Immanuel Kant
Kritik der Urteilskraft
Immanuel Kant

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Allgemeine Anmerkung zur Teleologie

Wenn die Frage ist: welchen Rang das moralische Argument, welches das Dasein Gottes nur als Glaubenssache für die praktische reine Vernunft beweiset, unter den übrigen in der Philosophie behaupte; so läßt sich der ganze Besitz dieser letzteren leicht überschlagen, wo es sich dann ausweiset, daß hier nicht zu wählen sei, sondern ihr theoretisches Vermögen, vor einer unparteiischen Kritik, alle seine Ansprüche von selbst aufgeben müsse.

Auf Tatsache muß sie alles Fürwahrhalten zuvörderst gründen, wenn es nicht völlig grundlos sein soll; und es kann also nur der einzige Unterschied im Beweisen stattfinden, ob auf diese Tatsache ein Fürwahrhalten der daraus gezogenen Folgerung, als Wissen, für das theoretische, oder bloß als Glauben, für das praktische Erkenntnis, könne gegründet werden. Alle Tatsachen gehören entweder zum Naturbegriff, der seine Realität an den vor allen Naturbegriffen gegebenen (oder zu geben möglichen) Gegenständen der Sinne beweiset; oder zum Freiheitsbegriffe, der seine Realität durch die Kausalität der Vernunft, in Ansehung gewisser durch sie möglichen Wirkungen in der Sinnenwelt, die sie im moralischen Gesetze unwiderleglich postuliert, hinreichend dartut. Der Naturbegriff (bloß zur theoretischen Erkenntnis gehörige) ist nun entweder metaphysisch, und völlig a priori; oder physisch, d. i. a posteriori, und notwendig nur durch bestimmte Erfahrung denkbar. Der metaphysische Naturbegriff (der keine bestimmte Erfahrung voraussetzt) ist also ontologisch.

Der ontologische Beweis vom Dasein Gottes aus dem Begriffe eines Urwesens ist nun entweder der, welcher aus ontologischen Prädikaten, wodurch es allein durchgängig bestimmt gedacht werden kann, auf das absolut-notwendige Dasein, oder aus der absoluten Notwendigkeit des Daseins irgendeines Dinges, welches es auch sei, auf die Prädikate des Urwesens schließt: denn zum Begriffe eines Urwesens gehört, damit es nicht abgeleitet sei, die unbedingte Notwendigkeit seines Daseins, und (um diese sich vorzustellen) die durchgängige Bestimmung durch den Begriff desselben. Beide Erfordernisse glaubte man nun im Begriffe der ontologischen Idee eines allerrealsten Wesens zu finden: und so entsprangen zwei metaphysische Beweise.

Der einen bloß metaphysischen Naturbegriff zum Grunde legende (eigentlich-ontologisch genannte) Beweis schloß aus dem Begriffe des allerrealsten Wesens auf seine schlechthin notwendige Existenz; denn (heißt es) wenn es nicht existierte, so würde ihm eine Realität, nämlich die Existenz, mangeln. – Der andere (den man auch den metaphysisch-kosmologischen Beweis nennt) schloß aus der Notwendigkeit der Existenz irgendeines Dinges (dergleichen, da mir im Selbstbewußtsein ein Dasein gegeben ist, durchaus eingeräumt werden muß) auf die durchgängige Bestimmung desselben, als allerrealsten Wesens: weil alles Existierende durchgängig bestimmt, das schlechterdings Notwendige aber (nämlich was wir als ein solches, mithin a priori, erkennen sollen) durch seinen Begriff durchgängig bestimmt sein müsse; welches sich aber nur im Begriffe eines allerrealsten Dinges antreffen lasse. Es ist hier nicht nötig, die Sophisterei in beiden Schlüssen aufzudecken, welches schon anderwärts geschehen ist; sondern nur zu bemerken, daß solche Beweise, wenn sie sich auch durch allerlei dialektische Subtilität verfechten ließen, doch niemals über die Schule hinaus in das gemeine Wesen hinüberkommen, und auf den bloßen gesunden Verstand den mindesten Einfluß haben könnten.

