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Reise nach Rußland mit G. Rose und Ehrenberg 1829. – Moskau. – Kasan und die Ruinen von Bulghari. – Forschungen in der Umgegend von Jekatharinenburg. – Diamanten im Ural. – Die furchtbare Borabinski-Steppe. – Ankunft in der Mitte Asiens. – Weg nach dem südlichen Ural. – Von Orenburg nach Astrachan. – Forschungen und Fahrt auf dem kaspischen Meere. – Rückkehr. – Asiatische Reiseresultate.
Die erste Wiederanregung russischer Seits zur Reise in Asien wurde durch einen speciellen Umstand vermittelt. Im Sommer 1827 forderte der russische Staatsminister, Graf Cancrin, Humboldt auf, ihm seine Ansichten über die Verwendung des im Ural gewonnenen Platin zu Geldmünzen und über das gesetzliche Verhältniß des Werthes derselben zu Gold und Silber mitzutheilen. Humboldt, welcher schon früher von der spanischen Regierung zu einer Arbeit über gleichen Gegenstand aufgefordert worden war, der schon während des Wiener Kongresses zu dem Antrage seitens einiger Privatpersonen geführt hatte, aus dem amerikanischen Platin eine in allen Staatskassen gültige Münze schlagen zu lassen, fand sich erfahrungsmäßig veranlaßt, seine Bedenken dagegen zu äußern, die aber dennoch die russische Regierung nicht abhielten, Platinmünzen in Umlauf zu bringen. Abgesehen davon, daß man diesen Versuch später wieder aufgab und dadurch Humboldt's Ansicht anerkannte, war doch seine abweichende Meinung durchaus kein Grund geworden, daß die russische Regierung mit geringerem Vertrauen Humboldt angesehen hätte, denn kaum hatte er in seinem freimüthigen Urtheile erwähnt, daß, wenn es seine Lage gestatten würde, er den Ural auf einer Sommerreise zu besuchen gedenke, als Kaiser Nikolaus jener Reise die bereits angedeutete große Ausdehnung zu geben wünschte und Humboldt vollständige Freiheit gab, selbst die näheren Umstände und Bedingungen der Expedition zu bestimmen, während die Regierung sich bereit erklärte, Wagen, Postpferde, Feldjäger, eingerichtete Wohnungen, militärische Bedeckung an den Grenzen u. s. w. zu besorgen, was sie auch mit anerkennender Hingebung auf der ganzen großen Reise, die sich über 2000 geographische Meilen (14,500 Wersten) erstreckte, in vollem Maße erfüllte.
Alexander von Humboldt hatte sich mit den in Berlin lebenden naturwissenschaftlichen Gelehrten Gustav Rose und Ehrenberg verbunden und dieselben veranlaßt, ihn auf der projektirten Reise zu begleiten. Jedem der drei Reisenden war, außer dem allgemeinen Zusammenwirken, ein specielles Gebiet ihrer Wirksamkeit zugetheilt, damit es möglich werde, ein bestimmt zu erwartendes reiches Material von Reisebeobachtungen und Ergebnissen von vorn herein zu überschauen und zu ordnen. Humboldt übernahm die Beobachtungen des Erdmagnetismus, die Resultate der astronomischen Geographie und überhaupt die Gesammtauffassung des geognostischen und physikalischen Gemäldes vom nordwestlichen Asien; – Gustav Rose erhielt die Aufgabe, die Resultate der chemischen Analyse der Mineralogie, so wie die Führung und spätere Bearbeitung des Reisetagebuches zu übernehmen, während Ehrenberg die botanischen und zoologischen Arbeiten zu Theil wurden.
Die Freigebigkeit des Kaisers Nikolaus ist in der That anerkennungswerth und von großem Gewinne für die Wissenschaft gewesen, die es eben diesen nicht unbedeutenden Opfern der russischen Regierung verdanken muß, wenn durch die asiatische Reise Humboldt's lange bestandene Irrthümer berichtigt und neue Fortschritte in den Studien über die Physik der Erde herbeigeführt wurden. Deßhalb erklärt auch Alexander von Humboldt in einem Dedikations-Schreiben an den russischen Kaiser, daß er die ihm erwiesene Milde in der Gebirgskette des Ural wie am Gestade des kaspischen Meeres recht lebhaft empfunden habe, als ihm die Wichtigkeit dieser Reiseerfahrungen in ihren Resultaten anschaulich geworden wäre. – Und in der That hatte der Kaiser bestimmt, daß die Gegenden, welche Humboldt besuchen wolle, ganz von seiner Wahl abhängen sollten, da der Hauptzweck ja nur allein die Förderung der Wissenschaft, insbesondere der Geologie und deren in unseren Tagen so fruchtbringenden Zweige, des Erdmagnetismus, sei und das materielle und örtliche Interesse des Landes nur als Nebensache angesehen werde.
Um den Reisenden die Expedition im Allgemeinen zu erleichtern, hatte der, um zahlreiche wissenschaftliche Anregungen und Unternehmungen hochverdiente russische Finanzminister Graf von Cancrin die zweckmäßigsten Veranstaltungen für Bequemlichkeit und Sicherheit Humboldt's und seiner Begleiter treffen lassen; ein russischer Bergbeamter – der Oberhüttenverwalter und spätere Berghauptmann von Menschenin, ein Mann von ausgezeichneten Kenntnissen und der deutschen und französischen Sprache gleich mächtig, – wurde ihm zum beständigen Begleiter beigeordnet, um über Oertlichkeit und Wege Auskunft zu geben und die Bedürfnisse und etwa nöthigen Unterstützungen von Seiten der Behörden zu requiriren. Am 12. April 1829, Abends 11 Uhr, verließ Humboldt Berlin, von Ehrenberg und Rose begleitet, in zwei Wagen viele Instrumente, Bücher und Apparate für künftige Sammlungen mit sich führend. Die anfangs auf die ersten Maitage festgesetzte Reise wurde durch die Nachricht beschleunigt, daß Kaiser Nikolaus baldigst von Petersburg nach Moskau zur Krönung abreisen werde. Schon am zweiten Reisetage verwandelte sich das Frühlingswetter des 12. April in Schnee und die Reisenden mußten bald erfahren, daß sie für ihre nordische Richtung die schlimmste Jahreszeit gewählt hatten; der schmelzende Schnee machte die Wege schlecht, die Flüsse geriethen in Eisgang, die Reise wurde bis Königsberg, wo sie am Morgen des 15. April eintrafen, vielfach verzögert. Hier machte Humboldt zunächst die persönliche Bekanntschaft des Astronomen Bessel, der den Reisenden seine Sternwarte zeigte; dann wendete man seine Aufmerksamkeit dem in der Nähe der Stadt gefundenen Bernstein zu, dessen Gewinnung seit 1811 einem Herrn Douglas für ein jährliches Pachtgeld von 10,000 Thalern überlassen war, und wo die Reisenden in einem gegen Feuer gesicherten Magazine einen Vorrath von 150,000 Pfunden sahen. Der Bernstein wird theils vom Meere ausgeworfen, theils in der Strandnähe gegraben und die Reisenden stellten hier mehrere Beobachtungen darüber an. Am 18. April setzten sie ihren Weg nach Memel fort, nicht ohne Kampf mit dem aufschmelzenden Schneeboden und dem Eistreiben der Gewässer, das sie oft zu längerem Abwarten zwang. Aber Humboldt benutzte solche unfreiwillige Anhaltepunkte, wie z. B. im Sandkruge auf der Spitze der kurischen Nehrung, zu Beobachtungen über Neigung der Magnetnadel und die Kraft des magnetischen Stromes. Ueber Riga und Dorpat, wo Humboldt mit Professor Struve die Sternwarte, Ehrenberg mit Ledebour und Meyer den botanischen Garten, Rose mit Engelhardt das mineralogische Museum besuchte, und wo der Universitätsrektor, Staatsrath von Evers, ihnen zu Ehren ein Gastmahl veranstaltete, trafen sie, nach einer Fahrt in Sturm und Schnee, Nachmittags 2 Uhr am 1. Mai in Petersburg ein. Der preußische Gesandte, Freiherr von