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Fünfzehnte Predigt

Kaudel ist wieder einmal spät nach Hause gekommen und Madame Kaudel, zuerst darüber empört und unwillig – schmilzt endlich.

Sage mir nur in aller Welt, wie das noch, einmal enden soll. Enden soll – ja da brauch' ich auch noch lange danach zu fragen, der Himmel weiß es, das Ende ist leider klar genug – Aus, aus, aus, jede Nacht – jede Nacht aus. Nein, es wird mir bald zu arg, Männer die nicht zu anständiger Stunde nach Hause kommen wollen, sollten gar keine Weiber haben. Sie brauchen nicht noch außer sich andere unschuldige Wesen unglücklich zu machen.

Ich hoffe nur zu Gott, daß keines von meinen Mädchen einmal heirathen und die Sclavin ihres Mannes wird, wie es ihre arme Mutter leider geworden ist. Mit meinem Willen, und wenn ich etwas dagegen thun kann, nehmen sie wenigstens keinen Mann.

Was sagst Du? – Nichts? Das glaub' ich, Kaudel; die Scham sollte Dir schon den Mund verschließen. Eins ist mir nur unerklärlich, daß Du noch den Muth hast, zu solcher Stunde an Deine eigene Thür zu klopfen. Wenn ich auch Deine Frau bin, so muß ich das doch gestehen, daß ich manchmal wirklich erstaunt über Deine Unverschämtheit bin.

Was sagst Du? Nichts? O Du könntest Einen zu Tode ärgern, Kaudel. Du hast eine Manier, die mich noch unter die Erde bringt. Liegst jetzt dort wie eine Mumie und bringst die Lippen nicht von einander; gerade als ob Deine Frau nicht einer Antwort werth wäre. Wenn Du aus bist, wirst Du schon anders sein, das ist sicher; Deine Frau behandelst Du aber immer als ob sie gar nicht da wäre – o Du weißt daß ich Recht habe, Kaudel, Du weißt es. Aus – – jede Nacht aus. – Was?

Das wäre in dieser Woche das erste Mal? Rede nur nicht; eben so gut könntest Du auch die ganze Woche ausbleiben – gerade so gut. Ich möchte überdies nur wissen was Du noch in solcher Nachtzeit draußen zu thun hättest. –

Geschäfte? oja – natürlich, schöne Geschäfte das, für einen verheiratheten Mann und Familienvater, Nachts um ein Uhr. – Was?

Ich werde Dich noch toll machen? Nein, Kaudel, Dich nicht – Du hast nicht Gefühl genug, toll zu werden. Du wärst ein besserer Mann, wenn Du so viel Gefühl hättest.

Ob ich Dich anhören will? und wozu? Natürlich hast Du irgend eine Geschichte mit der Du Dich abfertigen willst. – So machst Du's jedes Mal und lachst nachher noch in's Fäustchen.

Nein, Kaudel, sage das nicht – ich suche nicht immer, wo ich was zu keifen und zu zanken finden kann, ich wahrhaftig nicht – Du bist das. Ich rede nie, wenn ich nicht vollkommene Ursachen dazu bekomme, und was ich schon in meiner Zeit ertragen habe, das weiß Niemand, kann Niemand besser wissen als ich selber.

Ob ich Deine Geschichte hören will? Meinetwegen – erzähle sie nur – ich habe Nichts dagegen. Das sage ich Dir aber gleich: ich glaube kein Wort davon. So eine Närrin wie andere Frauen sind, bin ich nicht. Fluche nur nicht gleich so entsetzlich. – Nun meinetwegen erzähle. – – –

*

Also das ist die Geschichte? so? das ist Deine Entschuldigung für Mitternachtpromenaden? für die Untergrabung meiner Gesundheit und die Zugrunderichtung Deiner Familie? Was glaubst Du denn, das Deine Kinder von Dir sagen werden, wenn sie einmal größer sind, und hören, Du hättest Dein Geld an Deine Saufkumpane – ja Kaudel, Saufkumpane, weggeworfen – an Deine Wirthshausgesellschaft, die –

Er ist nicht aus der Wirthshausgesellschaft? so? wer ist er denn? das möcht' ich wissen, und warum nennst Du mir denn seinen Namen nicht? – Aber ich brauche eigentlich gar nicht zu fragen – es ist der Betsenberger wieder – i natürlich – das habe ich mir doch gleich gedacht. Nun wird's mir aber wirklich fast zu bunt. Schon seit fünf Jahren habe ich mir eine silberne Theekanne gewünscht, und jetzt wirfst Du das Geld, was – was?

Es wäre nicht weggeworfen? So – nun dann heiß' ich nicht Margareth – so viel ist sicher. Ein Mann wird arretirt und weil sie ihn von seiner Familie wegholen, mußt Du hingehen und Deine Nase auch hineinstecken – Und giebst Dich dabei mit den unangenehmen Polizeidienern ab. Pfui – es wundert mich nur daß Du Dich nicht scheust noch in ein anständiges Haus hinein zu gehen. Und dabei auch noch von Advokat zu Advokat laufen um Bürgschaft zu bekommen und das Geschäft in Ordnung zu bringen, wie Du es nennst. Schöne Ordnung das – und außerdem noch selber Bürge zu werden! Nein, ein Mann der kein geborener Narr ist, sollte sich nie in solche Sachen für einen Andern einlassen. Glaubst Du daß irgend einer von Deinen Genossen je das für Dich thun würde?

