Jean Paul
Leben Fibels
Jean Paul

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Nicht das 16., sondern das 17. Kriminal-Kapitel

Der Maienbaum im Paradies

Ich stelle das ganze Dorf zum Zeugen auf, daß ich das 16te Kapitel vermittelst aller Jungen desselben nicht aufzujagen vermocht. Ja die Welt kann sich glücklich preisen, daß ich wenigstens das unschätzbare 17te Kapitel, worin so viel von Liebe vorkommt, an einer alten Halsgerichtsordnung Karls des Fünften als Einkleidung oder Umschlag angetroffen. So zieht sich doch immer genug Zusammenhang mit dem Vorigen fort. Ich finde Helfen im Kapitel, das ich eben schreibe, schon im Mai ansässig und noch unverheiratet, aber voll Liebeserklärung; ferner find' ich Winke in dem, was ich schreiben werde, daß er die Taschendruckerei zwar gekauft, aber noch nicht (vielleicht aus Unkunde des Druckens) für Abc und Welt verwandt; endlich erseh' ich aus dem, was ich sogleich erzähle, leicht, daß Sohn und Mutter manches ausgestanden, manchen kotigen Schnee durchwatet, bis sie da angelangt, wo wir fortfahren.

Wollt' ich sonst die Lücke, welche über einen ganzen Winter hinausreicht, bloß mit Dichtungen zufüllen: so könnt' ichs wohl; oder ich müßte in meinem Leben nicht gelebt oder gelesen haben, um nicht sogleich so viel Jammer und Not bei der Hand zu haben, um zwei sorg- und schuldlose Menschen auf eine Folterleiter zu spannen, die sich vom November bis zum Johannistag hinüberlegt. Himmel! wie leicht wäre nicht beider gewonnenes Hirtenländchen von Doppellust sogar durch den frostigsten Autor dick zu überschneien! – Und wenn dem Leser so sehr an Tränen liegt und er sich aus dem Tränen-Gefäß oder Lakrymatorium eines Paares nicht satt schöpfen kann, so liegt ja noch immer das Heidelberger Tränenfaß des Krieges vor ihm, woraus er mit einem Stechheber sich so viel Jammer holen kann, als er nur Lust hat.

Inzwischen bei dieser Gelegenheit rühr' ich mich selber und jeden andern. Wünschen wir uns lieber Glück zum Verluste des sechzehnten Hiobs-Kapitel! Zu erraten ists ja von selber aus allen Winken, die ich sogleich hie und da einstreuen will, daß der alte Forstmann sich als Hemmkette und Hemmschuh aus Starrsinn dem Brautwagen beider Liebenden anschnallte. Auch sagt' ich es sogleich zu mir, als man das breite grüne Paradies aller dieser Leute aus dem Wandschränkchen zog: »So kann es nicht bleiben; ein paar finstere Wolkenschatten, ja einige Hände voll Hagel wirft der Himmel wahrscheinlich darauf.« – Und o wie ists eingetroffen! Sechs Sprossen, d. h. sechs Monate, sind der vor die Nasen der Helden und der Leser hingestellten Himmelsleiter ausgebrochen.

Die Sache ist diese:

Der Wildmeister war wie alle Einsame oder Waldmenschen – denn ein Wald ist noch weniger volkreich als ein Dorf – unter die Schaumünzen von Selbst-Gepräge gehörig, unter die sogenannten Festhasen, die man für das Fest mitten aus dem Jagdverbot herausschießt. Er hielt sich für klüger als alle Hasen, Rehe, Sauen und Jägers-Pursche, folglich für klüger als die ganze Welt, denn diese bestand bei ihm nur aus jenen. Personen nun von solchem höchsten Verstande, wofür der Forstmann sich galt, nehmen jedes Dekret – sobald sich ihm nur niemand mit Gründen widersetzt – leicht zurück, weil sie den Selbst-Löseschlüssel den ganzen Tag in der Tasche tragen und sie wenigstens bei sich recht haben, wenn sie Nein nach dem Ja sagen und umgekehrt. Gleichwohl waren seine Wald-Kabinettsordres, seine pragmaticae sanctiones, seine Kreisdirektorialkonklusa, seine edicta perpetua so unwandelbar und ehern, daß sie niemand ändern konnte als er selber, was er eben darum, mehr sich als andern zu Gefallen, unaufhörlich tat. – So kam er denn nun einst kurz vor dem Johannisfeste halb freude-, halb bier-trunken nach Hause und sagte ungewöhnlich-freundliche Worte zur Tochter, woraus diese indes auf nichts schloß als auf Schüsse.