Schöler, ein alter Freund Humboldts, begrüßte sie gastfreundlich und beherbergte sie; während der 19 Tage, welche sie in dieser Stadt verweilten, nahmen sie die Sehenswürdigkeiten und wissenschaftlichen Sammlungen in Augenschein, sahen hier viele Gegenstände aus den Gegenden, denen sie entgegen eilten, und nachdem sie mit der Regierung verhandelt hatten, verließen sie, mit allen Bequemlichkeiten durch die kaiserliche Gunst versehen, am 20. Mai Petersburg, um über Moskau weiter zu reisen. Menschenin diente ihnen als Dolmetscher; sie hatten einen Kurier, der ihre Ankunft im Voraus meldete, so daß sie an den Thoren der Oerter, wo sie Quartier machen wollten, meist vom Polizeimeister bewillkommnet wurden; die wohlhabenden Einwohner wetteiferten um die Ehre, sie zu beherbergen, und da jenseits Moskau die Wirthshäuser aufhören, so war ihnen ein besonderer Koch mitgegeben worden. Die an Kirchen und Thürmen reiche Stadt Moskau, welche ihnen durch ihre Architektur und klimatischen Eigenthümlichkeiten viel Interessantes darbot, verließen sie am 28. Mai, erreichten am andern Tage Wladimir, hatten viele Mühseligkeiten durch Wetter und Wege, fuhren mit vermehrter Wagenzahl auch oft Nachts und gelangten nach Nischni-Nowgorod, wo sich ihnen Graf Polier anschloß, um gleichfalls nach dem Ural zu reisen, in dem sich die Güter seiner Gemahlin befanden. Dieser Graf hatte eine Barke gemiethet, um die Reise nach Kasan auf der Wolga zurückzulegen, und da der Landweg wenig einladend war, so folgte Humboldt diesem Beispiele, um Rußlands wichtigsten Strom in seiner ganzen Größe kennen zu lernen. Sie schifften sich mit ihren Wagen auf zwei großen Booten auf der Wolga ein und fuhren am 1. Juni, Vormittags 11 Uhr bei heiterstem Wetter ab. Humboldt beschäftigte sich mit Ausmessungen des Stromes und schiffte am 4. Juni, 4 Uhr Morgens, in die Kasanka hinauf, an welcher Kasan liegt. Die Reisenden fanden hier eine ehrenvolle Bewillkommnung von Seiten der Universitätsgelehrten, unter denen Humboldt einen Freund aus der Pariser Bekanntschaft, den Professor der Astronomie, Simonoff, wiederfand, der ebenfalls eine Reise um die Erde mit Kapitän Bellingshausen gemacht hatte. Die Stadt bot ihnen durch ihre Bauwerke, historischen Merkwürdigkeiten und den tatarischen Gottesdienst, dem sie in einem Bethause (Medsched) beiwohnten, viel Interessantes dar, die Sammlungen der Universität öffneten sich ihnen und nachdem Humboldt die Lage und Höhe der Stadt astronomisch bestimmt und man die Ruinen der alten Hauptstadt der Wolga-Bulgharen, Bolghari, die größten und ältesten Ruinen Rußlands, besucht, sowie das Leben der Tataren näher kennen gelernt hatte, setzte man am 9. Juni die Reise nach Perm auf sandigem Wege durch Pappeln-, Eichen- und Lindenwälder fort bis nach Jekatharinenburg, auf dem asiatischen Abhange des Uralgebirges, wo ein reges bergmännisches Leben die Reisenden empfing. Sie stiegen im Bergamte ab, und die Goldgruben der Gegend wurden besucht und theilweise befahren, sowie die Eisenhütte in Wersch-Issetsk, die großartigste Anstalt im ganzen Ural, näher in Augenschein genommen. Es läßt sich erwarten, daß namentlich Humboldt und Rose sich hier mit besonderem Eifer den mineralogischen und geologischen Studien widmeten. Während eines Aufenthaltes von vier Wochen auf dem mittleren und nördlichen Theile der Bergkette stellte Humboldt eine Reihe wichtiger Beobachtungen an. Die hier befindlichen Gebirge boten ihm sowol in ihrer Lage und Gestaltung, wie in ihrem metallischen Inhalte ein höchst interessantes Forschungsmaterial dar, indem diese, aus mehreren fast parallelen Zügen bestehende Gebirgskette, deren bedeutendste Gipfel sich bis zu einer Höhe von 4500 bis 4800 Fuß erheben, sowol durch die Art ihrer Ausdehnung, als auch durch ihre Lagerichtung im Meridiane (einer auf dem Aequator senkrecht stehenden, vom Pole aus gezogenen Linie) höchst merkwürdig wurde und Humboldt an ein ähnliches Lagenverhältniß der früher in Amerika durchforschten Anden-Gebirgskette erinnerte. Diese Uralbildungen, welche am Aralsee mit sogenannten Tertiärformationen Hierunter werden die, unter den oberflächlichen An- und Aufschwemmungsgebilden neuerer Zeit liegenden Schichten der Erde verstanden, die, unter dem Gesammtnamen Molasse, aus oberer Braunkohlen-, aus Grobkalk- und unterer Braunkohlenbildung bestehen. beginnen und bis zu den Grünsteinfelsen am Eismeere fortlaufen – sind in ihrem centralen und nördlichen Theile gold- und platinhaltig, und zwar gerade da, wo Alluvialbildungen Hierunter werden die noch täglich fort entstehenden obersten An- und Aufschwemmungen der festen Erdrinde verstanden. vorherrschen. Dieser Umstand regte Humboldt ganz besonders zu interessanten Forschungen an, und er gewann, trotz seines nur kurzen Aufenthaltes von vier Wochen, doch so bedeutende Resultate und neue Aufschlüsse über die Zusammensetzung und Entstehungsweise des aufgeschwemmten, Gold und Platin enthaltenden Bodens, er entdeckte eine so große Zahl neuer Mineralien und machte so viele folgewichtige Beobachtungen über die Lagerungs-Verhältnisse der verschiedenen Gesteinformationen, daß man sich noch mehr darüber verwundern müßte, wenn man Humboldt's unermüdlichen Fleiß und sein eben so ungewöhnliches wie geübtes Beobachtungstalent nicht längst kennen gelernt hätte.
Nachdem er die Malachitgruben Malachit ist kohlensaures Kupferoxyd, meistens zu faserig-strahligen Gruppen vereinigt, von Seidenglanz und schöner smaragdgrüner Farbe; – er kommt auch in derben, erdigen Massen vor und krystallisirt in unregelmäßig-rautigen Säulen. von Gumeschewskoi, ferner den merkwürdigen magnetischen Berg Blagodat und die berühmten Topas- und Barytlager von Murzinsk besucht, auch bei Nischni-Tagilsk – eine sehr erzreiche, der Familie Dewidoff gehörende Gegend, durch welche er an Choco in Südamerika erinnert wurde – ein Stück gediegener Platina von mehr als 8 Kilogrammen Ein Kilogramm ist beinahe 2 Pfunden 6 Quentchen gleich. Gewicht gefunden, und außerdem während der Zeit noch mehrfache astronomische Ortsbestimmungen, magnetische und Höhenmessungen unternommen hatte, setzte er seine Reise von Jekatharinenburg weiter fort und zwar über Tjumen nach Tobolsk am Irtysch und dann über Tara durch die fürchterliche Barabinski'sche Steppe. Ehe wir den Reisenden dahin folgen, muß noch bemerkt werden, daß der Graf Polier, welcher sich ihnen in Nischni-Nowgorod angeschlossen und die Fahrt auf der Wolga veranlaßt hatte, sie am 1. Juli in Kuschwinsk verließ, um nach seinen Besitzungen am Westabhange des Urals abzureisen, wo er Eisenwerke und Goldwäschen (Seifenwerke) besaß; diese Reise, auf welcher ihn Humboldt begleitet haben würde, wenn der Weg nicht hätte zu Pferde gemacht werden müssen, wurde dadurch wichtig, daß der Graf bereits 4 Tage nach seiner Trennung, am 5. Juli 1829, Diamanten entdeckte, ein für Humboldt wichtiges Ereigniß, da er bereits die merkwürdige Uebereinstimmung in den Lagerungen der Gebirge beider Erdhälften kannte und das Vorkommen von Gold, Platin und Diamanten auf beiden Erdhälften voraussetzte. Die baldige Entdeckung uralischer Diamanten hatte Humboldt bereits erwartet, denn als er sich in Petersburg von der Kaiserin verabschiedete, hatte er scherzend gesagt: »ich werde nicht ohne die russischen Diamanten vor der Monarchin wieder erscheinen.« – (Als bei seiner Rückkehr im September zufällig nur der Kaiser die vom Grafen Polier entdeckten Diamanten gesehen hatte, so konnte Humboldt, der erst jetzt den für ihn zum Geschenk von Polier bestimmten Diamanten empfing und überhaupt erst die Entdeckung erfuhr, wenigstens Wort halten, indem er in Berlin der Kaiserin den ersten russischen Diamanten vorzeigte). –