Ja? Du sagst »ja?« nun ich wollte nur – blos um Dir zu beweisen, daß ich Recht habe – ich wollte nur daß Du einmal in den Fall kämest und sie versuchen müßtest – weiter wollt' ich Nichts – dann würdest Du es ausfinden, was Du an ihnen hast – so viel weiß ich.

Was gehen Dich anderer Leute Verlegenheiten an? Wenn Du gefangen säßest, käme keine Seele zu Dir – nicht eine einzige; darauf kannst Du Dich verlassen. O ja – jetzt reden sie schon schön wenn keine Aussicht da ist, daß Du je in eine solche Lage kommen könntest – geschäh' es aber nur, nachher säßest Du da auf der wohlriechenden Haide und könntest Trübsal blasen; von denen guckte sich keiner nach Dir um.

Du hast einen bessern Begriff von der Welt? Das wäre ganz gut, wenn Du's auch durchsetzen könntest. – Du hast's aber nicht danach, um bei Dir einen so vorzüglichen Begriff von der Welt zu rechtfertigen. Natürlich lachen Dich die Leute nachher nur aus – weiter Nichts, und sagen noch dazu: » Kaudel ist ein rechter weichköpfiger Narr, und den kann ein Kind bringen zu was es will – nur seine Frau nicht – die ganze Welt, aber nur seine eigene, ihm angetraute Frau nicht. – Natürlich kommt jetzt Jeder, der eingesteckt wird, augenblicklich zu Dir und läßt sich Bürgschaft leisten – versteht sich; es gibt ja auch gar nichts Bequemeres auf der Welt – Du wirst alle Hände voll zu thun bekommen, Kaudel, und in den Wachthäusern so bekannt werden wie ein Polizeidiener.

Dein Geschäft kann jetzt sehn, wie es allein fertig wird – denn Du wirst genug an anderer Leute Geschäft zu denken, und von Advokat zu Advokat zu laufen haben.

Kaudel, nenne mich nur keine gute Frau – Alles, nur nicht das – ich habe keine Ursache dazu. – Und ich will es auch nicht bis morgen sein lassen; ich rede selten genug, der Himmel weiß es, aber jetzt will ich reden.

Ich wollte, der Betsenberger säße auf dem Boden des Meeres, ehe er – was? –

Es ist nicht Betsenberger? Kaudel, wenn Du mir das auch noch zehntausendmal versichertest, so glaub' ich's doch nicht. Der sieht akkurat aus wie ein Mann, der immer Schulden hat und aus den Arresten gar nicht mehr herauskommt. Man könnte auf ihn schwören und von dem ersten Augenblick an als Du ihn damals hierher brachtest, wußt' ich das – von dem nämlichen Abend an, wo er seine eklichen nassen und schmutzigen Stiefel auf mein blankes Stahlgitter am Kamin setzte. Jede ordentliche Frau konnte da gleich sehen, was an dem Menschen war. Betsenberger! ein gewaltiger Herr, um anderer Leute Familien unglücklich zu machen.

Rufe nur nicht den Himmel auf so gotteslästerliche Art an, und bitte mich ruhig zu sein. Es hilft Dir Nichts. Warum konntest Du ihn nicht eine Weile sitzen lassen? Er hat sich hineingebracht – er mochte sich auch wieder herausbringen. Aber nein – hier mußt Du mich wach halten, und meinen Schlaf stören, meine Gesundheit – und was Dir daran liegt, auch meinen Seelenfrieden untergraben.

Jeder – Du nur nicht – sieht, daß ich den fortwährenden Aufregungen unterliege; meine Nerven sind so schon so angegriffen. Aber nein, zu den Advokaten läufst Du und denkst nicht einmal an Deine Kinder – Du schämst Dich gar nicht – Kaudel. – Und nachher für diesen Menschen, für diesen Betsenberger sich verbindlich zu machen! Versteht sich, wird er in der nächsten Woche in Ostindien sein – natürlich und dann mußt Du seine Schulden bezahlen. Deine Kinder können in Lumpen herumgehen, wenn nur der Herr Betsenberger – Was sagst Du?

Es ist nicht Betsenberger? Das weiß ich besser. Gut denn – wenn es nicht Betsenberger sein soll, für den Du Dich Nachts in der Stadt herumgetrieben hast, wenn es nicht Betsenberger sein soll, für den Du so dumm warst Bürgschaft zu leisten, wer war es denn? ich frage Dich jetzt – wer war es?

Was? mein Bruder? Bruder Thomas? Oh Kaudel! – lieber Kaudel!

*

»Das hatte die arme Frau nicht erwartet,« sagt Kaudel, »sie schluchzte als ob ihr das Herz brechen wollte und ich« – hier sind die Buchstaben im Manuscript ganz ausgelöscht, als ob sie Kaudel selbst beim Schreiben mit seinen Thränen verlöscht hätte. –

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