Endlich zerriß ihm das Herz, und dabei zeigte er eines, und er hob an: »Den Tannenbaum für Johannis (zum Maienbaum) habe ich prächtig losgeschlagen, um drei Taler zu teuer; besonders muß ich dir sagen, du sollst endlich einmal deinen Studenten heiraten, so gewiß die Pursche den Maienbaum aufrichten.« – Die Tochter fing an: »Herzallerliebster Vater, und wenn Ihr meine leibliche Mutter wäret, so könntet Ihr nicht mehr an mir tun, daß Ihr so«.... Er aber fuhr unbekümmert um ihre Antwort fort: »Denn ich habe mirs bei mir wohl überlegt, wenn ich einen einzigen Jägers-Purschen zu Hause lasse, so ist mir das so gut, als wenn du da bist. Ich will dich an deinem Glück gar nicht hindern, da dein Kerl einmal die JagdkugelEine Kugel so groß wie ein Ei, aus vielen nahrhaften Bestandteilen gebacken, womit Jäger und Pferde sich lange gegen den Hunger wehren können. im Maule hat.«

Aber er erklärte fest, daß sie »ihrem Patrone« nicht eher die Heirat antragen dürfe als am Johannis-Vorabend, wenn der Maienbaum aufgerichtet würde, und zwar nicht eher als im Augenblick, wo er aus dem Wirtshause mit dem Hifthorne dreimal hintereinander herausstoße und beide »jagdgerecht« blase. Am Morgen darauf sagt' er: »Ich weiß, was ich gestern gesagt, aber es bleibt dabei.«

Wir müßten das untergegangne Kapitel gelesen haben, um recht in Drottas freudig aufgestürmtes Herz hineinzukommen. Sie muß viel gelitten und wenig gesprochen haben; es muß ihr der Aufschub ihrer Liebe, den sie vor dem Reichtums-Tage so leicht ertrug, nach der Ankündigung desselben sehr hart auszuhalten vorgekommen sein. Sie sah bleich aus, so stark und arbeitsam sie war. Aber der Schmerz der Liebe zernagt Geister und Körper, männliche und weibliche Kraft; und der Schmerz frißt heißer weiter, weil der Mensch zu niemand wie bei andern Leiden sagen darf: ich leide, denn er könnt' es nur zur zweiten Seele sagen, mit der er nicht reden darf oder die mit ihm leidet.

Nachmittags vor Johannis kam sie mit dem Vater im Wirtshaus in Heiligengut an, als die jungen Pursche, mit Bändern um den Hut, mit langen bunten Seidentüchern um den Hals, etwas Ähnliches für die rote Fahne des Maienbaumes einsammelten. Drotta gab – sie hatte nichts anders – eine ganze eben gekaufte Rolle rotes Taftband dem Baume zur langen Siegesflagge her, welcher der Segelbaum einer neuen Zukunft, die Siegessäule ihrer Wünsche geworden. Endlich wurde der weiß-glatte voll geschmückte Freiheitsbaum dieses Freuden-Abends in die Erde eingetrieben, und Hebstangen und Haltstricke der Dorfjugend hoben ihn unter Lust- und Lenk-Geschrei in den abendroten Himmel hinein, und sein vielfarbiger Gipfel-Schmuck flatterte auf, und das lange rote Band hing spielend den halben Baum herab.

Auch Gotthelf hob in Feierkleidern mit, aber ganz schlecht und sah nach dem Wirtshaus. Von einem Manne, der zehnmal mehr Souverains vorspannen konnte als Sesostris Fürsten, galts im Dorfe schon viel, wenn er nur anfaßte; auch war er der Student. Kaum war der Lustbaum eingekeilt, so fingen Geigen und Tänzer an. Die Nachtkühle lud zum Tanze – ein Tanz am hellen Mittag ist Tarantelstich –; die gelassensten Pursche wollten einen Vorschmack und Imbiß vom morgendlichen Johannistage nehmen; und tatens. Die Wildmeisterin näherte – Freundinnen waren die Sprossen der Jakobsleiter – sich dem scheuen Helf, der ihr bisher mit nichts nachgegangen war als mit Blicken. Ihre offene Freundlichkeit, sogar in der väterlichen Nachbarschaft, setzte ihn nicht in nachsinnende Verlegenheit, sondern in trunknes Entzücken. Ein so schneller Zug aus dem Freuden-Becher oder Tummler stieg ihm in den Kopf, daß er alles sich drehen sah und sich selber zu drehen entschloß. Er fragte sogleich nach nichts, und wenn hundert Väter Drottas im Wirtshause säßen, sondern ergriff ihre Hand und fuhr ins umlaufende Weltkörper-System hinein mit allen Schraubengängen älterer astronomischer Systeme oder seines eignen Körpers. Die Geigenwirbel wurden ihm kartesische Wirbel – auf der Geliebten blassem Angesicht schlugen gar zu anmutig rote Blüten aus – ihm war bei dem Niederschlagen ihrer Augen, als sei sie ordentlich zu vornehm für die Baum-Ronde – aber die kleinen Drucker ihrer Hände gaben dem Gemälde seines Glücks gewaltiges Licht – weit flatterte das rote Band in den Himmel und über die Tänzer, wie eine Freiheitsflagge des Lebens, wie ein all-verknüpfendes Liebes-Band – Gotthelf wurde ein völliger geschwungner Brand im Feuerrad, das den Baum umlief – zum ersten Male ermüdete ein Tänzer eine Tänzerin.

