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Scheidung der Geister

Die geistigen Kräfte eines Menschen oder eines Volkes, welche wie ein Bündel von Keimen in diesen schlummern, müssen sich voneinander trennen, miteinander konkurrieren, einander widerstreben – wenn jeder einzelne von ihnen und wenn das Ganze gedeihen soll. Erziehung geht darauf aus, eine derartige innere Entwickelung geordnet und gleichmäßig zu gestalten. Sie spielt eine Kraft gegen die andere aus; sie fördert, gegenüber den niederen, die höheren Kräfte des menschlichen Einzel- und Gesamtindividuums. Es ist also notwendig, daß die Natürlichkeit sich mit der Unnatürlichkeit auseinandersetzt: es ist notwendig, daß die unteren und die oberen Mächte des menschlichen Geistes sich scheiden: nur so kann ein harmonisches Menschendasein sich entwickeln. Die Besonnenheit hat mit der Plattheit, das Geniale mit dem Trivialen, das Ewige mit dem Vergänglichen zu kämpfen. In gewissen Momenten des Volkslebens spitzt sich dieser große Streit ganz besonders zu; es kommt dann Zu einer Entscheidungsschlacht.

1. Götter und Giganten

Große Entscheidungen lehren in der Form der Auseinandersetzung feindlicher Kräfte, im materiellen wie geistigen Weltleben regelmäßig wieder. Dem Kampf zwischen Hitze und Feuchtigkeit, wie er sich in der wirklichen Atmosphäre als Gewitter entladet, entspricht der Streit der Geister des Lichts mit denen der Finsternis, wie ihn die Bibel, oder der Götter mit den Giganten, wie ihn die griechische Dichtkunst dargestellt hat. Was in der letzteren die Naivität ursprünglich empfindender Seher und Dichter zu phantasiegebornen Gestalten verkörperte, das sieht der moderne Mensch nah und handgreiflich und nur allzu wirksam vor sich: falsche Geistesgewalten, die sich den Thron der Welt anmaßen wollen. Wie vor 300 und 3000 Jahren hat diesen Streit noch heute die Menschheit durchzukämpfen:

bei alt böse Feind,
mit Ernst er's letzt meint ...
Das Reich muß uns doch bleiben.

Die geistigen Ahnen des deutschen Volkes, die Vertreter seiner großen typischen Eigenschaften, die ihm überlieferten historischen Ideale – kurz, seine Helden sind es, mit denen und für die er gegen das Gemeine kämpfen soll. Daß diese Heroen noch lebendig sind, daß man sie nur aufzurufen braucht, um ihres sieghaften Beistandes in der unvermeidlichen Geistesschlacht gewiß zu sein – das ist die schöne Wahrheit, die hell durch das Dunkel der geistigen deutschen Gegenwart leuchtet. Ihre Taten und Gesinnungen, ihre Gedanken und Gefühle, ihre Sprüche und Prophezeiungen richten sich, wie die Blitze und Donnerkeile jener griechischen Göttergestalten, gegen die selbstüberhebende Schar der Trivialen von heute. Unabhängig von Zeit und Raum saust dieser hageldichte Regen von Geschossen auf die »Erdsöhne«, die Materiellen, herab. Und er wird seine Wirkung nicht verfehlen.

Der Kampf zwischen den griechischen Göttern und Giganten wurde dadurch entschieden, daß den ersteren ein starker Held: Herakles zur Hilfe kam. Der Kampf zwischen den deutschen Geisteshelden und Giganten dürfte ähnlich entschieden werden; und durch einen ähnlichen starken Bundesgenossen. Dieser neue und heutige Herakles, ebensosehr ein Sohn des Himmels wie der Erde und von unüberwindlicher Stärke, ist – das Volk; ja fast könnte man sagen, es sei der Bauer; wie denn auch der altgriechische Herakles manche bäuerliche Züge in seinem Charakter aufweist. Der deutsche Michel ist ein Bauer; er bildet die volkstümliche und heitere Kehrseite zu seinem ernsten und vornehmen Namens- und Geistesvetter, dem die Deutschen beschützenden heiligen Erzengel Michael; daß die derbe und die edle Volkskraft von Rechts wegen zusammengehören, wird hier sogar durch die Gemeinsamkeit des Namens ausgedrückt. In dem Kampf zwischen Genialität und Trivialität gibt die Natürlichkeit, welche auf feiten der erstern steht, immer den Ausschlag. Der beste Verbündete der Aristokratie ist – das Volk.

