und werden sich auf die Dauer nicht aufrecht erhalten lassen. Um so eher bedarf die Frage einer objektiven Prüfung.

Für die Vereinigung des Berufs mit der Ehe werden folgende Gründe angeführt: 1. die wirtschaftlichen Vorteile aus dem Zuschuß der Frau zum Familieneinkommen; 2. die Verwendung der durch die Ehe keinesfalls vollbesetzten Arbeitskraft der Frau in dem einmal gelernten Beruf; 3. umgekehrt die Befreiung der berufstätigen Frau von dem sogenannten »Zölibat« und 4. schließlich die Bereicherung der Berufsarbeit der Frau durch alle die Erfahrungen und Interessen, die ihr die Mutterschaft vermittelt.

Was ist zu diesen vier Gründen zu sagen? Was die wirtschaftliche Seite betrifft, so ist es im allgemeinen sicher nicht wünschenswert, daß als Norm die wirtschaftliche Existenz einer Familie auf den Zuschuß der erwerbenden Frau mit begründet wird. Eine Ehe, bei der die Frau miterwerben muß, ist, volkswirtschaftlich betrachtet, ein Symptom ungesund niedriger Entlohnung des Mannes, und es ist immer bedenklich, solche Unzulänglichkeiten im einzelnen Fall durch die Mitarbeit der Frau minder empfindlich zu machen. Es handelt sich also im volkswirtschaftlichen Interesse immer nur um den Vorteil, daß die Frau ein an sich genügendes Familieneinkommen durch ihre Berufsarbeit erhöht. An diesem Vorteil hätte freilich die Allgemeinheit nur dann ein Interesse, wenn mit Hilfe eines erhöhten Einkommens eine größere Zahl von gut ausgebildeten Kindern von dieser Familie ins Leben gestellt würde. Eine hohe Kinderzahl aber schließt naturgemäß und notwendig die volle amtliche Berufsarbeit der Frau aus. In Deutschland ist die Zeit praktischer Erfahrungen mit der verheirateten Beamtin zu kurz, als daß sich über ihre Kinder etwas Endgültiges feststellen ließe. In Österreich hatten nach einer früheren Statistik von den verheirateten Lehrerinnen (17 % der gesamten Lehrerinnen) fast zwei Fünftel gar keine Kinder und über zwei Fünftel nur ein oder zwei Kinder, so daß nur noch ganz einzelne als Mütter von mehr als zwei Kindern übrig bleiben.

Ideelle Gründe, deretwegen man die Vereinigung des Beamtinnenberufs mit Ehe und Mutterschaft wünscht, können eigentlich nur bei den Lehrerinnen in Frage kommen. Man könnte vielleicht sagen, daß die Lehrerin mit den Erfahrungen der Mutter den vollkommeneren Typ der Erzieherin darstelle. Verwirklichen aber würde diesen Idealtyp nur eine ganz kleine Zahl besonders leistungsfähiger Frauen, weil eben das, was er in sich vereinigen soll, das Kraftmaß des Durchschnitts übersteigt. Der Lehrerinnenberuf ist in seiner heutigen Struktur ein voller – der Mutter- und Hausfrauenberuf mindestens noch ein Zweidrittel-Lebensberuf. Beides zusammen gibt mehr, als von einem Menschen bewältigt werden kann. Davon ist nun einmal nichts abzustreichen. Die Frau, die beides vereinigen will, hat Kompromisse zu schließen. Und ob dieses Kompromiß in der Mehrzahl der Fälle etwas persönlich und sozial wünschenswerteres ergibt, als die glatte Entscheidung nach der einen oder anderen Seite – das ist fraglich. Es gibt selbstverständlich Frauen, für die der Verzicht auf Ehe und Mutterschaft nicht ohne eine empfindliche Einbuße an Lebensenergie und Lebensfreude und damit an beruflicher Leistungsfähigkeit geschieht, für die ein Kompromiß die glücklichere Lösung wäre. Im Interesse dieser Frauen und der Ausnahmenaturen, die wirklich einem Doppelberuf gewachsen wären, muß gefordert werden, daß nicht ein für allemal das Verbleiben der verheirateten Lehrerin im öffentlichen Schuldienst ausgeschlossen wird. An der Aufrechterhaltung des Artikels 128 der Reichsverfassung hat auch die Lehrerinnenschaft als solche ein Interesse, da der Ausschluß der verheirateten Lehrerin aus dem öffentlichen Schuldienst einen ungerechtfertigten staatlichen Eingriff in die private Sphäre bedeutet. Der Staat hat für nichts weiter zu sorgen, als daß das Interesse der Schule durch die Verheiratung der Lehrerin nicht leide, das heißt, daß sie in der Schule ihre Pflicht voll erfüllt. Es ist gerechtfertigt, wenn er sich die Möglichkeit offen hält, eine Lehrerin, die durch Mutterschaft und Familienberuf ihre Pflicht unzulänglich erfüllt, im Disziplinarwege zu entlassen. Das wäre aber auch alles, was zur Sicherheit der Schule notwendig wäre.

