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Das Opfer

Fyr erreichte den Höhepunkt seiner Macht noch als junger Mann, weil seine Führerschaft mehr auf etwas unwiderstehlich Neuem begründet war als auf den Erfahrungen, denen die Ältesten, die früher an der Spitze gestanden hatten, ihre Macht verdankten. Man hatte die Erfahrung der Alten gar nicht mehr nötig, alles, was sie zum Schutz gegen Nacht und Not wußten, war durch den Besitz des Feuers überflüssig geworden; ein Lichtausbruch in der Seele eines Einzigen hatte ihre ganzen lebenslangen Gedächtnisbündel zu Schanden gemacht. Und Fyr herrschte nicht durch Gewalt und rohe Strafen, von seiner Herrlichkeit allein ging Macht aus, alle beugten sich gutwillig vor ihm und seinem Feuer.

Fyr regierte durch Freigebigkeit; das Waldvolk erlebte unter seiner Führung eine ununterbrochene Reihe von Festen. Er setzte das Opfer in System, führte bestimmte Regeln zur Fütterung des Feuers und der gelegentlichen Teilnahme der Menschen ein, alles nach geheimnisvoller Übereinkunft mit den Feuermächten, für die er allein einstand, Übereinkünfte, deren Ursprung später vergessen wurde, an denen man aber um so hartnäckiger festhielt, je weniger man sich ihres Zweckes erinnerte.

Das Opfer, wie Fyr es einrichtete, beruhte auf der naiven Auffassung, daß das Feuer ein verzehrender Geist sei, der bei jeder Opfermahlzeit den Vorsitz hatte; daß die Menschen mitessen durften, beruhte auf einer ebenso naiven, grundlegenden Offenbarung, indem nämlich das Feuer, wenn man es fragte, nichts sagte, was man als Zustimmung betrachtete, und sich an den Resten gütlich tat. Man sah Fyr stets vor Anfang jedes Gelages ein heiliges Gebet murmeln, kein langes Gebet, aber sicher von großem Gewicht, weil er es nie unterließ. Wenn er das Feuer dann gefragt hatte, lauschte er einen Augenblick, ob es etwas sagen wollte, und wenn keine Absage erfolgte – was übrigens noch nie vorgekommen war – und das Fleisch gar war, machte man sich mit gutem Gewissen darüber her.

Was und wieviel das Feuer übrig ließ, war Ansichtssache, darüber entschied Fyrs Einsicht und Taktgefühl; im Laufe der Zeit kamen er und das Feuer zu einem Verständnis, das für beide Teile sehr befriedigend war. Durch unmittelbare Beobachtungen wurden die Opfernden auf den Geschmack des Feuers geführt, der von dem der Menschen wesentlich verschieden war. Das Feuer zog Holz und Früchte vor, fraß lieber altes, trockenes als frisches Holz; welkes Gras und Laub verschlang es mit Gebrüll und Geflacker, konnte gar nicht davon genug bekommen. Was das Fleisch betraf, so lehrte die Erfahrung, daß das Feuer Haut, Knochen und Eingeweide des Opfertieres mit gutem Appetit verzehrte, folglich, da es eine so vorzügliche Verdauung hatte, blieb das schiere Fleisch, der Bug und alles übrige für den Opfermann und die frommen Teilnehmer an der Mahlzeit. Legte man alles Fleisch auf einen Haufen und Knochen und Haut auf einen andern, zeigte abwechselnd auf beide und fragte das Feuer, welchen Haufen es haben wollte, dann sagte es gar nichts, was doch wohl heißen sollte, daß man selbst die Wahl treffen konnte. Auch dieser Form genügte Fyr bei jedem Opfer, man sah ihn murmeln und mit dem Finger zeigen und begriff, daß ein heiliger Bund zwischen ihm und dem Feuer geschlossen wurde. Darauf tat man dem Feuer alle Ehre an, aß, solange man konnte, bis man voll war und der letzte Fettpfropfen den Hals verschloß. Man opferte unverdrossen früh und spät.