Die alte Parallelität mythischer wie geistiger Vorgänge und Vorstellungen bewährt sich in diesem Fall; und sie wird durch einen eigenen kunstgeschichtlichen Umstand noch nachträglich illustriert. Deutschland besitzt in dem zu Berlin befindlichen pergamenischen Altarwerk die hervorragendste antike Darstellung jener griechischen Göttermorgendämmerung. Aber die Morgenröte ist der Abendröte verwandt; die jetzige sinkende deutsche Bildung, welche sich mit der demnächstigen steigenden deutschen Bildung auseinandersetzen muß, hat in jenem großen, dekorativen Werke ihr eigenes Spiegelbild vor sich, und zwar sachlich wie künstlerisch genommen. Die Gestalten des pergamenischen Altars gehören einer sinkenden, ja versinkenden Kunstepoche an; sie zeigen bei hoher technischer Virtuosität ein inneres Pathos, welches nicht mehr gesteigert werden und also auch keine Weiterentwickelung auf der gleichen Bahn gestatten kann; sie erinnern dadurch an die Kunst Richard Wagners. Wie in mythologisch-inhaltlicher das erste, sprechen sie in künstlerisch-formaler Hinsicht das letzte Wort der schaffenden griechischen Phantasie. Die heutige deutsche Musealbegeisterung, welche in dem genannten Kunstwerk ihre bedeutendste Leistung geliefert hat, erscheint gleichfalls als das letzte Wort und wenn man will als der Schwanengesang einer untergehenden Bildungsepoche. Auch hier knüpft sich das Ende an den Anfang; die registrierende Tätigkeit erinnert immer noch ein wenig an die produzierende, die Museen an die Musen. Der pergamenische Altarfries wurde errichtet zu Ehren des Sieges einer griechischen Kulturmacht über barbarische Horden, welche sie von außen her mit Vernichtung bedrohten; und es waren gallische Horden, welcher man sich damals zu erwehren hatte. Die künstlerische Richtung von Zola und die wissenschaftliche von Dubois-Reymond führen im letzten Grunde gleichfalls auf gallischen Einfluß zurück; und gallische Einflüsse sind im heutigen Theater-, Literatur- wie Kunstleben Deutschlands häufig zu spüren; besonders die »Berliner Bildung« französiert gern. Und hierbei sind ungesundjüdische Einflüsse besonders tätig; die Giganten haben ihre Schlangenfuße: aber auch diesen ist die deutsche Kraft gewachsen! Durch galloromanischen Einfluß, der zurückzuschlagen war, ist das deutsche Kaiserreich gegründet worden; durch galloromanischen Einfluß, wenn er zurückgeschlagen wird, läßt sich auch die neue deutsche Bildung gründen. Siegt deutsches über – im schlechten Sinne – französisches, gesundes eingebornes über krankes fremdartiges Wesen, so ist das Vaterland gerettet. Das lehrt die Berliner Bildung, das Berliner Museum, die Berliner Gigantomachie! Die Dämonen, welche die letztere uns vorführt, sind »ein Teil der Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft«. Giganten wälzen, Götter bilden; für den, der das Göttliche in der menschlichen Natur zu schätzen weiß und zu pflegen gedenkt, ist es keine Frage, welcher der beiden Parteien er sich anschließen muß: derjenigen der Umwälzung oder derjenigen der Umbildung. Wie die Giganten mit tiefer Symbolik innerhalb der griechischen Kunst und Architektur vorzugsweise als tragende Kräfte verwandt werden; so wird auch die jetzige wissenschaftliche Allgemeinbildung der Deutschen, wenn sie vor ihrer künftigen mehr künstlerischen Allgemeinbildung unterlegen sein sollte, immer noch als eine, ja als die tragende Kraft innerhalb des Baues eines echt deutschen Geisteslebens dienen müssen. Der Ausgleich zwischen tragenden und getragenen Kräften ist das letzte Ziel einer jeden geistigen wie künstlerischen Auseinandersehung; dieser Ausgleich ist für Deutschland erreicht, wenn seine spezialistische wissenschaftliche Bildungsepoche nur als eine Vorbereitung für seine universelle künstlerische Bildungsepoche angesehen wird: wenn auf das Piedestal die Statue zu stehen kommt. Und wann wird sich diese große Wandlung vollziehen? Am Allerdeutschentag.