Der Beweis, welcher einen Naturbegriff, der nur empirisch sein kann, dennoch aber über die Grenzen der Natur, als Inbegriffs der Gegenstände der Sinne, hinausführen soll, zum Grunde legt, kann kein anderer, als der von den Zwecken der Natur sein: deren Begriff sich zwar nicht a priori, sondern nur durch die Erfahrung geben läßt, aber doch einen solchen Begriff von dem Urgrunde der Natur verheißt, welcher unter allen, die wir denken können, allein sich zum Übersinnlichen schickt, nämlich den von einem höchsten Verstande, als Weltursache; welches er auch in der Tat nach Prinzipien der reflektierenden Urteilskraft, d. i. nach der Beschaffenheit unseres (menschlichen) Erkenntnisvermögens, vollkommen ausrichtet. – Ob er nun aber aus denselben Datis diesen Begriff eines obersten d. i. unabhängigen verständigen Wesens auch als eines Gottes, d. i. Urhebers einer Welt unter moralischen Gesetzen, mithin hinreichend bestimmt für die Idee von einem Endzwecke des Daseins der Welt, zu liefern imstande sei, das ist eine Frage, worauf alles ankommt; wir mögen nun einen theoretisch hinlänglichen Begriff von dem Urwesen zum Behuf der gesamten Naturkenntnis, oder einen praktischen für die Religion verlangen.

Dieses aus der physischen Teleologie genommene Argument ist verehrungswert. Es tut gleiche Wirkung zur Überzeugung auf den gemeinen Verstand, als auf den subtilsten Denker; und ein Reimarus in seinem noch nicht übertroffenen Werke, worin er diesen Beweisgrund mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Klarheit weitläuftig ausführt, hat sich dadurch ein unsterbliches Verdienst erworben. – Allein, wodurch gewinnt dieser Beweis so gewaltigen Einfluß auf das Gemüt, vornehmlich in der Beurteilung durch kalte Vernunft (denn die Rührung und Erhebung desselben durch die Wunder der Natur könnte man zur Überredung rechnen) auf eine ruhige, sich gänzlich dahin gebende Beistimmung? Es sind nicht die physischen Zwecke, die alle auf einen unergründlichen Verstand in der Weltursache hindeuten; denn diese sind dazu unzureichend, weil sie das Bedürfnis der fragenden Vernunft nicht befriedigen. Denn wozu sind (fragt diese) alle jene künstliche Naturdinge; wozu der Mensch selbst, bei dem wir, als dem letzten für uns denkbaren Zwecke der Natur stehenbleiben müssen; wozu ist diese gesamte Natur da, und was ist der Endzweck so großer und mannigfaltiger Kunst? Zum Genießen, oder zum Anschauen, Betrachten und Bewundern (welches, wenn es dabei bleibt, auch nichts weiter als Genuß von besonderer Art ist), als dem letzten Endzweck warum die Welt und der Mensch selbst da ist, geschaffen zu sein, kann die Vernunft nicht befriedigen: denn diese setzt einen persönlichen Wert, den der Mensch sich allein geben kann, als Bedingung, unter welcher allein er und sein Dasein Endzweck sein kann, voraus. In Ermangelung desselben (der allein eines bestimmten Begriffs fähig ist) tun die Zwecke der Natur seiner Nachfrage nicht Genüge, vornehmlich weil sie keinen bestimmten Begriff von dem höchsten Wesen als einem allgenugsamen (und eben darum einigen, eigentlich so zu nennenden höchsten) Wesen und den Gesetzen, nach denen ein Verstand Ursache der Welt ist, an die Hand geben können.

Daß also der physisch-teleologische Beweis, gleich als ob er zugleich ein theologischer wäre, überzeugt, rührt nicht von der Benützung der Ideen von Zwecken der Natur, als so viel empirischen Beweisgründen eines höchsten Verstandes her; sondern es mischt sich unvermerkt der jedem Menschen beiwohnende und ihn so innigst bewegende moralische Beweisgrund in den Schluß mit ein, nach welchem man dem Wesen, welches sich so unbegreiflich künstlich in den Zwecken der Natur offenbart, auch einen Endzweck, mithin Weisheit (obzwar ohne dazu durch die Wahrnehmung der ersteren berechtigt zu sein), beilegt, und also jenes Argument in Ansehung des Mangelhaften, welches ihm noch anhängt, willkürlich ergänzt. In der Tat bringt also nur der moralische Beweisgrund die Überzeugung, und auch diese nur in moralischer Rücksicht, wozu jedermann seine Beistimmung innigst fühlt, hervor; der physisch-teleologische aber hat nur das Verdienst, das Gemüt in der Weltbetrachtung auf den Weg der Zwecke, dadurch aber auf einen verständigen Welturheber zu leiten: da denn die moralische Beziehung auf Zwecke und die Idee eines ebensolchen Gesetzgebers und Welturhebers, als theologischer Begriff, ob er zwar reine Zugabe ist, sich dennoch aus jenem Beweisgrunde von selbst zu entwickeln scheint.