Dreimal am Tage rief Fyr zum Opfer auf, indem er aus unerklärlichen Gründen Gunung Apis und des Feuers Wesen mit der Sonne in Verbindung brachte. Das war für gewöhnliche Waldleute zu hoch, doch an und für sich billig, denn wurde auf das Auf- und Untergehen der Sonne und ihren höchsten Stand am Mittag Rücksicht genommen, so paßte das sehr gut mit den Bedürfnissen der Menschen überein, die auch am meisten Hunger hatten, wenn sie erwachten, wenn der Vormittag lang gewesen war und bevor man sich schlafen legte; mochte die eigentliche heilige Bedeutung der Mahlzeit eine Angelegenheit zwischen Fyr und seiner Sonne bleiben! Doch nicht nur bei den dreimaligen täglichen Opfern hielt Fyr gemeinsame Mahlzeiten mit seinen heißen Mächten ab, er gab auch zu bestimmten Zeiten, die manchmal recht weit auseinander lagen, große außerordentliche Opferfeste; zum Beispiel bei der Wiederkehr des Mondes: auch zur Jahres- oder Sonnenwende, wie er es nannte, berief er schwere Schlachtopfer ein; am volkstümlichsten und beliebtesten aber waren die Mondfeste, dabei wurde gesungen und getanzt!

Zu ihrer Popularität trug eine Sitte aus der Vergangenheit ihr Teil bei; in Vollmondnächten waren schon die Alten zusammengekommen und hatten sich mit Gesang und dem Wohllaut des hohlen Baumes belustigt; jetzt kamen die großen rauchenden Nachtopfer hinzu, ein gewaltiges Feuer in der Mitte der Versammlung und so viel Opfer, wie man herbei schaffen konnte; wenn möglich ein ganz gerösteter Elefant, in einer Grube gefangen, als Schwerpunkt bei der Mahlzeit, oder eine Herde wildes Vieh, das man über einen Abhang gejagt hatte. Riesenmäßig wurde dann hinunter geschlungen, der Zapfen geschmiert, Blutpfannkuchen in Asche gebacken, schön verkohltes Fleisch, gebräuntes Schmer die Kehle hinunter und umgekehrt seelenvolles Gebrüll aus der Kehle heraus. Geist entzündete sich unter dem Druck der vollen Adern, Sprachblumen entfalteten sich in nackter Pracht, Überfluß zeugte Beredsamkeit und Fettmengen Gesang – bald war auch der Tanz nicht mehr fern!

Der lähmende Einfluß, den das Feuer sonst auf die wilden Nerven ausübte, schlug in Erhitzung und atemlose Bewegung um, man nährte keine kopflose Angst mehr vor dem Element, fiel nicht mehr aufs Gesicht, sondern wagte um das Feuer herumzugehen, ging viele Male herum, halb aus Furcht und ganz aus Freude, ging im Zauberkreis um den Heißen, Hand in Hand, hingerissen brüllend, Huldigung und Besitzerfreude in einem Atem; und das alles dauerte nicht nur eine armselige Stunde, die ganze glückselige Nacht ging man im Rundgang um das Feuer herum, liebte es und brüllte dankbar, tauchte andächtig ein Talgstück hinein und schlürfte es, wenn es recht schön brenzlig roch, worauf man seinen frommen Bruder wieder bei der Hand faßte und mit geschmiertem Gaumen und frischem Lobgesang auf den Lippen um das Feuer wanderte, mit Freudengeheul ohne Worte, aber aus vollen Lungen und mit endlosen Wiederholungen; unter einstimmigem, dem Feuer und Mond geweihtem Gebrüll wurde der Tanz die ganze Nacht fortgesetzt, bis der Sonnenaufgang sich meldete und man an das Morgenopfer für das Feuer und einen Happen für sich selbst nach der anstrengenden Anbetung denken mußte.

