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III.
Die Untersuchung der Natur und der Ursachen des Wohlstands der Nationen


1. Vom Fortschritt der Produktion, vom Tauschwert der Güter und ihrer Verteilung unter die drei wichtigsten Stände.

Die Einleitung beginnt mit einer falschen Definition: »Die Jahresarbeit eines jeden Volkes ist der Fonds, der es mit allen zum Leben notwendigen und allen wünschenswerten Gegenständen versieht, die es im Laufe des Jahres verbraucht, und die immer teils in dem eigenen Arbeitsprodukte bestehen, teils in dem, was dafür von anderen Völkern gekauft wird.« Einen Fonds kann man sowohl die Arbeitskraft der Natur und des Menschen nennen als auch die Gesamtheit der dadurch geschaffenen Gegenstände, die Arbeit aber ist die Tätigkeit, die den zweiten Fonds aus dem ersten hervorruft, und zu den Gegenständen gehören auch die durch die Arbeit früherer Jahre geschaffenen Werkzeuge und Vorräte. Das Maß der Güter, fährt Smith fort, das einer Nation zufließt, hängt erstens von der Geschicklichkeit und Tüchtigkeit in der Arbeit ab [man sieht aus dem Folgenden, daß er darin die erlangte Stufe der Produktivität der Arbeit mitbegriffen wissen will], und zweitens davon, wie groß die Zahl der in produktiver Arbeit Beschäftigten ist im Verhältnis zur Zahl der unproduktiven Personen, und zwar mehr von dem ersten als von dem zweiten Umstande. Demnach wird das erste Buch dieses Werkes die Fortschritte der Produktion und die Verteilung des Arbeitsprodukts behandeln, das zweite die Natur, Ansammlung und Wirkungsweise des Kapitals, denn von dessen Größe und Anwendung hängt die Zahl der produktiven Arbeiter ab. Die Regierungen pflegen die verschiedenen Produktionszweige ungleich und parteiisch zu behandeln. Wie die Politik der europäischen Staaten seit dem Untergange des römischen Reiches die Industrie und den Handel zum Nachteile der Landwirtschaft einseitig begünstigt hat, soll im dritten Buche gezeigt werden. Die verschiedenen Richtungen der Staatskunst haben zur Ausbildung verschiedener volkswissenschaftlicher Theorien geführt, die im vierten Buche besprochen werden sollen. Während endlich die ersten vier Bücher vom Volksvermögen und Volkseinkommen handeln, handelt das fünfte und letzte vom Einkommen des Staates.

Der Fortschritt der Produktivität der Arbeit beruht auf der Wechselwirkung von Arbeitsteilung und mit Hilfe der Wissenschaft fortschreitender Technik. Smith stellt zunächst nur die erste dar und erläutert sie, wie bekannt, an der Stecknadelfabrikation. Er bemerkt richtig, daß die Landwirtschaft keine so weitgehende Arbeitsteilung zu lasse wie das Gewerbe. »Die Viehwirtschaft kann unmöglich so vollständig vom Körnerbau getrennt werden, wie etwa das Zimmer- vom Schmiedehandwerk. Der Spinner ist fast immer eine vom Weber verschiedene Person, aber der Pflüger, der Egger, der Säemann und der Schnitter sind sehr oft ein und dieselbe Person. Das ist vielleicht die Ursache, weshalb der Fortschritt des Ackerbaues mit dem der Industrie nicht gleichen Schritt hält.« Die reichsten Völker, wird ausgeführt, übertreffen zwar ihre Nachbarn gewöhnlich auch in der Landwirtschaft, aber der Unterschied zwischen ihrer Landwirtschaft und der der zurückgebliebenen ist doch bei weitem nicht so groß, wie der zwischen den beiderseitigen Industrien. Der Ertrag ihrer Landwirtschaft übertrifft den landwirtschaftlichen Ertrag ärmerer Völker (als Beispiel werden England, Frankreich und Polen angeführt) nicht in dem Grade, wie der Ertrag ihrer Industrie den der anderen. Hier sehen wir schon einen Grundfehler der Smithschen Auffassung wirksam werden: Smith richtet seinen Blick zu ausschließlich auf die Arbeit und übersieht darum oft, nicht immer, die Natur. In der Industrie hat die Steigerung der Produktivität fast keine Grenzen. Zehn Stecknadelarbeiter, von denen jeder seine Stecknadeln von Anfang bis zu Ende allein fertig machen sollte, würden zusammen an einem Tage höchstens zweihundert Stück fertig bringen, während sie dank der Arbeitsteilung schon zu Smiths Zeiten 4800 Stück täglich fertig brachten, und es ist kein Grund vorhanden, warum sie verbesserte Maschinerie nicht mit der Zeit in den Stand setzen sollte, an einem Tage achtundvierzig Millionen Stück zu liefern. Dagegen wird sich ein Wiesenfleck, der jetzt einen Ochsen nährt, mit allen Düngkünsten niemals zwingen lassen, hundert oder gar tausend Ochsen zu nähren. Die Natur des Bodens setzt der landwirtschaftlichen Produktion Grenzen, von denen die industrielle nichts weiß.

Die Arbeitsteilung fördert, wie Smith weiter ausführt, die Produktion auf dreierlei Weise. Sie erhöht die Handfertigkeit des einseitig beschäftigten Arbeiters in dieser einseitigen Verrichtung; sie spart den Zeitverlust, der jedesmal mit dem Übergange von einer Verrichtung zur anderen verbunden ist (daß sich die Arbeiter bei solchen Übergängen auch jedesmal ein paar Minuten ausruhen, gewöhnt sie an Bummelei), und sie führt zur Erfindung von Maschinen, die den einzelnen Arbeiter in den Stand setzen, die Arbeit vieler zu verrichten. Den ersten Nutzen illustriert er mit der Nagelschmiedearbeit, die er schon als Kind beobachtet hat, den dritten zeigt er an der Erfindung der Steuerung der Dampfmaschine. Anfänglich waren Knaben angestellt, die die Ventile öffnen und schließen mußten, durch welche der Dampf bald oben, bald unten in den Zylinder eintritt, um den Kolben abwechselnd hinab und hinaufzutreiben. Ein Junge nun hatte herausbekommen, daß die Maschine das Öffnen und Schließen selbst besorgt, wenn die dazu benutzte Schnur an die Kolbenstange angebunden wird. Die Burschen taten das regelmäßig und konnten nun spielen, statt zu arbeiten. Smith will damit natürlich nicht behaupten, daß alle mechanischen Erfindungen von Arbeitern gemacht worden seien; er bestreitet weder den Ingenieuren, noch den Philosophen ihren Anteil am Verdienst, aber er hebt hervor, wie auch sie wiederum durch die Arbeitsteilung, durch die Verzweigung der Naturwissenschaften, im Erfinden geschickter geworden seien. Überhaupt habe erst die Arbeitsteilung die Ausbildung der verschiedenen Talente ermöglicht; von Natur seien die Menschen gar nicht so sehr verschieden, wie sich talentvolle Männer einbildeten, deren besonderes Talent meistens mehr Wirkung als Ursache ihrer Fachtätigkeit sei.

Was zur Arbeitsteilung geführt hat, das ist nach Smith – sehr charakteristisch für den Briten – die dem Menschen angeborene Neigung zum Tauschhandel. Es wirken da doch wohl alle menschlichen Fähigkeiten, Neigungen und Bedürfnisse zusammen. Richtig ist es jedoch, wenn er sagt: Der Mensch gerät im Unterschiede von den Tieren aller Augenblicke in die Lage, des Beistandes seiner Mitmenschen zu bedürfen, »und vergebens würde er diesen lediglich von ihrem Wohlwollen erwarten. Weit sicherer kommt er zum Ziele, wenn er ihren Eigennutz zu seinen Gunsten interessiert und ihnen klar macht, daß es ihr eigener Vorteil sei, ihm zu gewähren, was er von ihnen verlangt.« Es wird dann gezeigt, daß es doch umgekehrt auch wieder die Arbeitsteilung ist, was den Gütertausch sowohl möglich als notwendig macht, und daß sie durch die Ausdehnung des Marktes begrenzt wird; daß bei der Kostspieligkeit des Wagentransports – Eisenbahnen gab es damals noch nicht – nichts so sehr imstande sei, die Industrie zu weitgehender Arbeitsteilung aufzumuntern, als bequeme Wasserwege, und daß deshalb die höchsten unter den alten Zivilisationen in den Küstenländern des Mittelmeers entstanden seien, während Innerafrika und das nördliche Innerasien notwendig unzivilisiert bleiben mußten. Auch der Vorsprung, fügen wir hinzu, den das moderne England in der Industrie gewonnen hat, wird zum Teil der Lage und dem Bau des kleinen Landes verdankt, das keine unzugänglichen weiten Räume enthält, und dessen größere Städte durch das nahe Meer, dessen tiefeindringende Buchten und durch schiffbare Flüsse bequeme Verbindung miteinander genießen.

Je weiter nun, heißt es dann, die Arbeitsteilung fortschreitet, desto seltener trifft es sich, daß ein Mann alle seine Bedürfnisse mit seinen eigenen Erzeugnissen befriedigen kann. Nur dem Landwirt ist das annähernd möglich. Der Bäcker hat nur Brot, der Fleischer nur Fleisch, der Brauer nur Bier; alles, was die drei sonst noch brauchen, müssen sie von anderen eintauschen. [Smith hätte lieber den Schuster, den Bäcker und den Schmied nennen sollen; der Bäcker und der Fleischer brauchten ohne Tausch wenigstens nicht zu verhungern.] Und da es sehr unbequem wäre, wenn jeder Produzent mit seiner Ware herumziehen und fragen müßte, ob ihm jemand Lebensmittel dagegen eintauschen wolle, da es auch schwierig ist, festzustellen, welche Menge oder wie viel Stück einer Ware einer bestimmten Menge oder Stückzahl einer anderen entsprechen sollen (hier erwähnt Smith, daß es in Schottland noch ein Dorf geben solle, wo der Arbeiter Brot und Ale manchmal mit Nägeln bezahlt), so mußte ein Tauschmittel vereinbart werden, für das man alle Bedarfsgegenstände in beliebig kleinen Mengen eintauschen kann. Welche Eigenschaften der Edelmetalle es sind, die schließlich alle Kulturvölker bewogen haben, ihnen vor allen anderen Tauschmitteln den Vorzug zu geben, und wie die Entwickelung allmählich vom Abwägen der Metallstücke zur Münzprägung geführt hat, das ist heute allgemein bekannt. Durch das Geld wird der Tausch zum Kauf, und durch die allgemeine Regelung des im Kauf vollzogenen Gütertausches werden die Güter zu Waren und erhalten neben ihrem eigentlichen Werte, dem Gebrauchswerte, noch einen zweiten, den Tauschwert. Beide Werte fallen oft weit auseinander; Wasser z. B. hat einen sehr hohen Gebrauchswert, aber einen sehr geringen, oft gar keinen Tauschwert; für einen Diamanten dagegen, der sehr wenig nütze ist, kann man eine große Menge notwendiger Güter eintauschen. Smith will nun die Gesetze ermitteln, nach denen sich der Tauschwert bildet, und untersucht zu diesem Zweck: 1. woran der Tauschwert gemessen wird und worin der wirkliche Preis der Waren besteht; 2. aus welchen Teilen er sich zusammensetzt; 3. welche Umstände manchmal einen dieser Teile des Preises oder alle drei über das natürliche Maß erhöhen oder darunter drücken, mit anderen Worten, wie es kommt, daß der Marktpreis nicht immer mit dem natürlichen Preise zusammenfällt.