Hiebei kann man es in dem gewöhnlichen Vortrage fernerhin auch bewenden lassen. Denn dem gemeinen und gesunden Verstande wird es gemeiniglich schwer, die verschiedenen Prinzipien, die er vermischt, und aus deren einem er wirklich allein und richtig folgert, wenn die Absonderung viel Nachdenken bedarf, als ungleichartig voneinander zu scheiden. Der moralische Beweisgrund vom Dasein Gottes ergänzt aber eigentlich auch nicht etwa bloß den physisch-teleologischen zu einem vollständigen Beweise; sondern er ist ein besonderer Beweis, der den Mangel der Überzeugung aus dem letzteren ersetzt: indem dieser in der Tat nichts leisten kann, als die Vernunft in der Beurteilung des Grundes der Natur und der zufälligen, aber bewunderungswürdigen, Ordnung derselben, welche uns nur durch Erfahrung bekannt wird, auf die Kausalität einer Ursache, die nach Zwecken den Grund derselben enthält (die wir nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen als verständige Ursache denken müssen), zu lenken und aufmerksam, so aber des moralischen Beweises empfänglicher, zu machen. Denn das, was zu dem letztern Begriffe erforderlich ist, ist von allem, was Naturbegriffe enthalten und lehren können, so wesentlich unterschieden, daß es eines besondern von den vorigen ganz unabhängigen Beweisgrundes und Beweises bedarf, um den Begriff vom Urwesen für eine Theologie hinreichend anzugeben, und auf seine Existenz zu schließen. – Der moralische Beweis (der aber freilich nur das Dasein Gottes in praktischer, doch auch unnachlaßlicher, Rücksicht der Vernunft beweiset) würde daher noch immer in seiner Kraft bleiben, wenn wir in der Welt gar keinen, oder nur zweideutigen Stoff zur physischen Teleologie anträfen. Es läßt sich denken, daß sich vernünftige Wesen von einer solchen Natur, welche keine deutliche Spur von Organisation, sondern nur Wirkungen von einem bloßen Mechanism der rohen Materie zeigte, umgeben sähen, um derentwillen und bei der Veränderlichkeit einiger bloß zufällig zweckmäßigen Formen und Verhältnisse, kein Grund zu sein schiene, auf einen verständigen Urheber zu schließen; wo alsdann auch zu einer physischen Teleologie keine Veranlassung sein würde: und dennoch würde die Vernunft, die durch Naturbegriffe hier keine Anleitung bekommt, im Freiheitsbegriffe und in den sich darauf gründenden sittlichen Ideen einen praktisch-hinreichenden Grund finden, den Begriff des Urwesens diesen angemessen, d. i. als einer Gottheit, und die Natur (selbst unser eigenes Dasein) als einen jener und ihren Gesetzen gemäßen Endzweck zu postulieren, und zwar in Rücksicht auf das unnachlaßliche Gebot der praktischen Vernunft. – Daß nun aber in der wirklichen Welt für die vernünftigen Wesen in ihr reichlicher Stoff zur physischen Teleologie ist (welches eben nicht notwendig wäre), dient dem moralischen Argument zu erwünschter Bestätigung, soweit Natur etwas den Vernunftideen (den moralischen) Analoges aufzustellen vermag. Denn der Begriff einer obersten Ursache, die Verstand hat (welches aber für eine Theologie lange nicht hinreichend ist) bekommt dadurch die, für die reflektierende Urteilskraft hinreichende, Realität; aber er ist nicht erforderlich, um den moralischen Beweis darauf zu gründen: noch dient dieser, um jenen, der für sich allein gar nicht auf Moralität hinweiset, durch fortgesetzten Schluß nach einem einzigen Prinzip zu einem Beweise zu ergänzen. Zwei so ungleichartige Prinzipien, als Natur und Freiheit, können nur zwei verschiedene Beweisarten abgeben, da denn der Versuch, denselben aus der ersteren zu führen, für das was bewiesen werden soll, unzulänglich befunden wird.