Der Weg von Nischni-Turinsk, wohin sich Humboldt am 1. Juli mit seinen Begleitern wendete, bis nach Bogoslowsk und dessen Kupfergruben, führte durch wilde Gegenden und Waldungen von Tannen, Lärchen und Cederfichten, ohne erheiternde Vogelstimmen; nur kleine Falken, einmal ein Fink, begegneten ihnen hier; die Sperlinge und Bachstelzen, diese Weltbürgerformen unter den Vögeln, sagt Humboldt, welche Menschen und Kultur begleiten, fehlten gänzlich. Am 6. Juli verließen sie Bogoslowsk, diesen nördlichsten Ort des Urals, um zunächst nach Jekatharinenburg zurückzukehren und nach achttägigem Aufenthalte am östlichen Abfalle des Gebirges weiter gegen Kamyschloff, am rechten Ufer der Tura, am Anfange der sibirischen Ebene, vorzudringen. In Tobolsk unternahm Humboldt auf derselben Stelle astronomische und magnetische Beobachtungen. Eben dort hatte Abbé Chappe d'Auteroche, der im Jahre 1761 von Louis XV. abgesandt worden war, um den Durchgang des Planeten Venus vor der Sonnenscheibe zu beobachten, seine Arbeiten gemacht. Am 24. Juli brach Humboldt mit seinen Gefährten und mit Matratzen, Mückenkappen u. dgl. ausgerüstet, von Tobolsk bei heiterem Wetter auf, bis Abalak von guten Freunden begleitet; ihr Weg führte sie durch Steppen und am Ufer des Flusses Wagai fort, bis sie am 27. Juli, nach Zurücklegung von 309 Wersten, in Tara anlangten, einem Orte am Flusse Irtysch. Dort verweilten sie aber nicht, sondern drangen in die Barabinski'sche Steppe ein, welche den ganzen Raum zwischen den Flüssen Irtysch und Ob einnimmt. Diese, wegen ihrer unzähligen stechenden Insekten, aus der Familie der Mücken, weit und breit im Lande verrufene und von allen Nahewohnenden gefürchtete Steppe durchzog Humboldt nebst seinen Begleitern mit derselben Selbstaufopferung und Beharrlichkeit im Dienste der Wissenschaft, wie wir es schon während seiner Reise auf dem Orinoco früher als einen Heroismus dieses Naturforschers zu bewundern Gelegenheit hatten. Die Steppe ist wasserreich, von Seen, Morästen und Flüssen durchsetzt, bisweilen auch mit Graswuchs, Birken und Pappeln bedeckt; an trockenen Stellen fand man Anflüge von Koch- und Bittersalz an den Wegen, die des morastigen Bodens wegen mit schlecht erhaltenen Bohlendämmen gebrückt und deshalb mit Wagen schlecht zu passiren waren. Die mitgenommenen Mückenkappen konnten die Reisenden nur zum Theil gegen den Stachel der Stechfliegen aller Art schützen, die ihre empfindliche Waffe durch die Kleidernähte und jede Ritze der Bedeckung einbohrten; von den Mückenstichen gepeinigt, konnten die Reisenden kaum ihre Instrumente gehörig gebrauchen. – Am 29. Juli erreichte man die Stadt Kainsk am Flusse Om, mitten in der Steppe, wo die Kunde zu ihnen gelangte, daß in den Dörfern, welche sie auf der Straße nach Tomsk passiren mußten, die sibirische Pest ausgebrochen sei. Sie beschlossen dennoch mit den nöthigen Vorsichtsmaßregeln ihren vorgesteckten Weg nach Barnaul fortzusetzen und durchaus nicht mit den Bewohnern zu verkehren. Ueberall trafen sie auf Spuren der Krankheit, welche eigentlich eine Viehseuche war, sich aber auch auf die Menschen fortpflanzte; in dem Dorfe Karganskaja allein waren 500 Pferde gefallen und es hielt schwer, das nöthige Gespann zu erhalten. Glücklich gelangten sie am 31. Juli nach dem Dorfe Kotkowa, wo die Seuche im Abnehmen war und die seither durch ihre Vorsichtsmaßregeln sehr beengten Reisenden nun wieder den Verkehr mit der Bevölkerung wagten. Am 2. August gelangte man nach Barnaul an den Ufern des Ob, und nunmehr wurden der malerisch schöne Kolywan-See und die bedeutend reichen Silberbergwerke Wie bedeutend diese Kolywanischen Gruben sind, leuchtet schon aus dem jährlichen Silbergewinne hervor, der über 76,000 Mark beträgt, also 49,842 Pfund. des Schlangenberges, von Riddersk und Syränowsk durchforscht, welche am südwestlichen Abhange des Altai liegen, einer Gebirgskette, deren höchster Gipfel, der Berg Bjelucha (von den Kalmücken Gottesberg – Jyctu, oder kahler Berg, Alastu genannt), etwa der Höhe des Aetna – oder nach den Untersuchungen des Botanikers Bunge, dem Pik von Teneriffa – gleichkommt. Von Riddersk ab wandte sich Humboldt mit seinen Begleitern südwärts nach der kleinen Festung Ustkamenogorsk und gelangte über Buchtarminsk bis an die Grenzen der chinesischen Dsungarei. Hier erhielt er die Erlaubniß, die Grenze zu überschreiten, was er sogleich benutzte, um dem mongolischen Posten Baty (auch Chonimaila-chu genannt) einen zwar kurzen, aber an neuen Eindrücken interessanten Besuch abzustatten, und wo er in das wahre asiatische Binnenland, ungefähr im Mittelpunkte von Asien, nördlich vom Dsaisang-See liegend, am 17. August eintrat.
Aber auch der Rückweg von hier nach der Festung Ustkamenogorsk war für Humboldt ein in geologischer Hinsicht höchst interessanter und zu Forschungen vielfach anregender; denn indem er zunächst auf dem Irtysch zurückschiffte, erblickte er an den einsamen Ufern dieses Wassers in einer Ausdehnung von mehr als 16,000 Fuß ungeheure Felsmassen von horizontal gelagertem und geschichteten Granit, welcher auf Thonschiefer ruhte, dessen Schichten theils ganz senkrecht, theils aber im Winkel von 85 Graden standen. – Und diese Erscheinung wurde für Humboldt außerordentlich wichtig für die Lehre von der Entstehung des Granits.
Als er die oben genannte Festung wieder erreicht hatte, nahm er von hier ab seine Reiserichtung durch die Steppe Ischim,die der mittleren Kirghisenhorde zugehört, nach dem südlichen Ural, auf welchem Wege er, über Semipalatinsk und Omsk die Kosackenlinie des Ischim und Tobol durchzog und zu Miask anlangte. Von hier aus wurden nun mehrfache Excursionen in die Umgegend unternommen, namentlich nach den Goldseifenwerken im oberen Thale des Mias, und nach dem Ilmengebirge, Ilmensee, nach Slatoust (einer berühmten Klingenfabrik) und Kyschtimsk, dessen nahegelegenes Seifenwerk Barsewskoi durch den hier gewonnenen »blauen Korund«, ein neues Metall, das Rose »Barsowit« taufte, besonders interessant wurde. – Auf einem Bodengebiete von geringer Ausdehnung fand man, nur wenige Zoll unter der Erde liegend, drei Stücke gediegenes Gold, von denen zwei 28 und das dritte 43¼ Mark (18 und 28 Pfund) an Gewicht hatten. Man verfolgte den südlichen Ural bis zu Orsk, wo nicht allein die sehenswerthen Brüche des grünen Jaspis Humboldt's Aufmerksamkeit fesselten, sondern seine geologischen Studien noch reiche Materialien an dem fischreichen Uralflusse fanden, der die Gebirgskette in nordwestlicher Richtung durchbrochen hat.
