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22. Trennung des Geistes im Sterben

Durch den Leib ist der Nervengeist mit der Welt, durch den Nervengeist die Seele mit dem Leib, durch die Seele der (intellektuelle) Geist mit dem Nervengeist und durch den Geist das Göttliche mit der Seele vermittelt.

So zieht sich durch beständige Vermittlungen ein gemeinschaftliches Band vom untersten bis zum höchsten Gliede hindurch.

Hätte sich der Mensch im Besitze der Zentren gehalten, so würde der Geist durch die Fülle der Offenbarung erleuchtet, auch seine Seele befruchten, der Leib würde ein Tempel des Geistes sein, und selbst im Naturstäubchen würde die Abspiegelung des göttlichen Daseins nicht fehlen. Gott würde alles in allem sein, und der Mensch würde alle Dinge in Gott erschauen, wie Malebranche sagt. So aber ist alles im Menschen verdunkelt worden durch den Fall in die Sünde und durch die Herabwürdigung seiner ganzen Natur, welche dem Tode anheimfiel. Darum ist jetzt auch eine Trennung des Geistes und der Seele von dem Leibe notwendig geworden, damit eine Reinigung und Läuterung von der Sünde stattfinden möge. Die Art, wie sie sich trennen, hat die Seherin (siehe oben) aus ihrem Insichschauen angegeben.

Ist die Hülle faul und morsch und nahe am Einsturz, so ist ohne Zweifel der Geist das erste, was sich scheidet, weil er jedenfalls von der Sünde unabhängiger ist als die Seele. Je mehr aber die Seele in den Leib und die Welt sich eingewöhnt hat, desto schwerer löst sie sich und will ihr Indigenat um keinen Preis fahren lassen, bis sie muß. Hier mag es sein, daß der Geist ganz verlassen und öde wird, und zwar um so verlassener und öder, je weniger er während des Lebens von der göttlichen Ätherquelle geschöpft hat. Von der Seele halb getrennt und halb noch an ihr hängend steht er eigentlich brotlos da, indem ihm alle Nahrung, die er sonst aus der Seele, die Seele aus dem Leib und der Leib aus der Welt schöpfte, ganz entzogen ist. Ratlos muß er warten, bis auch die Seele sich abgelöst hat, um seine Wanderung zu beginnen. Hier mag es sein, wo der Fromme und Gottlose ihre entgegengesetzten Richtungen erhalten. Zieht die Seele ihre Sündenlast hinab an den Ort der Unglückseligen, der nach einem steten Geistergesetze dem Maß ihrer Schwere angemessen ist, so zieht sie auch den Geist mit hinab, der, weil er nach Plato seine Flügel gelähmt hat, ihr notgedrungen folgen muß.

Ist hingegen der Geist von jenem göttlichen Lichtstrahl erfüllt und während des Lebens mit der höhern Welt in Verbindung geblieben, so sind ihm die Flügel wieder gewachsen, und er zieht die losgerissene Seele mit sich hinauf an den Ort der Seligen, der nach dem gleichen Geistergesetz dem Maß des christlichen Äthers angemessen ist.

Der Nervengeist bleibt unverändert mit der Seele vereint (nach der Seherin aber nur da, wo die Seele nicht in völliger Reinheit hinübergeht), weil er weder durch eine psychische noch eine andre organische Kraft (nach der Seherin dies selbst, wenn er in der Hülle zurückbleibt) zerstörbar ist. Bleibt er mit der Seele, so nimmt er die Farbe und Gestalt der Seele an. Ist die Seele von Sünden entstellt, so scheint sie durch das plastische Luftbild des Nervengeistes hindurch wie ein Scheusal. Ist der christliche Äther durch den Geist in ihr vorherrschend (in welchem Falle aber nach unsrer Seherin gar kein oder nur wenig Nervengeist mit der Seele übergegangen wäre), so erscheint sie in engelreiner Schönheit und Milde.

So mag es einen Himmel geben für die Gerechten und Heiligen und eine Hölle für die Ungerechten und Gottlosen, aber der größte Teil der Menschen scheint doch nach dem Tode im Zwischenreich hängenzubleiben.

Im Tode fällt der Sonnenkreis ab, und kein neuer steigt mehr herauf, daher verliert der Geist seinen festen Standpunkt an der objektiven Welt und hat kein Bleiben mehr, sein Austritt mitten durch die Seele trennt auch ihr festes Band mit dem Leib, und darum löst sie sich ab, um sich wieder, und zwar auf immer, mit dem Geiste zu vereinigen. Der Nervengeist umgibt (da wo die Seele nicht völlige Reinheit hat, was wohl selten ist) wie ein Luftbild die Seele den Geist, und in diesem Zustande verharren sie nach Maßgabe ihres moralischen Wertes oder Unwertes nach der Schrift bis zur Wiederauferstehung, wo die plastische Kraft des Nervengeistes wieder fähig gemacht wird, einen Leib, aber einen unverweslichen, anzuziehen.


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