Der wirkliche Preis, erklärt Smith, wird an der Arbeit gemessen. »Ein Mensch ist reich oder arm in dem Maße, als seine Mittel ihm gestalten, die zum menschlichen Leben notwendigen, die geziemenden und die angenehmen Dinge zu genießen.« Da nun nach eingetretener Arbeitsteilung der einzelne nur einen sehr kleinen Teil dieser Dinge, wenn überhaupt einen, durch eigene Arbeit herstellt, so ist ein jeder reich oder arm in dem Maße, als er über anderer Leute Arbeit verfügen oder sie kaufen kann. Den Wert eines Erzeugnisses, das man nicht selbst verbrauchen will, bemißt man nach der Menge fremder Arbeit, die man damit kaufen kann; Arbeit ist darum das wirkliche Maß des Wertes aller Waren. Rogers meint, das sei ganz und gar nicht der Fall; der Ertrag einer Wiese könne in einem dichtbevölkerten Lande einen sehr hohen Wert haben, obwohl nicht mehr als eine eintägige Arbeit im ganzen Jahre darauf verwendet worden sei. Wenn Hobbes sagt, fährt Smith fort, Reichtum ist Macht, so hat es damit seine Richtigkeit. Politische Macht kann der Reichtum allerdings nur unter Umständen und mittelbar verschaffen, die Macht aber, anderer Menschen Arbeit oder Arbeitsprodukt sich anzueignen, gewährt er unmittelbar. Obwohl jedoch Arbeit der wirkliche Maßstab des Tauschwertes ist, wird sie doch nicht als solcher benutzt. Man kann einer Ware nicht ansehen, wie viel Stunden Arbeit darin stecken; auch leistet der eine in einer Stunde doppelt so viel als mancher andere, und qualifizierte Arbeit ist mehr wert als gewöhnliche grobe. Weit leichter, als den Tauschwert einer Ware an der auf ihre Herstellung verwendeten Arbeit zu messen, ist es, eine Ware mit der anderen zu vergleichen und so die eine zum Wertmesser der anderen zu machen. Das allerbequemste aber ist, alle Waren nach Geld abzuschätzen, was denn auch allgemein geschieht. Allerdings schwankt der Tauschwert von Gold und Silber selbst je nach der Ergiebigkeit der Minen und der zur Gewinnung dieser Metalle erforderlichen Menge von Arbeit (wozu Rogers bemerkt, der rasche Fall des Edelmetallpreises im sechzehnten Jahrhundert sei weniger der Reichtum der amerikanischen Erzlager zu danken gewesen, als dem Umstande, daß die Spanier das schon ausgegrabene Gold und Silber einfach raubten und später die Eingeborenen zur Zwangsarbeit in den Minen verwendeten). Andere Umstände treten hinzu, zu bewirken, daß der Gold- und Silberpreis nicht allein nach Zeiten, sondern auch nach Orten verschieden ist, eine Unze Silber z. B. in Kanton eine weit höhere Kaufkraft hat als in London. Der gewaltige Unterschied im Edelmetallpreise, den weit entfernte Jahrhunderte aufweisen, macht den Geldpreis der Waren ungeeignet, den Warenwert und die wirtschaftlichen Verhältnisse verschiedener Jahrhunderte miteinander zu vergleichen. Für diesen Zweck eignet sich Brotgetreide besser, das als Hauptnahrungsmittel der Massen immer ungefähr denselben Wert behaupten muß, weil ein Tagelohn immer hinreichen muß, den Hauptbedarf des Armen, eben das Brot, zu kaufen. Dennoch bleibt Edelmetall ein brauchbarerer Wertmesser als Brotkorn, weil sich sein Wert nur sehr langsam und ganz allmählich verändert (abgesehen von dem großen Preissturz im sechzehnten Jahrhunderts, während der Kornpreis, bei aller Beständigkeit im langen Laufe der Zeit, je nach Ernten und Verkehrsmitteln ungeheuren Schwankungen von Jahr zu Jahr und von Ort zu Ort unterworfen ist. [Unterworfen war, müssen wir heute sagen, weil seit Smiths Zeit die moderne Verkehrstechnik und die vielgescholtene Börse die Schwankungen auf ein sehr erträgliches Maß herabgemindert haben.] Für die Wissenschaft gilt demnach die Regel: Will man die Warenpreise benachbarter Jahre vergleichen, so geben Gold und Silber den besten Maßstab ab. Will man dagegen die heutigen Preise mit denen früherer Jahrhunderte vergleichen, so muß man nachforschen, wie viel Waren einer bestimmten Art man mit einer bestimmten Menge Brotkorn kaufen konnte. Und für die Praxis folgt: will man einer Rente, die einem Landgute für eine Privatperson oder für eine Stiftung auferlegt wird, auf Jahrhunderte hinaus ihren Wert sichern, so muß man festsetzen, daß sie in natura entrichtet werde, oder in so viel Geld, als zum Kauf der angegebenen Naturalienmenge erfordert wird. Da sich der Feingehalt der Münzen aus verschiedenen Gründen zu ändern pflegt und auch das Verhältnis des Goldwertes zum Silberwerte schwankt, so untersucht Smith diese Schwankungen, den Einfluß der Wahl eines Währungsmetalls und den Feingehalt der englischen Münzen.

Es folgt die Ableitung des berühmten Satzes, den wir später berichtigen werden, daß sich der Warenpreis aus Arbeitslohn, Unternehmergewinn und Grundrente zusammensetze. Im Urzustände, führt Smith aus, wo es noch kein Kapital und kein Landeigentum gab, scheint die auf einen Gegenstand verwendete Arbeit wirklich der einzige Maßstab für seinen Tauschwert gewesen zu sein. Wenn bei einem Jägervolke die Erlegung eines Bibers doppelt so viel Mühe kostete als die eines Hirsches, so ist dort jedenfalls ein Biber zwei Hirsche wert [auf die Wertbestimmung wird doch auch der Gebrauchswert einwirken; ehe die Biber durch den Verkehr mit europäischen Pelzhändlern Wert bekommen haben, werden sie den Indianern nicht viel gegolten haben]. Ferner wird von zwei Arbeiten, die gleich lange Zeit dauerten, die höher geschätzt worden sein, die unangenehmer oder anstrengender war, oder die ein größeres Maß von Geschicklichkeit und Kenntnissen erforderte. Jedenfalls gehört auf dieser Stufe dem Arbeiter sein ganzes Arbeitsprodukt, und beim Tausche bekommt er es voll ersetzt. Sobald Kapital in den Händen einzelner Personen angesammelt worden ist [über die häufige Vermischung und Verwechselung der verschiedenen Bedeutungen des Wortes Kapital bei Smith wird seinerzeit das Nötige gesagt werden], beschäftigt der Kapitalbesitzer Arbeiter, die er mit Materialien und Werkzeugen versieht. Beim Verkauf der Erzeugnisse muß dann also außer den Arbeitslöhnen auch noch ein Gewinn erzielt werden für den Unternehmer, der sein Kapital riskiert hat. Der Wert, den die Arbeiter dem Rohstoff zugesetzt haben, löst sich demnach in zwei Teile auf: Arbeitslohn und Unternehmergewinn. Der Kapitalist hätte kein Interesse daran, die Arbeiter zu beschäftigen, wenn ihm nicht der Verkauf des Produkts außer den Arbeitslöhnen und dem Kapitalersatz noch einen Vorteil abwürfe, und er hätte kein Interesse daran, lieber ein großes als ein kleines Kapital zu riskieren, wenn sein Gewinn nicht im Verhältnis zur Größe seines Kapitals stände. Der Unternehmergewinn, das hebt Smith ausdrücklich hervor und macht es an Beispielen klar, ist nicht etwa der Arbeitslohn des Unternehmers für die Beaufsichtigung und Leitung des Unternehmens; diese wird oft von Angestellten besorgt, deren Gehälter Arbeitslöhne sind. Aus dieser Stufe also gehört dem Arbeiter nicht mehr sein ganzes Produkt, sondern er muß es mit dem Unternehmer teilen, der ihn beschäftigt.