Es entstanden die heiligen Feuertänze, an denen das ganze Waldvolk teilnahm, wobei man das Feuer nachahmte, mimische Tänze; man sprang auf und nieder, schlug mit den Armen aus und deutete ganze Armvoll Rauch an, man sang ein Knisterlied, sauste und war grimmig, man ging die ganze Nacht feuertoll auf den Zehen, mit Fackeln in den Händen, kurz, man war selbst das Feuer, nahm es in seiner Seele auf und gab ihm sein Wesen in Form von Gesang zurück. Der Gesang war sehr einfach, man wiederholte mit entzücktem, einstimmigem Gebrüll ein einziges Wort, den Namen des Feuers, o Feuer, die ganze lange Nacht, herrlich, herrlich! Wiederholungsvers: ein Bissen Fleisch, und die Finger abgeleckt! Gut, gut, o Elefant, schmecken deine Fußwurzelbeine, wenn du das Feuer betreten hast, o Feuer, und in die Ewigkeit eingegangen bist. Schmerzlos liegst du mir im Magen! – Ja, ja, es wurde getanzt, gesungen und gegessen!

Indessen bestanden die Feste keineswegs nur aus roher Fresserei; die seligen Eßgesänge und die Begeisterung über das Feuer trugen die Keime zu einer beginnenden Poesie in sich. Fyr hatte entdeckt, daß sowohl das Feuer als auch der Mensch sich von andern Dingen als denen, die nur den Gaumen fetteten, nähren konnten. Wohlgeruch. Das Feuer gab einen geistig höheren Genuß zu erkennen, wenn man ihm gewisse Pflanzen gab, würzige Rinde und Harz; dann schwitzte es wollüstig und qualmte so süß, daß selbst ein Mensch sich darüber freuen mußte. Aus diesem Grunde richtete Fyr verschiedene Mäßigkeitsopfer ein, bei denen nur der Rauch, der zum Himmel stieg, als eigentliche Gabe betrachtet wurde; dieses Opfer war auch für den Spender nicht ganz umsonst, denn in satten Stunden hatte man sein Behagen daran, einen würzigen Rauch zu atmen, zu husten und seine Seele durch Gedankenflug und Ruhe zu erweitern.

Andächtig schaute das Waldvolk Fyrs Rauchkünsten zu; man war Zeuge, ohne sein Gehirn dabei anzustrengen, wie das Feuer im Verein mit dem großen wissenden Feuermann Wolken hervorbrachte! Überhaupt konnte kein Zweifel darüber bestehen, daß Fyr es war, der das Firmament zusammenhielt.

In den großen Festnächten, wenn die Menschen im Kreis ums Feuer gingen, schlossen wiederum die Tiere um sie einen Ring, aber in weiter, weiter Ferne; sie wollten doch mal sehen, was da eigentlich vorging, warum sie alle sterben mußten. Und sie hörten den Beschwörungschor des Waldvolkes, ohne dadurch klüger zu werden; der Elefant trat aus dem Walde, schüttelte den Kopf und schwankte in den Knien; klug war er ja, hier aber hatte er die Grenze seiner Weisheit erreicht; der Tiger grinste geblendet und beleidigt, wie er seitdem immer gegrinst hat, zerbrochene Macht; der Ochse stand und glotzte, während ihm Speichel aus dem Maul troff; alle Tiere wurden schweigsamer, blinzelten mit den Augen, als ob sie begriffen, daß sie etwas sahen, ohne zu sehen. Ja, sie waren stehengeblieben, und diejenigen, die später einmal mitfolgten, sollten nicht einmal wissen, was mit ihnen geschah. Nur das Schwein mästete sich ohne bange Ahnungen, den Rüssel auf der Erde, ohne zu wissen, daß es dadurch seine eigentliche Bestimmung erfüllte.

 

Aus dem ersten Herd, Fyrs Wohnstätte, entwickelte sich ein Heiligtum. Anfänglich in aller Bescheidenheit, ein nacktes Feuer auf der nackten Erde, doch fragt es sich, ob je einem geweihten Ort größere Ehrfurcht erwiesen ward.

Je mehr die Furcht der Menschen vor dem Feuer im täglichen Verkehr abnahm, desto zahlreicher wurden die Symbole und Mysterien, mit denen man es umgab. Dafür sorgte Fyr, das ergab sich aus dem ursprünglichen Verhältnis, in dem er zum Feuer stand: das Feuer gab ihm Macht, darum nährte er es.

