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5. Vorwort zu nachstehenden Tatsachen

Zu nachstehenden Tatsachen bin ich dem geneigten Leser noch folgende Erklärung schuldig:

Von den meisten dieser Tatsachen war ich größtenteils selbst Zeuge und Beobachter.

Was das Hörbare bei diesen Erscheinungen betrifft, so sei hier ein für allemal gesagt, daß ich, um von ihnen eine natürliche Ursache zu ergründen, immer die strengste Untersuchung anstellte, aber dessen ungeachtet nie eine solche entdecken konnte. Stets versicherte ich mich auf das bestimmteste, daß jene Töne am allerwenigsten von der Seherin selbst, sei es im wachen oder im schlafwachen Zustande hervorgebracht wurden, um, wie der Zweifler meinen könnte, zu täuschen und ihre Aussagen vom Sehen der Geister (was ja aber nie ihr Bestreben war) glaubwürdiger zu machen. Auch eine Reihe andrer glaubwürdiger Zeugen, von denen so viele, als es tunlich war, in diesen Geschichten mit Namen aufgeführt sind, versicherten sich aufs bestimmteste, daß jene Töne weder von Frau H. noch von andern Menschen ausgingen.

Frau H. war es nicht im mindesten um die Ehre zu tun, Vertraute von Geistern zu sein, in eine Geisterwelt zu sehen, vielmehr war ihr diese Gabe, wie ich schon bemerkte, höchst lästig. So muß ich ebenfalls wiederholen, daß Frau H. gegen mich und andre von diesen Erscheinungen nur mit Widerwillen sprach. Was ich von ihr über sie erfahren konnte, und in den nachstehenden Blättern niederschrieb, erhielt ich von ihr meistens nur mit innerem Widerstreben, so daß ich oft selbst weiter zu fragen müde wurde. Wäre dieses nicht so gewesen, so wären manche dieser Geschichten auch vollständiger und deren mehrere geworden. Nur dadurch, daß diese Erscheinungen so häufig mit Hörbarem verbunden waren, erfuhr man dieselben oft noch hie und da von Frau H.

Ihr Glaube, daß der Glaube an solche Erscheinungen nicht zum religiösen Glauben, und daß dieses Sehen in eine Geisterwelt nicht in dieses Leben gehöre, ihre Überzeugung, daß dieser Glaube auch nicht andern Menschen, die nicht solche Erfahrungen wie sie gemacht, und sich nicht in einem solchen Nervenleben befinden, zuzumuten sei, war die Ursache, warum sie nie unaufgefordert und sehr oft nur gezwungen mit andern von dieser Materie sprach. Frau H. und ihr ganzes Wesen mußte man auch durchaus selbst kennengelernt haben, um den hier folgenden Geschichten Glauben beimessen zu können. Die Zumutung an andre, sie zu glauben, kann deswegen allerdings nicht groß sein, wie Frau H. selbst diesen Glauben nie einem Menschen zumutete, auch kein Mensch, der an diese Geschichten nicht glaubte, in ihrem Zutrauen nur das Geringste verlor, da ihre völlige Überzeugung war, daß dieser Glaube keinen Menschen besser machen könne. Dagegen war sie von der Realität dieser ihrer Erscheinungen im stillen so sehr überzeugt, daß sie mir oft sagte: sie wüßte gar nicht, was sie von allem Sehen (sie verstand damit auch das gewöhnliche Sehen) denken sollte, wären diese Erscheinungen nicht wirkliche Realitäten, ein Gedanke, der sie wahnsinnig machen könnte. Wohl aber gab sie zu, daß diese Gestalten vielleicht in der Wirklichkeit anders seien, als sie sie sehe, daß sie nun einmal durch das Medium ihres irdischen Körpers von ihr nicht anders gesehen oder aufgefaßt werden könnten, selbst durch das geistige Auge im fleischlichen, weil auch dieses immer noch von dem fleischlichen getrübt sein könne, oder daß diese Geister sich ihr, da sie doch immer noch, und wenn auch nur mit ihrer einen Hälfte, in diesem Leben sei, sich eben nur vielleicht in solcher Gestalt als existierend kundmachen könnten. Aber nie gab sie zu, daß sie durchaus nicht existierend, leere Visionen und Gesichtstäuschungen seien.