Sobald, fährt Smith fort, der Boden eines Landes vollständig in Privatbesitz übergegangen ist, »lieben es die Grundbesitzer gleich allen anderen Menschen, zu ernten, wo sie niemals gesät haben, und fordern eine Rente sogar für wildwachsende Bodenprodukte«, die nur eingesammelt zu werden brauchen. Die Erlaubnis zum Einsammeln läßt sich der Landlord bezahlen, und das ist nun die Grundrente, die den dritten Bestandteil des Preises der meisten Waren ausmacht. Smith zeigt an einzelnen Waren, was für verschiedene Arbeitslöhne, Unternehmergewinne und Grundrentenanteile in ihnen stecken, ferner, daß Fälle vorkommen, wo der dritte Bestandteil wegfällt; bei der Seefischerei z. B. sei selten Rente zu bezahlen; endlich, daß im Kleinbauern, im Gärtner, im kleinen Handwerker der Arbeiter, der Kapitalist und der Grundrentner in eine Person zusammenfallen. In jedem Gewerbe wirken seine eigene Natur, die Blüte oder der Verfall des Landes und andere Umstände zusammen, sowohl den Arbeitslohn als auch den Unternehmergewinn und die Grundrente auf einer gewissen durchschnittlichen Höhe zu erhalten, die man als die natürliche bezeichnen kann. Und der Warenpreis, der diesen angemessenen Arbeitslohn und Unternehmergewinn samt Grundrente abwirft, verdient ebenfalls den Namen des natürlichen Preises für den betreffenden Ort und die betreffende Zeit. Für eine solche Ware wird dann bezahlt, was sie ihrem Verkäufer wert ist oder was sie ihn kostet. Geringer Vorrat bei starker Nachfrage treibt den Marktpreis über den natürlichen Preis hinaus, wie das beim Getreide nach einer schlechten Ernte oder in einer belagerten Stadt der Fall ist, oder mit schwarzen Kleiderstoffen bei plötzlich eintretender Landestrauer. Politische Maßregeln und private Vereinbarungen können alle Waren einer bestimmten Art in wenige Hände bringen, die dann den Preis so hoch treiben, als es die Zahlungsfähigkeit der Käufer nur immer gestattet. Das ist dann ein Monopolpreis. Es gibt auch natürliche Monopole. Die sogenannte Blume der feineren Weinsorten rührt von einer eigentümlichen Zusammensetzung des Bodens her, auf dem sie wachsen, und der in dieser Beschaffenheit auf ganz kleine Bezirke beschränkt ist. Den Besitzern der berühmtesten Weinlagen am Rhein und in Frankreich kann daher niemand Konkurrenz machen; sie erzielen demnach von allen Grundbesitzern die höchste Grundrente. Übermäßiges Angebot drückt den Marktpreis unter den natürlichen Preis; die zu niedrigen Preise können sich nicht so lange halten wie die zu hohen, weil sie den Produzenten zwingen, sein Kapital einem anderen Produktionszweige zuzuwenden.

Die drei Leistungen, die vom Erlös aus der verkauften Ware zu bestreiten sind, werden nun einzeln besprochen. Zunächst der Arbeitslohn. Ursprünglich, wiederholt Smith, ist das ganze Arbeitsprodukt weiter nichts als die natürliche Vergeltung der Arbeit, also Arbeitslohn. Solange noch kein Kapital [im Sinne von Kapitalbesitz] und kein Grundeigentum [über die vom Besitzer eigenhändig bebaute Fläche hinaus) vorhanden ist, gehört das ganze Produkt dem Arbeiter; weder mit einem Kapitalisten noch mit einem Grundherrn hat er es zu teilen. Wäre es dabei geblieben, so würde der Arbeitslohn mit jeder Verbesserung der Produktion gestiegen sein. Alle Produkte würden ungeheuer wohlfeil geworden sein, weil sie jetzt in weit kürzerer Zeit hergestellt werden, als ursprünglich, und diese allgemeine Wohlfeilheit würde allen Arbeitern – und andere selbständige Männer als Arbeiter gäbe es nicht – gleichmäßig zugute kommen; jeder würde sich durch mäßige Arbeit alle notwendigen, geziemenden und angenehmen Dinge verschaffen können. [So würde die Sache nicht verlaufen sein, weil der technische Fortschritt ausgeblieben wäre, der heute die Waren verbilligt. Ohne die Versklavung unserer deutschen Vorfahren durch die großen Grundherrschaften, die mit Arbeiterbataillonen Rodungen vornahmen und die rationelle römische Landwirtschaft in Gallien fortführten, in Deutschland einführten, wäre der Ackerbau so primitiv geblieben, wie er noch heute in Rußland betrieben wird, und ohne große Fabrikanten wäre kein Maschinenzeitalter angebrochen: Lokomotiven kann der kleine Schlosser nicht bauen.] Es ist überflüssig, fährt Smith fort, sich auszumalen, wie dann alles geworden sein würde, denn es ist eben anders gekommen; indem der Boden Privateigentum [weniger! Smith denkt an England] wurde und das Kapital sich häufte [soll heißen: die Kapitalgegenstände in den Besitz verhältnismäßig Weniger gerieten], nahm dieser Zustand schon ein Ende, ehe die wichtigsten Verbesserungen der Produktion eintraten. Seitdem hat der Arbeiter sein Produkt mit dem Grundbesitzer und dem kapitalistischen Unternehmer zu teilen. »Nur selten kommt es vor, daß der Pflüger genug hat, davon bis zur Ernte leben zu können; der Pächter [die englischen Landwirte sind bekanntlich fast allesamt Pächter der großen Landlords und rangieren dem Ertrage ihrer Güter nach mit unseren Domänenpächtern und Rittergutsbesitzern] muß ihm seinen Unterhalt in Gestalt von Arbeitslohn vorstrecken; was dieser nicht tun würde, wenn er nicht vom Arbeitsprodukt so viel für sich abziehen könnte, daß ihm außer der wiedererstatteten Auslage noch ein Profit bliebe.« So hat der Arbeiter zwei Abzüge zu erleiden: Grundrente und Pächtergewinn. [Bei uns in Deutschland, wo wir Gott sei Dank noch kleine bäuerliche Besitzer haben, ist der Fall gar nicht selten, daß der Pflüger bis zur Ernte zu leben hat, und ihm niemand etwas vorzustrecken braucht.] Und ähnlich ists meistens im Gewerbe.

Die Höhe des Lohnes, heißt es weiter, hängt von einem Vertrage ab zwischen den beiden Parteien, deren Interessen keineswegs dieselben sind. Die Arbeiter wollen so viel wie möglich haben, die Unternehmer dagegen so wenig wie möglich geben; beide Teile sind beständig zu Koalitionen geneigt, jene, um den Arbeitslohn zu steigern, diese, um ihn zu drücken. »Es ist nicht schwer vorauszusehen, welche der beiden Parteien gewöhnlich im Vorteil sein und die andere zum Nachgeben zwingen wird. Die Meister [damals waren die Fabrikanten noch große Zunftmeister] können sich weit leichter verabreden, weil ihrer wenige sind, und zudem berechtigt sie das Gesetz zu Verabredungen, oder verbietet ihnen wenigstens solche nicht, während es die der Lohnarbeiter verbietet. Keine Parlamentsakte verbietet Koalitionen zur Erzwingung niedriger Löhne, viele verbieten die zum Zweck der Lohnerhöhung gestifteten Koalitionen. Und die Meister haben es, länger auszuhalten. Ein Grundherr, ein Pächter, ein Kaufmann, ein Manufakturist kann ein Jahr, zwei Jahre von seinem Vermögen leben, ohne einen einzigen Arbeiter zu beschäftigen; viele Arbeiter können ohne Beschäftigung nicht eine Woche, wenige können so einen Monat, kaum einer kann ein Jahr bestehen. Auf die Länge mögen die Arbeiter dem Brotherrn so unentbehrlich sein wie dieser ihnen ist, aber diese Notwendigkeit macht sich nicht sogleich fühlbar. Man hat wohl gesagt, von Koalitionen der Prinzipale vernehme man selten etwas, dagegen sehr oft von denen der Arbeiter. Aber wer sich daraufhin einbildet, daß die Prinzipale sich wirklich selten koalierten, der kennt die Welt und den vorliegenden Gegenstand nicht. Zwischen den Prinzipalen besteht immer und überall ein stillschweigendes, aber beständiges und gleichmäßiges Einverständnis, den Arbeitslohn nicht über seinen gegenwärtigen Stand steigen zu lassen. Verletzt einer dieses Einvernehmen, so gilt das bei seinen Standesgenossen als ein Makel und macht ihn unbeliebt. Wir hören selten von einem solchen Einvernehmen, weil es der hergebrachte und sozusagen natürliche Zustand ist. Zuweilen aber treffen die Prinzipale noch ein besonderes Abkommen, den Lohn unter den gegenwärtigen Stand herabzusetzen. Ein solches Abkommen wird immer streng geheim gehalten bis zum Augenblick der Ausführung, und wenn sich die Arbeiter, was manchmal geschieht, dem für sie sehr empfindlichen Abzug fügen, so erfährt die übrige Welt nichts von dem Vorgänge. Häufig aber organisieren sich die Arbeiter zum Widerstand gegen die Unternehmerkoalition, oder koalieren sich wohl auch ohne Herausforderung, um eine Lohnerhöhung durchzusetzen, mit der Begründung, daß die Lebensmittel zu teuer, oder daß die Unternehmerprofite übermäßig hoch seien. Um die Sache rasch zu Ende zu bringen, versuchen sie es mit lautem Lärm, und manchmal mit gewalttätigen Ausschreitungen. Sie sind verzweifelt und handeln mit der Tollheit von Verzweifelten, »die verhungern müssen, wenn es ihnen nicht gelingt, die Brotherren durch Schrecken zum augenblicklichen Nachgeben zu bewegen. Die Brotherren erheben in solchen Fällen ein nicht weniger lautes Geschrei, rufen die Obrigkeit zu Hilfe und fordern die strengste Anwendung der Gesetze, welche die Koalitionen von Gesinde, Lohnarbeitern und Tagelöhnern verbieten. Und so erreichen denn die Arbeiter selten etwas mit ihren lärmenden Ausständen; die Behörden schreiten ein, die Brotherren geben nicht nach, sie selbst sehen sich durch Not zum Nachgeben gezwungen, und so hat denn das Wagnis keinen anderen Erfolg als die Bestrafung oder den Ruin der Rädelsführer.« Seitdem sind in England wie bei uns die Koalitionsverbote aufgehoben worden; demungeachtet verläuft der Kampf zwischen Kapital und Arbeit in aller Welt noch heute so, wie ihn Smith beschrieben hat.