2. Pharisäerwahn

Es ist bezeichnend und vielleicht nicht genügend bekannt, daß das altjüdische Pharisäertum einen durch und durch demokratischen Stand darstellte; er war jedermann aus dem Volle zugänglich; er war ein Stand von hochmütigen Parvenüs. Sie handelten also ganz konsequent, wenn sie die Hoheit des Geistes in Christus bekämpften; und dieser handelte ganz konsequent, wenn er die Gemeinheit des Geistes in ihnen bekämpfte. Auch sie machten aus der Religion einen »äußeren Mechanismus, den jeder handhaben kann, der die Konstruktion desselben kennt«; sie entzogen ihr das innere Leben; sie machten sie zur mongolischen Gebetsmühle. Dazu darf die deutsche Wissenschaft, die deutsche Kunst, das deutsche Geistesleben nicht herabgewürdigt werden; das wäre eine plebejische Weltauffassung; einer solchen hat der geistige, der sittliche, der politische, der körperliche Adel entgegenzutreten. Echtes und Unechtes, Adel und Pöbel, Wahrheit und Lüge stehen sich unversöhnlich gegenüber. Noch heute handelt es sich um ganz dieselbe Scheidung wie einstmals. Alles Leben ist Kampf; so auch das Leben der Deutschen; es ist ein Kampf zwischen Volkstum und Plebejertum. Diese beiden Begriffe können nicht scharf genug auseinander gehalten werden; auf ihrer Verwechslung beruht das Unheil wie auf ihrer Scheidung das Heil des deutschen Volkslebens. Bismarck und Rembrandt sind volkstümlich, Eugen Richter und Zola sind plebejisch. Liebe zum Volk und Haß gegen den Pöbel – so heißt das neue deutsche Evangelium. Eben dieser Gegensatz betätigt sich noch auf einem weit höheren Schauplatz: Eine immer gültige, rein natürliche Bedeutung des Lebens und Leidens Christi besteht darin, daß es uns versinnlicht, wie stets der edlere Teil der Menschheit von ihrem gemeineren Teil angegriffen, verfolgt, und gepeinigt wird. Politische wie geistige Tendenzen gehen miteinander stets parallel – in den größten wie in den kleinsten Kreisen, in den ältesten wie in den neuesten Zeiten; das rein Menschliche und Volkstümliche, verkörpert in einer bedeutenden Persönlichkeit, hat überall seitens der Doktrinäre einen fanatischen und oft für die Gesamtheit verhängnisvollen Widerstand gefunden; gar zu gern appellieren diese an die rohe Masse. Die Pharisäer, welche Christus, und die Republikaner, welche Cäsar ermorden; der fanatische Fortschrittler, welcher auf Bismarck schießt; sie sind einander innerlich verwandt. »Es ist das alte Schauspiel: die Irren, welche ihren Arzt erschlagen«, sagt Hebbel über Cäsars Tod; »jetzt jubeln sie mir zu, früher spuckten sie vor mir aus«, hat der deutsche Reichskanzler noch 1888 über sich bemerkt; »morgen wählen sie doch einen Sozialdemokraten«, äußerte Kaiser Wilhelm I. in seinen letzten Lebenstagen, als das Volk vor seinem Fenster jauchzte. Es scheint, daß die Menschen sich hierin stets gleich bleiben; aber der Vernünftige wird es nicht mit der Masse, sondern mit den Männern hatten. Die Masse allein ist nicht das Volk.

