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Vorwort.

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Wir Deutschen haben ein Wagner-Archiv und ein Nietzsche-Archiv, aber einen Ort, wo man die Werke und den handschriftlichen Nachlaß des Gründers unseres Zollvereins und unsers Eisenbahnsystems beisammen fände, giebt es nicht. Die beiden Schriften, welche die Grundzüge seiner Nationalökonomie und seiner Verkehrslehre enthalten, die Outlines und die Mitteilungen aus Amerika, sind weder auf der Königlichen Bibliothek in Berlin, noch in Stuttgart, noch in Reutlingen zu finden, noch besitzt sie eine seiner noch lebenden Töchter. Zu aller Schmach, die sich Deutschland durch die Behandlung eines seiner größten Wohlthäter aufgeladen hat, kommt noch die Thatsache, daß in unserer denkmalwütigen und litterarisch überproduktiven Zeit List das seiner und des deutschen Volkes einzig würdige Denkmal noch nicht erhalten hat: eine vollständige Ausgabe seiner Schriften und eine authentische Biographie; die von Häußer ist bei aller Weitschweifigkeit mehrfach ungenau und lückenhaft. Diese Lücke soll nun nächstens gefüllt werden. Wie Herr Finanzrat Dr. Hermann Losch in Stuttgart, der schon einige gehaltvolle Betrachtungen über List veröffentlicht hat, mir zu schreiben die Güte hat, wird sich ein auf seine Anregung gebildetes Komitee an das Unternehmen wagen. Hoffentlich machen das Reich und die württembergische Regierung einander die Ehre streitig, die Kosten aufbringen zu dürfen.

Ohne von diesem Plane etwas zu wissen und schon ehe er entworfen wurde, hatte der Herausgeber der »Geisteshelden« beschlossen, Friedrich List seiner Sammlung einzureihen, und ich habe gern die ehrenvolle Aufgabe übernommen, den deutschen Lesern Lists Leben zu erzählen und das Wesentliche des Geistesschatzes zu übermitteln, den er für uns aufgespeichert hat. Eine Kritik der Ansichten Lists war durch den vorgeschriebenen Umfang des Büchleins wie durch seinen Zweck ausgeschlossen. Aus denselben Gründen durften nationalökonomische Exkurse nicht eingeflochten werden. Eigenes Raisonnement habe ich auf wenige kurze Bemerkungen beschränkt, nur auf S. 169-171 eine etwas weiter ausgesponnene einzufügen mir erlaubt. In welchen Stücken Lists erstaunlicher Prophetenblick die Zukunft richtig vorausgesehen hat, in welchen anderen – es sind ihrer nicht viele – er sich getäuscht hat, in welchen die Erfüllung noch aussteht, das braucht dem denkenden Leser nicht gesagt zu werden, weil er es sich selbst sagt. Und den Mann stellen uns seine Worte, seine Thaten und sein Verhalten in den Wechselfällen eines stürmisch bewegten Lebens so vollständig, so anschaulich, so bis ins Innerste durchschaubar vor Augen, daß ein rhetorisches Charakterbild am Schluß so überflüssig wäre, wie die Beschreibung des Gesichtes eines Menschen unter seiner Photographie.

Wo Anführungszeichen stehen, ohne daß ein Autor genannt wird, ist List der sprechende. Das Litteraturverzeichnis enthält nur die Bücher, Broschüren und Zeitschriften, die ich habe erlangen und benutzen können.

Der Tochter Lists, Frau Karoline Hövemeyer in München, statte ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ab für die gütigst gewährte Auskunft über Familienverhältnisse.

Neisse, im April 1901
Der Verfasser.


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