Obwohl also, fährt er fort, die Unternehmer im allgemeinen die Oberhand behalten, gibt es doch eine Grenze, unter die sie den Arbeitslohn nicht dauernd hinabdrücken können. Der Lohn muß mindestens so hoch sein, daß vom Arbeitsverdienste des Mannes und der Frau außer ihnen selbst noch vier Kinder leben können. Denn da die Hälfte der Arbeiterkinder in den ersten Lebensjahren stirbt, so müssen von jedem Ehepaare durchschnittlich mindestens vier Kinder erzeugt werden, wenn die Arbeiterbevölkerung nicht aussterben soll. Bei den schottischen Hochländern bringe eine Mutter manchmal zwanzig Kinder zur Welt, von denen sie nicht zwei am Leben erhalte. Nirgends sehe man mehr schöne Kinder, als in der Nähe von Soldatenbaracken, aber »mehrere erfahrene Offiziere haben mich versichert, daß sie weit entfernt davon, ihre Regimenter aus den Soldatenkindern rekrutieren zu können, mit solchen nicht einmal ihr Trommler- und Pfeiferchor vollzählig erhalten können.« Umstände können das Arbeitereinkommen über das »mit der Humanität gerade noch verträgliche« Existenzminimum erhöhen. Diese Umstände finden sich jedoch nur in fortschreitenden Ländern zusammen. Nicht die reichsten, sondern die reich werdenden Länder zahlen den höchsten Arbeitslohn. China sei ein sehr reiches Land, aber das Arbeiterelend sei dort entsetzlich. England sei reicher als Nordamerika, aber der Arbeitslohn stehe dort bei spottbilligen Lebensmitteln höher als in England. Den Hauptgrund des Unterschieds deutet Smith zwar an, hebt ihn aber nicht genügend hervor. China ist übervölkert, in Nordamerika war damals noch kostenloser Boden in unbegrenzter Ausdehnung zu haben, und England stand in dieser Beziehung mitten inne. Damit ist der Malthusianismus schon gerechtfertigt – nicht in seiner bekannten Formulierung, sondern nur im Prinzip – und Smith spricht ihn ausdrücklich aus in den Sätzen: Jede Tiergattung vermehrt sich im Verhältnis zu ihren Unterhaltsmitteln und kann sich nicht darüber hinaus vermehren. In einer zivilisierten Gesellschaft unterliegen jedoch nur die unteren Klassen diesem Gesetz. Wenn der Arbeitslohn unter das Maß dessen sänke, was erfordert wird, die Nachfrage nach Arbeitern zu befriedigen, so würde diese Nachfrage nach Händen ihn erhöhen. Und wenn er dauernd höher stiege, so würde ihn die übermäßige Vermehrung der Arbeiterbevölkerung wieder hinabdrücken. »Wie reichliche Belohnung der Arbeit die Wirkung zunehmenden Volkswohlstandes ist, so ist sie auch dessen Kennzeichen. Dürftiges Einkommen der labouring poor ist das Kennzeichen der Stagnation, und Hungerelend das Zeichen des Rückgangs.« Smith sucht nachzuweisen, daß in England der Arbeitslohn dermalen über dem Existenzminimum stehe, und weist mit edler Entrüstung die Behauptung gewisser Interessenten zurück, daß hoher Arbeitslohn die Arbeiter nur liederlich und faul mache. Das komme wohl in einzelnen Fällen vor, im allgemeinen aber sei das Gegenteil die Regel. Ein gut genährter, kräftiger und gesunder Arbeiter, den die Hoffnung belebe, durch guten Verdienst zu einigem Wohlstand zu gelangen, arbeite selbstverständlich besser als ein schwacher, mut- und hoffnungsloser. Es sei eine ganz allgemeine Erfahrung, daß sich die Leute bei gutem Stücklohn überarbeiteten. Das sei die Ursache, daß die Londoner Zimmerleute nicht länger als acht Jahre bei voller Kraft blieben; und obwohl Soldaten wahrlich nicht die fleißigsten Arbeiter seien, hätten sich die englischen Offiziere veranlaßt gesehen, beim Verdingen von Soldaten an Unternehmer, die guten Stücklohn zahlten, im Vertrage auszumachen, daß der Verdienst eine gewisse Höhe nicht übersteigen dürfe. Natürlich suche der Unternehmer so viel wie möglich zu sparen, und so dränge ihn die durch Mangel an Arbeitern bewirkte Erhöhung der Arbeitslöhne, die Maschinerie zu verbessern, um mit weniger Arbeitern auszukommen. Daß die Verbesserung der Lage der unteren Klassen nicht ein Schaden, sondern ein Vorteil für die Gesellschaft sei, müsse jedermann auf den ersten Blick erkennen. »Gesinde und Lohnarbeiter machen den größten Teil der Bevölkerung jedes Staates aus, und was die Lage des größeren Teils verbessert, kann unmöglich ein Schaden fürs Ganze sein. Wie könnte ein Gemeinwesen blühen und glücklich sein, wenn die Mehrzahl seiner Mitglieder arm und elend wäre? Zudem ist es billig, daß die Leute, welche die Gesamtheit des Volkes mit Nahrung, Kleidung und Wohnung versehen, von ihrem Arbeitsprodukt so viel bekommen, daß sie selbst leidlich genährt, gekleidet und behaust sind.« Rogers bemerkt, ein Volk sei wirtschaftlich verloren, wenn sich sein Arbeiterstand darein ergeben habe, von den wohlfeilsten und schlechtesten Nahrungsmitteln zu leben; in diesem Fall sei allerdings Hungersnot das einzige Mittel gegen Übervölkerung.

Hierauf wird untersucht, nach welchen Gesetzen der zweite Bestandteil des Warenpreises, der Kapitalertrag, auf und ab schwankt. Die Höhe des durchschnittlichen Unternehmergewinns für verschiedene Zeiten und Orte zu ermitteln, sei schwierig bis zur Unmöglichkeit. Dagegen lasse sich der landesübliche Zinsfuß für verschiedene Zeiten ziemlich genau angeben, und von diesem lasse sich auf jenen schließen. Es wird also bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht, daß sich in den Kapitalgewinn häufig zwei Personen, der Kapitalbesitzer und der Unternehmer, die nicht immer zusammenfallen, zu teilen haben. An der Hand der geschichtlichen Erfahrung wird nun gezeigt, daß es besonders zwei Umstände sind, die auf die Erniedrigung des Zinsfußes hinwirken: die gesetzliche Sicherung der Ansprüche des Gläubigers und der zunehmende Reichtum. Jene fehlt in barbarischen und halbbarbarischen Staaten, wo keine Behörde dem Gläubiger zu seinem Gelde verhilft, wenn der Schuldner sein Versprechen nicht halten will oder kann. Sie fehlt auch in solchen zivilisierten Staaten, die das Zinsnehmen gesetzlich verbieten oder einschränken. Deshalb war in Europa unter der Herrschaft des kanonischen Zinsverbots und ist noch heute im Orient der Zinsfuß übertrieben hoch. Nach Aufhebung der Zinsverbote und Wuchergesetze und Erlassung von Gesetzen, die den Gläubiger sicherstellen, sinkt er von selbst, weil nach Beseitigung des Risikos und der Unehre auch die vorsichtigen und anständigen Kapitalbesitzer ihr Geld auf den Markt werfen. Aus demselben Grunde sinkt der Zinsfuß bei wachsendem Kapitalreichtum; die Kapitalisten machen dann einander gerade so Konkurrenz, wie bei wachsender Bevölkerung die Arbeiter. Zu Smiths Zeit war Holland das reichste Land, und dort zahlte der Staat zwei, der kreditwürdige Privatmann drei Prozent. Auf Holland folgte England mit drei bis viereinhalb, dann Frankreich, wo der Staat vergebens eine Ermäßigung zu erzwingen suchte, mit fünf bis sechs Prozent. In einem sehr reichen Lande, sagt Smith, fällt der Zinsfuß so tief, daß nur die allerreichsten Leute von ihren Interessen leben können, alle bloß wohlhabenden aber arbeiten müssen, wenn sie nicht ihr Kapital aufzehren wollen. So sei es zurzeit in Holland; ein Mensch, der nicht arbeitet, falle dort so auf wie anderwärts ein Unbekleideter oder im Feldlager ein Zivilist. Die Erwerbung neuer Gebiete und die Schaffung neuer Produktionszweige, die beide Kapital erfordern, pflegen den sinkenden Zinsfuß reicher Länder von Zeit zu Zeit zu heben. [Außerdem die Kriege und Kriegsanleihen und in unseren Tagen die Kriegsrüstungen.] Das Verhältnis zwischen Kapitalzins und Unternehmergewinn schwankt natürlich; Smith hält es für normal, wenn der Geldverleiher und der Unternehmer jeder die Hälfte des ganzen Gewinns bekommen. Hoher Unternehmergewinn und Zins erhöhe natürlich ebenso wie hoher Arbeitslohn den Warenpreis. »Unsere Kaufleute und Fabrikanten klagen viel über die nachteilige Erhöhung des Warenpreises durch hohen Arbeitslohn, die den Absatz ihrer Erzeugnisse erschwere, aber sie sagen nichts davon, daß auch hoher Unternehmergewinn diese Wirkung übt. Den Schaden, den ihr eigener Profit anrichtet, verschweigen sie, nur über den schädlichen Gewinn anderer führen sie Klage.«

Bei vollkommen freiem Verkehr, fährt Smith fort, würden sich die Verschiedenheiten der Unternehmergewinne und Arbeitslöhne auf das vollkommenste ausgleichen; stände es jedermann vollkommen frei, sich seine Beschäftigung zu wählen und sie so oft zu wechseln als ihm beliebt, so würde sich ein jeder jederzeit der Beschäftigung zuwenden, die im Augenblick den höchsten Gewinn abwirft; durch das Zuströmen von Konkurrenten würde dieser höhere Gewinn bald wieder auf den Durchschnitt der Gewinne in den übrigen Geschäftszweigen herabgedrückt werden, und solchergestalt das Durchschnittsniveau immer erhalten bleiben. Die von Hertzka begründete sozialliberale Schule hat dieses Gesetz des steten Abflusses der Bevölkerung nach den Orten und Gewerben des minderen Drucks – hoher Gewinn oder Arbeitslohn bedeutet geringen Druck – zur Grundlage ihrer Theorie gemacht. Sie übersieht, daß der Mensch nicht immer eine bloße Gelderwerbmaschine ist, auch nicht ein Wassertropfen, der willenlos den Gesetzen des Druckes und der Schwere folgt, sondern sehr oft eine Persönlichkeit, eine Individualität, die sich durch eigentümliche Begabung, durch Neigungen, Gewohnheiten, Anhänglichkeit von anderen menschlichen Individuen unterscheidet. Ohne Zweifel gibt es Menschen vom Wassertropfentypus, Menschen, denen es gleichgültig ist, ob sie Maschinen, Schuhwichse, Damenhüte oder Zeitungsartikel fabrizieren, ob sie dieser oder jener Partei dienen, an diesem oder an jenem Ort, im Vaterlande oder im Auslande leben, wenn sie nur Geld verdienen, nicht an der väterlichen Scholle kleben, und die sich als Diener durch kein Band der Anhänglichkeit gefesselt fühlen, sondern fortlaufen, sobald ihnen in einem anderen Dienst ein paar Mark Lohnerhöhung winken. Es scheint auch, daß die Zahl der Menschen von diesem Typus wächst; indes eine Erhöhung des Typus Mensch und eine Vervollkommnung der menschlichen Zustände vermögen wir darin nicht zu sehen. Im großen und ganzen wirkt ja das Gesetz der kommunizierenden Röhren in der Gesellschaft, aber nicht ohne die angedeuteten Hemmungen.