Das Abc hatte sich tief in seinem Kopfe zurückgezogen; er war selber ein Abc-Hahn mit geschwungenen majestätischen Flügeln.

Sie bat endlich um einen Sitz. Am Wirtshause stand ein Kirschbaum mit einer schlechten Laube, in welcher man auf einem hölzernen Bänkchen gut verdeckt und ungesehen ins Fest-Gewühl einschauen konnte. In Dörfern dürfen ein Paar warme Menschen sich schon hinsetzen und hinbegeben, wohin sie wollen; kein Argwohn verbietet oder verbittert die Unsichtbarkeit. In Städten freilich erscheint jede Entfernung von den Zuschauern als eine von der Tugend, und kein kostbares weibliches Herz wird allda in Wäldern und Feldern oder in Zimmern gesichert und gedeckt genug geglaubt ohne eine Ehren–Wache von hundert Hoch- und Nachtwächtern mit Schnarren, von Addisons spectators und Schirmgöttinnen u. s. w., so daß weibliche Herzen von Stand und überhaupt städtische Damen wegen ihrer Zartheit und Reinheit zu einem so außerordentlichen Werte geschätzt werden, daß man sie gänzlich Kunstwerken, z. B. Cassanovas und anderer guten Künstler fürstlichen Bildsäulen gleichstellt, vor welche man gegen Verletzungen Tag- und Nacht-Wachen ausstellt.

Anfangs saßen beide Liebende dem fernen Rund-Getümmel mit Wonne gegenüber – die Kinder wurden wach und liefen heraus und wiegten sich im Hemde auf Wagendeichseln, die Männer kamen aus dem Wirtshause, die Weiber aus den Stuben, und alles freuete sich ineinander. »Mir ist heute so tanzerlich zumute, Jungfer Wildmeisterin«, sagte Helf; »ich könnte fast von einem Stern auf den andern springen, und wohl darüber weg, da sie einander so nahe hocken. Und ach, Sie ist wohl so gar sehr gut gegen mich, allerliebste Wildmeisterin.« – Sie drückte ihm die Hand ungemein zärtlich und scharf; was aber wohl kein Unparteiischer für einen Bund-Bruch gegen ihren Vater erklärt, insoferne er bedenkt, daß der Forstmann außer der Zungen- und Büchsensprache gar keine andere kennt und voraussetzt, mithin keine Finger- oder Augen- oder gar Herzens-Sprache.

Aber dieses Anwehen der nahen Liebe bei dem Anblicke des hüpfenden Menschenspiels kehrte auf einmal den nahen Fibel um, er saß als der leibhafte Gott der Sehnsucht da, er sagte und klagte, wie wenig ihn jetzt die ganze Erbschaft erfreue und das Abcbuch, sobald er gegen den Waldberg hinschaue. Sie bat ihn aber mit frohem Tone nur um ein kurzes Gedulden; und es sei gar kein halbjähriges. Dieses goß schon wieder so viel Labsal in den Gott der Sehnsucht, daß er ganz froh ausrief: »Wie doch heute die Kirschen so schön blühen und riechen!« Drotta fing zu lachen an, weil er den mit atmenden Blüten hinaufsteigenden Jelängerjelieber für Kirschblüten genommen.

So saßen sich beide weit in die Nachmitternacht hinein. Der alte Jäger vergaß das Hifthorn über das Trinkhorn. Um den lustigen Maienbaum wurd' es leer und leerer, und Liebende nach Liebenden gingen selig nach Hause. Das lang in den Himmel hineinflatternde Purpurband des Mädchens und der Waldberg voll Mondsschnee und die aus den festen Sternen herabschießenden Erden-Sterne und das Herüberglänzen weißblühender Schotenfelder und ein langer dicker weißer Raubvogel, der gar nicht von der Turmfahne wegwollte, und das zärtliche Neigen der Gipfel eines Wäldchens gegeneinander – – – dies machte ihn und zuletzt auch das Mädchen immer wehmütiger; es war für ihn hart, so vor dem Glücke als Verarmter zu sitzen, und für sie noch härter, einen teuern Trostlosen neben sich zu sehen, dem sie den nahen Trost vorenthalten mußte.