Nunmehr lenkte Humboldt seine Reiserichtung auf Orenburg, wo er, auf dem Wege durch die Festung Kisylskaja, am 21. September eintraf und mehrere Male Kosackenbegleitung erhielt, um gegen Ueberfälle streifender Kirgisen geschützt zu sein. Hier zu Orenburg (ein Ort, der tiefer als der Spiegel des Oceans gelegen ist, und wo jährlich Karawanen von vielen tausend Kameelen eintreffen) lernte A. v. Humboldt den General-Major von Gens kennen, welcher ein sehr unterrichteter Mann war und sich namentlich für die Geographie von Asien interessirte, für welche er eine große Menge wichtiger Materialien gesammelt hatte. Er war selbst viel gereist und an ihm fand Humboldt eine erwünschte Quelle neuer Aufklärungen und Nachrichten. Unter anderem erfuhr er auch von Gens, daß nordöstlich vom großen Balkaschsee, der die Gewässer des Iliflusses aufnimmt, ein hoher Berg stehe, der einst Feuer gespieen habe, und noch jetzt durch heftige Stürme, die er veranlassen solle, den vorüberziehenden Karavanen sehr lästig werde, die ihm dann auch Schafe zu opfern pflegten. – Diese Mittheilung wußte Gens von einem Tataren, und Humboldt erinnerte sich sogleich dabei der schon in chinesischen Büchern bezeichneten Vulkane, die fern vom Meere lägen und die, durch Klaproth's und Remüsat's literarische Darstellung, bei den Geologen viel Erstaunen erweckt hatten. Humboldt verfolgte (namentlich später durch den russischen Polizeidirector zu Semipalatinsk, v. Klostermann, mit neuen Nachrichten unterstützt) diesen Gegenstand mit besonderer Aufmerksamkeit und um diesen merkwürdigen Vulkan in eine organische Verbindung mit den übrigen Erscheinungen und Bodenverhältnissen dieser Gegend zu bringen, verfasste er nach der Reise eine höchst interessante Darstellung der Geographie dieses noch so wenig bekannten Erdstriches.
Das berühmte Steinsalzbergwerk von Ilezk, in der Steppe der kleinen Kirgisenhorde, ungefähr 68 Werste südlich von Orenburg, wurde das Ziel seiner nächsten Wanderung. General von Gens wollte Humboldt den Anblick Kirgisischer Spiele verschaffen, hatte deshalb Boten an die nächsten Sultane gesandt und sie auffordern lassen, mit ihren Unterthanen Wettkämpfe und Spiele bei Orenburg zu veranstalten. Am 25. September holten die Kirgisensultane den General, Humboldt und dessen Gefährten ab und die barbarischen Schauvorstellungen, oder obgenannte Belustigungen im Ringen und andere Kunststücke fanden Statt.
Am 26. September verließen die Reisenden Orenburg, trafen am folgenden Tage in Uralsk ein, dem Hauptsitze der uralischen Kosacken, wo man den Fischfang, vorzüglich von Hausen und Stören, der den Wohlstand der Bewohner bedingt, beobachtete, und setzten am 29. September die Reise nach Astrachan weiter fort. Zwischen Tok und Sok trafen sie Schwefel-, Asphalt- und Salzquellen an, folgten dann dem hohen Ufer der Wolga und erreichten Wolsk, von wo sie die deutschen Kolonien an der Wolga, im Gouvernement Saratow, besuchten, Dörfer mit fast 200,000 Bewohnern, deren Vorfahren Deutsche sind, welche unter Katharina II. hier ansiedelten und noch jetzt deutsche Sitte und Sprache bewahrt haben. – Nunmehr gelangte man an den großen Salzsee Elton, besuchte darauf die schöne Ansiedelung der mährischen Brüder zu Sarepta,eine Herrnhuter-Kolonie, ebenfalls eine Schöpfung der Kaiserin Katharina II. und deutscher Auswanderer, wo man bei dem Missionär Zwick vorzügliche Sammlungen von Gegenständen bewunderte, die sich auf die Steppe und die Kalmücken beziehen, sowie Münzen aus den Ruinen tatarischer Städte an der linken Seite der Achtuba; – man berührte die Kreisstadt Jenotajewsk, den Behördensitz für die kalmückischen Angelegenheiten, und kam in der Mitte Oktobers zu Astrachan am kaspischen Meere an.
Die Hauptabsicht, welche dieser Wanderung nach dem kaspischen Meere zu Grunde lag, war namentlich, das Wasser desselben, als das des größten Binnensees der Erde, chemisch genau in seinen Bestandtheilen zu untersuchen – eine Arbeit, welche besonders Gustav Rose übernahm – ferner barometrische Beobachtungen, im Vergleich mit den Messungen in Orenburg, Sarepta und Kasan, anzustellen und endlich zoologische Ausbeute zu machen, besonders im kaspischen Meere Fische zu sammeln, um durch die hier entdeckten Exemplare das große Werk über die Fische von Cuvier und Valenciennes zu vervollständigen Von diesen hier gesammelten Fischen schickte Humboldt eine reiche Sammlung an das naturhistorische Museum des botanischen Gartens in Paris.. Zu diesem Zwecke veranstaltete Humboldt eine kleine Fahrt mittelst eines Dampfschiffes auf diesem Binnenmeere. Während Humboldt am Ufer des kaspischen Meeres magnetische Beobachtungen anstellte und Rose nebst Ehrenberg die Kalksteinblöcke hier prüften, wimmelte es um sie von Schlangen, die in der Sonnenwärme schliefen oder lauerten; bei jedem Schritte entschlüpften Eidechsen unter dem Gestrüpp, und aus den trichterförmigen Vertiefungen des Sandes ragten die Füße der schwarzen Tarantel hervor. Man bestieg das Regierungsdampfbot, fuhr an einzelnen Schilfinseln vorüber in's offene Meer, das feierlich still und nur von den Rädern des Schiffes bewegt war. Die Abenddämmerung trat ein, der Mond stieg auf, der Abend war schön und mild. Gegen ihren Wunsch mußten sie schon Nachts 3 Uhr wieder umkehren, da der Kapitän über Mangel an Heizmaterial (Holz) klagte und nicht weiter zu fahren wagte. Man nahm von dem bittersalzigen Wasser einige Flaschen voll zur chemischen Prüfung mit und gelangte am 16. October um halb 11 Uhr bei der Insel Tschetyre bugri an, wo sie mit einiger Mühe landeten. Vor der Rückkehr nach Astrachan besuchte man noch die berühmten Fischereien auf der Wolga, wo Hausen und Störe, oft von 9 Pariser Fuß 5 Zoll bis 14, selbst 20 Fuß lang, gefangen werden und der Kaviar bereitet wird, indem man den Rogen mit den Händen durch ein grobes Sieb quetscht, um ihn von anhängendem Fett und Zellgewebe zu trennen, und dann salzt.
Nachdem nun Astrachans Merkwürdigkeiten besehen waren, wünschte man noch die Kalmücken und deren wissenschaftlich gebildeten Fürsten Sered-Dschab kennen zu lernen; er beherrscht die Choschuder Horde im üppigen Wiesenlande zwischen Wolga und Achtuba, die erst 1770 von der westlichen Steppe hierher flüchtig eingewandert ist. Der Fürst empfing die Reisenden an der Thür seines Schlosses zu Tumeniewka, nahm sie sehr gastfrei auf und bewirthete sie mit Stutenmilch (Kumis); darauf besuchten sie einen Tempel, in welchem der Fürst eine Feier veranstaltet hatte, besahen dessen Obstgärten und Pferde und fuhren dann in einer rasch entstandenen Schneelandschaft und unter den drohenden Zeichen eines schnell nahenden Winters über Zarizyn weiter, passirten die Landenge, welche die beiden Flüsse Wolga und Don in der Nähe von Tischanskaja trennt, reiseten ferner durch das Land der Donischen Kosacken, durch Woronesch und Tula – und am 13. November traf Humboldt mit seiner Begleitung in Petersburg wieder ein, wo er so lange blieb, als es eben seine Verbindlichkeiten gegen Hof und Regierung – und das Eintreffen der Sammlungen erforderten, und worauf er dann wohlbehalten am 28. Dezember 1829 Abends 10 Uhr in Berlin wieder anlangte. Leider traf er seinen alten treuen Jugendfreund Kunth nicht wieder, denn derselbe war im November 1829 als geheimer Oberregierungsrath in Berlin gestorben.
Vom 12. April bis 28. Dezember dieses Jahres war Humboldt von hier abwesend gewesen, und es ist wol selten in einer so kurzen Zeit eine so bedeutende Raumstrecke durchforscht worden; denn während neuntehalb Monaten hatte Humboldt einen Weg von drittehalb tausend geographischen Meilen zu Lande zurückgelegt, die, wenn man sie sich in einer geraden Linie denkt, fast die Hälfte des ganzen Erdumfanges beträgt.
