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Einundzwanzigste Predigt

Kaudel hat sich nicht wie ein Ehemann bei der Feier des Hochzeitsfestes betragen.

Es ist wahr, solche Wünsche helfen zu Nichts, aber ich wünsche doch, daß gestern vor vierzehn Jahren zurückkommen könnte. Damals, Kaudel, damals als Du mich als Dein Dir angetrautes Weib aus der Kirche führtest, damals hatte ich keine Ahnung daß ich mein Hochzeitsfeiermahl auf eine Art feiern würde, wie es heute geschehen ist. – Vor vierzehn Jahren – ich sehe Dich noch in dem blauen Frack mit den blanken Knöpfen, der weißatlasnen Weste und mit einer Moosrose im Knopfloch, die, wie Du sagtest – mir ähnlich wäre. Was?

Du hast noch nie solchen Unsinn geredet? Sieh, Kaudel – Du weißt gar nicht mehr was Du Alles an dem Tag gesprochen hast, aber ich weiß es. Ja wohl weiß ich es. Und nachher saßest Du bei Tische als ob Dein ganzes Gesicht, man kann wohl sagen mit Glückseligkeit überzuckert gewesen wäre und – Was?

Nein, Kaudel, sage das nicht – ich habe den Zucker nicht abgeklopft – ich wahrhaftig nicht; wenn aber irgend ein Mann auf der Welt Ursache hat sich glücklich zu fühlen, so solltest Du der sein, der Himmel ist da mein Zeuge.

Ja, Kaudel – ich will von der Vergangenheit sprechen. Damals saßest Du neben mir und suchtest für mich die delikatesten Bissen heraus; Perlen und Diamanten würdest Du mir zu essen gegeben haben, wenn ich sie hätte verschlucken können. Ja damals saßest Du neben mir und – Von was redest Du jetzt?

Du hättest heute nicht neben mir sitzen können? das hat hiermit gar Nichts zu thun, aber natürlich, Du machst es so wie gewöhnlich; ich kann von Nichts zu reden anfangen, so beginnst Du an einem ganz anderen Ende. – – Und wie die Gesundheit des jungen Paares getrunken wurde, was konntest Du da für eine Rede halten – es war herrlich. Alles weinte und schluchzte, als ob ihnen das Herz brechen wollte, und ich weiß es noch, als wenn es gestern gewesen wäre, wie dem guten Vater die Thränen an der Nase herunterliefen und die gute Mutter beinahe eine Ohnmacht bekommen hätte. Ach Du lieber Gott! sie ahneten ja nicht, wie Du mich noch trotz all den schönen Reden behandeln würdest.

Wie Du mich behandelt hast? Oh, Kaudel, wie kannst Du nur eine solche Frage thun! Es ist ein Glück für Dich daß ich nicht sehen kann wie Du selbst darüber erröthest. Wie Du mich behandelt hast! Und daß ein und dieselbe Zunge damals eine solche Rede halten und heute so sprechen konnte.

Wie Du gesprochen hast? Schmachvoll – schändlich. Was hast Du von unserer häuslichen Glückseligkeit gesagt? Gar Nichts. Was über Deine Frau? Schlimmer als gar Nichts; als ob sie eine Waare wäre, deren Einkauf Dir leid thäte, zu der Du aber doch jetzt das beste Gesicht schneiden müßtest. Was sagst Du?

Und das beste wär' schlecht? Wenn Du das noch einmal sagst, Kaudel, so steh' ich aus meinem Bett auf.

Du hast es nicht gesagt? Was denn? es klang wenigstens ganz eben so. Ja, – eine kostbare Danksagungsrede für einen Ehemann war das. Man sah es Dir ordentlich an, wie Du Dir nicht einen Stecknadelkopf aus mir machtest. Darum hast Du aber die Gesellschaft nur eingeladen, Du wolltest mich vor ihren Augen herabsetzen. – Was?

Ich sei selbst die Ursache daß sie gekommen wäre? Oh Kaudel, wie Du es verstehst Einen zu ärgern. Als ob Du's studirt hättest. Nächstens wirst Du nun wohl auch sagen, ich hätte Dich gequält Mamsell Betsenberger einzuladen – wie? denn daß sie ihr Bruder ohne Dein Wissen mitgebracht hätte, wirst Du mir doch nicht weißmachen wollen.

Ob ich es nicht gehört habe, wie er es sagte? Gewiß hab' ich es gehört, Du mußt mich aber für einen gewaltigen Narren halten, wenn Du glaubst, ich durchschaute es nicht wie das schon Alles vorher unter Euch abgemacht war. Das muß auch ein schönes Frauenzimmer sein, das sich in ein anderes Haus uneingeladen eindrängt. Ich weiß aber schon weßhalb sie kam – sie wollte sich nur einmal umsehen.