Wenn der physisch-teleologische Beweisgrund zu dem gesuchten Beweise zureichte, so wäre es für die spekulative Vernunft sehr befriedigend; denn er würde Hoffnung geben, eine Theosophie hervorzubringen (so würde man nämlich die theoretische Erkenntnis der göttlichen Natur und seiner Existenz, welche zur Erklärung der Weltbeschaffenheit und zugleich der Bestimmung der sittlichen Gesetze zureichte, nennen müssen). Ebenso wenn Psychologie zureichte, um dadurch zur Erkenntnis der Unsterblichkeit der Seele zu gelangen, so würde sie eine Pneumatologie, welche der spekulativen Vernunft ebenso willkommen wäre, möglich machen. Beide aber, so lieb es auch dem Dünkel der Wißbegierde sein mag, erfüllen nicht den Wunsch der Vernunft in Absicht auf die Theorie, die auf Kenntnis der Natur der Dinge gegründet sein müßte. Ob aber nicht die erstere, als Theologie, die zweite, als Anthropologie, beide auf das sittliche, d. i. das Freiheitsprinzip gegründet, mithin dem praktischen Gebrauche der Vernunft angemessen, ihre objektive Endabsicht besser erfüllen, ist eine andere Frage, die wir hier nicht nötig haben weiter zu verfolgen.

Der physisch-teleologische Beweisgrund reicht aber darum nicht zur Theologie zu, weil er keinen für diese Absicht hinreichend bestimmten Begriff von dem Urwesen gibt, noch geben kann, sondern man diesen gänzlich anderwärts hernehmen, oder seinen Mangel dadurch, als durch einen willkürlichen Zusatz, ersetzen muß. Ihr schließt aus der großen Zweckmäßigkeit der Naturformen und ihrer Verhältnisse auf eine verständige Weltursache; aber auf welchen Grad dieses Verstandes? Ohne Zweifel könnt ihr euch nicht anmaßen, auf den höchst-möglichen Verstand; denn dazu würde erfordert werden, daß ihr einsähet, ein größerer Verstand, als wovon ihr Beweistümer in der Welt wahrnehmet, sei nicht denkbar: welches euch selber Allwissenheit beilegen hieße. Ebenso schließt ihr aus der Größe der Welt auf eine sehr große Macht des Urhebers; aber ihr werdet euch bescheiden, daß dieses nur komparativ für eure Fassungskraft Bedeutung hat, und, da ihr nicht alles Mögliche erkennt, um es mit der Weltgröße, so weit ihr sie kennt, zu vergleichen, ihr nach einem so kleinen Maßstabe keine Allmacht des Urhebers folgern könnet, usw. Nun gelangt ihr dadurch zu keinem bestimmten, für eine Theologie tauglichen Begriffe eines Urwesens; denn dieser kann nur in dem der Allheit der mit einem Verstande vereinbarten Vollkommenheiten gefunden werden, wozu euch bloß empirische Data gar nicht verhelfen können: ohne einen solchen bestimmten Begriff aber könnt ihr auch nicht auf ein einiges verständiges Urwesen schließen, sondern (es sei zu welchem Behuf) ein solches nur annehmen. – Nun kann man es zwar ganz wohl einräumen, daß ihr (da die Vernunft nichts Gegründetes dawider zu sagen hat) willkürlich hinzusetzt: wo so viel Vollkommenheit angetroffen wird, möge man wohl alle Vollkommenheit in einer einzigen Weltursache vereinigt annehmen; weil die Vernunft mit einem so bestimmten Prinzip, theoretisch und praktisch, besser zurecht kommt. Aber ihr könnt denn doch diesen Begriff des Urwesens nicht als von euch bewiesen anpreisen, da ihr ihn nur zum Behuf eines besseren Vernunftgebrauchs angenommen habt. Alles Jammern also oder ohnmächtiges Zürnen über den vorgeblichen Frevel, die Bündigkeit eurer Schlußkette in Zweifel zu ziehen, ist eitle Großtuerei, die gern haben möchte, daß man den Zweifel, welchen man gegen euer Argument frei heraussagt, für Bezweifelung heiliger Wahrheit halten möchte, um nur hinter dieser Decke die Seichtigkeit desselben durchschlüpfen zu lassen.