Es sollte standesgemäß wohnen. Fyr baute ihm eine Erhöhung aus Steinen, zur Erinnerung an den Berg, woher es gekommen war, einen Altar, ein kleines Abbild von Gunung Api, und um den Altar herum stellte er Dinge auf, die das Feuer erfreuen sollten, Gehirnschalen und Hörner von geopferten Tieren, damit das Feuer stets die Vorstellung von großem Wild behielt, wenn die Fleischversorgung zuzeiten knapp und die Teilnahme an der heiligen Mahlzeit groß war.

Wenn man es recht besah, genügte es eigentlich, daß das Feuer den Geschmack bekam, während es den Braten gar machte; mit andern Worten, man überließ ihm den Duft und Rauch und weiter nichts. Genügte das nicht für den täglichen Gebrauch? Das Feuer schien sich gewissermaßen im Bilde ernähren zu können, sog aus dem Geiste einer Sache Nahrung, ohne sie selbst zu fordern.

Es kam vor, daß Fyr Steine fand, die von der Hand der Natur eine gewisse Ähnlichkeit mit Tieren oder Tierköpfen besaßen, und er meinte, man könnte das Feuer damit erfreuen, abgesehen davon, daß man sich die Mühe sparte, entsprechende lebendige Opfer herbeizuschaffen. Er machte den Versuch, stellte einen Stein, der ihn an einen Hirschkopf erinnerte, in der Nähe des Feuers auf, und um die Ähnlichkeit noch deutlicher zu machen, brüllte er dazu und brüstete sich wie ein Hirsch; darauf fragte er das Feuer, ob das Opfer ihm schmeckte, und da es nichts sagte, war die Sache entschieden.

Dem Feuer das Bild zum Verzehren zu geben, wäre ein grober Mangel an Einbildungskraft gewesen, denn gerade an der Betrachtung des Bildes ergötzte es sich offenbar. Man mußte das Bild bewahren, damit die Erbauung stetig werden konnte. Darum stellte Fyr den Stein vor dem Feuer auf, und wahrlich, seine eigene Seele war jedesmal vom Hirsch voll, wenn er ihn betrachtete. War es nicht klar, daß dies der richtige Weg war, um das Feuer in einem höheren, wesentlich edleren Sinn zu ernähren?

Es blieb nicht beim Bild des Hirsches allein, Fyr fand viele andere Steine, die einem fruchtbaren Auge wie Tiere erschienen; ein jeder konnte sehen, daß ein runder, schwerer Stein, mit der Andeutung eines Rüssels, ein Elefant war; der erste plumpe Stein stellte eine Kuh vor, und von dieser Sorte Vieh konnte man sich so viel verschaffen, wie man wollte; Fyr stellte ein ganzes Tierreich um das Feuer herum, einen heiligen Kreis, und nahm an, daß das Feuer diese Steine, die fast wie Tiere waren, als einen sinnbildlichen Ausdruck dafür nahm, daß es immer versorgt sei.

Und war die Ähnlichkeit zu gering, so half man mit freier Künstlerhand ein wenig nach, damit das Tier aus dem zufälligen Stein bester hervortrat; im Grunde war eine ursprüngliche Ähnlichkeit gar nicht nötig, man konnte irgendein Tier in den ersten besten Stein hineinritzen, wilde Pferde oder Büffel, die so täuschend ähnlich wurden, daß einem beim bloßen Anblick das Wasser im Munde zusammenlief – und warum mußte es im Grunde ein Stein sein? Da das Bild im Geist und nicht im Stein war, so konnte man ein Tier hervorzaubern, wo man wollte, die Seele lag ja in der Linie; und hatte man die, dann hatte man auch das Tier.

Für das Feuer, das sich gern auf solchen Umwegen nährte, war es eine fruchtbare Kunst, mit deren Hilfe man es jederzeit durch die Umrisse einer Mahlzeit erfreuen konnte, die man sich in Wirklichkeit sparte oder aus Gesundheitsrücksichten sich selbst zum Opfer brachte. Holz gönnte man dem Feuer immer für den täglichen Bedarf: dafür sorgten die Frauen.