Auch diese Reise wurde wiederum, gleich der amerikanischen, von höchster Wichtigkeit für die physikalisch-geographischen Wissenschaften im weitesten Sinne, und das erstaunlich große Erfahrungsmaterial, welches Humboldt mit zurückführte, wie die weitgreifenden Anwendungen desselben auf eine richtige Erkenntniß des gesammten Erdlebens, gestatten kaum ein in engen Rahmen zusammengedrängtes, populär verständliches Bild davon zu entwerfen. – Die Reiseresultate sollten in drei Werken veröffentlicht werden, von denen jedem der drei Reisenden ein solches für das ihnen überwiesene bereits hier angedeutete Gebiet oblag. Zunächst erschienen Humboldt's: » Fragments de Géologie et de Climatologie Asiatique «, die jedoch nur in einem Theile direct aus Humboldt's Feder geflossen zu sein scheinen und ein zwar sehr manchfaltiges, aber für fernere wissenschaftliche Bearbeitungen reichhaltiges und von Klaproth mit wichtigen Anmerkungen vermehrtes Material enthalten.
Es sind diese » Asiatischen Fragmente« nur als Vorläufer eines größern Werks zu betrachten; doch müssen wir ihren Inhalt im Allgemeinen andeuten, da man daraus erfährt, welchen Studien und Forschungen Humboldt namentlich während dieser Reise in Centralasien obgelegen hat Eine deutsche Uebersetzung davon ist von Löwenberg bearbeitet und in einem Bande erschienen.. Der erste Band der französischen Originalschrift handelt namentlich » über die Bergketten und Vulkane Inner-Asiens mit ergänzenden Bemerkungen über die Thermalwasser (warmen Quellen) des Alagut, über die Gas-, Schlamm- und Feuer-Eruptionen an verschiedenen Orten Inner-Asiens und Amerikas«. Man sieht schon hieraus, wie Humboldt seine neuen Anschauungen und Erfahrungen in Asien mit denen aus Amerika stets zu vergleichen und zu verbinden und aus dem Gleichartigen und Gleichwirkenden ein Lebensbild der Gesammt-Erde und ihrer Gesetze zu schöpfen verstand. Ueberall streute er zahlreiche geognostische Betrachtungen und Notizen über die allgemeine Bodengestaltung der Länder zwischen dem Altai- und dem Himalayagebirge ein, und von großem Interesse sind seine Mittheilungen über das merkwürdige Vorkommen von Vulkanen mitten in einem großen Festlande und von den Weltmeeren entfernt. – Hier brachte Humboldt diese Wissenschaft auf einen ganz neuen Standpunkt, denn er hatte eine besondere Gelegenheit gehabt, die Vulkane in drei Welttheilen unserer Erde zu beobachten. Er erkannte, daß die vulkanischen Erscheinungen, nicht nur, wie bislang, als der Geologie angehörige Gegenstände betrachtet werden dürften, sondern daß sie auch recht eigentlich ihre Erklärung von der Physik im Allgemeinen erhalten müßten, da ihm die vulkanische Thätigkeit das Ergebniß einer fortwährenden Communication zwischen dem Innern der Erde, das sich in einem geschmolzenen Zustande befindet, und der Atmosphäre erschien, welche die erhärtete und oxydirte Rinde unsers Planeten umgiebt. Aus diesem Grundsätze deutete er die theils noch thätigen, theils längst ausgebrannten Feuerspeier, die Richtung der Bergketten und die Formationen des Bodens, er entzifferte aus den Spuren, welche frühere Erdrevolutionen zurückgelassen haben, das bezügliche Alter derselben und die, auf die Gestalt der Erdoberfläche gewirkt habenden und fortwirkenden physikalischen Kräfte. So wurden ihm die Lavamassen, welche die Krater ergießen, erhärtete Ströme einst emporsprudelnder, glühender Quellen des Erdinnern; er entzifferte aus dem Zusammenhänge der Wirkungen in Amerika, Europa und Asien die Ursachen und Bedingungen der Erzeugung von Felsen und übereinander gelagerten Schichten, der chemischen Resultate vulkanischer Eruptionen, der Erhebungen und Einsenkungen der Erdoberfläche – und dadurch erläuterte er, durch strengste Prüfung aller ihm anstoßenden neuen Erscheinungen und durch scharfsinnige Zusammenstellung beobachteter gleichartiger Thatsachen, zahlreiche physikalische wie geologische Probleme, deren exacte Lösung früher für unmöglich gehalten worden war. – Humboldt hält die vulkanische Thätigkeit unserer Erde, im Vergleich zu früheren Zeiten, für bedeutend vermindert und erkaltet – sie bringt keine neue Gebirgszüge, keine Hitze im Norden mehr hervor, sondern vermag nur noch kleinere Felskrater und eine Erschütterung der Erdrinde zu erzeugen; damals, vor dem Eintritte des Menschengeschlechts in die irdische Natur, erblühete überall auf der vulkanisch heißen Erde eine tropische Thier- und Pflanzenwelt; jetzt, auf dem mehr erkalteten Planeten, empfängt die erstarrte Oberfläche ihre Wärmeanregung nur noch von der Sonne und die tropische Natur erstarb gegen die Pole hin und erblühet nur noch da, wo die Sonne mit senkrechten Strahlen innerhalb der Wendekreise wirkt.
Damals in jenen Urzeiten des kochenden Innern unsers Weltkörpers zersprengten oft und an vielen Punkten die heißen Flüssigkeiten und Gase die feste Erdrinde mit gewaltiger Kraft, rissen Spalten und Einsenkungen in dieselbe, und in sie hinein ergossen sich die Massen von flüssigen Metallen, Basalt und anderen Stoffen, welche erstarrten und die nun in den aufgeworfenen Gebirgsketten liegen; – so entstanden die Cordilleren der Anden, die Himalaya-Gebirge – so erstarrte die wellende Oberfläche des durchbrochenen Bodens zu jenen Hügeln und Thälern, die unsere Ebenen zu malerischen Landschaften gestalteten. – Aus diesen Wirkungen erklärte Humboldt auch die Oertlichkeit der asiatischen Bodenverhältnisse; – die vulkanischen Thätigkeiten, welche Berge und Festländer hervortrieben und die Erdrinde blasenartig wie ein riesiges Gewölbe aufschwellten, hatten auch zur Folge, daß solche Erdrindengewölbe sich im Laufe der Jahrtausende senkten – und so erkannte Humboldt, daß die Einsenkung der Oberfläche in der alten Welt – da wo die Spiegelflächen des kaspischen Meeres wie des Uralsees 32-50 Toisen unter dem Niveau des Oceans liegen und die Senkung des festen Bodens sich tief nach Orenburg, Saratow und auch nach Südost wahrscheinlich in die sogenannte Centralebene erstreckt – nichts Anderes, als ein Kraterland ist, ähnlich wie auf dem Monde, wo jene über hundert Meilen breiten Punkte, die man Hipparch, Archimedes und Ptolemäus genannt hat, eine Kesselbildung darstellen, wie wir solche ja auch ganz in der Nähe, z. B. in Böhmen, haben.
Vor Humboldt's Reise nach dem Innern Asiens hatte man in der Wissenschaft viele irrige Ansichten von der Geographie, dem Zusammenhänge der Gebirgszüge und der Bodenproduction jener Gegenden; – erst durch diesen kühnen und scharfblickenden Reisenden, welcher eine große Zahl selbständiger Ortsbestimmungen anstellte und theils durch die russischen Behörden, theils von vielgereisten Tataren, Bucharen und Taschkenten eine vielfältige Auskunft über Reiserouten und Ortsverhältnisse erhielt, gewann die Wissenschaft von diesen Gegenden einen ganz neuen Standpunkt. Der mittlere und innere Theil Asiens erschien nicht, wie man seither geglaubt hatte, als ein ungeheurer Gebirgsknoten, nicht als ein ununterbrochenes Tafelland – sondern Humboldt erkannte diesen Theil der Erde als eine Gegend, welche von Osten gegen Westen von vier großen Gebirgssystemen (vom Altai, der westlich in das Kirgisengebiet abfallt, vom Himmelsberge, vom Kuenlun und vom Himalaya) durchschnitten wird, welche nicht ohne nachweisbaren Einfluß auf die geschichtlichen Bewegungen der Völker gewesen sind. Und somit erkannte Humboldt im Innern von Asien ein vulkanisches Landgebiet, welches 1000 bis 1400 Meilen vom Meere entfernt liegt und eine Oberstäche von 2500 geographischen Quadratmeilen darbietet.