Smith läßt seiner Regel fünf Ausnahmen folgen, die, obwohl sie das angedeutete ethische Gegengewicht gegen das soziale Gesetz der Niveauausgleichung noch gar nicht berühren, doch die Regel schon beinahe aufheben. Gewisse Umstände, führt er aus, entschädigen für einen niedrigen Lohn in manchen Gewerben, und andere Umstände wiegen den hohen Lohn auf, der in anderen Gewerben gezahlt wird. 1. Unangenehme, lebensgefährliche, ungesunde, übermäßig anstrengende Beschäftigungen müssen höher bezahlt werden als angenehme. Daher wird der Maurer z. B. meistens höher bezahlt als der Zimmermann. Das Jagen, das bei uns ein nobles Vergnügen geworden ist, wird gar nicht, die abscheuliche Arbeit des Henkers sehr hoch bezahlt. Lebensgefahr wirkt unter Umständen nicht abschreckend, sondern anziehend: mutige junge Leute drängen sich zu gefährlichen, besonders kriegerischen Unternehmungen und Abenteuern. 2. Müssen die Gewerbe höheren Lohn bringen, die schwierig zu erlernen sind oder die eine kostspielige Vorbereitung fordern. 3. Pflegt man den sicheren Verdienst einem unsicheren vorzuziehen; dieser Umstand erhöht die Löhne der Bauarbeiter, und zwar wiederum die der Maurer mehr als die der Zimmerleute. 4. Muß der Lohn um so höher sein, je mehr Zuverlässigkeit von der Person gefordert wird, die das Gewerbe betreibt. Dem Arzte vertrauen wir unser Leben, dem Advokaten unsere Rechtsansprüche und unsere Ehre, dem Juwelier unsere Kostbarkeiten an. Den Grad von Zuverlässigkeit und Ehrenhaftigkeit, den dieses Vertrauen fordert, meint Smith, könne man bei Personen niederen Standes nicht voraussetzen; deshalb müsse den Mitgliedern der genannten drei Berufsstände ein Arbeitslohn gewährt werden, der ihnen den angemessenen gesellschaftlichen Rang sichert. Diese Begründung beruht auf einer Ansicht, die sehr alt ist, denn die Reichen haben sich immer für die Besten gehalten und darum Aristokraten genannt, die aber erst durch die moderne englische respectability zum gesellschaftlichen Dogma geworden ist. Nach diesem Dogma gilt jeder Reiche für einen Ehrenmann, solange ihm nicht das Gegenteil bewiesen ist, jeder Arme aber für moralisch minderwertig und verdächtig. Ein fünfter Umstand, der sogar überfüllten Berufen Anwärter zuführt, besteht in dem, was wir heute die Chancen nennen. Laßt einen Jungen Schuster werden, schreibt Smith, und ihr seid sicher, daß er Schuhe machen lernen und sein Brot finden wird. Laßt ihn Jura studieren, und es ist zwanzig gegen eins zu wetten, daß Zeit und Geld verloren sein werden; denn von zwanzig Studenten bringt es nach Aufwendung ungeheurer Kosten immer nur einer so weit, daß er sich mit 40 Jahren als Advokat eine Kundschaft begründet hat. Das juristische Studium ist also ein Lotteriespiel, und die Lotterie ist nicht einmal reell; wäre sie es, dann müßte der Advokat nicht allein das Einkommen beziehen, das für die aufgewendeten Mühen und Kosten entschädigt, sondern außerdem auch noch das Einkommen der neunzehn, die Nieten gezogen haben; aber daran ist nicht zu denken. Immerhin ist der Advokat ein angesehener Mann und verdient ein schönes Geld. Eben deswegen drängen sich die Söhne wohlhabender und vornehmer Eltern zu diesem Fache, denn jeder einzelne hat ein so unbegrenztes Vertrauen zu seiner Begabung und ein noch unbegrenzteres Vertrauen zu seinem Glück, daß er sich einbildet, er werde der Gewinner in dieser Lotterie sein. Das Genie, meint Smith, müsse mit dem Ruhme statt des Geldes vorlieb nehmen; beim Arzte und Advokaten mache er einen Teil des Lohnes, in der Philosophie und der Poesie so ziemlich den ganzen und einzigen Lohn aus. Von der Philosophie, soweit sie nicht von besoldeten Professoren betrieben wird, gilt das noch heute, nicht jedoch von der Poesie, vorausgesetzt, daß unsere renommierten Dramen- und Romanfabrikanten zu den Dichtern gerechnet werden. Manche angenehme Talente, heißt es weiter, erzielen hohen Geldlohn, weil sie auf einer seltenen Naturgabe [wie die Kehle der Patti eine ist] beruhen, oder weil mit ihrer Ausübung eine Art Preisgebung der Person verbunden ist, die ihr Handwerk verächtlich macht; es gelte das von den Schauspielern, Opernsängern und Tänzerinnen. [Darin ist seitdem ein Wandel; wenn auch kein vollständiger, der öffentlichen Meinung eingetreten.] Den Kapitalzins berührten von diesen fünf Umständen nur zwei: die Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit des Gewerbes und die größere oder geringere Sicherheit; deshalb hielten sich die Kapitalgewinne der verschiedenen Erwerbszweige weit mehr auf einem gleichmäßigen Niveau als die Arbeitslöhne. Und die Lohnunterschiede, wird weiter ausgeführt, bedeuten noch keine Verschiedenheit der Gesamtlage, da ja der höhere Lohn durch Nachteile, der niedrigere durch Vorteile ausgeglichen wird. Außerordentliche Verhältnisse jedoch können dieses Gleichgewicht stören. Neue Gewerbe müssen durch außergewöhnlich hohe Löhne Arbeiter anlocken, außergewöhnliche Nachfrage nach Händen in einem Gewerbe steigert den Lohn, und wer eine Arbeit bloß um eines Nebenverdienstes willen verrichtet, wie der Ackerstellenbesitzer, der mitunter tagelöhnert, begnügt sich gewöhnlich mit einem geringeren als dem normalen Lohne. Der Umstand, daß der Londoner Geschäftsmann ein ganzes Haus mieten müsse und ein paar Zimmer darin zu vermieten pflege, bewirke, daß die Hausrente höher und die Zimmermiete wohlfeiler sei als in Paris oder in Edinburgh.