Wie die religiösen Pharisäer stets von dem Prophetentum, leben die geistigen Pharisäer stets von dem Poetentum. Das ist die tiefe Lüge ihres innern Daseins; aber auch diese rächt sich einmal. Denn wer Gott oder edler Poesie zu dienen vorgibt, indem er sie verleugnet, der ist dem Tod verfallen. Gefühl und Erkennen, Kunst und Kritik, Religion und Wissenschaft, die im Grunde dieselben Freunde und dieselben Gegner haben, entwickeln sich nur dann recht, wenn sie sich menschlich entwickeln. Auf Kreuzigung folgt Auferstehung; auf Auferstehung aber in nicht ferner Zeit ein Untergang der betreffenden ungerechten Richter. Mögen sich diese also auch heutzutage nicht allzu sicher fühlen. Das Publikum wird ihnen freilich vorläufig glauben; denn sie sind »Fachmänner«. Die betörte Masse, der hochmütige Pharisäer und die leidende Menschennatur – es sind immer die drei gleichen Elemente, welche in großen geistigen Entwickelungskämpfen wiederkehren. Aber die reine menschliche Seele, die Volksseele, die Einzelseele triumphiert über alles; keine materiellen oder geistigen Martern können sie vernichten; keine Bildungsschablone kann sie so einzwängen, daß nicht noch ein Funke ihres Lebens übrig bliebe. Sie ist stark und sie ist zart. Nenn die Vertreter einer greisenhaften, liebeleeren Kultur meinen, sie vollends totgemacht zu haben und nun in selbstgefälligem Dünkel den »kahlen, schuldigen Scheitel« noch ein wenig höher tragen als sonst; so taucht sie plötzlich wieder auf: lächelnd jung und unbesiegbar. Der Hochmut wird doch immer vor der Bescheidenheit unterliegen. Solange das deutsche Volk sich diesen hohen Glauben bewahrt, ist es nicht verloren; soweit es ihn tapfer verteidigt, hat es eine Zukunft; und sobald es ihn verwirklicht, ist es groß.

3. Edles und unedles Judentum

In jeder Nation waltet eine edle und eine gemeine oder, wenn man will, positive und negative Volkskraft; man kann dies Verhältnis eines Volkes zu sich selbst als dessen »seelische Polarität« bezeichnen: im Gegensatz zu der bereits erwähnten »geschichtlichen Polarität«. Um jedes Volk streiten sich Gott und der Teufel; so auch um das Volk der Juden. Ein echter und altgläubiger Jude hat unverkennbar etwas Vornehmes an sich; er gehört zu jener uralten, sittlichen und geistigen Aristokratie, von der die meisten modernen Juden abgewichen sind; in dieser Hinsicht fühlte Lord Beaconsfield also halbwegs richtig, als er sie für den ältesten Adel der Welt erklärte. In Rembrandts Vorliebe für die Juden begegnen sich seine lokale und seine vornehme Gesinnung, sein Blick in die Nähe und sein Blick in die Höhe. Er hatte diese Menschengattung täglich vor Augen; denn er wohnte in der Judenbreitstraße zu Amsterdam; die Keime solcher künstlerischen und geistigen Besonderheiten liegen oft näher zur Hand, als man meint. Rembrandts Juden waren echte Juden; die nichts anderes sein wollten als Juden; und die also Charakter hatten. Er hielt es mit den aristokratischen, nicht mit den plebejischen Juden; jene zogen ihn, trotz ihrer Fremdartigkeit, als verwandte Geister an; diese, wie sie heute vielfach sind, würde er verabscheut oder nie begriffen haben. Es ist ein weiter Weg von Abraham, Hiob, Jesajas, dem Psalmisten, bis zu den heutigen Börsenjobbern; so weit wie der vom Edlen bis zum Gemeinen; und man darf diesen Unterschied nie vergessen. Die wahrheitsliebende Rahel sagte von ihrem eigenen Bruder, daß er ein »Schuft« sei; sie schied sich von ihm wie sie mußte; denn sie war eine sittliche, geistige und sogar soziale Aristokratin. In Heine trifft sich gewissermaßen dies Geschwisterpaar. Börne war ein ehrlicher Mann; seinen Religionswechsel kann man bedauern wie den Winckelmanns, d.h. jeden nicht mit ganzer Seele vollzogenen; aber man muß ihn entschuldigen. Er selbst hat die Geldgier seines Volkes verdammt. Glanz und Elend, Licht und Schatten liegen mithin in den Juden dicht beieinander; sie stellen eine echt Rembrandtsche Mischung dar; kein Wunder, daß sie diesem Künstler gefielen. Was verwerflich an ihnen ist, übergeht er oder weiß es durch den Hauch seines Geistes zu adeln. Spinoza, der einsame Glasschleifer in seinem Dachstübchen, würde den passendsten Gegenstand für eine Radierung Rembrandts abgegeben haben. Letzterer trug, nach der Periode seines Sturzes, dessen schmerzliche Folgen mit einer philosophischen Ruhe und Fassung, welche des ersteren ganz würdig gewesen wäre. Glanz und Schatten erfüllt sie beide von innen wie von außen; Glanz und Schatten werfen sie gegenseitig aufeinander. Spinoza hat etwas von deutscher Unbeugsamkeit in seiner Gesinnung und Rembrandt etwas von orientalischer Schmiegsamkeit in seiner Kunst: jeder von ihnen ist so bedeutend, weil es ihm als Person gelungen ist, etwas dem Charakter seiner Rasse Entgegengesetztes in sich aufzunehmen und diesen dadurch zu befruchten.