Die moralische Teleologie hingegen, welche nicht minder fest gegründet ist wie die physische, vielmehr dadurch, daß sie a priori auf von unserer Vernunft untrennbaren Prinzipien beruht, Vorzug verdient, führt auf das, was zur Möglichkeit einer Theologie erfordert wird, nämlich auf einen bestimmten Begriff der obersten Ursache, als Weltursache nach moralischen Gesetzen, mithin einer solchen, die unserm moralischen Endzwecke Genüge tut: wozu nichts weniger als Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart usw. als dazu gehörige Natureigenschaften erforderlich sind, die mit dem moralischen Endzwecke, der unendlich ist, als verbunden, mithin ihm adäquat gedacht werden müssen, und kann so den Begriff eines einzigen Welturhebers, der zu einer Theologie tauglich ist, ganz allein verschaffen.

Auf solche Weise führt eine Theologie auch unmittelbar zur Religion, d. i. der Erkenntnis unserer Pflichten, als göttlicher Gebote; weil die Erkenntnis unserer Pflicht, und des darin uns durch Vernunft auferlegten Endzwecks, den Begriff von Gott zuerst bestimmt hervorbringen konnte, der also schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich ist: anstatt daß, wenn der Begriff vom Urwesen auf dem bloß theoretischen Wege (nämlich desselben als bloßer Ursache der Natur) auch bestimmt gefunden werden könnte, es nachher noch mit großer Schwierigkeit, vielleicht gar Unmöglichkeit es ohne willkürliche Einschiebung zu leisten, verbunden sein würde, diesem Wesen eine Kausalität nach moralischen Gesetzen durch gründliche Beweise beizulegen; ohne die doch jener angeblich theologische Begriff keine Grundlage zur Religion ausmachen kann. Selbst wenn eine Religion auf diesem theoretischen Wege gegründet werden könnte, würde sie in Ansehung der Gesinnung (worin doch ihr Wesentliches besteht) wirklich von derjenigen unterschieden sein, in welcher der Begriff von Gott und die (praktische) Überzeugung von seinem Dasein aus Grundideen der Sittlichkeit entspringt. Denn wenn wir Allgewalt, Allwissenheit usw. eines Welturhebers, als anderwärts her uns gegebene Begriffe voraussetzen müßten, um nachher unsere Begriffe von Pflichten auf unser Verhältnis zu ihm nur anzuwenden, so müßten diese sehr stark den Anstrich von Zwang und abgenötigter Unterwerfung bei sich führen; statt dessen, wenn die Hochachtung. für das sittliche Gesetz uns ganz frei, laut Vorschrift unserer eigenen Vernunft, den Endzweck unserer Bestimmung vorstellt, wir eine damit und zu dessen Ausführung zusammenstimmende Ursache mit der wahrhaftesten Ehrfurcht, die gänzlich von pathologischer Furcht unterschieden ist, in unsere moralischen Aussichten mit aufnehmen und uns derselben willig unterwerfen.Die Bewunderung der Schönheit sowohl, als die Rührung durch die so mannigfaltigen Zwecke der Natur, welche ein nachdenkendes Gemüt, noch vor einer klaren Vorstellung eines vernünftigen Urhebers der Welt, zu fühlen imstande ist, haben etwas einem religiösen Gefühl ähnliches an sich. Sie scheinen daher zuerst durch eine der moralischen analoge Beurteilungsart derselben auf das moralische Gefühl (der Dankbarkeit und der Verehrung gegen die uns unbekannte Ursache) und also durch Erregung moralischer Ideen auf das Gemüt zu wirken, wenn sie diejenige Bewunderung einflößen, die mit weit mehrerem Interesse verbunden ist, als bloße theoretische Betrachtung wirken kann.