Das also seien die in der Natur der Gewerbe selbst liegenden Umstände, die auch bei vollkommener Gewerbefreiheit den Ausgleich der Löhne und Kapitalgewinne verhindern würden. Außerdem aber wirke noch die Politik der Regierungen ein, welche den natürlichen Lauf der Dinge störten und zunächst durch gesetzliche Einrichtungen, namentlich durch die Innungsprivilegien, die Konkurrenz zu beschränken pflegten. In England war z. B. die Lehrzeit auf sieben Jahre festgesetzt, und wie scheußlich diese Lehrlinge genannten unbezahlten Arbeiter ausgebeutet worden sind, haben wir aus Brentanos Geschichte der englischen Gewerkvereine erfahren. Gegen diese und ähnliche Freiheitsbeschränkungen schleudert Smith seinen berühmten Protest: »Wie das Eigentum, das jedermann in seiner eigenen Arbeit [kraft] besitzt, die Quelle jedes anderen Eigentums ist, so ist es auch das heiligste und unverletzlichste. Die Kraft und Geschicklichkeit seiner Hände ist das einzige Erbteil des Armen; hindert man ihn, diese Kraft und Geschicklichkeit in der ihm am geeignetsten scheinenden Weise ohne Beeinträchtigung seiner Nebenmenschen anzuwenden, so verletzt man dieses heiligste Eigentum. Sowohl die Freiheit des Arbeiters wie die des Unternehmers, der ihn verwenden möchte, wird dadurch vergewaltigt. Das Urteil darüber, ob der Arbeiter für die Verwendung geschickt sei, mag man ruhig dem Unternehmer überlassen, der allein dabei interessiert ist. Die vorgeschützte Besorgnis der Gesetzgeber, die Unternehmer möchten ungeeignete Personen verwenden, ist so unverschämt wie tyrannisch.« Weiterhin sagt er: »Lange Lehrlingsschaft ist ganz unnötig. Auch solche Gewerbe, die wie die Uhrmacherei hoch über den gewöhnlichen stehen, enthalten keine Geheimnisse, die man nur durch langen Unterricht bewältigen könnte. Die erste Erfindung solcher schönen Maschinen und auch die mancher zu ihrer Herstellung erforderlichen Werkzeuge hat ohne Zweifel tiefes Nachdenken und großen Zeitaufwand gekostet. Aber nachdem beide erfunden und begriffen sind, gehören nur wenige Wochen, vielleicht nur wenige Tage Unterricht dazu, einem jungen Manne zu erklären, wie er die Werkzeuge zur Herstellung der Maschinen zu handhaben hat. In den leichteren Handwerken genügen sicherlich wenige Tage. Die Handfertigkeit freilich kann auch in diesen nur durch längere Übung erworben werden; aber der junge Mann würde sich viel fleißiger und aufmerksamer üben, wenn er von Anfang an als Lohnarbeiter behandelt und nach Maßgabe seiner geringen Leistungen bezahlt würde, und seinerseits das durch Ungeschicklichkeit oder Unaufmerksamkeit verdorbene Material ersetzen müßte.« Smith unterschätzt die Notwendigkeit eines geordneten längeren Unterrichts in demselben Grade, wie sie der Handwerker zu überschätzen pflegt. Die Überschätzung ist oft nur scheinbar und soll die bekannten selbstsüchtigen Zwecke decken, um deren willen eine möglichst lange Lehrzeit gefordert wird. Vor allem muß man unterscheiden: Es gibt Gewerbe, z. B. das Gastwirtgewerbe, in denen gar keine Lehrzeit nötig ist und tatsächlich weder unterrichtet noch unterwiesen wird, und andere, wie das der Mechaniker und Optiker, in denen vier Jahre zu einer vollkommenen Ausbildung noch nicht genügen. Smith fährt fort: Der Meister würde allerdings verlieren – nämlich die Arbeit, die ihm der Lehrling sieben Jahre lang umsonst liefern muß, und vielleicht würde auch der Lehrling verlieren, denn der leichte Zugang zu dem Gewerbe würde seine Konkurrenten vermehren und seinen Lohn drücken, und derselbe Umstand würde die Meister schädigen. Aber das Publikum würde durch die Verbilligung aller Waren gewinnen. Ja, wer ist denn das Publikum? In der Stadt, wie sie vor hundert Jahren war, und wie sie hie und da heute noch ist, besteht es größtenteils aus Handwerksmeistern. Der Bäcker versorgt den Schuster, der Schuster den Bäcker. Von einem Gewinn des Publikums kann also nur dann die Rede sein, wenn entweder die Verbilligung der Waren sich auf einzelne Gewerbe beschränkt, oder wenn mit dem Publikum der Teil der Bevölkerung gemeint ist, der keine städtischen Gewerbe treibt, das sind die Beamten, die Akademiker, die Landwirte. In Smiths Zeit waren nur die letzten in ansehnlicher Zahl vorhanden, und sie meint er mit dem Publikum. Bisher sei das Land beim Austausch seiner Erzeugnisse mit städtischen von den Gewerbetreibenden immer übervorteilt worden, wie schon der Umstand beweise, daß man nur im städtischen Gewerbe, nicht als Landwirt, reich werden könne. Den Städtern sei das infolge der Gunst ihrer Lage gelungen. Da sie auf einem Haufen beisammen wohnten, könnten sie leicht geschlossene Vereinigungen bilden, hätten sich demgemäß als Korporationen organisiert, und nicht zufrieden damit wüßten sie eine Konkurrenz, der sie auf gesetzlichem Wege nicht beizukommen vermöchten, durch private Verabredungen sich vom Leibe zu halten. »Leute desselben Gewerbes kommen selten, sei es auch zu einem Vergnügen, zusammen, ohne daß ihre Unterhaltung in eine Verschwörung gegen das Publikum ausläuft.« Die Landleute, die weit zerstreut wohnen, könnten sich nicht verschwören. Nicht allein hätten sie keine Zünfte, sondern sie seien auch vom Zunftgeiste frei geblieben. Niemals sei für die Landwirtschaft ein Lehrlingsgesetz notwendig befunden worden, und doch gebe es, von den schönen Künsten und den akademischen Berufen abgesehen, kein anderes Gewerbe, das so viele und so mannigfache Kenntnisse und Fertigkeiten erforderte. Aus all den unzähligen Bänden, die darüber geschrieben worden seien, könne man es nicht erlernen, während sich ein Handwerk aus einer wenige Seiten umfassenden und mit Zeichnungen verdeutlichten Schrift ganz gut erlernen lasse. Nicht allein die Leitungsarbeit des Landwirts, sondern auch manche untergeordnete Verrichtung, meint Smith, erfordert mehr Kunstfertigkeit und Erfahrung, als die meisten Handwerke. Der Mann, der Messing und Eisen bearbeitet, hantiert mit Instrumenten und Materialien, die immer so ziemlich dieselbe Beschaffenheit haben. Der Mann dagegen, der mit Pferden und Ochsen den Boden pflügt, arbeitet mit Instrumenten, die je nach Gesundheit, Kraft und Temperament sehr verschieden sind. Der Pflüger wird für roh und unwissend gehalten, weil er sich die Umgangsformen und die Redegewandtheit des Städters nicht anzueignen vermag; in Wirklichkeit ist er, weil er es mit einer viel größeren Fülle der mannigfachsten Gegenstände und Verrichtungen zu tun hat, an Verstand und Urteil dem städtischen Arbeiter weit überlegen, der immer bloß dieselben paar Handgriffe zu wiederholen braucht. »Wie sehr die unteren blassen der ländlichen Bevölkerung denen der städtischen überlegen sind, weiß jeder, der von Berufswegen oder um seine Wißbegier zu befriedigen mit beiden verkehrt.« Rogers bemerkt hierzu, daß seitdem die landwirtschaftlichen Arbeiter stupider, die gewerblichen intelligenter geworden sind. Dieser hat sich eben der soziale Fortschritt angenommen, auf dem Lande dagegen sind die Reste der bäuerlichen Bevölkerung verschwunden, und es gibt nur noch kapitalistische Pächter und proletarische Lohnarbeiter.

Auf dreierlei Weise hat, sagt Smith, die europäische Politik den natürlichen Ausgleich der Vorteile und Nachteile der verschiedenen Gewerbe verhindert: sie hat die Zahl der Konkurrenten künstlich beschränkt, eben durch die Zunftgesetze. Zweitens hat sie in einigen Gewerben die Zahl der Konkurrenten künstlich vermehrt. Das ist besonders im geistlichen Stande der Fall gewesen. Die Stipendien und sonstigen Unterstützungen der Theologie Studierenden haben diesem Stande solche Massen zugeführt, daß jetzt mancher Seelsorggeistlicher in England nicht mehr als zwanzig Pfund bekommt, während es mancher Londoner Schustergesell auf vierzig bringt. [Die Seelsorggeistlichen der englischen Hochkirche sind schlecht bezahlte Lohnarbeiter der gut dotierten Pfründner.] Auch hat dieses Stipendienwesen jene unglückliche Menschenrasse geschaffen, die man Literaten nennt, denn diese sind meistens verdorbene Theologen. Ähnlich ist es mit den Lehrern, die noch schlechter als jetzt bezahlt werden würden, wenn nicht der Abfluß in die Literatur die Konkurrenz verminderte. Im klassischen Altertum sind berühmte Lehrer sehr gut bezahlt worden. [Die übrigen desto schlechter oder auch gar nicht, denn sie waren zum Teil Sklaven.] Für das Publikum, meint Smith, sei es ja vorteilhaft, wenn man eine so nützliche Ware wie Kenntnisse wohlfeil haben könne; freilich taugten die Schulen in ganz Europa nicht viel. Drittens hindere die europäische Politik die freie Zirkulation von Kapital und Arbeit aus einem Gewerbe ins andere, und zwar in ganz Europa durch die Zunftgesetze, in England außerdem noch durch die Armengesetze, die den Unterstützungswohnsitz regelten, was zur Folge habe, daß die Gemeinden von auswärts anziehenden Armen die Niederlassung verwehrten, so daß die Arbeiter nicht imstande seien, Arbeit zu suchen, wo sie welche zu finden hoffen könnten.

Die Landrente, der dritte Bestandteil des Tauschwerts der Waren, ist nach Smith die Bezahlung, die der Landlord vom Pächter für die Benutzung des Bodens fordert. Er sucht so viel herauszuschlagen, daß diesem vom Bruttoertrag nur bleibt, was zum Betrieb nötig ist: zur Instandhaltung des Inventars an Vieh und Werkzeugen, zum Kauf von Saatgut, zur Bezahlung der Arbeiter, und so viel Kapitalprofit, als die Pächter der Nachbarschaft durchschnittlich erzielen. Manchmal steckt in der Grundrente auch eine Bezahlung der durch Melioration auf den Boden verwendeten Arbeit; doch ist das nicht das Wesen der Rente; solche wird auch für ganz wüstes Land gefordert, ja sogar für Land, das gar keinen Ertrag bringt. Um die Fischerei in den Gewässern der Shetlandsinseln betreiben zu können, müssen die Fischer eine Wohnung dort haben; für die Erlaubnis, eine Hütte zu bauen, müssen sie dem Grundherrn Zins entrichten. Es sei das, meint Smith, einer der wenigen Fälle, wo in dem Preise der Ware Seefisch Grundrente stecke. Bekanntlich hat Ricardo erklärt, die Menschen fingen überall mit der Bebauung des besten Bodens an, und dieser werfe erst dann Rente ab, wenn die Volkszunahme zum Anbau des nächst schlechten zwinge, dieser hinwiederum bringe Rente, sobald noch schlechterer angebaut werde und so fort. Rogers hebt hervor, daß vor Ricardo Anderson, und vor Anderson Turgot diese Theorie aufgestellt habe, und erklärt sie für falsch. Das ist sie denn auch. Der Anbau fängt nicht immer auf dem besten Boden an, freilich auch nicht, wie ebenfalls übertreibend Carey gelehrt hat, immer auf dem schlechtesten; es hängt von vielerlei Umständen ab, wo der Anbau beginnt, und guter Boden kann mit der Zeit schlecht, schlechter gut werden. Grundrente entsteht auf allerlei Boden, sobald bei wachsender Bevölkerung durch Absatz der Bodenprodukte im In- und Auslande so viel gewonnen wird, daß vom Ertrage einer gepachteten Wirtschaft zwei leben können, der Besitzer und der Pächter, und die Rente steigt einmal durch weiteren Bevölkerungszuwachs und hierdurch gesteigerten Produktenpreis, zum anderen durch den Fortschritt der landwirtschaftlichen Technik, der bewirkt, daß der Mehrertrag den durch die Verbesserungen verursachten Kostenaufwand übersteigt. Smiths Ansicht ist also die richtige, wenn auch ihre Ausführung im einzelnen, auf die wir nicht eingehen können, ihre Mängel hat.