Daß nun umgekehrt die Schule von der verheirateten Lehrerin im allgemeinen einen großen Gewinn zu erwarten habe, wie man oft behaupten will, dafür lassen sich kaum Beweise erbringen. Das Einzige, worin sich in Ländern, in denen man mit der Arbeit verheirateter Lehrerinnen Erfahrungen gemacht hat, eine gewisse Überlegenheit der verheirateten über die unverheiratete Lehrerin gezeigt hat, ist der Umgang mit ganz kleinen Kindern in Kleinkinderschulen und Bewahranstalten. Im Schulunterricht, so wird berichtet, sei kein Unterschied, und man ziehe hier die sonst unbelastete, unverheiratete Lehrerin vor, die ihr ganzes natürliches Interesse am Kinde der Schule zuwende.

Zum Schluß haben wir nun noch eine Forderung zu erörtern, die für das Problem Beruf und Ehe in allen Schichten gleichmäßig gilt: Das ist die Forderung einer Umgestaltung der Rechtsstellung der Frau in der Ehe, die ihr auch im Familienberuf eine gewisse ökonomische Selbständigkeit sichert. Es müßte der Frau rechtlich ein bestimmter Prozentsatz des Einkommens ihres Mannes zu freier Verfügung gestellt werden. Der Vorschlag ist nicht so ungeheuerlich, wie er manchem auf den ersten Blick erscheinen mag, wenn man bedenkt, daß ja auch schon heute in der Unterhaltspflicht des Mannes und in der Schlüsselgewalt der Frau die Ansätze zu solcher relativen ökonomischen Selbständigkeit liegen. Diese Bestimmungen müßten eine Form bekommen, durch welche die Frau, vor Willkür und Laune sichergestellt, die ihr zustehende Summe nicht als eine jedesmalige persönliche Gunst, sondern als ein anerkanntes Recht in Anspruch nehmen könnte. Nur durch eine derartige Bestimmung wird man, wie die Dinge heute liegen, verhindern können, daß die ökonomische Selbständigkeit der Ehefrau durch außerhäusliche Erwerbsarbeit immer weiteren Frauenkreisen zu einem unter allen Umständen anzustrebenden Ideal wird. Alle diese hier kurz angedeuteten sozialpolitischen, rechtlichen, pädagogischen Maßnahmen können den Dualismus aus dem Leben der Frau, den Dualismus von Beruf und Ehe, nun freilich nicht mechanisch entfernen. Sie können nur verhindern, daß der Frau die Form, die der Konflikt im einzelnen Fall annimmt, von außen her aufgedrängt wird, durch schrankenlose industrielle Ausbeutung, durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit, durch ihre mangelhafte Bildung. Und sie können dazu helfen, daß die Frau, wenn sie die innere Kraft besitzt, doch auch die äußere Möglichkeit hat, aus ihrem Leben auf die eine oder die andere Weise etwas Ganzes zu machen.


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