Zuletzt, als ers nicht mehr aushalten konnte, stand er auf und sagte: »Nun gut! so ergeb' ich mich denn in Gottes Willen! Lebe Sie immerdar recht herzvergnügt, Jungfer Wildmeisterin! Und ich und meine Mutter werden wohl von nun an ewiglich allein beisammen bleiben.« Er nahm und drückte ihre Hand und wollte sie fahren lassen.... – – als auf einmal der heitere Forstmann lustig mit dem Hifthorn aus einem Wirtsfenster herausblies und der Tochter das Zeichen der Einwilligung gab.

Aber Drotta konnte vor Herzensfülle nicht reden, hielt nur seine Hand fester, mit der andern aufs Fenster zeigend, und fing zu weinen an. Er fing auch an. Jetzt war ihr vollends die Erklärung des herausgeblasenen Vaters-Ja unmöglich. Sie rief daher bänglich: »Vater! Vater!« – Er kam mit dem Horne heraus, sie fiel ihm an die Brust und sagte: »Ich hab' ihm noch nichts gesagt, sag' Ers!« – »Nun, mein gelehrter lieber Student,« hob er an, »in acht Tagen ist Er mein Schwiegersohn« und zog ihn bei den Haaren an seinen Kußmund.

– – Es gibt viele Entzückungen in der Welt – viele herrliche Nachmitternächte und Waldberge – viele rote Bänder, die ausgewickelt im Morgenrote flattern – viele Wildmeister und Studenten – Aber diese Nachmitternacht und allen Zubehör behält der Student allein; er sank in einen unauflöslichen Kuß der Geliebten hinein, und der Jäger blies wieder das alte Lied, um nur etwas zu tun und zu begleiten. Wie glänzten jetzt die Sterne anders und der Blütenschnee der Erbsenfelder – wie wollte das Band gleichsam von Osten herüber nach Westen flattern, und wie spielten mit allen farbigen Tüchern und Bändern des Freuden-Baumes die duftenden Frühlingswinde! Und wie waren zwei Menschen so froh! –

Es war gut, daß sie dem Vater in das Wirtshaus folgen mußten; denn ein Jahrzehend vergeudet ein Mensch in einem solchen Minutenzehend, und es ist daher gut, zwischen solchen Minuten einige Stunden und Tage einzuschalten.

Der Jäger wollte sogleich mit dem Himmel des Paars in die Schlafkammer der Mutter einbrechen; aber die Tochter bereitete ihm im Kruge seinen Wärmtrunk zu, weil er die Nachmitternacht noch mit Jagen verbringen wollte. Sie wußte geschickt so lange daran zu kochen, daß der Vater die sieche Schwiegermutter nicht aus dem schönsten Morgenschlafe jagen konnte. Alsdann zogen alle – der Vater auf dem Hifthorne voranjubelnd – die Morgenröte gerade im Angesicht – Lerchen über dem Kopfe – frischer Morgenluft entgegen – ins Mutter-Häuschen ein; und Drotta weckte gelind.

Die Mutter, bei welcher sonst das Weinen der Tau war, der den Kelch der Freudenblume glänzend anzeigt und füllt, stand anfangs bei dem Empfange trocken da und sah lächelnd und wie verworren umher; ihre Freude war zu groß und zu weit.

Der Jäger zog nach den nötigsten Anreden bald seinen Tieren nach. Drotta blieb auf ihre Bitte an den Vater den ganzen Tag im Häuschen zurück, um, wie sie sagte, der Mutter die Einrichtung ein wenig abzulernen. Sie wurde im Hause halb Braut, halb Frau. Die Mutter verrichtete vor lauter halb weinendem, halb lächelndem Zuschauen fast gar nichts. Die Sonne und der Frühlingsduft füllten die offne Stube. Fibel an sich wankte ohne bedeutenden Verstand im Hause herum; denn die Nacht läßt sich wohl den Schlaf, aber nicht den Traum entwenden, sondern schickt diesen als Nachregenten, als letztes Mondsviertel in den ganzen hellen Tag.