»Die Einflüsse der Geisterwelt (sagt Kant in seinen »Träumen eines Geistersehers«) könnten in das persönliche Bewußtsein eines Menschen, wenn auch nicht unmittelbar, aber doch so übergehen, daß sie nach dem Gesetze der vergesellschafteten Begriffe diejenigen Bilder machen, die mit ihnen verwandt sind, und analogische Vorstellungen unsrer Sinne erwecken, die wohl nicht der geistige Begriff selber, aber doch deren Symbole sind, wie unsre höhern Vernunftbegriffe, die sich den geistigen ziemlich nähern, gewöhnlich ein körperliches Kleid annehmen, um sich in Klarheit zu setzen. – Die empfundene Gegenwart eines Geistes würde sich in das Bild einer menschlichen Figur, Ordnung und Schönheit der immateriellen Welt in Phantasien, die unsre Sinne sonst im Leben vergnügen, kleiden usw.«

Öfters hielt ich der Seherin die Theorie entgegen, welche solche Erscheinungen bei Magnetischen als Phantasiebilder betrachtet, die durch die psychisch-magnetische Wirkung des Somnambulen auch auf ein zweites und drittes übergehen könnten, wie durch die organisch-magnetische Wirkung des Somnambulen Übertragung des Somnambulismus auf andre stattfinden könne. Aber sie meinte, wenn auch eine solche Übertragung wirklich erwiesen wäre, so wäre das nichts, als daß ein magnetischer Rapport mit ihr eingeleitet werden könne, vermöge dessen derjenige, bei dem er eingetreten, dann auch mit all dem in Rapport gesetzt werde, mit dem sie in einem solchen sei, und also auch mit jenen Geistern, mit welchen sie allerdings in einen solchen Rapport hauptsächlich bei deren jedesmaligem Einwirken auf sie komme. Erwiesen aber sei damit noch nicht, daß jene Erscheinungen bloß aus ihr hervorgegangene Bilder der Phantasie seien.

Aber sie bewies auch durch Tatsachen, daß Menschen, die mit ihr nicht entfernt in Rapport stehen konnten, die von ihrem Sehen nichts wußten, so wie sie von dem ihrigen nichts wußte, vor ihr oder nach ihr schon gleiche Erscheinungen an gleichen Stellen hatten.

Will man nun auch das Hörbare und Fühlbare, mit welchem jene Erscheinungen so oft bekleidet waren, ebenfalls bloß von magnetischer Ansteckung herleiten, so kann man auf diesem Wege auch fortfahren, zu erklären, daß sich selbst schwere Gegenstände, sichtbar, wie von unsichtbarer Hand bewegten, geworfen wurden usw. Dies tat nach solchen mir wohl bekannten Erklärungen alles das magnetische Fluidum oder das magnetische Ich der Frau H., wodurch aber ein anscheinendes Wunder durch ein noch viel größeres Wunder erklärt würde, weil man, aus Furcht, in eine andre Welt als die unsrer gemeinen Sinne zu geraten, alles der Erklärung unserer Naturgesetze, die nicht mehr für jene Welt passen, unterwerfen will, wodurch man, in Wahrheit, in viel größere Absurditäten gerät, als die eingebildeten sind, denen man oft hauptsächlich nur darum auszuweichen strebt, um der allgemeinen, nun einmal angenommenen öffentlichen Meinung zu huldigen und in der bequemen Ruhe nicht gestört zu werden.

Gegen solche Erklärungsart können aber auch andre Tatsachen von Geistererscheinungen angeführt werden, bei denen kein Schlafwacher mit im Spiele war, Tatsachen, die eine überraschende Ähnlichkeit mit denen unsrer Seherin haben, und für deren Wahrheit sehr achtbare Zeugen sprechen.

Die auffallendsten Tatsachen (zu denen ich nicht einmal die hier gegebenen unsrer Seherin rechne) liegen für die Annahme des Hereinragens einer Geisterwelt in die unsre, gerade so wie unsre Seherin sie angibt, vor; aber noch nie würdigte man solche einer ernsten, unparteiischen Untersuchung. Wir gehen über solche, oft von den achtbarsten Zeugen bestätigte Erscheinungen zu schnell und absprechend hinüber. Während wir ahnend diese Sache nicht verwerfen, sprechen wir wieder, wie uns unsrer Ahnung schämend, den Gelehrten, den Gebildeten und Verständigen zulieb, hochtrabend über sie ab.

Indem ich die nachstehenden Tatsachen der Öffentlichkeit übergebe, ist mir das Wesen der jetzigen Zeit gar wohl bekannt, und ich weiß wohl, daß ich auf den Glauben dieser verzichten, und einzig auf die Fortschritte späterer Jahrhunderte hoffen muß, wo der Mensch, vielleicht durch Ernst und Trübsal gezwungen, wieder mehr in die innern Kreise kehrt, und dann werden wohl diese Geschichten, so absurd und unglaublich sie jetzt scheinen mögen, besseren Zusammenhang und Erklärung finden.


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