Fyr hatte es so geordnet: die Weiber brachten dem Feuer Holz; das ganze Waldvolk aber ging von früh bis spät auf die Jagd, um Opfer für das Feuer herbeizuschaffen, das sich allerdings gern mit dem Wild in einem Bilde begnügte. Daß Fyrs eigener Anteil mit der Zeit kein geringer ward, bewies sein Körper, der sich mit den Jahren zu einem wahren Gunung Api entwickelte, einem sitzenden Berg von Fett.

Nachdem aber die meisten Stämme sich an das Feuer gewöhnt und alle ein Herdfeuer bekommen hatten, das sie auf eigene Faust nährten und entsprechend ehrten – das Hauptopfer erhielt natürlich Fyrs Feuer –, da zog Fyr mit seinem Urfeuer in eine Höhle und errichtete dort ein großes Heiligtum.

Die Höhle lag in einem Felsen, war pfadlos und dunkel, man mußte durch nasse Gänge gehen, bevor man endlich Licht im Innern schimmern sah; dort wohnte Fyr in unheimlicher Größe mit dem alten, heiligen Sonnenfeuer, dem Vater aller übrigen Feuer. Zur Erbauung des Feuers hatte Fyr an Decke und Wänden alle Tiere der Jagd entworfen, und hier nahm er Opfer entgegen!

Ja, Fyr war ein Künstler. Was er im Geiste schuf, das war. Er umgab sich mit einer Wirklichkeit, die er sich zu eigen gemacht hatte, hier war er der Herr; an die Wirklichkeit draußen dachte er nicht mehr zurück.

 

Eines Tages aber sprach Gunung Api!

Lange hatte der Berg sich ruhig verhalten, so lange, daß das Waldvolk seine Macht fast vergessen und andern zugeschrieben hatte. Er rauchte nur und führte Krieg mit dem Regen, blitzte in den Wolken, murrte auch hin und wieder. Plötzlich eines Tages aber erzitterte er in seinen Grundfesten, ohne vorherige Warnung und so heftig, daß große, gewaltige Felsblöcke an seinen Seiten herabgehüpft kamen, Wasser aus den Seen plätscherte und Bäume im Walde schwankten; große Strecken machten einen Schritt, als ob der Wald die Absicht hätte aufzubrechen; tiefe Klüfte entstanden in der Erde und verschlangen Wasserläufe: es gab eine furchtbare Verwirrung. Sie dauerte nicht lange, nachher aber fuhr der Berg fort in seinem Innern zu knurren und zu knarren, der Tag ging unter in Dunkelheit, Blitze fuhren hin und her, und der Donner rollte, nicht in einzelnen Ausbrüchen, sondern ununterbrochen, wie ein ungeheures, andauerndes Dröhnen. Jeden Augenblick erwartete man einen Waldbrand, es schien der letzte Tag der Welt zu sein.

An diesem Tage wurde Fyr geopfert.

Hastig, durch viele Dinge, die zusammentrafen, vor allen Dingen aber hastig wurde sein Schicksal bestimmt.

Erstens blieb er nicht unberührt von dem Unglück; ein Teil der heiligen Höhle, in der er wohnte, stürzte zusammen. Allerdings kam niemand dabei zu Schaden, nur ein Dutzend Frauen wurde in einer Galerie begraben, doch betrachtete man es als ein schlimmes Zeichen. War er unverwundbar, war er Gunung Api, oder war er es nicht?

Zweitens, als er, mit dem Rest seiner Weiber auf den Fersen, aus der Höhle geflohen war, eine meckernde Unglücksschar, auf die er, wie man bemerkte, nicht beruhigend einwirken konnte, hatte man den Feuermann in einer mehr als menschlichen Stellung draußen auf dem Felde auf dem Bauch liegen sehen, ganz wie andere, sich an die schaukelnde, wie in Sprüngen sich bewegende Erde anklammernd und einen Halt suchend, – es war also klar, daß nicht er die Erde in Bewegung setzte, war er doch nicht einmal imstande, aufrecht darauf zu stehen!