In Handels Oratorien hat sich echt alttestamentlicher Charakter zu echt deutschem Charakter verklärt; starker menschlicher Geist lebt in ihnen; und sanfter göttlicher Geist spricht aus ihnen. Das ist Polarität. Die heimische Seele bedarf des leisen Anstoßes aus der Fremde; er trübt sie, aber er trübt sie göttlich; denn er trübt sie zur Zeugung, zum Schaffen, zum höheren Leben. Zweifellos hat Luther an Sprachgewalt von dem Psalmisten viel gelernt; und zweifellos ist Goethe von Spinoza, wie dieser von den Holländern, stark befruchtet worden: so sollten vornehme Juden und vornehme Deutsche einander befruchten.

Die altjüdische Einrichtung des Jubeljahrs beruht auf einer wahrhaft erhabenen Idee; diese löst, in ihrer Art, die soziale Frage; indes stehen von einer solchen Idee heutige Durchschnittsjuden weltweit ab. Sie halten das Gesetz nicht mehr! Ihre Ausbeutungsgier ist oft genug grenzenlos; sie gehen krumme Wege; und ihre Moral ist nicht unsere. Sie würdigen Kunst wie Wissenschaft herab; es zieht sie gern zum Pöbel; sie sympathisieren geradezu mit der Fäulnis. Ein allerliebstes Bild Schwinds in der Schackschen Galerie zu München stellt den kirchenbauenden heiligen Wolfgang dar, wie ihm der Teufel auf einem Schubkarren Steine zuführen muß, dienend und doch widerstrebend; so verhält sich das schlechte Judentum, von dem sich einst Jesajas schied: und von dem sich die edlen Geister stets scheiden werden, zu dem echten Deutschtum. Der Deutsche, der das gute Judentum so oft anerkannt hat, wird sicherlich auch das niederträchtige Judentum zu strafen wissen; und derjenige Jude, welcher sich rein fühlt, wird ihm zu folgen haben. Er wird sich von seinen korrupten Stammesgenossen unbedingt lossagen müssen. Spinoza hat es getan; den schärfsten Angriff, den das Judentum als solches bisher überhaupt erfahren hat, hat er in seinem theologisch-politischen Traktat gegen dieses gerichtet; so wenig christlich er sonst ist, folgt er hier doch den Spuren Christi. In die so wichtige Judenfrage wird ein etwa kommender »heimlicher Kaiser« tätig eingreifen müssen; er wird sein Szepter zu neigen und die Schafe von den Böcken zu sondern haben; denn ein Herrscher soll vor allem gerecht sein. Gerecht aber ist es, für das Edle und gegen das Gemeine einzutreten; dem Edlen wie Gemeinen gleiche Rechte einzuräumen, ist eine Scheingerechtigkeit, es ist nur eine Gerechtigkeit von Teufels Gnaden. Es ist keine deutsche Gerechtigkeit. Wer ein rechter Israelit ohne Falsch ist, wie die Bibel sagt, der wird sicherlich jenem künftigen Richter und Führer willkommen sein; willkommen als ein ehrlicher und vielleicht auch geistvoller Fremdling; von den »gefälschten« morallosen Juden gilt dies nicht. Ein Deutschland, in deren Sinne gehalten, wäre dem Fluche verfallen. Echten Juden können sich daher echte Deutsche recht wohl befreunden; auch solchen, die sich wie Spinoza, Rahel, Börne nur ein edles, abstraktes Judentum bewahrt haben; aber gegen alle unechten Juden werden alle echten Deutschen stets zusammenstehen.

Indes muß auch hier vor einem Abweg gewarnt werden; an Stelle des heute vielfach in Deutschland herrschenden plebejischen Semitismus darf man nicht einen plebejischen Antisemitismus setzen; die künftige deutsche Kultur soll beiden solchen Richtungen gleich fern stehen. Und dies läßt sich noch deutlicher formulieren. Das deutsche Volk darf stolz darauf sein, einen solchen Gast wie die Rahel beherbergt zu haben – was der plebejische Antisemit nie zugeben wird; das deutsche Volk hat ein Recht, mauschelnde Literaturgrößen von heute zur Tür hinaus zu befördern – was der plebejische Semit nie zugeben wird. Möge also der Deutsche auch hierin sich aristokratisch zeigen.

