Arthur Kahane
Die Thimigs
Arthur Kahane

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Helene Thimig

Wir gehen unter den Menschen, und viele Gesichter ziehen an uns vorüber, die wir kaum sehen. Einige sind unter uns, denen ist kein Gesicht gleichgültig, das sie sehen, und es ruht sie nicht, bis sie, oft nur mit einem Blick, oft nur mit dem Aufflammen einer Ahnung, ergründet haben, welche Wahrheit in jedem Gesicht steht. Denn es gibt kein Gesicht, das nicht seine Wahrheit hätte, und wenn sie nicht im Gesichte steht, dann steht sie hinter dem Gesichte und erschließt sich denen, die zu lesen verstehen. Ihnen antworten die Gesichter. Aber manchmal ist ein Gesicht, das nicht antwortet. Ganz klar ist es, aber seine Klarheit schweigt dir. Du blickst in seine Verschlossenheit wie in einen See, der sehr tief und still ist, und du wirfst deine Angel, aber sie findet keinen Grund. Es gibt Gesichter, die unergründlich sind. Und diese sind die schönsten.

Ist die Stille über diesen Gesichtern wirklich Stille? Oder ist es der Ausdruck eines inneren Lebens, das tiefer atmet, bewegter flutet als das der anderen, nur von innen herauf, nach innen hinein, weltscheu und schamhaft in sich verschlossen? Es sind die Gesichter von Menschen, die zu stolz und zu vornehm sind, um sich ihren Kampf und ihr Geheimnis entreißen zu lassen, zu stolz und zu einsam, um nicht allein damit fertig werden zu müssen. Darum tragen sie die leise Mona Lisa-Ruhe ihrer Abgeklärtheit auf der 102 reinen, weißen Stirne. Wer könnte sagen, was dahinter vorging, ehe sie dahin kamen! Wir ahnen ehrfurchtsvoll die tiefe Wahrheit einer großen Seele, aber wir wissen sie nicht.

So ist das Gesicht der Schauspielerin Helene Thimig.

 


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