Er teilt die Bodenprodukte ein in solche, die immer Rente abwerfen, und in solche, die das nur unter gewissen Bedingungen tun. Die Produkte der ersten Klasse sind die menschlichen Nahrungsmittel. Er untersucht, wie sich die Gewinne von Getreidebau und Viehzucht unter verschiedenen Verkehrs- und Marktverhältnissen zueinander verhalten, und findet, daß im allgemeinen die Höhe der von der Viehweide stammenden Rente durch die des Kornlandes reguliert wird. Weiter wird untersucht, wie es sich mit Hopfen, Obst, Gemüse, Wein, Zucker, Tabak, Reis verhält. In einer Betrachtung über den Nährwert der verschiedenen Volksnahrungsmittel teilt er einige merkwürdige Beobachtungen mit, die er gemacht hat. Die Leute der unteren Volksklassen in Schottland, die sich von Hafermehl nährten, seien weder so stark noch so schön wie ihre Weizenbrot essenden Standesgenossen in England; die Iren aber nährten sich nur von Kartoffeln, und trotzdem seien die Kohlenauslader in London die stärksten Männer und »die unglücklichen Personen, die von Prostitution leben,« die schönsten Weiber im ganzen britischen Reiche, und beide seien Iren. [Den Einfluß der Rassenunterschiede auf die Körperbeschaffenheit der Menschen zu beachten hatte man damals noch nicht gelernt.] Bei allem übrigen, was nicht Nahrungsmittel für Menschen ist, hängt es von Umständen ab, ob Rente dabei herauskommt. Diese Umstände, die Smith erörtert, lassen sich in dem Worte Kulturfortschritt zusammenfassen. Und zwar sind die Fortschritte in der Landwirtschaft die wichtigsten. Sobald das Land so viel erzeugt, daß außer der Familie des Bebauers noch eine zweite davon leben kann, die eine Handwerkerfamilie sein wird, kann der Bauer auch die Stoffe für Kleidung, Hausbau, Werkzeuge, die sein Boden trägt, verwerten, und je mehr der Boden trägt, je mehr Menschen davon leben können, je weiter demnach die Arbeitsteilung fortschreitet, je größer der dadurch geschaffene Reichtum wird, desto mehr Nachfrage nach allen Arten über- und unterirdischer, organischer und unorganischer Bodenschätze entsteht. Nahrung, schreibt Smith, macht nicht allein den wichtigsten Teil der Reichtümer dieser Erde aus, es ist auch der Überfluß an Nahrung, was vielen anderen Bestandteilen des Reichtums erst Wert verleiht. Den an Nahrungsmitteln armen Ureinwohnern von Cuba und San Domingo galt, als sie von den Spaniern entdeckt wurden, ihr Gold nicht mehr als Kieselsteine. Die fortschreitende Kultur vermehrt die Nahrungsmittelmenge, ermöglicht die Hingabe von Nahrungsmitteln für Gegenstände des Luxus, und verleiht so den Metallen, den Edelsteinen, den Bau- und Pflastersteinen, den Kohlenlagern Tauschwert.

In einer langen Untersuchung des Verhältnisses zwischen den Werten der beiden Hauptklassen von Rente abwerfenden Produkten wird eine Geschichte der Silber- und der Kornpreise gegeben, und in einer weiteren Untersuchung der Preissteigerung durch den Kulturfortschritt (vielmehr durch die Volkszunahme) je nach den verschiedenen Graden der Vermehrbarkeit verschiedener Bodenprodukte werden über die Rentabilität der Rindvieh-, Geflügel-, Schweinezucht, der Produktion von Häuten und von Wolle Betrachtungen angestellt, die zum großen Teil heute noch zutreffen, und die beweisen, wie viel Smith von den Landwirten der wissenschaftlichen Vereine, denen er angehörte, gelernt hat. Zuletzt wird hervorgehoben, daß der Kulturfortschritt den Preis der Manufakturwaren ebenso [durch die verbesserte Technik] erniedrigt, wie er den der Bodenerzeugnisse zu erhöhen die Tendenz hat [durch die Volkszunahme, die er ermöglicht; dieser Tendenz wirkt jede Erschließung und Bebauung von Neuland entgegen]. Der Schluß des 120 Seiten langen elften und letzten Kapitels des ersten Buches lautet: »Das Jahresprodukt von Boden und Arbeit eines Landes, oder was dasselbe ist, der Geldpreis dieses Produkts, teilt sich, wie gezeigt worden ist, in Landrente, Arbeitslohn und Kapitalprofit, und bildet demgemäß das Einkommen dreier Stände: der Grundbesitzer, der Lohnarbeiter und der Kapitalisten. Diese drei sind die Grundbestandteile jeder zivilisierten Gesellschaft, und aus ihrem Einkommen fließt das aller übrigen Stände. Das Interesse des ersten dieser drei Stände ist unlöslich mit dem Interesse der ganzen Gesellschaft verbunden. Was diese fördert oder schädigt, das fördert oder schädigt auch ihn, denn je nach dem Zustande der Gesellschaft fließt ihm ohne eigenes Bemühen eine höhere oder geringere Grundrente ganz von selbst zu. Darum können, wenn politische Fragen, namentlich Handelsfragen, beraten werden, die Grundbesitzer den Staat niemals aus Selbstsucht mißleiten. Freilich macht sie der Umstand, daß sie keiner eigenen Anstrengung bedürfen, auch sorglos, faul und unwissend, so daß sie die Tragweite politischer Maßregeln oft nicht zu übersehen vermögen. Ebenso unlöslich ist das Interesse der Lohnarbeiter mit dem Gesamtwohl verknüpft. Je höher der Wohlstand steigt, desto mehr steigt die Nachfrage nach Arbeitern und entsprechend der Arbeitslohn. Stagniert ein Land, so sinkt der Lohn des Arbeiters auf das Existenzminimum, das gerade hinreicht, seine Rasse zu erhalten. Beim Verfall des Landes sinkt der Lohn noch tiefer. Bei fortschreitendem Wohlstande mag der Grundherr mehr gewinnen als der Arbeiter, aber kein Stand leidet so grausam wie der Arbeiterstand beim Rückgang der Gesellschaft. Obwohl sich indes das Interesse des Arbeiters mit dem der Gesellschaft deckt, ist er doch unfähig, dieses Interesse und dessen Zusammenhang mit seinem eigenen zu verstehen. Er hat keine Zeit, sich darüber zu unterrichten, und hätte er sie, so würde er infolge seiner mangelhaften Erziehung die empfangenen Informationen gar nicht verstehen. Deshalb wird bei öffentlichen Erörterungen seine Stimme wenig gehört und noch weniger beachtet, ausgenommen in den Fällen, wo seine Brotherren ihn, nicht in seinem, sondern in ihrem eigenen Interesse, laut zu schreien anreizen. Diese Brotherren nun machen den dritten Stand aus. Der Kapitalprofit ist das, was den größten Teil nützlicher Arbeit in Bewegung setzt. Aber der Kapitalprofit steigt und fällt nicht, gleich der Grundrente und dem Arbeitslohn, mit dem Wohlstand der Gesellschaft. Er kann hoch sein in armen Ländern, und pflegt in verfallenden am höchsten zu sein. Dieses dritten Standes Interesse hängt also keineswegs innig mit dem der Gesellschaft zusammen. Da die Kapitalbesitzer: Kaufleute und Fabrikanten, ihr ganzes Leben mit Projektenmachen zubringen, so sind sie scharfsinniger und verstehen sie ihr eigenes Interesse besser, sind sie auch geübter darin, es wahrzunehmen, als die Landedelleute, und auch wenn sie, was nicht immer der Fall ist, ihr Urteil ganz ehrlich abgeben, wird man sich nur soweit darauf verlassen können, als es ihr eigenes Interesse betrifft. Nicht in der Beurteilung des öffentlichen, sondern in der ihres Standesinteresses sind sie dem Landedelmann überlegen, und diese Überlegenheit haben sie oft dazu gemißbraucht, den hochherzigen Grundherrn zu überreden, seinen eigenen Vorteil und den des Landes ihnen zu opfern, indem er sich überzeugen ließ, sie verstünden das Gemeinwohl besser als er. Aber das Interesse des Händlers ist immer von dem des Publikums verschieden und ihm in gewisser Beziehung entgegengesetzt. Er will den Markt erweitern und die Konkurrenz einschränken. Das erste kann auch fürs Publikum von Vorteil sein, das zweite niemals; Einschränkung der Konkurrenz setzt den Händler in den Stand, durch künstliche Erhöhung seines Profits seinen Mitbürgern eine unvernünftige (absurd) Steuer aufzulegen. Darum muß man jeden handelspolitischen Vorschlag, der von seiner Seite kommt, mit Mißtrauen aufnehmen, und darf ihm nur nach sorgfältigster Prüfung zustimmen; ein solcher Vorschlag kommt von einer Menschenart, deren Interesse niemals genau mit dem des Publikums zusammenfällt, die gewöhnlich ein Interesse daran hat, das Publikum zu täuschen und sogar zu bedrücken, und die es demgemäß bei vielen Gelegenheiten wirklich getäuscht und bedrückt hat.« Über diese Philippika des vermeintlichen Vaters der Nichtsalsfreihändler Betrachtungen anzustellen und sie zu berichtigen, überlassen wir dem Leser.