4. Fäulnis und akademische Jugend

Wie in der Politik, so muß auch in der Kunst die Gesundheit sich mit der Fäulnis auseinandersetzen. Der schlecht jüdische Charakter, welcher so gern mit Zola sympathisiert, ist wie dieser dem rein deutschen Wesen eines Walther v.d. Vogelweide, Dürer, Mozart völlig entgegengesetzt; dieses Gegensatzes sollten sich die Deutschen heute am meisten auf zwei wichtigen Gebieten des öffentlichen Lebens: in Presse und Theater, erinnern. Der Journalist sollte ein Priester der öffentlichen Meinung sein, heute ist er oft nur deren Pfaffe. Soweit insbesondere die sogenannten Jüngstdeutschen das jetzige deutsche Geistesleben beeinflussen, gilt von ihm der scharfe Spruch des so überaus humanen, aber geistige Ausartungen unerbittlich geißelnden Altmeisters Goethe: »Juden und Huren, die werden's fressen.« Das deutsche Theater selbst, welches sich jetzt überwiegend in den Händen moderner Juden befindet, ist unfruchtbar, trivial und teilweise unzüchtig geworden; seine Reinigung wie Neubelebung gäbe mehr als einem Lessing zu tun. Hier tun scharfe Mittel not! Im achtzehnten Jahrhundert gingen Minister und Mätressen Hand in Hand, zum Schaden des deutschen Volkes; im letzten Jahrhundert gingen verderbtes Professoren- und Judentum Hand in Hand, zum Schaden des deutschen Volkes. Was einst Wöllner und die Gräfin Lichtenau, das sind neuerdings Dubois-Reymond und Paul Lindau; beide Paare wirkten als fäulniserregende Keime; wie das eine auf politischem, so das andere auf geistigem Gebiet. Wann wird wohl der deutsche Dichter erscheinen, der diese in einem Drama kennzeichnet, wie Lessing in »Emilia Galotti« und Schiller in »Luise Millerin« jene gekennzeichnet haben? Freilich mußte es ein Dichter sein, gegen den Ibsen noch zahm erschiene; und er würde durch ein Meer von Gift und Kot zu waten haben, um seinen Zweck zu erreichen. Aber vielleicht würde er der HI. Christophorus sein, der den Erlöser auf seinen Schultern trägt; der den Deutschen das – Kindertum wiederbringt. Auch in Schiller protestierte letzteres gegen eine greisenhafte Kultur. Möge seine Stuttgarter Statue, von Thorwaldsen geschaffen, mit ihrem Totenrichterernst für seine Nachfolger im Kampf gegen Geistesfäule vorbildlich sein.