Der zweite Band der » Fragments Asiatiques« enthält, außer der Darstellung von zwölf Reiserouten, » Betrachtungen über die Temperatur und den hygrometrischen Zustand der Luft in einigen Theilen von Asien, sowie Untersuchungen über die Ursachen der Beugung der Isothermen,« d. h. der angenommenen Linien, welche alle Erdpunkte von gleicher, mittler Jahreswärme verbinden. – Es werden uns hier inhaltreiche Beiträge zur klimatischen Kenntniß jenes Landes dargeboten und namentlich auf die Ursachen hingewiesen, welche die Abweichungen der Isothermen von den Parallelkreisen bewirken Im Allgemeinen nimmt die Temperatur der mittleren Jahreswärme der Parallelkreise in demselben Grade ab, als sich die letztern vom Aequator entfernen.. Diese Resultate, von vielen astronomischen und magnetischen Messungen begleitet, werfen ebenfalls ein ganz neues Licht auf dieses wissenschaftliche Gebiet und schließen sich abermals eng an die Resultate der früheren amerikanischen Reise an, indem Humboldt auch hier aus gleichartigen Erscheinungen in der neuen und alten Welt die Gesetze für das Erdleben aufstellt.
Wir müssen diesem Gegenstande eine besondere Aufmerksamkeit widmen, weil dieselben – nämlich die Isothermen – im Humboldt'schen Wissenschaftsleben eine große Rolle spielen und ihn recht eigentlich sein ganzes reiferes Leben hindurch als eine Lieblingsaufgabe seiner Forschungen beschäftigt haben. Schon im Jahre 1817, als er im dritten Bande des französischen Journals: » Mémoires d'Arcueil« seine Abhandlung: » de la distribution de la chaleur et des lignes isothermes« (von der Vertheilung der Wärme und den isothermischen Linien) veröffentlichte, hatte er sich bereits vielfach mit der Vertheilung der Wärme auf der Erdkugel beschäftigt und die Richtung wie Gestalt jener isothermischen Linien näher zu bestimmen gesucht. – So hatte er ebenfalls zehn Jahre später, am 3. Juli 1827, in der öffentlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften eine Vorlesung » über die Hauptursachen der Temperaturverschiedenheit auf dem Erdkörper« gehalten – und endlich in seinen »Asiatischen Reisefragmenten« theilte er seine ausführlichen Untersuchungen und bereicherten Erfahrungen über diesen Gegenstand mit.
Indem Alexander von Humboldt zunächst an die klimatischen Verhältnisse von Asien anknüpft und hierbei ganz und gar der Leitung seiner genauen, umfassenden geographischen Kenntniß folgt, erweitert er zugleich den Blick auf das Ganze des Erdlebens und führt auch hier auf dessen allgemeine Gesetze zurück. Auch hier gab es viele Irrthümer aufzuklären und neue Standpunkte in die Wissenschaft zu bringen. – Man glaubte früher allgemein, daß die von Europa aus gegen Osten hin zunehmende Kälte ihren Grund in einer größeren Erhebung der Länder über das Niveau des Meeres habe – aber es hat sich nunmehr tatsächlich herausgestellt, daß dem nicht so ist, und daß man im Gegentheil von Nordbrabants Heidegegend aus gegen Osten ununterbrochen bis zu den asiatischen Steppen am westlichen Abhange des Altai, selbst bis zur chinesischen Dsungarei fortwandern – also einen Weg in gerader Richtung von 80 Erdlängegraden zurücklegen kann, ohne auch nur eine Höhe von 1200-1300 Fuß zu überschreiten. Und wollte man seinen Weg durch hohe Breitegrade, von Brabants Heiden zu Asiens Steppen nehmen, so würde man bis über den 65. Breitegrad hinaus, also einen Weg von fast halbem Erdumfänge nur durch ununterbrochene Ebenen schreiten. – Das fand Humboldt – und deßhalb mußten die klimatischen Ursachen andere, als die bisher vorausgesetzten sein; – das entwickelte er mit scharfsinniger Benutzung aller ihm zu Gebote stehenden reichen Erfahrungen, die er auf beiden Erdhälften zu sammeln Gelegenheit gehabt hatte. – Verglich er die europäische, auffallend hohe warme Wintertemperatur mit der in Asien oder Amerika unter gleichen nördlichen Breiten, so konnte er sich, auf dem Höhepunkt seiner Erfahrungen, nicht mehr mit den bisherigen wissenschaftlichen Deutungen dieser ungewöhnlichen, europäischen Wärme zufrieden geben, da man sich immer nur bemüht hatte, die Kälteursachen im Norden Amerika's und Asiens auszufinden, ohne zugleich auf die Wärmeverhältnisse Europas zu blicken und gerade dies als Abweichung von der Regel aufzufassen. Humboldt klärte hierüber die Wissenschaft völlig auf; – er erkannte die Ursache der winterlichen Wärme Europas nicht nur in der allgemeinen Gestalt dieses Welttheiles, sondern auch in dessen Ausdehnung neben einer großen, heißen, asiatischen Länderzone, die durch die beständige Einwirkung der Sonnenstrahlen viel stärker, als das stets bewegte und sich abkühlende Meer, welches die anderen Welttheile umspült, erhitzt wird und seine aufsteigenden, warmen Luftmassen über die Strecken Europa's treibt, welche warme Winter zeigen. Aber eine noch mehr erwärmende Ursache erkennt er in der Strömung des Meeres, welche man Golfstrom nannte, an, indem diese Strömung fortwährend das in der heißeren Zone erhitzte Wasser von Amerika her nach Nordost fortbewegt und seine warmen Dünste namentlich über Großbritanniens, Islands und Skandinaviens Küsten treibt. Deßhalb wehen die, mit dieser warmen Meerströmung in gleicher Richtung sich bewegenden West- und Südwestwinde als warme, von dem verdunstenden Meere mit warmer Feuchtigkeit gesättigte Luftströme über den nördlichen Theil Europas hin, mäßigen dessen Winterkälte, kühlen sich aber, bei Abgabe ihrer feuchten Wärme, immer mehr ab, erreichen endlich die asiatischen Ebenen als trockene und kalt gewordene Winde. – Der Westwind, welcher uns daher feuchte Wärme bringt, führt den Bewohnern asiatischer Ebenen trockene Kälte zu – und während Westeuropa ein mehr insulares Küstenklima hat, zeigt Osteuropa nebst ganz Asien mehr ein in Wärme des Sommers und Kälte des Winters sich regelmäßig gegenüberstehendes Kontinentalklima, und obgleich an der südlichen Grenze Sibiriens die senkrecht und anhaltend auf den Boden niederfallenden Sonnenstrahlen Wärme erzeugen müssen, so hat dies doch keine andere weitere Folge, als daß dort sehr heiße Sommer auf außerordentlich kalte Winter folgen. – Nirgends fand A. v. Humboldt schönere Weintrauben, als gerade in Astrachan an der Küste des kaspischen Meeres, und dennoch tritt hier und sogar noch weit südlicher, in Kislar, an der Mündung des Tarek – also in demselben Breitegrade, in welchem Avignon und Rimini liegen – eine Winterkälte von 28-30 Graden des Celsius-Thermometers ein. Diesen großen Abstand zwischen Sommerhitze und Winterkälte nennt Humboldt eine Eigenthümlichkeit Sibiriens; – dort muß man im Winter die Weinrebe tief in die Erde vergraben und im Sommer, der trockenen Hitze wegen, durch künstliche Bewässerung erfrischen. Bis zum 58. Breitegrade vermochte Humboldt die mittlere Temperatur der Oerter aus dem Wärmegrade der Quellen mit ziemlicher Gewißheit zu bestimmen; etwas nördlicher schon bleibt der Erdboden 12-15 Fuß tief stets gefroren, während doch in Norwegen, das gleich hoch und höher gegen den Nordpol liegt, selbst im Winter frisches Gras und Moos unter dem Schnee wachsen. – So ließ Humboldt in Bogoslawsk mitten im Sommer einen Brunnen graben, und schon bei sechs Fuß Tiefe stieß er auf Eis von zehntehalb Fuß Dicke, und merkwürdig bleibt es dabei, daß trotz dieser unterirdischen Eismassen die zwar kurze, aber starke Sommerwärme schnell den oberen Erdboden aufthaut und eine sehr fruchtreiche Erndte befördert.