Wenn man fragt: warum uns denn etwas daran gelegen sei, überhaupt eine Theologie zu haben: so leuchtet klar ein, daß sie nicht zur Erweiterung oder Berichtigung unserer Naturkenntnis und überhaupt irgendeiner Theorie, sondern lediglich zur Religion, d. i. dem praktischen, namentlich dem moralischen Gebrauche der Vernunft in subjektiver Absicht nötig sei. Findet sich nun: daß das einzige Argument, welches zu einem bestimmten Begriffe des Gegenstandes der Theologie führt, selbst moralisch ist; so wird es nicht allein nicht befremdend, sondern man wird auch in Ansehung der Zulänglichkeit des Fürwahrhaltens aus diesem Beweisgrunde zur Endabsicht desselben nichts vermissen, wenn gestanden wird, daß ein solches Argument das Dasein Gottes nur für unsere moralische Bestimmung, d. i. in praktischer Absicht hinreichend dartue, und die Spekulation in demselben ihre Stärke keinesweges beweise, oder den Umfang ihres Gebiets dadurch erweitere. Auch wird die Befremdung, oder der vergebliche Widerspruch einer hier behaupteten Möglichkeit einer Theologie, mit dem, was die Kritik der spekulativen Vernunft von den Kategorien sagte: daß diese nämlich nur in Anwendung auf Gegenstände der Sinne, keinesweges aber auf das Übersinnliche angewandt, Erkenntnis hervorbringen können, verschwinden, wenn man sie hier zu einem Erkenntnis Gottes, aber nicht in theoretischer (nach dem, was seine uns unerforschliche Natur an sich sei), sondern lediglich in praktischer Absicht gebraucht sieht. – Um bei dieser Gelegenheit der Mißdeutung jener sehr notwendigen, aber auch, zum Verdruß des blinden Dogmatikers, die Vernunft in ihre Grenzen zurückweisenden, Lehre der Kritik ein Ende zu machen, füge ich hier nachstehende Erläuterung derselben bei.