Schiller, der jugendliche Schwabendichter, der einstige Wortführer der reingesinnten deutschen Jugend, sollte wieder auferstehen! Schon einmal ist die studierende deutsche Jugend, in den Zeiten der alten Burschenschaft, für die idealen Interessen des Vaterlandes eingetreten; schon einmal hat sie feindselige Mächte des deutschen Innenlebens bekämpft und dadurch eine spätere nationale Hochentwickelung vorbereitet. Die Lage der Dinge ist im heutigen Deutschland so, daß sie ein ähnliches Vorgehen erfordert; und manche Zeichen deuten sogar darauf hin, daß dies bald geschehen wird. Die edelste Gesinnung der deutschen Studenten war von jeher ein Gradmesser für das Wollen des deutschen Volks; jene sind noch unabhängig und durchweg gesund; sie wohnen gewissermaßen in einem windgeschützten Winkel des modernen Lebens, wo sie noch nicht vor die schlimme Wahl gestellt sind: entweder unterzugehen oder einen jahrzehntelangen, erbitterten Kampf ums materielle Dasein zu führen. Von hier kann darum neues Wachstum ausgehen. Der deutsche Student hat, in seiner besten Form, etwas vom jungen Edelmann an sich. Hier tritt die tiefste Seite des Charakters wieder an die Oberfläche; dafür zu sorgen, daß es nicht bei dieser Oberfläche bleibe, ist heute eine Hauptaufgabe. »Die Pflege idealer Bestrebungen inmitten der Wogen eines krassen Materialismus ist Aufgabe der Burschenschaft geblieben«, hat Emin Pascha 1890 erklärt. Dem kosmopolitischen Materialismus, Skeptizismus, Demokratismus wird sonach der deutsche Idealismus, der deutsche Glaube, der deutsche Aristokratismus entgegenzusetzen sein. In der Tat ist hier die Bahn gegeben, wo das wirkliche, nicht das literarische »junge Deutschland« wieder seine angeborene Idealität betätigen kann und soll; es wird eine kämpfende Idealität sein müssen; und man darf sagen: desto besser. Mit dem Worte Idealität geht es wie mit dem Worte Christentum; beide sind soviel mißbraucht worden, daß man sich ihrer kaum bedienen kann, ohne mißverstanden zu werden: dennoch bleiben diese Mächte was sie sind. Ob Idealismus im Schillerschen Sinne oder Individualismus im Rembrandtschen Sinne ... es ist tiefer, freier, selbständiger, tapferer, deutscher Geist, der sich in diesen beiden Richtungen offenbart; ihre Anwendung auf die Zeitverhältnisse ist ungleichartig; aber der besseren deutschen Natur, dem echten deutschen Genius dienen beide. Der heutige Materialismus, welcher sich von diesen Mächten fachlich wie historisch in die Mitte genommen sieht, kann ihnen nicht widerstehen; wie er im Grunde nur eine Reaktion gegen den Idealismus, so stellt der gesunde Individualismus wiederum nur eine Reaktion gegen ihn dar und begegnet sich so mit dem Idealismus. Individuell ist der deutsche Student; im besten Sinne aristokratisch soll er sein. Vornehmheit besteht nicht nur darin, sich von dem Gemeinen fernzuhalten oder es zu ignorieren; sie besteht vor allem auch darin, das Gemeine zu bekämpfen: wer nicht durch den Schmutz waten kann, wird nie eine Schlacht gewinnen. Hieraus folgt, daß der Kampf aristokratischer Deutscher gegen modernes Plebejertum jeder Akt nur dann von Erfolg sein kann, wenn er von dem höchsten sittlichen wie geistigen Standpunkt aus geführt wird. Scharf und nobel – ist unsere Devise. Wir müssen ritterlich sein, ob auch der Feind nicht ritterlich ist. Möge die deutsche Jugend dieser Gesinnung treu bleiben; möge sie in ihr Mann werden!

5. Wehrhafter Friede

Das Gold, welches nicht rostet, kann man als ein Sinnbild des Bleibenden: des ewig Menschlichen und das Blut, welches nicht rastet, als ein solches der Persönlichkeit: des besonders Deutschen ansehen; beide zusammen aber ergeben – den deutschen Menschen. Des Körpers Blässe pflegt man durch Eisen zu kurieren; des Gedankens Blässe kann man in diesem Fall durch Gold kurieren; die eine Kur hat Deutschland schon durchgemacht, die andere steht ihm noch bevor. Blut und Eisen war eine Kriegsbotschaft; Blut und Gold ist eine Friedensbotschaft; die Rüstung des Krieges ist eisern und das Gewand des Friedens ist golden; unter beiden aber muß schlagen – ein Herz. Das Individuelle und das Aristokratische, das Natürliche und das Vornehme, Volk und Fürst, Blut und Gold – um diesen Doppelgedanken dreht sich seit jeher das deutsche Dasein. Im innersten Winkel von Niederdeutschland, zwischen Weser und Elbe findet man nicht selten Leute, denen dieser Gedanke aufs und ins Gesicht geschrieben ist: rötlich strahlende Wangen, in denen das Blut feurig kreist, werden von einem hoch- und goldblonden Barte umrahmt. Es ist der apollinische Typus ins Niederdeutsche übersetzt; und also ein Typus der deutschen Jugend; und also ein Typus der deutschen Zukunft. Zugleich aber ist es auch der Typus der deutschen Vergangenheit in ihrer größten und schönsten Form; es ist der geistige Typus Shakespeares und Rembrandts; in jenem überwiegt der helle Schein des Goldes, in diesem die dunkle Kraft des Blutes. Aus Blut und Gold endlich ist die Morgenröte in ihrer verheißungsvollen Schönheit gemischt; auch eine Morgenröte des deutschen Geistes, wenn sie wieder bevorsteht, kann nur aus diesen Elementen gemischt sein. Aurora musis amica.