Alle diese und daran sich schließende Beobachtungen und weitere Betrachtungen wurden in Humboldts combinirendem Geiste für geologische Folgerungen von wissenschaftlicher Wichtigkeit. Er deutete daraus das seither unerklärte Räthsel, wie Ueberreste von Thieren, deren ganze Organisation einem heißen Klima angehörte, so zum Beispiele selbst Mammuths, gefroren in den Eismassen dieser nördlichen Erdgegenden aufgefunden werden konnten. So grub man hier noch in neueren Zeiten ostindische Tiger aus und zwar in denselben Breitegraden, in denen z. B. Hamburg und Berlin liegen, und Humboldt ist der Ansicht, daß solche südliche Thiere – namentlich in alten Zeiten, wo durch größere vulkanische Thätigkeit der damals heißeren Erde auch jene Nordgegenden eine höhere Temperatur gehabt haben müssen – sich in heißen Sommern bis in höhere Breitegrade verirrt hätten und, von dem plötzlich eingetretenen Winter überrascht, in nicht wieder geschmolzene Eismassen begraben worden wären – wie endlich auch Überschwemmungen nördlich strömender Flüsse, an deren Ufern man noch jetzt zahlreiche Reste südlich wohnender Thiere findet, diese gen Norden hingespült haben können.
Als Bedingungen der in bestimmten größeren Raumstrecken und Ländern herrschenden Klima's erkannte Humboldt die Richtung der Winde und Meeresströmungen an, die wieder in engem Verhältnisse zu der Gestalt des Festlandes stehen und die isothermischen Linien oft bedeutend von den Linien der Breitegrade ablenken. Daraus wurde es recht verständlich, wie es zugehe, daß zwei weit aus einander liegende, aber einem und demselben Breitegrade angehörige Oerter oder Landschaften ganz verschiedene Klima's haben können Diese Arbeiten Humboldt's haben namentlich Schouw und Dove zu weiteren Beobachtungen angeregt, die lange Reihen wichtiger Thatsachen hervorgebracht haben.. Humboldt wies nach, wie die Umdrehung der Erde um ihre Axe auch die Hauptströmung der Gewässer der Weltmeere von Osten nach Westen bedingt, und an der größten Peripherie der Erdkugel, unter dem Aequator, am stärksten sein und zugleich eine andere Strömung von den Polen nach der größten Peripherie hin nothwendig mitentstehen muß, die z. B. vom Nordpol anfangs gegen Süden und dann gegen Westen, der Hauptströmung folgend, gerichtet ist. Dieses von den Polarkreisen kommende kalte Wasser bespült deßhalb die Ostküsten der Erdländer, während das von dem Aequator rückströmende erwärmte Wasser sich gegen die Westküsten wälzt. Diesen Meerströmungen analog verhält es sich mit den herrschenden Winden, und schon daraus erklärt sich von selbst die größere Kälte der Ost- und die höhere Wärme der Westküsten. – Es darf uns deßhalb Nordasiens Kälte nicht wundern, da hier die Nordostwinde vorherrschen.
Diese Studien über das Klima hat A. v. Humboldt nun auch auf die speciellen Gebiete der Oertlichkeit ausgedehnt und die Mitwirkungen der Wärmestrahlung in ein wissenschaftliches Licht gestellt. Diese Wärmestrahlung wird vielfach verändert durch die Beschaffenheit des Bodens, durch dessen Kultur, seine Pflanzendecke, ja selbst durch Form der Pflanzen und die Lage und Richtung ihrer Blätter – sie führt die aus den Sonnenstrahlen entstandene Wärme von der Oberfläche der Erde wieder der Atmosphäre zu und übt einen großen Einfluß auf das Klima aus.
Auf diesem Wege schuf A. v. Humboldt eine Klimatologie, deren Elemente er vom Anfange seines Forschens an als Lieblingsstoffe gesammelt und geordnet hatte, indem er durch eigene Beobachtungen ein reiches Material gewann und es nicht verschmähte, die Erfahrungen Anderer zu benutzen, und auf seine geniale Weise Alles an seinen rechten Ort zu stellen wußte.
Die asiatische Reise wurde aber noch in weiteren Resultaten von großer Bedeutung. Wo er nicht selbst beobachten konnte, da ordnete er mit Umsicht fernere Beobachtungen an. Nachdem er auf vielen Punkten Sibiriens sorgfältig verglichene Thermometer in den Händen sachverständiger oder fähiger Personen zurückgelassen und namentlich bei den russischen Bergwerks-Beamten am Ural den Eifer für derartige Messungen und vergleichende Forschungen geweckt hatte, wußte er auch die kaiserliche Akademie zu St. Petersburg zur Mitwirkung anzuregen, indem er ihr einen vortrefflich ausgearbeiteten Plan vorlegte, nach welchem sie im ganzen Umfange des russischen Reiches ein regelmäßiges System von Beobachtungen über die täglichen Veränderungen des Barometer-, Thermometer- und Hygrometer-Standes, über Boden-Temperatur, Windesrichtung und wässerige Lufterscheinungen anstellen lassen sollte. Das Interesse, welches alle Gelehrten der Akademie an Humboldt's Plane nahmen, wurde noch durch die Theilnahme der kaiserlichen Aufmerksamkeit darauf gesteigert, und wenn man bedenkt, daß das russische Reich eine Festlandfläche umfaßt, welche größer ist, als die ganze uns zugekehrte Oberfläche des Mondes – dann wird man einsehen, welche bedeutenden Gesetze des Gesammt-Erdlebens aus den gleichzeitigen und vergleichenden Beobachtungen auf solchem weiten Erdraume gefolgert und verständlich werden können. Die russische Regierung erkannte die Wichtigkeit der Humboldt'schen Pläne auch vollkommen an, sie errichtete zu St. Petersburg ein physikalisches Observatorium, dessen Aufgabe es wurde, die Orte zu wählen, wo beobachtet werden sollte, die Instrumente, womit man die Beobachtungen vornehmen lassen wollte, zu vergleichen und zu berichtigen, – ferner die ausgewählten Beobachtungsorte genau astronomisch zu bestimmen, die magnetischen und meteorologischen Forschungen leitend zu überwachen, die eingelaufenen Thatsachen zu ordnen, zu berechnen und die mittleren Resultate regelmäßig öffentlich bekannt zu machen.
Die speciellen mineralogisch-geognostischen Wahrnehmungen und Forschungen, welche die asiatische Reise herbeigeführt hatte, wurden nunmehr eine besondere Arbeit für Humboldt's Begleiter auf dieser Expedition, Gustav Rose. Unter dem besonderen Nebentitel: » Mineralogisch-geognostischer Theil und historischer Bericht der Reise« erschien dies Werk als ein Theil der Gesammtschrift Der Haupttitel heißt: »Reise nach dem Ural, dem Altai und dem kaspischen Meere, auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers von Rußland im Jahre 1829 ausgeführt von A. v. Humboldt, G. Ehrenberg und Gustav Rose.« in den Jahren 1837 und 1842 in zwei Bänden, und Humboldt hatte dem Bearbeiter dazu noch eine große Zahl von Notizen aus seinem Tagebuche und eigenen Beobachtungen überlassen. – Ehe aber noch der dritte Theil des Haupt-Reisewerkes erschien, welcher die von Ehrenberg bearbeiteten botanischen und zoologischen Resultate enthalten, so wie auch die Untersuchungen über die geographische Verbreitung der Pflanzen und Thiere darstellen sollte, gab A. v. Humboldt selbst ein neues Werk heraus, welches den Titel führt: » Asie Centrale . Recherches sur les chaines des montagnes et la climatologie comparée« (Paris 1843 in 3 Bänden) – Central-Asien. Untersuchungen über die Gebirgsketten und vergleichende Klimalehre; – und das alsbald von W. Mahlmann mit Zusätzen vermehrt in das Deutsche überarbeitet wurde.