Nachdem der erste Schrecken überstanden war und eine Pause in Gunung Apis Zorn eingetreten zu sein schien, versuchten die besonnenen Elemente des Waldvolkes, sich darüber klarzuwerden, was zu tun sei. Man mußte den Berg besänftigen, und zwar so schnell wie möglich. So viel hatte man von Fyrs Verkündigung begriffen, daß das Ziel des Feuers, wie das aller andern Wesen, Nahrung sei; darum das Opfer. Wenn Gewitter in der Luft war oder der Vulkan gedroht hatte, wußte ein jeder, daß er Fleisch wünschte, was er auch stets bekommen hatte. Jetzt aber war Gunung Api böse; hier würde nicht einmal ein ganzer Wald von Tieren genügen, um sein Begehren zu kühlen, man mußte ein besonders köstliches Gericht herbeischaffen, und plötzlich kommt allen wie ein Mann der erlösende Gedanke, daß das Feuer Fyr selbst haben will!

Tiere sind nicht genug, er will Menschen haben, das ganze Waldvolk, noch besser die Krone von allen, ja natürlich, die Menschheit in einer Person, den Pächter der Feuergewalt und der Menschheit im Verein. Und wahrlich, was Gunung Api verlangt, soll er haben!

Heimlich steckt alte Grausamkeit den Kopf neben trocknen Vernunftschlüssen hervor, durch die das Waldvolk sich mühsam hindurcharbeitet. Fyr hat zu leichtsinnig regiert, hat Freude um sich verbreitet, jetzt wird es Ernst, jetzt soll ihm auf den Zahn gefühlt werden! Wer ist er eigentlich, er, der sich für Gunung Api ausgibt? Nun wird es sich zeigen, ob er nicht ein ganz gewöhnlicher Mensch ist!

Was hat man nicht alles stillschweigend von ihm geduldet! Für ihn gearbeitet, für ihn gejagt, und wie hat er sein Amt verwaltet? Konnte man sich auf ihn, der zwischen Gunung Api und der Menschheit stehen sollte, verlassen, droht dem ganzen Waldvolk nicht Untergang, weil er dem Feuer nur Haut und Knochen statt Fleisch gegeben, das Schmer für sich behalten und den himmlischen Verzehrer mit Bildern, geistiger Kost, abgespeist hat, – ins Feuer mit ihm, mochte Gunung Api ihn fressen!

Viel zu lange hatte man geschwiegen, wenn dieser als Gott ausgerufene Umherstreifer vom Zusammenhang der Welt fabelte, wie sie sich ihm in sogenannter Einsamkeit oben auf dem Berg offenbart hatte. Hatte er nicht behauptet, und zwar sollte es aus der unmittelbaren Betrachtung von Himmel und Erde hervorgegangen sein, daß der Tag nicht durch sich selbst hell sei, sondern weil die Sonne schien, obgleich doch jeder Mensch mit gesundem Verstand sehen konnte, daß es umgekehrt war, der Tag war natürlich hell, und die Sonne hatte ihren Glanz von ihm entliehen! Außerdem behauptete er, daß die Sonne ein ähnlicher Geist sei wie der, der sich im Feuer, in Gunung Api, im Blitz offenbarte; vielleicht sei sie sogar der oberste von allen Feuergeistern, weil sie im Himmel wohnte und nur in ihrer gewaltigen Höhe kleiner erschien – hatte man je so etwas gehört, ein jeder konnte doch mit eigenen Augen sehen, daß die Sonne ein gemeiner Stechapfel war – ins Feuer mit ihm!

Hatte er nicht auch den Unsinn gepredigt, daß die Gestalten, die man unten im Wasser sah, wenn man sich darüber beugte, gar keine Leute seien, sondern nur ein Blendwerk, daß man sich selbst wie in einem Bilde sähe – er mit seinen Bildern –, war es nicht unerhört, daß er leugnete, was man leibhaftig sah und wofür ältere Leute einstanden, – ins Feuer mit ihm!