Was ich damit meine? Nun ich sollte denken, das läge doch klar genug auf der Hand. Sie kam, um zu sehen wie ihr die Zimmer gefielen und mein Sitz am Kamine. Wie ihr – wenn das nicht genug ist das Herz einer Mutter zu brechen – wie ihr die theueren Kinder behagten und –

Kaudel, das Umherspringen hilft Dir gar Nichts; aber natürlich, ich darf Mamsell Betsenberger nicht mehr in den Mund nehmen, so fährst Du wie besessen im Bett herum. So ist es aber; wenn Du Dir Nichts aus ihr machtest, so würdest Du Dich nicht so anstellen; das kann ein Blinder sehen. Glaubst Du etwa, ich hätte es nicht bemerkt, wie sie die Buchstaben auf den Löffeln untersuchte, als ob sie schon in Gedanken ihre eigenen Namenszüge darauf sähe?

Nein, Kaudel, ich werde Dich nicht wahnsinnig machen, wirst Du's aber, so ist das Deine eigene Schuld. Kein braver Mann könnte das Weib seines Herzens so – was sagst Du?

Du hättest eben so gut einen Igel heirathen können? Nun, Gott sei Dank – das ist ein herrlicher Mann für eine Frau. Also dahin ist es gekommen? so war es aber bis jetzt jedes Mal – sobald Du die Mamsell Betsenberger gesehen hattest, dann konnte ich mich auch darauf verlassen, daß ich beleidigt und gekränkt wurde. Ein Igel – Gott steh mir bei – und glaubst Du, Kaudel, ich bleibe hier ruhig im Bette liegen und lasse mich einen Igel nennen?

Ich hoffe nur, daß es der Mamsell Betsenberger geschmeckt hat – weiter Nichts. Mir war Alles wie Galle im Mund. Ich hatte auch nichts zu essen, denn das Einzige, was mir an einem Truthahn das Liebste ist, der Brustknochen, den bekam natürlich Mamsell Betsenberger. Oh, ich sah Dich lachen, wie Du ihn ihr auf den Teller legtest, und Du glaubst doch wohl nicht, daß ich nach einer solchen Beleidigung noch irgend etwas Anderes angerührt hätte? Nein, wahrhaftig – dazu hab' ich zuviel Ehrgefühl. – Und dann hast Du vier Mal mir ihr angestoßen.

Blos zweimal? Das weißt Du gar nicht mehr Kaudel, Du warst ganz weg, ganz bezaubert. Ja, Kaudel, bezaubert, daß Du nicht einmal mehr wußtest, was Du thatest. Uebrigens sollt' ich doch denken, daß ich wenigstens, so lange ich noch am Leben wäre, an meinem eigenen Tische mit Achtung behandelt werden müßte. So lange ich noch am Leben bin, sage ich, denn das kann überhaupt nicht mehr lange dauern; nachher mag Mamsell Betsenberger hier einziehen und Alles nehmen.

Mit jedem Tage werde ich magerer; wenn ich aber auch Nichts darüber rede, die Wahrheit bleibt doch nicht verborgen. In jeder Woche muß ich meine Kleider einnähen. Nun den Hochzeitstag werde ich in meinem Leben nicht vergessen, und die Danksagungsrede, die Du hieltest. Nein, Kaudel, und wenn ich noch hundert Jahre lebte – Du brauchst nicht so zu stöhnen, als ob Du ersticken wolltest, ich werde Dir nicht mehr die Hälfte der Zeit im Wege sein – und wenn ich noch hundert Jahre lebte, die Rede vergäße ich nie – nie. Ja nicht einmal ein's von den Kindern hast Du mit darin erwähnt – nicht ein einziges, und was haben Dir die armen Würmchen gethan?

Nein, Kaudel, ich werde Dich nicht verrückt machen, aber Du wirst mich noch um den Verstand bringen. Jeder sagt das. Und Du glaubst wohl auch, ich hätte nicht gemerkt wie Ihr das anstelltet, daß diese Mamsell Betsenberger beim Whist immer Dein Aide wurde – was?

Wie es angestellt war? klar genug; natürlich mischtest Du die Karten und konntest abheben wie Du wolltest. Das hattet Ihr schon so untereinander ausgemacht. Und wenn sie einen Stich genommen und nun wieder ausspielte, anstatt dann einen Trumpf zu bringen – das wäre meine Whistspielerin – was sagtest Du da zu ihr, wie sie merkte, sie hätte einen Fehler gemacht? nun? Es wäre unmöglich daß ihr Herz fehlen könnte. Und das, Kaudel, vor all den Menschen und mit Deiner eigenen Frau im Zimmer.

Und Mamsell Betsenberger – ich will aber den Mund nicht halten – ich will von ihr reden. Wer ist sie denn eigentlich, daß ich nicht einmal von ihr reden dürfte? – sie denkt wohl auch, daß sie singt? – Was sagst Du?

Sie sänge wie eine Meerjungfer? Ja wohl, wie eine Meerjungfer, denn sie singt nie, ohne daß sie sich Blößen giebt. Und das Lied was sie sang »Ich liebe Jemand«, als ob ich nicht wüßte, wer bei dem Jemand gemeint ist. Das ganze Zimmer wußt' es, darum war es auch nur geschehen. Natürlich – wegen weiter Nichts. – Uebrigens, Kaudel, da ich mich jetzt zu dem entschlossen habe, was ich zu thun für nöthig finde, so will ich heute Abend nichts weiter darüber sagen und versuchen einzuschlafen.

*

»Und zu meinem freudigen Erstaunen,« schreibt Kaudel, »hielt sie wirklich Wort.«

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