Dagegen halten wir uns für verpflichtet, diesem bei der Berichtigung der Grundbegriffe, die im ersten Buche entwickelt werden, ein wenig zu Hilfe zu kommen. Die Nationalökonomik hat seit ihrer Begründung Fortschritte gemacht, und von List, Rodbertus und Marx belehrt, vermögen wir das Wesen des Tauschwerts, der Güterverteilung und des Kapitals, das im zweiten Buche behandelt wird, klarer zu erkennen, als Smith es vermochte. Voraussetzung des Tauschwerts ist der Gebrauchswert, dieses Wort im weitesten Sinne genommen, so daß als brauchbar auch das gilt, was nur der Befriedigung einer Laune dient. Wenn es Dinge gäbe – für die moderne Technik gibt es solche freilich nicht – die zu gar nichts nütz wären, so könnten diese keinen Tauschwert bekommen. Arbeit und Seltenheit schaffen den Tauschwert. Für den Ansiedler im brasilianischen Urwald ist der Mahagonibaum gleich allen übrigen Bäumen nur ein Hindernis, und jener bezahlt allenfalls noch einen Arbeiter dafür, daß er ihm hilft, das Hindernis zu vernichten. Will dagegen der deutsche Möbelfabrikant Mahagoniholz haben, so muß er die Leute bezahlen, die den Baum fällen und den behauenen Stamm mit ihrem Ochsen- oder Maultiergespann an den nächsten schiffbaren Fluß oder zur nächsten Bahnstation schaffen, die Leute sodann, die den Transport über See und auf den deutschen Bahnen besorgen, und die Agenten oder Händler, die diesen Arbeitskomplex organisieren. Diese Bezahlungen zusammen machen den Preis des Stammes aus. Der Boden eines unbesiedelten Landes ist umsonst zu haben. Ist der Boden eines Landes unter eine Anzahl von Besitzern verteilt, ist er also selten geworden, so kann niemand mehr ohne Bezahlung ein Stück davon bekommen, und da der Boden in Berlin seltener, das heißt hier seine Fläche im Verhältnis zur Zahl der darauf Lebenden kleiner ist als in Hinterpommern, so ist sein Preis natürlich höher. Kostenlos zu gewinnende Güter, wie wildwachsende Pflanzen und Früchte, erhalten Tauschwert, sobald die Seltenheit des Bodens die Eigentümer in den Stand setzt, Fremden den Zutritt zu dem Ort, wo sie wachsen, zu wehren. So erlangen bei zunehmender Volksdichtigkeit nach und nach alle sogenannten freien Güter, auch Wasser und Luft, Tauschwert; in der Großstadt muß die zum Atmen geeignete Luft meistens ziemlich teuer bezahlt werden. Was endlich die Höhe des in Geld ausgedrückten Tauschwerts, des Preises, bestimmt, das ist das Verhältnis des Angebots zur Nachfrage. Die Kosten der Herstellung oder Herbeischaffung der Ware kommen bei der Bestimmung des Preises nur insofern in Betracht, als eine Ware auf die Dauer unter dem, was sie kostet, nicht hergestellt, darum auch nicht angeboten werden kann. Will man von einem natürlichen Preise reden, um den der Marktpreis schwanke oder zu dem er gravitiere, so kann darunter nicht der Kostenpreis verstanden werden, sondern nur der wirkliche Marktpreis, wie er auf einem vollkommen offenen und entsprechend großen Markte entstehen muß, wo das wirkliche Verhältnis des Warenvorrats zum Bedarf deutlich zum Vorschein kommt. Die Abweichungen vom Normalpreise entstehen teils durch künstliche Verschleierungen und Verhinderungen, durch Trusts, Corner, Ringe, falsche Börsennachrichten, teils durch natürliche Hindernisse wie Entlegenheit des Marktorts und fehlende Konkurrenz. In Zeiten und Gegenden, denen es an Verkehrsmitteln fehlt, kann trotz guter Ernte ein einzelner Ort von einer Hungersnot heimgesucht werden, die den Getreidepreis hoch über den richtigen treibt. Diese Preisregelung durch Angebot und Nachfrage kommt jedoch nur bei den Waren des Massenverbrauchs zustande, und zwar am vollkommensten bei solchen von großer Gleichartigkeit wie Getreide, Zucker, Bier, Kohle, glatten Geweben, gewöhnlichen Kleidern. Wo Mode, Luxus, Phantasie, Affektion, Liebhaberei ins Spiel kommen, werden die Preise oft hoch über den Normalpreis hinaufgetrieben. Bei hervorragenden Kunstwerken ist der Preis überhaupt kein Marktpreis, sondern Kenner- oder Liebhaberpreis, und bei Luxusgegenständen wie Damenhüten, kostbaren Kleidern, Kunstmöbeln, Kunstgläsern, wo jedes Stück individuell und von den anderen verschieden ist, kann sich kein Marktpreis bilden. Der Fabrikant oder Händler kann bei solchen Gegenständen Forderungen stellen, die ihm einen hohen Gewinn sichern, und es hängt von der individuellen Schätzung des Kunden, von seiner Liebhaberei, seiner Eitelkeit und seinem Geldbeutel ab, ob er das Geforderte zahlt. Einen natürlichen Kostenpreis gibt es nicht, denn der läßt sich desto weniger ermitteln, je weiter die Arbeitsteilung fortschreitet, und je mehr verschiedene Arbeiter zum Entstehen einer Ware zusammenwirken. Der Leser möge sich selbst klar machen, welche Menge verschiedener Urproduzenten, Fabrikarbeiter, kaufmännischer und Transportarbeiter erforderlich sind, damit ein Frauenkleid entstehe, und wie unmöglich es ist, zu ermitteln, wie viel Arbeit eines jeden dieser Arbeiter darin steckt. Wenn der gelöste Preis die Herstellungskosten einer Ware nicht deckt, so stellt sich das gewöhnlich erst heraus, nachdem sie längere Zeit unter dem Kostenpreise verkauft worden ist, und es läßt sich nicht von vornherein ausmachen, welche der beteiligten Arbeiter dabei zu kurz kommen; zunächst muß gewöhnlich der letzte Verkäufer bluten. Schon deshalb kann die Arbeit niemals Wertmaßstab sein, auch dann nicht, wenn man darunter die »gesellschaftlich notwendige« Arbeit versteht, womit gemeint ist, daß z. B. nach Erfindung der Maschinenspinnerei die Radspinnerin keinen Anspruch mehr hat auf die Bezahlung der vielen Arbeitstage, die sie dazu braucht, eine kleine Menge Garn fertig zu bringen.

Und die drei Einkommenarten: Grundrente, Arbeitslohn und Kapitalgewinn, konstituieren nicht, bilden nicht den Preis, sondern fließen aus dem für die Ware gelösten Gelde. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt, wie gesagt, mit den angegebenen Einschränkungen den Preis. Auf einen Teil des aus dem Produkte der Jahresarbeit jeder Nation gelösten Geldes legt der Staat durch Steuern Beschlag. Aus deren Ertrage zahlt er die Beamtengehälter, das heißt, er verleiht den Beamten die Macht, sich von den vorhandenen Gebrauchs- und Genußgütern so viel anzueignen, als sie mit ihrem Gehalt kaufen können; er zahlt ferner Kost, Kleidung, Ausrüstung, Wohnung der Soldaten und endlich die Löhne der Arbeiter, die ihm seine Kanonen gießen, seine Schiffe, seine Kasernen, seine Regierungs-, Gerichts- und Postpaläste bauen und schaffen, was sonst zum Staatshaushalt gehört. Ebenso verfahren die Kommunen und die Kirchengesellschaften. Wie sich dann die Produzenten einschließlich der Grundrentner und der Kapitalisten in das teilen, was ihnen die öffentlichen Gewalten übrig lassen, das hängt von Marktverhältnissen, von der Rechtsordnung und von Staatseinrichtungen ab. Der Arbeitslohn schwankt auf und ab, je nachdem sich wenig oder viel »Hände« und Köpfe anbieten. Die wechselnde Mode, wechselnde Verkehrsverhältnisse lassen den Goldstrom bald hierhin, bald dorthin fluten und bald diese, bald jene Gegend, bald dieses, bald jenes Gewerbe reich oder arm werden. Erbfolgegesetze sichern dem Ältesten oder dem Jüngsten eine hohe Grundrente und lassen seine Brüder und Schwestern leer ausgehen, antisoziale Gesetze und Richter helfen den Unternehmern, den Arbeitslohn drücken, soziale Gesetze wie die deutschen über Arbeiterversicherung führen Hunderte von Millionen aus den Taschen der Unternehmer in die der Arbeiter über. Die Verteilung der Geldsummen aber, die den Wert des vom Staate freigelassenen Jahresprodukts darstellen und zugleich zur Aneignung eines Teils davon durch Kauf ermächtigen, geht in der Weise vor sich, daß der letzte Verkäufer zuerst bekommt, dieser seinen Vordermann auszahlt, dieser den seinen und so fort, bis alle Beteiligten bezahlt sind. Der Kleiderhändler einer Provinzstadt bezahlt mit einem Teile von dem, was er von seinen Kunden einnimmt, den Berliner Konfektionär. Dieser bezahlt seine Angestellten, seine Nähmädchen, seinen Kattunfabrikanten. Dieser bezahlt die Weber, die Spinner, die Eisenarbeiter, die seine Maschinen gebaut haben, den amerikanischen Baumwollenlieferanten; dieser bezahlt seine schwarzen Arbeiter mit Geld oder mit Naturalien; und alle vorher Genannten bezahlen die in Anspruch genommenen Transportmittel: Fuhrleute, Eisenbahnen, Schiffe, die zum Transport erforderliche Kohle, die Bergwerksarbeiter und Beamten, die Eisen und Kohle geschafft haben. Daß die ersten Produzenten, die auf diese Weise die letzten werden, nicht wirklich bis zuletzt zu warten brauchen, ehe sie zu ihrer Sache kommen, beruht auf dem künstlichen Wunderbau unserer Wirtschaftsordnung, in dessen Getriebe die Kreditorganisation eine hervorragende Rolle spielt. Daß jeder Arbeiter sein volles Arbeitsprodukt, sei es in natura, sei es in Geld, erhielte, davon kann nach eingetretener Arbeitsteilung keine Rede mehr sein, schon deswegen nicht, weil sich keines einzelnen Anteil am Produkt aussondern läßt. Eine sozialistische Gesellschaftsordnung könnte wohl jedem seinen Anteil an der Gesamtgütermasse zumessen, aber nur nach willkürlicher Schätzung. Jeder würde, gerade so wie heute, überzeugt sein, daß er im Verhältnis zur geleisteten Arbeit zu wenig bekomme; aber während der Markt, der heute entscheidet, bloß verwünscht werden kann, würden die Behörden des Zukunftsstaates, denen das böse Geschäft der Verteilung obläge, nicht bloß verwünscht, sondern beim Kopfe genommen werden. Wie viel die Arbeit eines jeden wert sei im Verhältnis zur Arbeit eines anderen, kann niemals gemessen, niemals mathematisch bestimmt, sondern immer nur gefühlsweise und ungefähr geschätzt werden. Nur wenn die Größe oder Geringfügigkeit eines Lohnes exzessiv wird, wagen wir zuversichtlich zu urteilen: das ist ungerecht! Hier waltet ein Mißverhältnis ob zwischen Leistung und Belohnung! Allerdings gibt es auch heute Arbeitslöhne, die scheinbar nicht durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage auf dem Markte geregelt werden: die Beamtengehälter. Aber diese Emanzipation vom Markte ist nur Schein. Der Staat gewährt den Beamten der verschiedenen Kategorien an Gehalt, Pensionsberechtigung und anderen Vorteilen zusammengenommen ungefähr so viel, als sie durch ähnliche Leistungen in freien Berufen, z. B. als Bankbeamte, Ingenieure und Direktoren eines privaten Eisenwerks, Beamte einer Versicherungsgesellschaft verdienen würden. Zahlt er bedeutend weniger, so sieht er sich bald durch Beamtenmangel genötigt, die Gehälter zu erhöhen. So regelt der Marktpreis von Waren, Leistungen und Diensten auch die Beamtengehälter.


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