Er wollte ein wenig feilen am Hochzeit-Kranze, am JägerhornNämlich in der Zeile: »Das Cränzlein ziert den Hochzeitgast« – und »Das Jägerhorn macht Lust und Freud«. und sonst, aber er hätte ebensogut die Turmfahne polieren können; es wurde nichts vor Lust. Er machte daher mit seinen seligen Nachträumen einen Spaziergang in die Küche, dann gar eine Reise ins Dorf bis zum Pfarrhaus und trat schleunig die Rückreise wieder an, um zu sehen, was sich zu Hause nach einigen – – Minuten etwa Neues zugetragen. Darauf konnt' er sich leichter zu einer längern Reise durch Heiligengut entschließen. Er trat sie an. Das ganze Dorf schien ihm neu umgebauet zu sein und zu lächeln, um in seine Feier zu stimmen. Johannisfest war ohnehin. – Stolz und sieghaft und die gerötelte Fahne voll Bänder herumwerfend, stand der Maienbaum als Siegespalme und Ehrensäule seines Lebens im Dorf. Alles war schon im voraus so lustig, daß mehrere Mädchen die Gänse im Sonntags-Anzuge auf dem Gemeinde-Anger weideten. Ihm gefiel viel, sogar der Bogen, den der Mäher machte, und darauf die nett hingelegten Beete Heu. Er sagte zum Schulmeister Flegler: »Gehorsamster Diener«, und dieser versetzte: »Schönen Dank«, aber er war ganz zufrieden damit. Am Pfarrhause leerte sich eine ganze Kutsche voll vornehmer Herren und Damen aus, und er grüßte die Fremden sämtlich und wurde noch besonders hingerissen von einem unbeschreiblich rosenrot-blühenden Damengesicht, weil er nicht erriet, daß bloß der rote Fächer es mit Purpur-Widerschein bezog; – und zum Freudenglanze des gastlichen Pfarrhauses, der sonst alle seine Wünsche überstieg und verdunkelte, gab er gern sein stilles Ja, weil er zu Hause die Wiederholung bereitstehen wußte. – Und endlich sangen noch ein paar mit eingefahrne Stadt-Kinder, weil es Kindern an Text fehlt, das A B C D u. s. w. lustig vor, und er hörte seine Zukunft voraus.

Er ging nach Hause und brachte an den Mittagstisch eine ganze Brust voll hellen Tagsschein, mit heiteren Gestalten bevölkert, mit. Unter dem Gastmahl ging sein Auge von der Geliebten zur Mutter, von dieser zu jener; Drotta allein schien am gefaßtesten und männlichsten, nur ein besonderer Zug einer ihr seltenen Rührung ging durch das ganze Gesicht, der aber auf diesem das fremde Herz mächtiger angriff als ein ganzes Auge voll Wasser. Sie war weit mehr für die Mutter tätig und vorsorgend als für den Sohn; aber ihm war gerade dieses Schwiegertöchterliche ungemein erfreuend, denn er konnte vor Liebe beben und hineinlieben, wenn er jemand seine Mutter recht herzlich lieben sah. Gleichwohl hatt' er nicht den Mut, die Braut vor den Augen der Mutter zu küssen, sondern er versparte es, bis diese hinausging.

Falls auf der Erde es kurz vor den schweren Gold- und den Silberhochzeiten eine Äther-Hochzeit gibt: so war an diesem Tage Fibel gewiß ein Äther-Hochzeitgast auf der letztern; aber man dankt ordentlich dem Schicksal dafür, das ihn sonst in manchen Punkten nicht am reichsten ausgesteuert, ausgenommen etwan sein bißchen Unsterblichkeit und sein Zufriedensein. Letzteres herrschte fast zu stark in ihm, den Ruprecht des Lebens verheiratete er mit Christkindlein; für die Ährenlese der Freude sah er schon Strohlese an, und so war ihm ein leeres geschwärztes Buch schon ein Buch geschlagnen Goldes. Das Schicksal mochte ihm Hübsches reichen, was es wollte: er hatte stets einen guten Vergrößerungsspiegel im Auge angebracht und dadurch leicht die Kirsche zum Pfirsich geschwellt und die Beere zum Apfel.

Bloß anlangend seine Unsterblichkeit, übertrieb er nichts, sondern versprach sich eine so weit ausgestreckte, als die Homerische ist, welche wie seine bloß bis an den heutigen Tag langt; denn den morgenden haben ja die selber noch nicht erlebt, welche sie weiter breiten, z. B. wir.

Ich errate leicht mit Vergnügen, wie sehr die gefühlvolle Welt sich auf einen Hochzeittag freuet und spitzt, dem eine solche Vigilie vorgezogen und von welchem sie (so sagt sie mit Recht) schwer glauben könne, wie er nur zu erreichen sei, geschweige zu übertreffen.


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