Diese Schrift Humboldt's ist recht eigentlich das Resultat seiner Gesammtstudien, welche er von vielen Jahren her über Asien gemacht hatte. Schon in früheren Kapiteln erwähnten wir, wie er schon damals, als von ihm die ersten Pläne zu einer Reise nach Asien, wo möglich Ostindien, gefaßt waren, mühsame und anhaltende Studien über die wenig bekannten Gegenden des inneren Asiens begonnen und durchgeführt hatte. Die Kühnheit dieser Pläne leuchtete uns aus seinem eigenen Briefe ein, den er 1812 an den Baron von Rennenkampf schrieb und der hier mitgetheilt wurde; er war dazu noch besonders durch seinen Lieblingsplan, die unbekannten Gegenden über Kaschgar oder über Persien zu bereisen, angeregt worden. – Daß dieser Plan ein Lieblingsgedanke Humboldt's zeitlebens gewesen ist, giebt er offen kund; denn wenn man ihn jetzt noch darauf anredet, so erklärt er, daß ihn nichts lebhafter in seinem Alter schmerze, als damals das schöne Projekt nicht ausgeführt zu haben. Indessen gingen seine für jenen Plan gemachten vorbereitenden Studien nicht für die Wissenschaft verloren, denn in diesem Buche über Central-Asien quellen jene früheren Studien reich hervor und geben dem Werke einen ernsten Charakter der Gründlichkeit und tiefsten Gelehrsamkeit. – Nach dem Erscheinen der »Asiatischen Fragmente« im Jahre 1831 waren zwölf Jahre verflossen, in welchen er eine große Menge neuer Materialien gesammelt und namentlich, von seinen Verbindungen in Rußland her, die Mittheilungen der mit vergleichenden Beobachtungen beauftragten Personen und des physikalischen Observatoriums zu St. Petersburg erhalten hatte. Die ganze russische Erdoberfläche hatte zwölf Jahre lang seinen geistigen Blicken offen vorgelegen, und es war daher nicht zu verwundern, daß Humboldt es vorzog – anstatt einer neuen, nothwendig gewordenen Auflage seiner »Asiatischen Fragmente« – nunmehr lieber ein ganz neues Werk zu schreiben, welches die bedeutende Erweiterung seines geologischen Gesichtskreises umfassen sollte. Und nur er vermochte ein solches Werk zu denken und zu verwirklichen, denn was er selbst nicht als ein Einzelner zu beherrschen im Stande war, das wurde ihm von allen Seiten durch die bereitwilligsten Unterstützungen der gediegensten Gelehrten und Kenner der orientalischen Sprachen, – sowol der chinesischen, arabischen, indischen alten Zendsprachen – und auch durch anerkannte Forscher, wie Klaproth Er lieferte neue Notizen aus chinesischen Quellen., Stanislaus Julien Mitglied des Instituts Frankreichs; er gab namentlich physikalische und orographische (gebirgsbeschreibende) Erörterungen, und Humboldt erklärt öffentlich, daß er sich durch dessen Freundschaft geehrt fühle. und Eugène Burnouf Er stellte für Humboldt's Zwecke ethnographische und geographische Untersuchungen über Stellen in den Zendbüchern an, Arbeiten, die Humboldt selbst bewunderungswürdig nennt. – die edelste Mithülfe dargeboten. – Die Geographie gewann dadurch ganz neue Erkenntnißquellen – die Kenntniß von den Richtungen, dem Baue und den geologischen Eigenthümlichkeiten der großen asiatischen Gebirgsketten erhielt durch Humboldt's Standpunkt der steten Vergleichung aller wissenschaftlichen Elemente mit einander eine bewunderungswürdige Gründlichkeit und Genauigkeit, und die stete Hinweisung auf die ähnlichen und entgegengesetzten Beobachtungen in Asien, Amerika und Europa schuf eine Klimatologie, zu welcher alle Naturwissenschaften ihre wichtigsten Aufschlüsse lieferten. – Nur dem wirklich Eingeweihten in das Wissen von der Natur wird hier Humboldt's Größe ganz einsichtig und verständlich – das Volk kann nur das Mysterium seiner Leistungen bewundern – und so konnte Mahlmann, der deutsche Bearbeiter von »Central-Asien« (der auch schon vor Jahren die Leistungen Humboldt's in einem Artikel der illustrirten Zeitung skizzirte) in Begeisterung seine Vorrede zur deutschen Ausgabe jener Schrift mit den Worten schließen: »Wenn Alexander von Humboldt der Hauptbegründer und Repräsentant des Zustandes ist, den sich die Forschung überhaupt in unserem, nach Universalität strebenden Zeitalter gebildet hat, und wenn darum schon jedes seiner Werke ein großes Vermächtniß für die kommenden Geschlechter ist, so wird man auch in seinen Untersuchungen über den Bau der Erde in der alten Welt wieder von Bewunderung ergriffen, wie sich in Humboldt mit dem gründlichsten Studium unzähliger Quellen die umfassendsten Kenntnisse in allen Bereichen des menschlichen Wissens vereinen; man nimmt mit steigendem Interesse wahr, mit welchem Talente Humboldt die wechselseitige Durchdringung aller Zweige der Naturforschung unter sich und den ewigen Einfluß der Natur auf das Leben und die Schicksale der Völker zu erkennen und in nicht geahnter Einfachheit darzustellen weiß; – – man wird ihm endlich mit hohem Genusse in der Kunst folgen, die Wenigen verliehen ist, nämlich ein Chaos von Thatsachen zu sammeln, zu ordnen und zu sichten und sich dann kombinatorisch zu jenen allgemeinen Ideen und Anschauungen zu erheben, in denen alle Einzelnheiten wie Strahlen im Brennpunkte zusammenfließen. Dann gewahrt man plötzlich mit Ueberraschung, wie durch Vereinigung dieser Strahlen wieder der innere Zusammenhang einander fremdartig erscheinender Phänomene zum klaren Bewußtsein gebracht ist und wie uns Humboldt zu jenen großen Naturgesetzen geführt hat, welche im anscheinend Regellosen herrschen und sich den Blicken der Forscher bisher entzogen hatten.«
Nicht für das allgemeine Publikum sind Humboldt's Reisewerke geschrieben, deßhalb fanden sie alle populäre Bearbeiter; aber auch diese vermochten dennoch nur den höher Gebildeten verständlich zu werden und dauerndes Interesse abzugewinnen. – Jedermann, selbst der ungelehrte, dem Materiellen zugehörige Mensch kennt zwar den Namen »Humboldt« – aber seine Werke haben nur die Denkenden im Volke kennen lernen, denn es ist nicht Humboldt's Weise, in seinen Reisen persönliche Abenteuer zu schildern und jene Unterhaltung zu gewähren, wie die Land- und Seereise-Erzählungen vieler Anderer darbieten; allen seinen Darstellungen ist ein ächt wissenschaftlicher Charakter eigen, der wiederum vom Leser Begabung, Vorbildung und ernstes Nachdenken erfordert.
Die Resultate der asiatischen Reise, welche Humboldt in seinem Werke: »Central-Asien« niedergelegt hat, sind sehr manchfaltig und doch wieder auf ein gemeinsames Thema zurückweisend. Zu den bedeutendsten neuen Untersuchungen, welche hier zu weiteren Betrachtungen geführt haben, gehören die Abhandlungen über die mittlere Höhe des großen Kontinents der Erde, ferner über die Hochebene des innern Asiens, über das Gebirgssystem des Kuenlün, die Senkung des kaspischen Meeres und seiner Umgebungen unter die Spiegelfläche des Ocean, ferner die historisch-geographische Untersuchung über den ehemaligen Lauf des Oxus – so wie auch die Mittheilungen über die Schneegrenze. Außerdem enthält das Werk Tafeln, welche die mittlere Temperatur von mehr als dreihundert Orten angeben, und außer den überaus reichen geognostischen Aufklärungen über den Ural, die Vulkane und Fundorte des Goldes, so wie über den Ertrag der Goldwäschen im Ural und in Sibirien, und über die Diamanten in den Gebirgen, finden sich noch erläuternde Aufsätze von Stanislaus Julien in Betreff chinesischer Geschichtsquellen, Zusätze von Klaproth über Vulkane, Anmerkungen von Valenciennes über die Seehunde des kaspischen Meeres u. s. w. – Das ganze Werk ist reich an Untersuchungsresultaten in historischer und sprachlicher Hinsicht und bietet endlich eine von A. v. Humboldt selbst gezeichnete Karte von Central-Asien dar, welche durchaus auf die neuesten astronomischen Bestimmungen und Höhemessungen gegründet ist. Die zum Zwecke dieses Werkes angestellten Berechnungen der in Sibirien vorgenommenen astronomischen Beobachtungen waren die letzte Arbeit von Humboldt's langjährigem Mitarbeiter Oltmann, welcher bald nach Beendigung dieser Arbeit starb.