Dem Kriege wird ein künstlerischer Charakter nicht fehlen, solange er von Leuten wie Moltke geleitet wird; und der Kunst wird ein kriegerischer Charakter nicht fehlen, solange sie Leute wie – Nicolai und seine Nachfolger zu bekämpfen hat. Eine freie und befreiende Bildung ist jedes Opfer wert; sie soll mit dem Schwert und mit der Feder, in Krieg und Frieden verteidigt werden; sie ist das Palladium des deutschen Volkes. Es gibt nur einen Gott und jeder Mensch hat nur eine Ehre; so gibt es auch nur einen Weg zur freien, selbständigen, menschlichen Entwickelung für ein Volk: es ist derjenige, welcher ihm durch die besten Regungen seiner eigenen Natur vorgedeutet wird. Friede – ahd. fred – heißt eigentlich »Wehr«; dadurch ist die Bestimmung des deutschen Volkes für den wehrhaften Frieden von vornherein gegeben. »Ich liebe den Krieg, den göttlichen Vater des Friedens«, hat schon hundert Jahre vor dem ersten deutschen Reichskanzler ein preußischer Denker, Hamann, gesagt. Ein echter Niederdeutscher und eine Rembrandt innerlich wie äußerlich auffallend ähnliche Erscheinung, der große Vorgänger Bismarcks, Cromwell, setzte auf seine Münzen: Pax queritur bello. Es gibt Wahrheiten, die sich durch Jahrhunderte hindurchziehen; die einem und demselben Boden entstammen; und immer wieder aus ihm hervorbrechen. Dieser wehrhafte Friede gilt vor allem auch innerlich, geistig, künstlerisch; auch hier heißt es, die Hand stets am Schwert haben, um gegenüber fremder Anmaßung wie Entartung die eigene individuelle Entwickelung zu sichern; der deutsche Geist ist streitbarer Natur, Deutschland ist sein Haus; sein Haus ist seine Burg; und wer sie antastet, hat es mit ihm zu tun. Der Streit zwischen einer falschen, gelehrten und einer echten, volkstümlichen Bildung muß und wird einmal ausgefochten werden; eine volkstümliche Bildung kann aber immer nur eine künstlerische, eine im Sinne Rembrandts gehaltene sein. Den Niederdeutschen ist Deutschlands politische Neugestaltung in erster Linie mit zu verdanken; kommt einmal eine Zeit, die auf geistigem Gebiet Helden erfordert, so werden sie es sicherlich auch an solchen nicht fehlen lassen.

Die Menschlichkeit will das Beste; und die Streitbarkeit leistet das Beste – wenn sie jener dient; ja Menschlichkeit läßt sich nur durchführen, wenn sie mannhaft verteidigt wird, und Streitbarkeit läßt sich nur rechtfertigen, wenn sie menschlich gehandhabt wird.

Wehrhaftigkeit und Wahrhaftigkeit sind sich sachlich wie sprachlich verwandt; die eine ist die oberste Pflicht des Kriegers wie die andere die oberste Pflicht des Künstlers. Beide gehören zu den obersten Pflichten – des Menschen; und vorzüglich des deutschen Menschen: weil sie seiner tiefsten Charakteranlage entsprechen. Deutsche Menschen sind ehrliche Menschen; deutsche Menschen sind tapfere Menschen. »Edel sei der Mensch, hilfreich und gut«, sagt Goethe etwas tautologisch und allzu milde; er zeigt hier seine kampffeindliche Gesinnung; er stellt ein rein weltbürgerliches Ideal auf. Er dient allein der Kunst. »An den wohledlen und gestrengen Herrn« adressierte man im alten Deutschland und adressiert man noch im heutigen Holland Briefe; man hob die beiden hauptsächlichsten Eigenschaften des deutschen Mannes hervor; und formulierte so das volkstümliche Ideal desselben. »Wohledel und gestrenge« soll der Deutsche sein; er soll dem Edlen wie dem Schönen dienen und das Schlechte unerbittlich bekämpfen; für ihn gibt es von Rechts wegen nur eine einzige gesunde Politik: die Eisenfaust im Sammethandschuh. Den letzteren wußte Goethe mit vollendeter Grazie zu tragen; die erstere hat Bismarck der Welt gezeigt; aber der jetzige Deutsche hat über beide hinaus fortzuschreiten. Er soll auch hier die Ringe seiner Entwickelung addieren; er soll wachsen; er soll die Hand Bismarcks in den Handschuh Goethes stecken. Dann ist er Mensch und Deutscher; dann ist er Weltbürger und Volksbürger; dann hat er den Kreislauf durchmessen: von der Natur durch die – edle – Unnatur zur veredelten Natur!


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