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Elfte Predigt

Madame Kaudel spielt darauf an, wie angenehm Kaudel leben würde, wenn ihre »gute Mutter« bei ihnen wohnen könnte.

Fühlst Du Dich heute Abend etwas wohler, Kaudel? Ja? nun das dacht' ich mir; morgen wird es schon wieder ganz gut sein. – Ja, guter Kaudel – Du nimmst Dich nur nicht genug in Acht – Du hältst nicht genug auf Deine Gesundheit, Kaudel, und das solltest Du doch eigentlich, wenn es nur meinethalben wäre. Ich weiß wahrhaftig nicht was ich angäbe, wenn Dir etwas zustieße, Kaudel, ich darf gar nicht d'ran denken – es wäre schrecklich. Du solltest Dich wirklich mehr in Acht nehmen, Du weißt, Kaudelchen, daß Du so wenig vertragen kannst.

War meine gute Mutter heute nicht recht vergnügt bei uns? O Du mußt nicht gleich schlafen, Kaudel – war sie nicht recht vergnügt?

Du weißt es nicht? – Wie kannst Du nur sagen, Du wüßtest das nicht? Das mußt Du doch gesehen haben. Bei uns fühlt sie sich aber immer wohler und glücklicher, als irgend wo anders. Nein, was für Gemüth die Frau hat – so sanft und weich – wie Seide; Nichts kann sie reizen oder aufbringen. Und wenn Du nur wüßtest wie sie immer Deine Partie nimmt, Kaudel. Das ist gewiß, und wenn Du zehnmal ihr eigener Sohn gewesen wärest, sie könnte Dich nicht lieber haben. Glaubst Du nicht auch, Balthasar? wie – lieber Mann? – Nun so antworte doch!

Woher Du das wissen sollst? – o Unsinn, Kaudel, das mußt Du doch gesehen haben. Der guten Frau macht Nichts auf der ganzen Welt eine solche Freude, als wenn sie Dir etwas recht zu Gefallen thun kann.

Weißt Du wohl noch, der heiße Grog, wie Du am Donnerstag Abend nach Hause kamst? Das hatte blos die gute Mutter angestellt. »Margareth,« sagte sie zu mir, »sieh nur wie es draußen stürmt und tobt, Kaudel wird gewiß gern etwas Warmes haben, wenn er aus dem Wetter kommt.« Sie ließ auch nicht nach, ich mußte den Grog machen. – Aber schlafe doch nicht, Kaudel, höre mir nur fünf Minuten zu; ich spreche doch, weiß es Gott, selten genug. – Und was sie für einen Spektakel macht wenn Du aus bist, und Deine Pantoffeln nicht an's Feuer gesetzt sind.

Sie ist sehr gütig? Ja, das weiß ich, Kaudel, das ist sie. Und arbeitet sie nicht jetzt schon seit sechs Monaten – ich hab' es ihr eigentlich versprechen müssen, Dir Nichts davon zu sagen – seit sechs Monaten an einer Urtasche für Dich? Und das mit ihren Augen und in ihrem Alter. – Denke nur, Kaudel. Und was sie für eine Köchin ist. – Delikatessen kann sie mit fast gar Nichts zubereiten. Ich habe gewiß mein Möglichstes versucht es ihr gleich zu thun, aber – ich brauche mich auch nicht zu schämen es einzugestehen, Kaudel, so geschickt wie meine Mutter bin ich doch nicht.

Und was für kleine Leckereien könnte sie nur für Dich herrichten, denn dazu lassen mir freilich die Kinder keine Zeit, Du weißt das ja auch; nicht wahr, lieber Mann? Ich mache mir wohl oft selber darüber Vorwürfe, – kann's aber doch einmal nicht ändern.

Nein, Kaudel, Du darfst mir noch nicht schlafen, nur noch fünf Minuten nicht – Du mußt zuhören.

Ich habe mir das nun so überlegt, Kaudelchen – o der häßliche, böse Husten – ich habe mir das nun so überlegt Balthasar, wie hübsch es wäre wenn wir die gute Mutter dazu bringen könnten daß sie zu uns zöge. – Aber Kaudel, Du kannst doch noch nicht schlafen, es ist ja rein unmöglich, Du hast ja erst in diesem Augenblick noch gehustet – Ja – wenn wir sie nur dazu bringen könnten, daß sie zu uns zöge; wir würden einen wahren Schatz in ihr haben. Siehst Du, Kaudel, dann würde sie Dir alle Abend etwas Warmes zurechtmachen, daß Du Dich recht pflegen könntest. Du hast es auch wirklich nöthig.

Du hast es nicht nöthig? Ja gewiß, Balthasar, sieh, Du bist keiner von den Stärksten. – Du weißt, Kaudel, daß Du keiner von den Stärksten bist. Und wie viel Geld sie uns allein in der Wirthschaft ersparen würde. Nein, was sie Dir für ein Auge in Fleischwaaren hat. – Der Metzger lebt nicht der Mutter anführen könnte. Und dann mit dem Geflügel – welche Finger sie für Hühner hat, Kaudel, das glaubst Du gar nicht. Auf dem Markte hab' ich's ihr nie gleich thun können. Das ist ihr aber angeboren, es ist wirklich eine Gabe Gottes.