Wenn ich einem Körper bewegende Kraft beilege, mithin ihn durch die Kategorie der Kausalität denke: so erkenne ich ihn dadurch zugleich, d. i. ich bestimme den Begriff desselben, als Objekts überhaupt, durch das, was ihm, als Gegenstande der Sinne, für sich (als Bedingung der Möglichkeit jener Relation) zukommt. Denn, ist die bewegende Kraft, die ich ihm beilege, eine abstoßende: so kommt ihm (wenn ich gleich noch nicht einen andern, gegen den er sie ausübt, neben ihm setze) ein Ort im Raume, ferner eine Ausdehnung, d. i. Raum in ihm selbst, überdem Erfüllung desselben durch die abstoßenden Kräfte seiner Teile zu, endlich auch das Gesetz dieser Erfüllung (daß der Grund der Abstoßung der letzteren in derselben Proportion abnehmen müsse, als die Ausdehnung des Körpers wächst, und der Raum, den er mit denselben Teilen durch diese Kraft erfüllt, zunimmt). – Dagegen, wenn ich mir ein übersinnliches Wesen als den ersten Beweger, mithin durch die Kategorie der Kausalität in Ansehung derselben Weltbestimmung (der Bewegung der Materie), denke: so muß ich es nicht in irgendeinem Orte im Raume, ebensowenig als ausgedehnt, ja ich darf es nicht einmal als in der Zeit und mit andern zugleich existierend denken. Also habe ich gar keine Bestimmungen, welche mir die Bedingung der Möglichkeit der Bewegung durch dieses Wesen als Grund verständlich machen könnten. Folglich erkenne ich dasselbe durch das Prädikat der Ursache (als ersten Beweger) für sich nicht im mindesten: sondern ich habe nur die Vorstellung von einem Etwas, welches den Grund der Bewegungen in der Welt enthält; und die Relation derselben zu diesen, als deren Ursache, da sie mir sonst nichts zur Beschaffenheit des Dinges, welches Ursache ist, Gehöriges an die Hand gibt, läßt den Begriff von dieser ganz leer. Der Grund davon ist: weil ich mit Prädikaten, die nur in der Sinnenwelt ihr Objekt finden, zwar zu dem Dasein von etwas, was den Grund der letzteren enthalten muß, aber nicht zu der Bestimmung seines Begriffs als übersinnlichen Wesens, welcher alle jene Prädikate ausstößt, fortschreiten kann. Durch die Kategorie der Kausalität also, wenn ich sie durch den Begriff eines ersten Bewegers bestimme, erkenne ich, was Gott sei, nicht im mindesten; vielleicht aber wird es besser gelingen, wenn ich aus der Weltordnung Anlaß nehme, seine Kausalität, als die eines obersten Verstandes nicht bloß zu denken, sondern ihn auch durch diese Bestimmung des genannten Begriff s zu erkennen: weil da die lästige Bedingung des Raumes und der Ausdehnung wegfällt. – Allerdings nötigt uns die große Zweckmäßigkeit in der Welt, eine oberste Ursache zu derselben und deren Kausalität als durch einen Verstand zu denken; aber dadurch sind wir gar nicht befugt, ihr diesen beizulegen (wie z. B. die Ewigkeit Gottes als Dasein zu aller Zeit zu denken, weil wir uns sonst gar keinen Begriff vom bloßen Dasein als einer Größe, d. i. als Dauer, machen können; oder die göttliche Allgegenwart als Dasein in allen Orten zu denken, um die unmittelbare Gegenwart für Dinge außer einander uns faßlich zu machen, ohne gleichwohl eine dieser Bestimmungen Gott, als etwas an ihm Erkanntes, beilegen zu dürfen). Wenn ich die Kausalität des Menschen in Ansehung gewisser Produkte, welche nur durch absichtliche Zweckmäßigkeit erklärlich sind, dadurch bestimme, daß ich sie als einen Verstand desselben denke; so brauche ich nicht dabei stehenzubleiben, sondern kann ihm dieses Prädikat als wohlbekannte Eigenschaft desselben beilegen und ihn dadurch erkennen. Denn ich weiß, daß Anschauungen den Sinnen des Menschen gegeben, und durch den Verstand unter einen Begriff und hiemit unter eine Regel gebracht werden; daß dieser Begriff nur das gemeinsame Merkmal (mit Weglassung des Besondern) enthalte und also diskursiv sei; daß die Regeln, um gegebene Vorstellungen unter ein Bewußtsein überhaupt zu bringen, von ihm noch vor jenen Anschauungen gegeben werden, usw.: ich lege also diese Eigenschaft dem Menschen bei, als eine solche, wodurch ich ihn erkenne. Will ich nun aber ein übersinnliches Wesen (Gott) als Intelligenz denken, so ist dieses in gewisser Rücksicht meines Vernunftgebrauchs nicht allein erlaubt, sondern auch unvermeidlich; aber ihm Verstand beizulegen, und es dadurch als durch eine Eigenschaft desselben erkennen zu können sich schmeicheln, ist keinesweges erlaubt: weil ich alsdann alle jene Bedingungen, unter denen ich allein einen Verstand kenne, weglassen muß, mithin das Prädikat, das nur zur Bestimmung des Menschen dient, auf ein übersinnliches Objekt gar nicht bezogen werden kann, und also durch eine so bestimmte Kausalität, was Gott sei, gar nicht erkannt werden kann. Und so geht es mit allen Kategorien, die gar keine Bedeutung zum Erkenntnis in theoretischer Rücksicht haben können, wenn sie nicht auf Gegenstände möglicher Erfahrung angewandt werden. – Aber nach der Analogie mit einem Verstande kann ich, ja muß ich, mir wohl in gewisser anderer Rücksicht selbst ein übersinnliches Wesen denken, ohne es gleichwohl dadurch theoretisch erkennen zu wollen; wenn nämlich diese Bestimmung seiner Kausalität eine Wirkung in der Welt betrifft, die eine moralisch-notwendige, aber für Sinnenwesen unausführbare Absicht enthält: da alsdann ein Erkenntnis Gottes und seines Daseins (Theologie) durch bloß nach der Analogie an ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Kausalität möglich ist, welches in praktischer Beziehung, aber auch nur in Rücksicht auf diese (als moralische), alle erforderliche Realität hat. – Es ist also wohl eine Ethikotheologie möglich; denn die Moral kann zwar mit ihrer Regel, aber nicht mit der Endabsicht, welche eben dieselbe auferlegt, ohne Theologie bestehen, ohne die Vernunft in Ansehung der letzteren im bloßen zu lassen. Aber eine theologische Ethik (der reinen Vernunft) ist unmöglich: weil Gesetze, die nicht die Vernunft ursprünglich selbst gibt, und deren Befolgung sie als reines praktisches Vermögen auch bewirkt, nicht moralisch sein können. Ebenso würde eine theologische Physik ein Unding sein, weil sie keine Naturgesetze, sondern Anordnungen eines höchsten Willens vortragen würde; wogegen eine physische (eigentlich physisch-teleologische) Theologie doch wenigstens als Propädeutik zur eigentlichen Theologie dienen kann: indem sie durch die Betrachtung der Naturzwecke, von denen sie reichen Stoff darbietet, zur Idee eines Endzweckes, den die Natur nicht aufstellen kann, Anlaß gibt; mithin das Bedürfnis einer Theologie, die den Begriff von Gott für den höchsten praktischen Gebrauch der Vernunft zureichend bestimmte, zwar fühlbar machen, aber sie nicht hervorbringen und auf ihre Beweistümer zulänglich gründen kann.


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