Den Gebrauch des Feuers hatte man allerdings von ihm gelernt, aber, um es ehrlich zu sagen, nur sehr widerstrebend, mit Furcht; seine Schuld wollte man wahrlich nicht auf sich nehmen. Er mußte persönlich für seine Schuld, Gunung Api das Feuer geraubt zu haben, büßen, er war ein gefährliches Element im Stamm. Die alten Erfahrenen, die den Kopf jetzt wieder erhoben, konnten bezeugen, daß es dem ganzen Waldvolk schadete, wenn solch aufrechtes Individuum in ihrer Mitte lebte, dadurch war die ganze Menschheit dem Neid und der Rache der Mächte preisgegeben. Beweis: Gunung Apis gegenwärtiger Zornesausbruch; man konnte nichts Besseres tun, als den Gottesleugner so schnell wie möglich kaltzustellen!

Und seine unbedeutenden Erfindungen, die er der Menschheit geschenkt hatte? Die reinen Selbstverständlichkeiten, die jeder hinterher auch erfinden konnte, und wie hatte er sich damit gebrüstet! Das sollte ihm jetzt heimgezahlt werden!

Indessen, darauf wurde für alle Fälle Nachdruck gelegt, nicht das Waldvolk verurteilte ihn, sondern das Feuer. War er wirklich ein Gott, wie einige meinten, dann würde er nicht Feuer fangen, und in diesem Fall war der Erdboden ja flach genug, daß man sich auf den Bauch werfen und anbeten konnte. War er ein Gott, würde er sicher großzügig genug sein, um die Zweifel geringer Menschlein zu verzeihen; war er aber eine Kreatur wie andere, dann sollte er brennen!

Ach, auf keinem Boden steht man sicherer, wenn die Erde bebt, als auf dem des Zweifels; Fyr brannte, als die Probe gemacht wurde! Ja, ja, die Alten blinzelten sehkräftig mit den Augen, als Haar und Bart ziemlich schnell aufflammten, er war brennbar wie ein Schwein, ein Mensch wie du und ich, was hab' ich gesagt! Echt war sein Jammer, als das Feuer seine Hände und Füße nahm, er brüllte ganz wie ein Mensch. Es war nicht nötig, die Probe noch länger zu machen, er hatte sie doch nicht bestanden; darum ließ man ihn die Axt, seine eigene Erfindung, schmecken, tauchte den Flintspeer in ihn, auch eine seiner Gaben an die Menschheit, die sich jetzt mit Dank gegen ihn selbst kehrte; darauf ließ man ihn von den Feuerweibern aus dem Feuer nehmen und öffnen; darin hatten sie Übung. Er sollte bis auf den Grund geprüft werden!

Die Erde bebte noch ein wenig, Gunung Api schickte Felsblöcke herab, Blitze tanzten oben in der Dunkelheit, mitten am Tage war es wie um Mitternacht, eine häßliche Finsternis, in der das Opferfeuer wie eine Blutlache auf dem Grunde wirkte; und in dieser Unterwelt wurde die Prüfung vollbracht, man schmeckte Fyr und fand ihn reich an Wohlgeschmack, mürbe, flüchtig und delikat auf der Zunge, nicht unähnlich einem Schwein, aber von beseelterer Süße; man bekam bei dieser Gelegenheit den Vorgeschmack zu einem Braten, der später die Menschen in Horden gegeneinander aufhetzen sollte, so daß man scharenweise ineinander aufging und nach der Schlacht nur halb so viele war wie vorher, nur Knochen und Feuerreste übriglassend, wo die Schlacht stattgefunden hatte; denn das Waldvolk hatte Geschmack am Fleisch gefunden und fraß später alles, was nicht stark genug war, sie zu fressen.

Fyr schmeckte gut, man stieß auf und sah sich verstohlen aus blutunterlaufenen Augen an – wie konntest du und ich bloß glauben, Eßbruder, daß dieser Mensch ein Gott sei!


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