Kaudel– erinnerst Du Dich wohl noch an die Reispuddings die sie früher machte?

Nicht? o pfui Kaudel – wie oft hast Du mir die Reispuddings vorgeworfen, und hast wissen wollen, warum ich sie nicht eben so gut machen könnte. Nach Mutter aber so etwas zuzubereiten, würde mir ordentlich wie Unverschämtheit vorkommen.

Sieh Kaudel, wenn sie nun bei uns wohnte, – o komm, Kaudel – Du schläfst doch nicht – ich weiß ja wohl – sieh Kaudelchen, wenn sie bei uns wohnte, dann könntest Du alle Tage Reispudding haben.

Aber Kaudel– wirf Dich doch nicht so im Bette herum und verwünsche die Reispuddinge – ich weiß doch, daß Du sie gern issest. – S'ist fast unglaublich, was sie für eine Geschicklichkeit im Kuchenbacken hat. – Mit manchen Leuten ist das aber so, es wird ihnen angeboren. Was sagst Du?

Warum es mir nicht angeboren ist? Oh Kaudel, das war grausam – das war eine herzlose Bemerkung, Balthasar – sieh, ich möchte Dir solchen Vorwurf nicht um alle Schätze der Welt gemacht haben. Kann man denn etwas dafür, wenn einem eine Sache nicht angeboren ist? – Wie oft hab' ich mir auch schon gewünscht zu Hause zu brauen, ich könnt' es aber nie ordentlich lernen, doch das Ale, das die gute Mutter macht – nein, es ist 'was Herrliches, Kaudel.

Du hast es noch nie gekostet? Nein, ich weiß wohl, Kaudel, ich kann mich aber noch recht gut daran erinnern, wie delikat uns das als Kinder immer schmeckte. Als es Vater einmal versucht hatte, wollte er gar nichts Anderes mehr trinken. Der beste Rheinwein schmeckte ganz anders.

Das glaubst Du auch? ja, es ist wirklich wahr, und wenn die gute Mutter hier im Hause wohnte, könnten wir schon damit eine Menge Geld ersparen; das gar nicht gerechnet, daß Du auch immer ein gutes und kräftiges Glas Ale hättest, wenn Du Appetit bekämst. Das würde Dir sicher gut thun, Kaudel, denn Du bist wahrhaftig nicht so recht stark.

Und das Einmachen von Gurken und Früchten – nein wie sie das versteht, glaubst Du gar nicht. Oft genug hat es mir leid gethan, daß Du zu dem kalten Fleisch nicht immer hast Pudding haben können; wenn Mutter aber bei uns wäre, Du solltest, was Obstpudding anbetrifft, glauben, es wäre das ganze Jahr Sommer. Ich weiß nicht – ich konnte das Einmachen nie lernen. – – Und was für hübsche Apfelbrodchen sie für die Kinder backen könnte. –

Was an Apfelbrodchen ist? o die sind delikat, Kaudel, besonders wie sie Mutter macht. Die Kinder haben sie auch so gern, und wie könnte sie mir mit ihnen an die Hand gehen. Das weiß ich, wenn Mutter bei uns wäre, dann würde ich mir aus Masern und Friesel gar nichts mehr machen. Was Kinderpflegen anbetrifft, ist sie ein wahrer Schatz.

Wie sie nur noch für eine Frau in ihrem Alter mit der Nadel umzugehen weiß. Ueberhaupt wird jetzt das fortwährende Nähen und Flicken für die Kinder fast mehr als ich allein besorgen kann. Wenn Mutter bei uns wohnte, dann weiß ich wohl, sollt' es an keinem Stich fehlen.

Und wie schön wäre das, wenn Du einmal so spät nach Hause kommst, Kaudel, denn Du kannst doch nicht immer zu Hause bleiben, das weiß ich wohl; Mutter bliebe dann auf und wartete auf Dich und wie gern thäte sie das – ein ordentliches Vergnügen machte sie sich daraus. – Also Kaudelchen– lieber Balthasar – nicht wahr? Mutter soll zu uns ziehen – wie, Kaudel? – O nein, Kaudel, Du schläfst doch nicht – Schelm, Du willst mich nur zum Besten haben. – Nicht wahr, Kaudel, Du willst sie auch gerne zu uns haben?

Was? nein? aber lieber Kaudel!

Nein? Du willst sie unter keiner Bedingung im Hause wissen? Oh KaudelKau delKau-del!

*

»Meine Frau brach hierbei in einen entsetzlichen Thränenstrom aus,« schreibt Kaudel in seinem Manuscript, »und ich benutzte natürlich die Zeit und schlief ein.«

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